Jessen (Elster)

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Jessen (Elster) ist eine Stadt an der Schwarzen Elster und liegt im östlichen Teil von Sachsen-Anhalt.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Jessen.

Geschichte

Zusammenfassung

Historisch gehört das Elbe-Elster-Land zu einer peripheren und ärmlichen Region mit niedriger Bevölkerungsdichte, weitab von großstädtischen und pulsierenden Zentren wie Leipzig oder Berlin. Es liegt zwischen dem sächsischen und brandenburgischen Kulturkreis und ist streng genommen keinem dieser beiden bedeutendsten Zentren Ostdeutschlands eindeutig zuzuordnen. Kulturhistorisch ist das Jessener Land ein Teil des im 19. Jahrhundert preußisch geprägten Ostelbien gewesen, in der feudale Agrarstrukturen und ein konservatives Junkertum sich bis in das 20. Jahrhundert hinein als Kulturform halten konnten.

Jessen blieb in seiner Geschichte bis zum Wiener Kongress 1815 ein unbedeutendes Ackerbürgerstädtchen. Das nächstgelegene Verwaltungszentrum bildete Schweinitz, das heute ein Ortsteil von Jessen ist. Ebenso hatte Seyda eine gewisse Bedeutung als Verwaltungssitz im kursächsischen Staatswesen. Die Bedeutung Jessens wuchs erst mit der Inkorporierung großer sächsischer Landesgebiete in den preußischen Staat. In der Zeit der DDR wurde Jessen erstmals Kreisstadt, bis es 1994 als kreisangehörige Gemeinde in den Landkreis Wittenberg eingegliedert wurde.

Allgemeine Geschichte

Mittelalter, Frühe Neuzeit

Das Jessener Land gehörte im Frühmittelalter zum Siedlungsgebiet der Elbslawen. Im Rahmen der deutschen Ostkolonisation im Mittelalter setzte ab dem 12. Jahrhundert im heutigen Raum Jessen die Besiedelung durch deutsche Kolonisten ein. Die slawische Kultur und Lebensform wurde in den folgenden Jahrhunderten durch zum Teil kriegerische Feldzüge deutscher Heerführer sukzessive zurückgedrängt und die Jessener Gegend in den Verbund des Heiligen Römischen Reichs eingegliedert.

Die Anfänge Jessens bildete das heutige Schloss Jessen. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurde am heutigen Standort des Schlosses erstmals ein Turmhügel mit einem aus Holz bestehenden Wehrturm errichtet. 1216 wurde der Ort erstmals urkundlich als Jezzant erwähnt. Die Urkunde von Bischof Siegfrieds II. von Brandenburg wurde am 28. Dezember 1217 ausgestellt, da damals aber ein neues Jahr am 25. Dezember begann, war der Tag nach dem heutigen Kalender der 28. Dezember 1216. Der heutige Ort Jessen ohne die nördlicher gelegenen Gemeindeteile befand sich zu dieser Zeit auf dem Gebiet der Grafschaft Brehna; als die Grafen von Brehna im Familienstamm ausstarben, fiel das Gebiet an die Wittenberger Askanier und gehörte fortan zu Sachsen-Wittenberg, einem der sieben Kurfürstentümer des Heiligen Römischen Reiches, das vom nahegelegenen Wittenberg regiert wurde. Als Stadt mit eigenen Ratssiegel und Stadtwappen wurde Jessen seit 1358 erwähnt.

Raubritter und Diebesbanden waren im Wittenberger Gebiet im Spätmittelalter allgegenwärtig. 1358 wurde ein Schutzbündnis zwischen Rudolf II. und seinen Städten Wittenberg, Aken, Herzberg, Prettin, Jessen, Kemberg, Schmiedeberg, Belzig und Niemegk abgeschlossen.

