Marienkirche (Lübeck)

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Reklamemarke der Marienkirche
Ansichtskarte um 1905 der Marienkirche

Die Lübecker Marienkirche (offiziell St. Marien zu Lübeck) wurde von 1250 bis 1350 erbaut. Die Lübecker Bürger- und Marktkirche ist von jeher ein Symbol für Macht und Wohlstand der alten Hansestadt und befindet sich auf dem höchsten Punkt der Lübecker Altstadtinsel. Die Kirche ist mit der Altstadt Lübecks Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.


Die Mutterkirche norddeutscher Backsteingotik

Die Lübecker Marienkirche gilt als Mutterkirche der norddeutschen Backsteingotik und war Vorbild für rund 70 Kirchen dieses Stils im Ostseeraum. Daher wird dem Bauwerk eine herausragende architektonische Bedeutung beigemessen. Mit der Marienkirche wurde in Lübeck der hochaufstrebende Gotik-Stil aus Frankreich mit norddeutschem Backstein umgesetzt. Sie beherbergt das höchste Backsteingewölbe der Welt (38,5 Meter im Mittelschiff).

Der Bau der Marienkirche ist eine dreischiffige Basilika mit Einsatzkapellen, Chorumgang und Kapellenkranz, sowie querschiff-artigen Vorhallen. Das Westwerk besteht aus einer monumentalen Doppelturmfassade. Die Türme sind, die Wetterhähne mitgerechnet, 124,95 und 124,75 Meter hoch.

Die Marienkirche steht im Viertel der Kaufleute, das sich von den Speichern am Traveufer bis hoch zu St. Marien erstreckt. Sie ist die Haupt-Pfarrkirche des Rates und der Bürger der Hansestadt Lübeck und wurde daher in der Nähe des Rathauses und des Marktes errichtet.


Baugeschichte

1150 verlegte Heinrich der Löwe das Bistum Oldenburg nach Lübeck und stiftete ein Domkapitel. 1163 wurde eine Holzkirche errichtet, die ab 1173/74 durch eine romanische Backsteinkirche ersetzt wurde. Sie genügte jedoch im beginnenden 13. Jahrhundert den räumlichen und repräsentativen Ansprüchen der selbstbewussten, wirtschaftlich stark aufstrebenden Bürgerschaft nicht mehr. Romanische Skulpturen der Ausstattung dieser zweiten Marienkirche werden heute im St.-Annen-Museum gezeigt.

Gotische Kathedralen in Frankreich und Flandern aus Naturstein waren die Vorbilder für den Neubau der dreischiffigen Lübecker Basilika. Sie ist das Beispiel sakraler Backsteingotik schlechthin und war Vorbild für viele Kirchen im Ostseeraum (z. B. Nikolaikirche (Stralsund), Nikolaikirche (Wismar)).

Zuvor hatte man keine Kirche aus Backstein so hoch gebaut und mit einem Gewölbe versehen. Ein System aus Stützen lenkt die Schubkräfte des Gewölbes nach außen über ein Strebewerk ab und ermöglicht so die enorme Höhe. Der Ansporn für den Rat der Stadt Lübeck zu einer solch enormen Bauleistung lag in der erbitterten Auseinandersetzung mit dem Bistum Lübeck begründet. Man wollte als Symbol des Freiheitswillens der Fernkaufleute und der weltlichen Macht der seit 1226 reichsfreien Stadt mit dem Kirchenbau in der unmittelbaren Nähe des Lübecker Rathauses und des Marktes die von Heinrich dem Löwen gestiftete romanische Bischofskirche der Stadt, den Lübecker Dom, deutlich und nicht einholbar an Größe übertreffen und damit natürlich auch den Vormachtanspruch gegenüber den anderen Mitgliedern der sich etwa gleichzeitig bildenden Städtehanse (1356) nach außen unterstreichen.

Um 1310 wurde östlich an den Südturm die Briefkapelle angebaut. Sie war zugleich Vorhalle und Kapelle und bildete mit ihrem Portal den zweiten in Richtung Markt gelegenen Haupteingang der Kirche. Ursprünglich vermutlich der Heiligen Anna gewidmet, erhielt die Kapelle ihren heutigen Namen in der nachreformatorischen Zeit, als dort Lohnschreiber einzogen. Die Kapelle (12 m lang, 8 m tief und 12 m hoch) ist von einem Sterngewölbe überwölbt und gilt als ein Meisterwerk der Hochgotik. Sie ist oft mit englischer Kathedralgotik und dem Kapitelsaal der Marienburg verglichen worden. Heute dient die Briefkapelle der Gemeinde als Winterkirche für die Gottesdienste von Januar bis März.

