Leonhard Oesterle

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Leonhard Friedrich Oesterle (* 3. März 1915 in Bietigheim-Bissingen; † 7. November 2009 in Toronto) war ein kanadischer Bildhauer, Zeichner und Kunstlehrer deutscher Herkunft.

Als zeitweiliger Anhänger der Kommunistischen Partei und wegen politischer Widerstandsaktivitäten wurde er 1936 in Stuttgart verurteilt und verbrachte in der Zeit des Nationalsozialismus von 1935 bis 1943 fast neun Jahre im Gefängnis und in verschiedenen Konzentrationslagern.

Leben

Der 1915 in Bietigheim-Bissingen als Sohn einer Arbeiterfamilie geborene Oesterle agierte für die im nationalsozialistischen Deutschland 1933 verbotene KPD als Mittelsmann und Schriftkurier zwischen der Partei und einer im Untergrund tätigen Widerstandsgruppe des verbotenen Kommunistischen Jugendverbands (KJVD), die Stuttgarter Gruppe G um Hans Gasparitsch[1], die Flugblätter verteilte und Anti-Hitler-Parolen an Wänden und Denkmälern anbrachte. In Zusammenhang mit einer ihrer Aktionen im Frühjahr 1935, bei der die meisten Mitglieder verhaftet wurden, wurde Oesterle von eigenen Leuten denunziert, in Stuttgart von der Gestapo festgenommen und am 14. Oktober 1936 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu fünf Jahren Zuchthaus mit anschließender Schutzhaft verurteilt.[2] Seine Haftstrafe trat Oesterle im Gefängnis Ludwigsburg an und wurde im August 1938 als Arbeitshäftling in Arbeitskommandos in Zweibrücken (Panzersperren für den Westwall), danach zum Straßenbau im Böhmerwald (Bayerische Ostmarkstraße) und schließlich in das Strafgefangenen- und Arbeitslager Börgermoor überstellt. Nach Verbüßung der fünfjährigen Haft kam er 1940 in Schutzhaft: zunächst in das Schutzhaftlager Welzheim und am 25. Mai 1940 in das Konzentrationslager Dachau (Häftlingsnummer 11547), wo er anfangs dem Kommando unter Baukapo Karl Wagner zugewiesen wurde und später als Funktionshäftling unter Revierkapo Josef Heiden als Häftlingspfleger arbeiten musste. Im Mai 1941 wurde Oesterle mit etwa 120 weiteren KZ-Häftlingen unter Kommando des Dachauer SS-Hauptscharführers Josef Seuß in das Dachauer Außenkommando Radolfzell überstellt, von wo ihm am 15. November 1943 gemeinsam mit einem tschechischen Mithäftling die Flucht in die Schweiz gelang.[3]

In der Schweiz begann Oesterle eine bildhauerische Ausbildung bei dem im Exil lebenden österreichischen Bildhauer Fritz Wotruba, der in Zug sein Atelier hatte. In dieser Zeit lernte Oesterle auch die Exilschauspieler Robert Freitag, dessen Frau Maria Becker und deren Mutter Maria Fein am Schauspielhaus Zürich kennen, mit denen ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Im Jahr 1945 bekam Oesterle ein Stipendium der Evangelischen Flüchtlingshilfe an der Kunstgewerbeschule Zürich. Studium der Bildhauerei bei Ernst Gubler. Oesterle arbeitete im Anschluss einige Jahre mit dem Zürcher Bildhauer Otto Müller zusammen, mit dem er sein Atelier teilte. Freundschaft mit Max Frisch. 1952 Rückkehr nach Deutschland, zunächst nach München, später nach Berlin. 1956 wanderte Oesterle nach Kanada aus. Von 1963 bis 1987 lehrte er Bildhauerei am Ontario College of Art & Design in Toronto. 1990 erschien mit dem preisgekrönten Jugendroman Glücksvogel. Leos Geschichte von Sigbert E. Kluwe[4] eine literarische Biografie Oesterles. Anlässlich einer Retrospektive in Bietigheim-Bissingen 1991 besuchte Oesterle nach langer Zeit wieder seine Geburtsstadt[5], der er 1996 Skulpturen und Arbeiten auf Papier als Schenkung überließ. Oesterle war Mitglied der Royal Canadian Academy of Arts, die 1992 eine Ausstellung mit Oesterles Skulpturen in Toronto zeigte. Oesterle war 2005 letztmals in Deutschland: anlässlich seines 90. Geburtstags zeigte die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen eine Retrospektive seines bildhauerischen Werkes. Oesterle starb am 7. November 2009 in Toronto und wurde auf dem Städtischen Friedhof Stubenrauchstraße in Berlin-Friedenau beigesetzt (verortet).[6] [7] [8]

Werk

Oesterles Skulpturen in Metall und Stein entwickelten sich ausgehend von der klassisch orientierten figürlichen Plastik-Tradition der Schweiz. Bis auf eine kurze abstrakte Phase galt Oesterles Interesse dabei vor allem der menschlichen Figur: Seine Arbeiten zeigen zum einen schlanke, weibliche Figurinen, die in ihrer sehr lebendigen Oberflächenbeschaffenheit ihre Aufbauarbeit mit Wachs erkennen lassen; zum anderen sind es Figuren mit rund schwellenden, voluminösen Gliedmaßen, die von der Schnitzkunst der Eskimos inspiriert sind. Die biographische Erfahrung seiner jahrelang erlittenen Haft wurde von Oesterle künstlerisch ganz bewusst ausgespart. Sein Werk befindet sich in öffentlichen und privaten Sammlungen in den U.S.A., Kanada und in Europa. In Bietigheim ist es mit mehreren Skulpturen im öffentlichen Raum der Stadt vertreten. [9]


Text: Wikipedia

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