1380 wurde der erste Stadtrichter erwähnt. Der Gorn, ein Hauswein der Askanier, wurde seit dem 14. Jahrhundert von Lichtenburger Antonitermönchen auf dem Gorrenberg angebaut und prägt seither das städtische Selbstverständnis der Jessener Bevölkerung als Weinstadt. Jessen entwickelte sich zu einer Ackerbürgerstadt mit Fokus auf die Tuchmacherei. Seit dem 15. Jahrhundert fanden regelmäßige Tuch-, Kram- und Viehmärkte in Jessen statt.[16]

1422 starb die Familie der Wittenberger Askanier aus. Die nachfolgende Herrschaftswürde ging an die Markgrafen von Meißen. Das Kurfürstentum Sachsen umfasste nun neben dem Kurkreis, zu dem Jessen weiterhin gehörte, auch die Markgrafschaft Meißen. Der Residenzsitz der Kurfürsten blieb aber zunächst im westlich von Jessen gelegenen Wittenberg oder dem weiter südlich gelegenen Torgau. Seit der Herrschaft der Wettiner ist ein gezielter Landesausbau im Jessener Land feststellbar. Dieser verstärkte sich um das Jahr 1500 und hielt bis 1550 an. In dieser Zeit entstanden im gesamten Gemeindegebiet mehrere Amtshäuser, Burgen und Schlösser. Es setzte im 16. Jahrhundert eine gezielte Bürokratisierung und staatliche Amtsverwaltung mit Sitz in Seyda und Schweinitz ein, die eine geordnete und frühmoderne staatliche Herrschaft ermöglichten. Die einzelnen Orte in Jessen blieben allerdings klein und die Region gering besiedelt.

Die sächsischen Kurfürsten hielten sich häufig auf dem heutigen Gemeindegebiet auf, um zum Beispiel in der Glücksburger Heide mit dem zugehörigen Jagdschloss Glücksburg Jagden durchzuführen. Auch im heute nicht mehr erhaltenen Schloss Schweinitz residierten häufiger sächsische Kurfürsten. Hier verstarb auch der Kurfürst Johann der Beständige am 16. August 1532. Das heute zu Jessen gehörende Schweinitz bildete ebenso wie Seyda im Kurfürstentum Sachsen ein eigenes Amt. Der Ort Jessen wurde administrativ zum Amt Schweinitz zugeordnet.

Ende 1517 begann in Wittenberg die Reformation, die sich europaweit ausbreitete. Bereits 1522 wurde durch den neu ernannten Pfarrer Urban Specher die veränderte Kirchendogmatik in Jessen eingeführt und mit der katholischen Lehrform gebrochen. Der Ort gehörte damit zum Kerngebiet der Reformation. Martin Luther hielt sich im Rahmen von Kirchenvisitationen mehrfach in Jessen, Seyda und Schweinitz auf und predigte 1533 in der Stadtkirche. Seyda und Jessen erhielten eine Superintendentur.

Nachdem im Schmalkaldischen Krieg Kaiser Karl V. über die protestantische Seite in der Schlacht bei Mühlberg an der Elbe gesiegt hatte, ließ die Dynamik der Reformation in der Region um 1550 nach. Die sächsischen Kurfürsten fokussierten sich auf den Ausbau von Dresden als neue Residenz. In den Jahren 1577 und 1585 wurden Hunderte von Einwohnern Opfer der Pest.

Die gesamte Umgebung Jessens wurde im Dreißigjährigen Krieg mehrfach verwüstet. 1644 siegte der Schwedische General Torstensson über den kaiserlichen General, Graf Gallas, in der Schlacht bei Jüterbog. Im Anschluss wurde die gesamte Umgebung durch das schwedische Heer verwüstet. 1631, 1637 und 1646 wurde Jessen durch schwedische Truppen stark beschädigt. Schweinitz wurde 1637 verwüstet. Das benachbarte Bad Schmiedeberg hatte von 400 Bewohnern vor dem Krieg am Ende des Krieges nur noch zwei Bewohner. Wittenberg verlor seine Vorstädte und 167 Häuser in der Stadt.[17]

Nach dem Westfälischen Frieden 1648 blieb das Gebiet bis zum Siebenjährigen Krieg von Kriegshandlungen verschont. Es setzte ein Wiederaufbau der zerstörten Orte ein. Der sächsische Absolutismus erlebte seine Blüte, während der nördliche Anrainer Preußen zur militärischen Großmacht avancierte und Sachsen zunehmend bedrohte.

Im Zeitalter des Barock war das Jagdschloss Glücksburg Schauplatz kurfürstlicher Treibjagden. Hier wurde auch eine manufakturähnliche Glashütte errichtet, die Rubinglas herstellte. Wirtschaftlich waren in Jessen um 1730 das Brauereigewerbe mit 20 Einrichtungen und die Tuchmacherei mit mehr als 70 Tuchmacher vertreten. 1672, in der Nacht vom 20. zum 21. September 1729, und erneut 1732 vernichteten Brände große Teile der Stadt.

