Heringsdorf

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Das Ostseebad Heringsdorf ist eine amtsfreie Gemeinde und ein Seebad auf der Insel Usedom im Landkreis Vorpommern-Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern).

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Heringsdorf.

Geschichte

Gründungsphase

Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 geriet Vorpommern und somit auch die Gemeindegegend unter schwedische Herrschaft, nachdem sie vorher zum Herzogtum Pommern gehörte. Nach dem Frieden von Stockholm vom 1. Februar 1720 wurde die Insel Usedom preußischer Besitz. Nach der Verwaltungsreform 1818 kam die Umgebung zur preußischen Provinz Pommern und gehörte von 1818 bis 1945 zum Landkreis Usedom-Wollin.

Georg Bernhard von Bülow (1768–1854) hatte 1817 zusammen mit seinem Bruder das Rittergut Gothen, dessen Ländereien sich bis an die Ostsee erstreckten, aus der Konkursmasse des Mellenthiner Gutes erworben. 1818 ließ er zwischen Ahlbeck und Bansin eine kleine Fischersiedlung mit einer Heringspackerei anlegen. 1820 besuchte König Friedrich Wilhelm III. Swinemünde und wurde auf diese Fischeransiedlung hingewiesen. Darauf besichtigte er den Ort mit seinen Söhnen. Der nicht mehr exakt nachweisbaren Legende nach soll von Bülow den König um einen Namen für die Ansiedlung gebeten haben. Der Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. schlug den Namen „Heringsdorf“ vor.[9][10] Als Gründer Heringsdorfs wird auch Willibald Alexis genannt, dessen wirklicher Name Häring im Ortsnamen weiterlebt.[11] Georg Bernhard von Bülow ließ 1825 als erstes Gästequartier das Weiße Schloss auf dem Hügel Kulm bauen.

Durch Ausholzung des küstennahen Waldbestandes hatte sich ein reizvoller Blick auf die Ostsee eröffnet. Bülow hatte ab 1818 etwa 50 Morgen seiner Ländereien parzellieren lassen. Außer für die Fischerkolonie wurden Grundstücke für den Bau von repräsentativen Villen verkauft, vornehmlich an Adlige und wohlhabende Berliner, unter denen sich viele jüdische Familien befanden. Georg Bernhard von Bülow selbst ließ drei Logierhäuser, ein Gesellschaftshaus und ein Warmbad errichten. 1825 begann der Badebetrieb mit der Eröffnung des heute Weißes Schloss genannten Logierhauses als erstem Gästequartier auf dem Kulm, einer sandigen Erhebung oberhalb der Küste. Bülow ließ auch die Seebadeanstalt anlegen.[9]

Blüte als Seebad

Zu den prominenten Hausbesitzern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten der Schriftsteller Willibald Alexis, der Schauspieler Eduard Devrient und der Rechtshistoriker Clemens Klenze.[12] Heinrich Laube schrieb 1837 in seinen Neuen Reisenovellen: „Dieses kleine Seebadetablissement nimmt die Ruhesuchenden freundlich auf, hier stört kein Gesellschaftshaus, keine eigentliche Saison, das Meer ist im Gegensatz zu Swinemünde dicht dabei, Poeten, die keine bewegte Welt brauchen, die eine halbe Einsamkeit suchen, … resigniert habende Mädchen, … Professoren-Frauen mit vieler Familie, die einer Seewäsche bedarf, Diätiker mit starken Grundsätzen und andre ehrlich Leute, alle die mit einem Worte, welche nicht in Swinemünde oder sonst wo baden wollen, wohnen in Häringsdorf.“[13] Im Jahr 1846 gab die Zeichnerin Wilhelmine Auguste von Schack ein Album mit Zwölf Ansichten von Heringsdorf nach der Natur gezeichnet heraus, die vom Wilhelm-Schirmer-Schüler Carl Julius Henning lithographiert wurden und recht weite Verbreitung fanden.[14]

