Joseph Victor von Scheffel

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Joseph Victor von Scheffel (* 16. Februar 1826 in Karlsruhe; † 9. April 1886 ebenda), geadelt 1876, war ein im 19. Jahrhundert viel gelesener deutscher Schriftsteller und Dichter, Autor von Erzählungen und Versepen sowie mehrerer bekannter Liedtexte. Er war indirekter Schöpfer des Begriffes Biedermeier.

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Leben und Werk

Scheffel wuchs als Ältester von drei Geschwistern in Karlsruhe auf. Sein Vater Philipp Jakob Scheffel war als Ingenieur badischer Oberbaurat und Major; als Mitglied der Rheinregulierungskommission wirkte er unter Tulla am Projekt der Rheinbegradigung mit. Seine Mutter Maria Josephine, geborene Krederer malte und schrieb Gedichte und Dramen; sie führte einen der ersten Salons in Karlsruhe.

Auf Wunsch seines Vaters studierte er die Rechtswissenschaften, von 1843 bis 1847, an den Universitäten in München, Heidelberg und Berlin. Zusätzlich belegte er germanische Philologie und Literatur. In Heidelberg war er zunächst Mitglied der Burschenschaft Allemannia I (1844/1845)[1], dann der Burschenschaft Teutonia (1845) und schließlich der Burschenschaft Frankonia II (1846/1847), die sich im Sommer 1849 auflöste.[2] In Berlin war er bei der Alten Berliner Burschenschaft aktiv.[3] Am 28. Februar 1856 verlieh ihm die Burschenschaft Teutonia zu Jena die Ehrenmitgliedschaft durch Vermittlung seines Freundes Karl Friedrich Schwanitz, den er aus seiner Heidelberger Zeit in der Allemannia I 1844/1845 kannte. Schwanitz hatte im Februar 1845 die Teutonia Jena mitgegründet. Scheffel wurde 1872 Ehrenmitglied der Leipziger Universitätssängerschaft zu St. Pauli (heute in Mainz).[4]

1848 folgte Scheffel als unbesoldeter Legationssekretär dem badischen Bundestagsgesandten Carl Theodor Welcker nach Frankfurt zur Nationalversammlung und begleitet diesen auch bei einer politischen Mission in das damals in Personalunion mit Dänemark regierte Herzogtum Lauenburg. Nach seiner Rückkehr legte Scheffel das juristische Staatsexamen in Heidelberg ab und wurde 1849 dort zum Doktor der Rechte promoviert.

In der Folge arbeitete er an mehreren großherzoglichen Ämtern, 1850 bis 1851 als Rechtspraktikant in Säckingen, 1852 im Sekretariat des Hofgerichts zu Bruchsal, wurde nach einer Reise durch Italien zwar noch zum Referendar ernannt, gab die juristische Laufbahn dann aber auf, um Dozent an einer Universität zu werden, und ging dafür nach Heidelberg.

Die finanziellen Verhältnisse seiner Familie erlaubten es Scheffel, seinen künstlerischen Neigungen nachzugehen. Um sein Talent als Landschaftsmaler auszuprobieren, reiste er im Mai 1852 mit dem Maler Julius Zielke nach Rom, wo er aber seine Begabung zum Dichter erkannte. Er trat bald darauf mit seinem Erstlingswerk Der Trompeter von Säckingen, ein Sang vom Oberrhein (Stuttgart 1854) hervor, welchem schon kurze Zeit später der historische Roman Ekkehard (Frankfurt 1857) folgte, der auf der Lebensgeschichte des St. Gallener Mönchs Ekkehard II beruht.

Sowohl die Versnovelle als auch der Roman, eine Geschichte aus dem 10. Jahrhundert, zeigen Scheffel als frischen und humorvollen Dichter, der aufgrund seiner inneren Anschauung und genauer historischer Studien verschiedene Zeiten und Zustände lebendig schildern kann.