Im Siebenjährigen Krieg wurde das Gebiet erneut Kriegsschauplatz. Es kam unter anderen zur Belagerung von Wittenberg und zur Schlacht von Torgau.

19. Jahrhundert

Nach der Niederlage Napoleons im Russlandfeldzug wurde auch Jessen Kriegsschauplatz. Sachsen blieb an der Seite Frankreichs, das zunehmend an Boden in Deutschland verlor. In den Befreiungskriegen war Jessen nahezu ständig von französischen, preußischen oder russischen Truppen besetzt. Im Oktober 1813 befand sich das Hauptquartier von Blücher, Yorck und Tauentzien im Jessener Schloss. Im Vorfeld der Schlacht bei Dennewitz wurden die nördlichen Gemeindeteile um Seyda Schauplatz von Gefechten. In Folge der Schlacht wurden die zurückflutenden französischen Truppen quer über das Gemeindegebiet verfolgt. Weitere Kämpfe in der Gegend fanden in der Schlacht bei Wartenburg und der Belagerung von Wittenberg statt. Die lange Bündnistreue Sachsens an der Seite Frankreichs rächte sich, da es bei der Teilung des Königreiches Sachsen große Teile des nördlichen Staatsgebietes an Preußen abtreten musste. Nach jahrhundertelanger Zugehörigkeit zu Sachsen wurde Jessen, das Amt Schweinitz und das Amt Seyda 1816 infolge des Wiener Kongresses preußisch und Jessen zum neuen Kreis Schweinitz zugeordnet. Es setzte eine Phase der Restauration ein. Wirtschaftlich begann sich die Industrialisierung bemerkbar zu machen, während kulturell das Zeitalter der Romantik und des Biedermeier anbrachen.

1819 hatten die drei größten heutigen Ortsteile folgende Einwohnerzahlen erreicht: Jessen 1400 Einwohner, 310 Häuser, Schweinitz 940 Einwohner 117 Häuser und Seyda 828 Einwohner und 106 Häuser. Jessen lag auf der Postroute von Wittenberg nach Dresden über Herzberg. In der Stadt gab es ein Postwärteramt und eine Poststation das dem Postamt von Wittenberg unterstand.[18]

Die bürgerliche Julirevolution von 1830 und die Revolution von 1848 ging an Jessen vorbei. Die sozialen Probleme wuchsen und es kam zu Formen der Pauperisierung. Zur Jahrhundertmitte gründete sich in Leipzig die deutsche Arbeiterbewegung um der offenen sozialen Frage zu begegnen. Durch die Bauernbefreiung setzte eine zunehmende Landflucht ein und die Städte begannen explosionsartig zu wachsen. Aufgrund der ländlichen Lage Jessens und seines Umlandes weitab von urbanen Zentren wie Leipzig oder Berlin wurde im Zeitalter des mitteleuropäischen Städtewachstums im 19. und 20. Jahrhunderts deren Siedlungs- und Wachstumsdynamik nicht auf das Jessener Umland übertragen.

1838 wurde das erste „Schulfest“ gefeiert, das auch heute noch stattfindet. Es bildet traditionell den kulturellen Jahreshöhepunkt in Jessen und wird als Anlass für Familientreffen und Rückkehrertreffen ehemaliger Einwohner genutzt. Die Festlichkeiten finden über zwei Wochen Anfang August jeden Jahres statt und werden von allen Vereinen des Ortes getragen.[19]

Nach den Einigungskriegen entstand das Deutsche Kaiserreich. Es folgte der Gründerboom und der Gründerkrach. Jessen nahm einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Stadtbürger Herrmann Fuhrmann gründete 1879 die Metallwarenfabrik G. Fuhrmann’s Sohn OHG und entwickelte sie zu einem Hersteller von verzinkten Haus- und Küchengeräten sowie Stanzteilen mit mehr als 200 Beschäftigten. Damit wurde in Jessen die mittelständische Metallbearbeitungsbranche heimisch, die sich am gleichen Standort bis heute unter den Namen Stanz- und LaserTechnik Jessen GmbH fortsetzt.

Am 15. Oktober 1875 wurde der Abschnitt Wittenberg–Falkenberg der Bahnstrecke Roßlau–Falkenberg/Elster durch die Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft eröffnet und Jessen an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Zuvor war bereits die Strecke Jüterbog – Herzberg am 1. Juli 1848 als Teilstrecke der Bahnstrecke Jüterbog–Röderau durch die BAE in Betrieb genommen. Das zu Jessen gehörende Holzdorf und Linda erhielten dadurch Anschlüsse an das Bahnnetz.