1848 erhielt der Ort eine eigene Kirche. 1851 verkaufte Georg Bernhard von Bülow seinen insgesamt 800 Hektar umfassenden Besitz an Louis von Treskow (1799–1865). Nachdem dieser in die Infrastruktur und Vergrößerung der Badeanstalt investiert hatte, verkaufte er bereits 1856 an Hermann Weichbrodt,[15] von dem 1859 der Reichsgraf von Stolberg-Wernigerode aus dem Haus Peterswaldau[16] Gothen mit Heringsdorf erwarb. Einen Höhepunkt des Fremdenverkehrs war 1866 der Aufenthalt der preußischen Kronprinzessin Victoria mit dreien ihrer Kinder im Weißen Schloss, dem sich ihr Gatte, der Kronprinz Friedrich anschloss. Da im folgenden Jahr die verwitwete Gräfin Stolberg-Wernigerode ihr Haus selbst nutzen wollte, wandte sich die königliche Familie für fast drei Jahrzehnte von Heringsdorf ab.[17]

1868 erhielt die Heringsdorfer Badedirektion die Erlaubnis zur Erhebung einer Kurtaxe.[18] 1871 erwarben die Brüder Hugo und Adelbert Delbrück knapp 800 Morgen Wald und Dünengelände am Strand sowie mehrere Häuser aus dem Stolbergschen Erbe. 1872 gründeten sie die Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf, die in den folgenden Jahren für die Wandlung und den Aufschwung Heringsdorfs zum exklusiven Badeort sorgte. Kamen die Badegäste bis dahin vor allem aus der bürgerlichen Mittelschicht, entwickelte sich der Ort jetzt zu einem Anziehungspunkt der politischen und gesellschaftlichen Spitzen. Als Dominante des Seebades wurde von 1871 bis 1903 in verschiedenen Bauabschnitten das Hotel „Atlantic“ errichtet, das in den 1920er Jahren unter dem Namen „Kaiserhof Atlantic“ u. a. vom Berliner Unternehmen Kempinski geführt werden und den Status eines offiziellen Kurhause erhalten sollte. Neben zahlreichen weiteren Pensionen und Hotels und einem Spielcasino wurden auch je eine Damen-, Herren- und Familienbadeanstalt erbaut. Es entstanden aber auch kommunale Bauten, wie die Wasserversorgung des gesamten Ortes und später ein eigenes Elektrizitätswerk.[19][20][21]

Bis zur Einführung der „Kreisordnung für die sechs östlichen preußischen Provinzen“ übte der jeweilige Gutsherr von Gothen die Polizeigewalt über Heringsdorf aus.[9] Bei der bis 1874 erfolgten Neueinteilung des Landkreises Usedom-Wollin wurde der Amtsbezirk Heringsdorf gebildet.[22]

Die Seebad Heringsdorf AG ließ von 1891 bis 1893 die Kaiser-Wilhelm-Brücke mit zunächst 400 m langem Seesteg bauen, der 1903 auf fast 500 m verlängert wurde.[23] 1894 wurde die Bahnstrecke Ducherow–Swinemünde bis nach Heringsdorf verlängert. Werner Delbrück, der 1899 für seinen Vater Hugo in den Vorstand der Heringsdorf AG einzog, begründete das Erscheinungsbild des Seebades als Treffpunkt der „Hautevolee“ und als nobles Szenebad. So wurden 15 Tennisplätze gebaut, auf denen auch internationale Turniere stattfanden. Ab 1906 wurden sogar Pferderennen auf einer eigenen Rennbahn durchgeführt. Mit dem 41 m hohen Bismarckturm auf dem Präsidentenberg erhielt der Ort 1905 ein weiteres Wahrzeichen. Mit Delbrücks Tod 1910 und durch den Ersten Weltkrieg ging die erfolgreiche Zeit der Heringsdorf AG ihrem Ende entgegen. 1921 wurden die Immobilien der AG an die Gemeinde Heringsdorf verkauft.[24]

Zwischenkriegszeit (1918–1939)

Heringsdorf blieb auch nach dem Ende von Erstem Weltkrieg und Kaiserreich ein Seebad der Oberschicht, wenn auch die Besucherzahlen zunächst zurückgingen. Die Gäste kamen nun vor allem aus Kreisen der Hochfinanz, besonders der jüdischen. 1927 wurde mit einer 400 m tiefen Bohrung eine Solequelle erschlossen. Für 1927 wurde Heringsdorf als das deutsche Ostseebad mit den meisten ausländischen Gästen eingeschätzt.[25]