An die Südostecke des Chorumgangs baute der Rat der Stadt um 1390 eine eigene Kapelle, die Bürgermeisterkapelle, die im Außenmauerwerk am Wechsel von glasiertem und unglasiertem Backstein zu erkennen ist. In ihrem noch erhaltenen Gestühl wurde jeweils der neugewählte Rat in sein Amt eingesetzt. Im Obergeschoss der Kapelle befindet sich die Trese, der besonders gesicherte Aufbewahrungsort der städtischen Privilegien, Urkunden, Handfeste und der Verträge des Lübecker Rates. Auch heute noch ist dieser Teil der Kirche in städtischem Besitz.

Vor 1444 wurde der östliche Abschluss des Chorumgangs um eine einjochige Kapelle mit 5/8-Schluss erweitert – die letzte gotische Erweiterung der Kirche. Diese Kapelle diente der Abhaltung von gesungenen Stundengebeten als Teil der Marienverehrung, den Marienzeiten oder Marientiden (mittelniederdeutsch) und erhielt daher den Namen Marientidenkapelle oder Sängerkapelle.

Insgesamt zählt die Marienkirche neun größere Seitenkapellen und weitere zehn kleinere, die als Grabkapellen zumeist nach den Lübecker Ratsfamilien benannt sind, die sie genutzt und bestiftet haben.


Zerstörung und Wiederaufbau

In der Nacht zum Palmsonntag vom 28. zum 29. März 1942 brannte die Marienkirche (wie auch der Dom und die Petrikirche) bei dem Luftangriff auf Lübeck, bei dem ein Fünftel der Lübecker Innenstadt zerstört wurde, fast völlig aus. Dabei wurde auch die berühmte Totentanzorgel vernichtet, auf der unter anderem Dietrich Buxtehude und mit großer Wahrscheinlichkeit Johann Sebastian Bach gespielt hatten.

An Kunstwerken verbrannten unter anderem die Gregorsmesse von Bernt Notke, der monumentale Lübecker Totentanz (ursprünglich von Bernt Notke, 1701 durch eine Kopie ersetzt), die geschnitzten Figuren des Lettners, der Dreifaltigkeitsaltar von Jacob van Utrecht (früher auch Bernard van Orley zugeschrieben) und der Einzug Christi in Jerusalem von Friedrich Overbeck. Von den Skulpturen des Bildschnitzers Benedikt Dreyer verbrannten die von ihm geschaffenen Heiligenfiguren an der Westseite des Lettners und die Orgelskulptur an der Großen Orgel aus der Zeit 1516–18, sowie der Mann mit dem Zählbrett. Weiterhin wurden die ab 1840 in die Marienkirche eingebauten mittelalterlichen Fenster der Burgkirche zerstört. Einen Eindruck vom Innenraum kann man nur noch aus den fotografischen Innenraumdokumentationen der Vorkriegszeit von Lübecker Fotografen wie Wilhelm Castelli gewinnen.

Im Glasfenster in der Kapelle sind zur Erinnerung die Namen größerer Städte der früheren Ostgebiete in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Die Marienkirche gehört wegen ihrer Zerstörung im Krieg zu den Nagelkreuzzentren. Eine Tafel an der Mauer weist auf die Sinnlosigkeit des Krieges hin.

Noch während des Krieges wurde die Marienkirche von einem Notdach geschützt und das Chorabschlussgewölbe wiederhergestellt. Der eigentliche Wiederaufbau begann 1947 und wurde zwölf Jahre später größtenteils abgeschlossen. Dabei wurde aufgrund der Erfahrungen der Brandnacht darauf verzichtet, die Tragwerkskonstruktion des Daches und der Turmhelme wieder aus Holz auszuführen. Stattdessen sind alle nach dem Krieg wiederaufgebauten Turmspitzen von Lübecker Kirchen in einem speziell entwickelten Verfahren (Schlackenhohlkörper, System Trautsch-Pieper-Verfahren) in Leichtbetonbauweise unter der Kupfereindeckung ausgeführt. Dem Baumeister Erich Trautsch der dieses Verfahren ursprünglich entwickelte, wurde ein Glasfenster in der Nordseite der Marienkirche gewidmet.

1951 konnte unter dem wiederhergestellten Dach die 700-Jahrfeier der Kirche begangen werden. Dazu stiftete Bundeskanzler Konrad Adenauer die neue Pulsglocke, und die Gedenkkapelle im Südturm wurde eingeweiht.