Nachdem der Dichter eine Zeit lang in München, dann 1858 bis 1859 als Hofbibliothekar des Fürsten Egon von Fürstenberg in Donaueschingen gelebt hatte, ließ er sich dauernd in seiner Vaterstadt Karlsruhe nieder.

1864 heiratete Scheffel Caroline Freiin von Malsen, Tochter des bayerischen Gesandten am badischen Hof. Die Ehe war nicht glücklich. Bei der Geburt des einzigen Kindes Victor im Jahre 1867 lebten die Eltern schon nicht mehr zusammen. Zur Versöhnung kam es erst 1886, am Sterbelager Scheffels. 1869 entführte Scheffel seinen Sohn von einem Spielplatz nahe Carolines Wohnung in München. Der Sohn wuchs beim Vater in Karlsruhe auf und ergriff später eine militärische Laufbahn.

Unter den späteren Produktionen Scheffels fanden die humoristischen Lieder und Balladen, die in Gaudeamus (Stuttgart 1867) gesammelt erschienen, wegen ihrer geistreichen Frische, ihres kecken studentischen Tons willen außerordentlichen Beifall. So schloss er sich beispielsweise mit seinem Spottgedicht Guano der damals unter Gebildeten verbreiteten Kritik an Hegel an.[5] In dem Lied beschreibt er die Entstehung von Vogeldung (Guano) auf einer Ozeaninsel und lässt zum Schluss einen Böblinger Repsbauern sagen:

Gott segn’ euch, ihr trefflichen Vögel,

An der fernen Guanoküst’, –

Trotz meinem Landsmann, dem Hegel,

Schafft ihr den gediegensten Mist!

In Frau Aventiure. Lieder aus Heinrich von Ofterdingens Zeit (Stuttgart 1863) sowie der Erzählung Juniperus. Geschichte eines Kreuzfahrers (Stuttgart 1868) zeigen sich Spuren von Scheffels Gelehrsamkeit. Die Novelle Juniperus. Geschichte eines Kreuzfahrers entstand in seiner Donaueschinger Zeit und die nach ihr benannte Juniperusquelle in Allmendshofen, einem Ortsteil von Donaueschingen, erinnert daran.

Beide Dichtungen waren gleichsam Splitter eines geplanten großen historischen Romans, der die Entstehung des Nibelungenlieds und den Sängerkrieg auf der Wartburg schildern sollte, aber unausgeführt blieb. Scheffels letzte Produktionen sind die Bergpsalmen (Stuttgart 1870), das lyrische Festspiel Der Brautwillkomm auf Wartburg (Weimar 1873), Waldeinsamkeit, Dichtung zu zwölf landschaftlichen Stimmungsbildern von Julius Mařák (Stuttgart 1880), Der Heini von Steier, Dichtung (München 1883), und Hugideo. Eine alte Geschichte (Stuttgart 1884).

Aus Anlass seines 50. Geburtstages wurde Scheffel durch den Großherzog von Baden in den badischen persönlichen Adelstand erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war Scheffel bereits großherzoglich sächsischer Hofrat und Gutsbesitzer auf Seehalde und Mettnau bei Radolfzell. Scheffel erhielt noch zu Lebzeiten die Ehrenbürgerschaft von Säckingen (1875), Radolfzell (1876) und Heidelberg (1886).[6][7]

Nachdem Scheffel die letzten Jahre seines Lebens zurückgezogen und durch eine fortschreitende Gehirnerkrankung behindert in seiner Villa bei Radolfzell am unteren Bodensee zugebracht hatte, starb er am 9. April 1886 in Karlsruhe. Er wurde auf dem Karlsruher Hauptfriedhof begraben. Nach seinem Tod erschienen noch: Fünf Dichtungen (Stuttgart 1887), Reisebilder (herausgegeben von Johannes Proelß, Stuttgart 1887) und Gedichte (Stuttgart 1888).