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde 1933 der sozialdemokratische Bürgermeister Walter Haefke abgesetzt. In der Nähe der Rennbahn wurde eine Thingstätte eingerichtet.[25] Während in den 1920er Jahren in den benachbarten Seebädern Ahlbeck und Bansin der Bäder-Antisemitismus immer mehr zunahm, galt Heringsdorf noch bis Mitte der 1930er Jahre als „judenfreundlich“. Nachdem der Landrat Helmut Flörke (NSDAP) vorgeschlagen hatte, Heringsdorf zum „Judenbad“ zu erklären, beschloss die Gemeindevertretung am 21. Juni 1935, „daß Juden im Seebad Heringsdorf unerwünscht sind“. In der Kurordnung wurde ihnen das Baden inner- und außerhalb der Badeanstalten verboten. Schließlich beschlossen die Gemeindevertreter am 16. September 1935, jüdische Hotels und Pensionen weder im Bäderprospekt noch im Wohnungsverzeichnis auszuweisen.[26]

1945–1990

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Insel Usedom am 4. Mai 1945 von der Roten Armee besetzt.[27] Der sowjetische Ortskommandant Nasarow ließ den gesamten Innen- und Promenadenbereich Heringsdorfs absperren und 41 Häuser requirieren, um hier auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) ein Sanatorium für sowjetische Armeeoffiziere einzurichten. 1946 brannte das Strandcasino ab. An dessen Stelle wurde bis 1948 das Kulturhaus mit 750 Plätzen im Theatersaal gebaut. Zum Andenken an den 1922 zu einem Kuraufenthalt in Heringsdorf weilenden Schriftsteller Maxim Gorki war die Ausgestaltung des Hauses als Gedenkstätte konzipiert. 1950 wurde das Sanatorium aufgelöst und der DDR übergeben, die Heringsdorf zum „Bad der Werktätigen“ bestimmte. Die etwa 40 übergebenen Hotels und Pensionen wurden als Ferienheime vom FDGB, vom Gesundheitswesen, von Ministerien, dem ZK der SED, gesellschaftlichen Organisationen und von Volkseigenen Betrieben übernommen.[28][29] Auch das zentral gelegene Hotel „Atlantic“ mit dem angeschlossenen Warm- und Solebad wurde nach einer Zwischennutzung als Lazarett 1951 vom FDGB-Feriendienst übernommen und als Haus „Solidarität“ umbenannt, wiedereröffnet. Damit begann eine Entwicklung des staatlich gelenkten Urlauberverkehrs in Heringsdorf als einer der ersten Seebäder „für die arbeitende Bevölkerung, für internationalen Urlauberaustausch und für Gäste des Weltgewerkschaftsbundes“.[30]

