Kärntner Volksabstimmung

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Die Volksabstimmung 1920 in Kärnten war eine der Volksabstimmungen im Gefolge des Vertrags von Saint-Germain. Sie sollte über die staatliche Zugehörigkeit der nach dem Ersten Weltkrieg durch Jugoslawien beanspruchten, überwiegend von Slowenen bewohnten Gebiete im Südosten Kärntens entscheiden.

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Geschichte

Vorgeschichte

Nachdem Kärnten durch die Kärntner Landesverfassung von 1918 den Beitritt zur Republik Deutschösterreich erklärt hatte, drangen am 5. November 1918 Truppen des Staates der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) in Südostkärnten ein. Die SHS-Polizei rückte in das Rosen- und untere Gailtal vor. Ferlach und das nördlich der Drau gelegene Völkermarkt wurden besetzt. Die Landesregierung verlegte ihren Sitz angesichts dieser Bedrohung nach Spittal an der Drau.

Am 5. Dezember 1918 beschloss die provisorische Kärntner Landesregierung unter dem Landesverweser Arthur Lemisch – ohne Unterstützung durch die Wiener Regierung und sogar gegen deren Willen – den bewaffneten Widerstand gegen ein weiteres Vordringen der SHS-Truppen. Der Kampf, auch als Kärntner Abwehrkampf bezeichnet, begann im Gailtal mit der Rückeroberung von Arnoldstein am 5. Jänner 1919, einem Vormarsch gegen das Rosental und der Rückeroberung von Ferlach. Am 14. Jänner wurde ein Waffenstillstand geschlossen; eine US-amerikanische Kommission (die sogenannte „Miles-Mission“, benannt nach ihrem Leiter Lt. Col. Sherman Miles) studierte vor Ort die strittigen Gebietsfragen. Bis zum 7. Mai 1919 waren alle bis auf die laut Waffenstillstandsvertrag geräumten Gebiete entsetzt. Die Abstimmungszonen A und B mit den Bedingungen für das Stimmrecht Jugoslawisches Propagandaplakat: „In Jugoslawien hat der Bauer das Sagen, in Deutschösterreich haben es die Juden und die Barone!“

Der Friedensvertrag von St. Germain 1919 sah eine Volksabstimmung in Südkärnten vor; ohne Abstimmung wurden das Kanaltal Italien und das Mießtal, Unterdrauburg und die Gemeinde Seeland (Kankertal) dem SHS-Königreich zugeschlagen und gehören heute zu Slowenien. Nach dem Beschluss einer Volksabstimmung versuchte Jugoslawien erneut, durch Waffengewalt vollendete Tatsachen zu schaffen. Reguläre Truppen unter dem Befehl von General Rudolf Maister überschritten am 28. Mai 1919 die Grenze und besetzten am 6. Juni Klagenfurt, das sie aber nach Aufforderung des Obersten Rats der Alliierten in Paris wieder räumen mussten. Von da an unterblieben weitere Kämpfe. Bis 13. September 1920, also kurz vor der Volksabstimmung, war die südliche „Zone A“ von Truppen des SHS-Staates besetzt und blieb bis nach der Volksabstimmung unter SHS-Kontrolle, die nördliche „Zone B“ verblieb unter österreichischer Kontrolle. Hätte sich „Zone A“ für einen Anschluss an das SHS-Reich entschieden, hätte ebenfalls in der „Zone B“ (die auch Klagenfurt beinhaltete) abgestimmt werden müssen.

Abstimmung

Am 10. Oktober 1920 fand eine Volksabstimmung im Grenzgebiet Südkärntens statt, in dem die slowenischsprachige Volksgruppe ca. 70 % der Gesamtbevölkerung ausmachte: 59,04 % aller Stimmen gingen dabei an Österreich. Aus dem Ergebnis ging hervor, dass auch ein erheblicher Teil (etwa 40 %) der Kärntner Slowenen für den Verbleib bei Österreich gestimmt hatte. Dabei war die Zustimmung zur Angliederung an den SHS-Staat in den südlichen, an Slowenien angrenzenden Gemeinden tendenziell stärker als in den nördlicher gelegenen Gemeinden.

Das Votum der Slowenen für Österreich ist vor allem auf die tradierten sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bindungen innerhalb der historisch gewachsenen Grenzen Kärntens zurückzuführen. Klagenfurt war auch für die „Zone A“ das wirtschaftliche und infrastrukturelle Zentrum. Durch die von Jugoslawien angestrebte Grenzziehung sah man Absatzmärkte gefährdet und Familien von Trennung bedroht. Glaubens- und Mentalitätsunterschiede, die demokratische Staatsform Österreichs und dessen höherer Entwicklungsgrad und Wohlstand sowie die Zusagen bezüglich des Minderheitenschutzes spielten ebenfalls eine Rolle.

Folgen

Nach der Volksabstimmung versuchte der SHS-Staat neuerlich, Kärnten zu besetzen, musste aber nach einer kategorischen Aufforderung der Botschafterkonferenz in Paris vom 16. Oktober 1920 und nachfolgenden Demarchen ähnlichen Inhalts durch Großbritannien, Frankreich und Italien seine Truppen aus Kärnten wieder zurückziehen. Auch seitens des Wiener Außenamtes erfolgten energische Proteste. Am 18. November 1920 gelangte die „Zone A“ wieder unter österreichische Verwaltung. Am 22. November 1920 kehrte das Abstimmungsgebiet unter die Souveränität Österreichs zurück.

Der 10. Oktober ist in Kärnten ein – nicht generell arbeitsfreier – Feiertag. Schulen, Ämter und Behörden haben an diesen Tagen geschlossen.

Die Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920 ist einer der wenigen Fälle demokratischen Ausdrucks des von Woodrow Wilson proklamierten Selbstbestimmungsrechts der Völker nach 1918. Allerdings sorgt das etwa zwei Wochen vor Volksabstimmung abgegebene Versprechen der Kärntner Landesversammlung, dass sie die „sprachliche und ihre nationale Eigenart [der Slowenen] jetzt und alle Zeit wahren will“, bis heute für Kontroversen wie beispielsweise den Ortstafelstreit.


Text: Wikipedia

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