Eine Anzahl von Scheffels Werken wurde von Anton von Werner illustriert. In seinen Balladen konfrontierte er Helden der Vergangenheit mit banalen Alltagsproblemen. Einen Sonderfall an Bekanntheit stellt Scheffels Gedicht über die Burgruine Aggstein in der niederösterreichischen Wachau dar. Mit dem illustrierten Schluss:

auf des höchsten Giebels Zack,

prangt der Name KISELAK

setzte von Scheffel einer originellen Wiener Persönlichkeit ein literarisches Denkmal. Scheffel und das deutsche Nationalgefühl im Zeitalter des Wilhelminismus Denkmal im Heidelberger Schlossgarten auf der Scheffelterrasse. Gestiftet am 26. Juni 1976 zum 90. Todestag von J. V. v. Scheffel von der Burschenschaft Frankonia zu Heidelberg. Das 1929 errichtete Scheffel-Denkmal am Hang des Staffelbergs mit der vierten Strophe des Frankenliedes. Schautafel am Stein 16 am Rennsteig in der Nähe von Oberhof (Thüringer Wald) mit Auszügen aus von Scheffels Gedicht "Der Rennsteig"

Scheffel war ein im wilhelminischen Deutschland viel gelesener Autor. Er vereinigte in seinen Werken die beiden Grundströmungen des damaligen Zeitgeistes, bürgerliche Bildungsbeflissenheit und nationale Begeisterung. Seine historischen Epen und Erzählungen haben wahrscheinlich nicht unwesentlich zu dem seit der Bismarckzeit aufkommenden Selbstbild der Deutschen als einer altfränkisch biederen, ungekünstelt zuverlässigen und ernsthaft strebsamen Nation beigetragen.

Die große Resonanz, die Scheffel bei der zeitgenössischen Leserschaft der „besseren Stände“ fand, mag darauf zurückzuführen sein, dass seine Darstellung deutschen Wesens und deutscher Treue beständig auf klassische Bildungsgüter zurückgreift, die teils umständlich ausgebreitet, meist aber nur in Anspielungen erwähnt werden. Die zeitgenössische, im humanistischen Gymnasium gebildete Leserschaft hatte dadurch ein doppeltes Vergnügen. Einerseits konnte es seine Bildungsanstrengungen durch eine anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur belohnt sehen. Anderseits bot das Scheffel’sche Werk eine willkommene Entschädigung für die vielfach nur mit mäßigem Erfolg absolvierte und als qualvoll empfundene Schulzeit, weil es das dort eingepaukte Bildungswissen zwar voraussetzte, letztlich aber gegenüber den als höherwertig dargestellten Idealen deutscher Schlichtheit und Treue abqualifizierte.

Die Gegenüberstellung des deutschen Nationalcharakters mit den Repräsentanten klassischer europäischer Geisteskultur, die stets zum Nachteil der letzteren ausfiel, ist am stärksten im Trompeter von Säckingen ausgeprägt. Dieses Versepos erfreute sich zu Scheffels Lebzeiten so großer Beliebtheit, dass Bronzefiguren des Trompeters zahlreiche bürgerliche Speisezimmer zierten. Ein oft zitiertes Gedicht aus dem Trompeter von Säckingen macht den Inhalt des von Scheffel propagierten teutonischen Nationalgefühls und seinen Ursprung in der Geisteshaltung wilhelminischer Lehranstalten deutlich:

Römisch Recht, gedenk ich deiner,

Liegts wie Alpdruck auf dem Herzen,

Liegt's wie Mühlstein mir im Magen,

Ist der Kopf wie brettvernagelt!

Sind verdammt wir immerdar, den

Großen Knochen zu benagen,

den als Abfall ihres Mahles

uns die Römer hingeworfen?

Soll nicht aus der deutschen Erde

Eignen Rechtes Blum' entsprossen,

Waldes duftig, schlicht, kein üppig

Wuchernd Schlinggewächs des Südens?

Traurig Los der Epigonen!

Müssen sitzen, müssen schwitzen,

Hin und her die Fäden zerren,

eines wüstverschlungnen Knäuels,

Gibts's kein Schwert und andre Lösung?