Von 1945 bis 1952 bildete der nach dem Potsdamer Abkommen zu Deutschland gehörende Teil vom Landkreis Usedom-Wollin den neuen Landkreis Usedom, welcher 1952 entsprechend der Gebietsreform als Kreis Wolgast im Bezirk Rostock aufging. Bereits in diesem Jahr weilten mehr als 29.000 Urlauber im Ostseebad Heringsdorf. Der in der Region vorherrschende hohe Anteil privat betriebener Hotels, Gaststätten und auch Handwerksbetriebe führte im Februar 1953 im Rahmen einer politischen Ausrichtung des Kurses zur „Schaffung sozialistischer Produktionsverhältnisse“ zur „Ferienaktion Küste“ – später auch als „Aktion Rose“ bezeichnet – zu einer Enteignungswelle, die sich gegen Hotelbesitzer, Unternehmer und auch den im Ort ansässigen Strandkorbfabrikanten Harder richtete. Im Rahmen der „Aktion Rose“ wurden mehrere Heringsdorfer Hotel- und Pensionsbesitzer enteignet. Für den Kreis Wolgast wurde die Aktion vom Erholungsheim der Volkspolizei in Heringsdorf aus geleitet, wo extra dazu ca. 80 Polizisten zusammengezogen worden waren.[31] Die damit entstandenen erweiterten Kapazitäten des Feriendienstes, vertragliche Belegungsregulierungen mit privaten Kleinvermietern und auch das beginnende Kurwesen führten in den kommenden Jahren zu einem Anstieg der Urlauberzahlen um fast das Doppelte. Neue Organisationsformen, die Einbeziehung des Umlandes in die Versorgung der Gäste und Wege zur besseren Qualifizierung des Personals mussten gefunden werden. So wurden schrittweise einzelne Häuser saniert, neue gastronomische Standards eingeführt und schrittweise auf eine ganzjährige Nutzung umgestellt. Auch die Gemeinde bemühte sich um Verschönerungen des Areals, dabei vor allem um die Reparatur der schadhaft gewordenen Seebrücke. Infolge einer Brandstiftung im Juni 1958 wurde jedoch der Eingangspavillon nunmehr völlig zerstört. Ab 1961 wurde dann der Wiederaufbau der Anlage gänzlich eingestellt und die Restbestände dem Verfall preisgegeben. In den Jahren danach wurden weitere Verbesserungen das Erholungswesens eingeleitet. Mehrere ganzjährig nutzbare Häuser wurden ihrer Bestimmung übergeben, ein Krankenhaus, eine Poliklinik, ein Dienstleistungskombinat und der Betrieb „Menüko-Gefrierkost“ verbesserten die Betreuung der Urlauber. Die Ausbildung des benötigten Personals wurde im Ort etabliert und auf Initiative des renommierten Wissenschaftlers Manfred von Ardenne erhielt Heringsdorf eine eigene Sternwarte. Im Jahre 1974 bekam das Ostseebad Heringsdorf den Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort“ zugesprochen. Jedoch gingen bereits zu dieser Zeit die Planungsvorgaben der Regierung und des Gewerkschaftsbundes zur Kapazitätserweiterung in zahlreichen Fällen an der Realität, vor allem der verfügbaren Ressourcen, langfristig notwendig gewesener Investitionen vorbei. So musste das FDGB-Heim „Solidarität“ nach seinem baulichen Verfall 1979 abgerissen werden. Damit verschwand ein deutliches Wahrzeichen der sogenannten Bäderarchitektur aus dem Stadtbild Heringsdorfs. An seine Stelle wurde das gleichnamige, aus zwei zehngeschossigen Plattenbauten bestehende Ferienheim gesetzt, das 1984 seine Türen öffnete und seitdem das Ortsbild beherrscht.

Seit der Wende 1990

Die Gemeinde gehört seit dem Jahr 1990 zum Land Mecklenburg-Vorpommern. Ab 1991 wurde der Ortskern mit Hilfe der Städtebauförderung umfassend saniert. Damit begann in Heringsdorf eine beispiellose Rekonstruktions-, Aufbau- und Werterhaltungsphase die darauf gerichtet war, den Ort wieder auf einen der ranghöchsten Plätze der Badeorte im Ostseeraumes zu heben. Dabei galt es vor allem notwendige Neubauten dem Baustil früherer Epochen anzupassen, architektonische Glanzpunkte wieder richtig zu Geltung gelangen zu lassen und die wilhelminische Bäderarchitektur, das eigentliche städtebauliche Gesicht Heringsdorfs, als Komplex zu erhalten. So konnte 1995 die Seebrücke wieder in Betrieb genommen werden. Der Komplex des ehemaligen Kulturhauses wurde zum „Forum Usedom“ mit Kaiserhotel, Festsaal und Spielbank umgestaltet. Bereits 2002 zählte die Statistik der Seebades Heringsdorf 3.525 Einwohner, 6.148 Gästebetten, 158.722 Gäste und 898.742 Übernachtungen.[32]

Am 1. Januar 2005 schlossen sich die drei Ostseebadeorte Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin zur Gemeinde „Dreikaiserbäder“ zusammen.[33] Am 1. Januar 2006 wurde die Gemeinde in Ostseebad Heringsdorf umbenannt.[34]

Von 1994 bis 2011 gehörte die Gemeinde Heringsdorf zum Landkreis Ostvorpommern, der am 4. September 2011 im Landkreis Vorpommern-Greifswald aufging.


Text: Wikipedia

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