Um die Gestaltung des Innenraumes gab es in den 1950er Jahren eine langanhaltende Diskussion, nicht nur wegen der Malereien (siehe unten). Vorherrschend war dabei eine puristische und unhistorische Sicht der gotischen Raumwirkung, die als durch die Zerstörung wieder auf das wesentliche, die reine Form zurückgeführt worden sei. Die Neukonzeption sollte zugleich der (damaligen) Doppelaufgabe der Marienkirche als Bischofskirche und Gemeindekirche gerecht werden. Schließlich schrieb der Kirchenvorstand und die Kirchenleitung 1956 einen beschränkten Wettbewerb aus und lud sechs Architekten zur Teilnahme ein, darunter Gerhard Langmaack und Denis Boniver, dessen Entwurf am 8. Februar 1958 im Wesentlichen angenommen wurde. In dieser Sitzung forderte der damalige Bischof Heinrich Meyer vehement die Entfernung des Fredenhagenaltars (siehe unten), womit er sich auch durchsetzte.

Die Umgestaltung des Innenraums nach Bonivers Entwurf geschah 1958/59. Dabei wurden wegen des Einbaus einer Fussbodenheizung unter einen komplett neuen Ziegelfussboden die noch vorhandenen Grabplatten aus Gotland-Kalkstein aufgenommen und zur Erhöhung des Chorraums verwendet. Der Chorraum wurde durch drei Meter hohe weißgekalkte Mauern vom Chorumgang abgetrennt. An die Stelle des Fredenhagenaltars trat ein schlichter Altarblock aus Muschelkalk und ein vom Gurtbogen herabhängendes Kruzifix von Gerhard Marcks. Am 20. Dezember 1959 fand die Einweihung des neugestalteten Chorraums statt.

Gleichzeitig wurde im Raum zwischen den Türmen eine Schatzkammer für den Paramentenschatz der Danziger Marienkirche eingerichtet, der nach dem Krieg nach Lübeck gekommen war (1993 beseitigt, der Paramentenschatz wird jetzt im St.-Annen-Museum gezeigt) und darüber eine große Orgelempore eingerichtet. Die Orgel selbst konnte erst 1968 eingebaut werden.

Der vergoldete Dachreiter, der 30 Meter über das Hochschiffdach herausragt, wurde 1980 nach alten Zeichnungen und Fotografien neu geschaffen.


Die Fresken in der Marienkirche – und Lothar Malskat

Nach dem Brand 1942 kam unter dem durch die Hitze weggesprungenen Putz die mittelalterliche Ausmalung der Marienkirche an vielen Stellen zum Vorschein und wurde teilweise noch während des Krieges durch Fotos dokumentiert.

Im Jahre 1948 wurde Dietrich Fey mit der Restaurierung der gotischen Fresken beauftragt. Als seinen Assistenten stellte er den Lübecker Maler Lothar Malskat ein, dessen Arbeit bald zum größten Kunstfälscherskandal nach dem Zweiten Weltkrieg werden sollte. Da im Obergaden des Chorraums keine Malereien vorhanden waren, ließ Fey Malskat hier Heiligenfresken im Stil der Zeit um 1300 nach eigenem Entwurf „ergänzen“. 1951 kritisierte eine Sachverständigenkommission seine Arbeit als unsachgemäß, aber erst nach Malskats Selbstanzeige 1952 kam es zu einer gerichtlichen Klärung.

In der öffentlichen Wahrnehmung wurde und wird dabei oft übersehen, dass die eigentlichen „Fälschungen“ Malskats nur einen kleinen Teil der reichen Ausmalung der Kirche ausmachen und kurz danach auf Veranlassung des damaligen Bischofs abgewaschen wurden.

Die im Rot-Grün-Ocker-Dreiklang hoch oben von der Langhausnordwand leuchtende so genannte Verkündigungsszene mit einem Engel zwischen zwei Pilgern, die zum Motiv für Postkarten und zur Vorlage für die beiden Briefmarken der Wohltätigkeits-Gedenkausgabe 700 Jahre Marienkirche Lübeck von 1951 in einer Auflage von vier Millionen wurden, ist nicht, wie oft zu lesen, eine Erfindung Malskats, sondern eine echte Malerei des 14. Jahrhunderts, was durch Fotos von 1944 dokumentiert ist.

In die Literatur eingegangen ist Lothar Malskat durch den Roman Die Rättin von Günter Grass, in dem er eine gewichtige Rolle spielt.



Text: Wikipedia

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