Erster Weltkrieg, Zwischenkriegszeit, Zweiter Weltkrieg

Im frühen 20. Jahrhundert gehörte Jessen weiter zum Landkreis Schweinitz in der preußischen Provinz Sachsen. Die negativen Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929 nach den kurzen Goldenen Zwanzigern führten zu einer Radikalisierung der Gesellschaft und einem Erstarken des rechtsgerichteten Revanchismus in Deutschland.

Bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wählten im Landkreis Schweinitz, zu dem die heutige Einheitsgemeinde Jessen gehörte, bei einer Wahlbeteiligung von 87,3 Prozent 69,8 Prozent der Wähler die NSDAP und 14,1 Prozent die DNVP. Fast 84 Prozent der Bevölkerung des Wahlkreises Schweinitz unterstützten damit die Machtergreifung der NSDAP unter Adolf Hitler. Die stärkste demokratisch gesinnte Partei war die SPD, die noch 9,4 Prozent der Stimmen erhielt. Das Wahlverhalten wich damit erheblich vom Reichsdurchschnitt ab.

Der 1939 ausgebrochene Zweite Weltkrieg führte zunächst zu keinen direkten Kriegseinwirkungen in Jessen. Nachdem die Ostfront immer näher rückte, kam es im April 1945 auch auf dem Gemeindegebiet zu Todesmärschen von KZ-Häftlingen aus dem KZ Langenstein-Zwieberge. Die Route verlief vom 19. April von Prettin in Richtung Jessen mit einer Übernachtung in der Kirche. 60 Häftlinge verloren auf dieser Strecke ihr Leben. In den Abendstunden des 20. April schleppte sich der Zug durch Gentha. Auch hier wurden mehrere KZ-Häftlinge erschossen. Der Treck setzte sich weiter Richtung Seyda nach Genthin.

Ende April 1945 wurde das Jessener Land im Rahmen der Schlacht um Berlin von Truppen der 13. Armee und der 5. Garde-Armee der 1. Ukrainischen Front der Roten Armee besetzt. Es kam in einigen Ortsteilen noch zu vereinzelten Kampfhandlungen oder Bombardierungen, ohne dass der Verlauf geändert worden wäre. Durch Fliegereinwirkung wurde lediglich ein Haus in der Weberstraße zerstört. Unmittelbar vor dem Einmarsch der Sowjettruppen am 22. April 1945 wurde die Elsterbrücke von den abziehenden Truppen der Wehrmacht gesprengt, die Eisenbahnbrücke durch Sprengung beschädigt. Es kam teils zu Verschleppungen von Zivilpersonen durch sowjetische Soldaten, ohne dass deren Schicksal geklärt werden konnte.

Entwicklung nach 1945

Nach 1945 kam Jessen in die sowjetische Besatzungszone und später zur DDR. Zu dieser gehörte Jessen fortan. Die Glücksburger Heide wurde militärisches Sperrgebiet, in der Bahnhofstraße wurde im April 1945 eine sowjetische Garnison eingerichtet.

1950 wurde der Landkreis Schweinitz in Landkreis Herzberg umbenannt. Nach der Verwaltungsreform von 1952 wurde Jessen Kreisstadt des Kreises Jessen im DDR-Bezirk Cottbus. Beim Aufstand vom 17. Juni 1953 kam es wie andernorts auch zu einigen Protesten und Demonstrationen, in deren Folge in Jessen der Ausnahmezustand ausgerufen und sowjetische Panzer postiert wurden.[20] Die Demonstranten forderten die Freilassung von gefangenen Bauern.

Entwicklung nach 1990

Nach der Wende entstand ein neues Gewerbegebiet, ein neues Feuerwehrhaus, ein neues Gymnasium, ein neuer Busbahnhof und es erfolgte die Grundsanierung des verfallenen Schlosses im Ort Jessen zu einem modernen Verwaltungszentrum. In den 1990er Jahren entstand das Einkaufszentrum Elster-Center, das allerdings inzwischen leer steht. 2016 erfolgte der Bau eines großen Umspannwerks auf dem Gemeindegebiet.[21]

Am 26. März 2020 wurden die Ortsteile Jessen und Schweinitz unter Quarantäne gestellt, da dort die Zahl der Corona-Infizierten besonders hoch ist.[22]


Text: Wikipedia

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