Hier klingt bereits deutlich die sich im 20. Jahrhundert als verhängnisvoll erweisende, bewusste Abwendung der Deutschen von der europäischen Geistesgeschichte an. Auch die Verbrämung und Rechtfertigung der intellektuellen Verweigerung mit Blut-und-Boden-Motiven (deutsche Erde, deutscher Wald, germanisches Erbe) hat Scheffel maßgeblich vorbereitet und selbst vertreten. So lässt er den Trompeter von Säckingen an anderer Stelle sagen:

Ganz scharfkantig muß der Mensch sein,

Seine Lebensstellung muß ihm

Schon im Blute liegen als

Erbteil früherer Geschlechter

Scheffels Studentenlieder (Alt-Heidelberg, du feine; Wohlauf, die Luft geht frisch und rein; Als die Römer frech geworden), die in die Kommersbücher eingegangen sind, haben das Bild vom lebenslustigen und humorvollen Dichter Scheffel mitgeprägt, das seine Lebensrealität nicht richtig erfasst, die von Enttäuschungen (dem Scheitern der deutschen Revolution von 1848 und seiner vergeblichen Werbung um Emma Heim 1851), Isolation und Resignation gezeichnet war.

Mit seinem Wanderlied, heute meistens Lied der Franken genannt („Wohlauf, die Luft geht frisch und rein“), ist Scheffel in deren Heimatland zwischen Main und Donau allgegenwärtig; die Franken betrachten es als ihre „heimliche Nationalhymne“.

Die Redewendung „es hat nicht sollen sein“ stammt aus dem Refrain von Scheffels Trompeter von Säckingen:

Behüt' dich Gott, es wär zu schön gewesen,

behüt' dich Gott, es hat nicht sollen sein.

Postume Würdigungen

Der Klassische Philologe und Schriftsteller Joseph Stöckle (1844–1893) gründete 1891 in Schwetzingen den Scheffelbund in Deutschland, dessen Vorsitzender er bis zu seinem Tod war. Der Scheffelbund besteht bis heute als größte literarische Vereinigung Deutschlands in Karlsruhe. Er verleiht alljährlich den Scheffelpreis. In Karlsruhe unterhält das Museum für Literatur am Oberrhein einen Scheffel-Raum, in dem Exponate zu Leben und Werk gezeigt werden. In seinem Scheffel-Archiv bewahrt der Scheffelbund den Nachlass des Dichters, ein Teil des Nachlasses liegt heute in der Badischen Landesbibliothek.

In zahlreichen Städten und Gemeinden im deutschsprachigen Raum, darunter Karlsruhe, Berlin, Wien und Zürich, sind Straßen nach Scheffel benannt. Scheffel-Denkmäler stehen unter anderem auf dem Karlsruher Scheffelplatz, in Bad Säckingen, vor dem Scheffelschlösschen auf der Halbinsel Mettnau bei Radolfzell und in Ilmenau. Mehrere Schulen tragen Scheffels Namen, darunter das Gymnasium in Bad Säckingen, das Scheffel-Gymnasium Lahr, die Realschule in Bad Staffelstein und die Scheffelschule Rielasingen-Worblingen. In Radolfzell trägt seit 19. März 2009 die Stadtbibliothek den Namen des Dichters, im Stadtmuseum Radolfzell werden in einem gesonderten Ausstellungsraum, dem Scheffel-Séparée, sein Leben und Werk vorgestellt und dokumentiert. Im Schloss Schönau in Bad Säckingen erinnern das Scheffelzimmer und das Trompeter-Denkmal im Schlossgarten an Scheffels Aufenthalt und sein Versepos Der Trompeter von Säckingen. In Achdorf ist die in der Erzählung Juniperus besungene Gaststätte Linde nach ihm benannt und heißt jetzt Scheffellinde.[8]


Wohnadresse (1845/46) in Berlin: Friedrichstraße 125 A.


Text: Wikipedia

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