Mutzschen

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Mutzschen ist eine ehemalige Ackerbürgerstadt im Osten des sächsischen Landkreises Leipzig in Sachsen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Mutzschen.

Geschichte

Ur- und Frühgeschichte

Das heutige Stadtgebiet wurde bereits in der frühen Bronzezeit besiedelt. Auf dem Sporn, auf dem heute das Schloss steht, wurde eine befestigte Siedlung der Aunjetitzer Kultur errichtet, die zu den ganz wenigen bekannten Anlagen dieser Art nördlich der Mittelgebirge gehört. Am Doktorteich sind Reste eines ausgedehnten Hügelgräberfeldes erhalten.

Früh- und Hochmittelalter Im 8. Jahrhundert wurde das Gebiet von slawischen Gruppen besiedelt, die ab dem 9. Jahrhundert Burgen auf dem Mutzschener Schlossberg und oberhalb von Köllmichen auf der Alten Schanze anlegten. Mit der Eingliederung der Gebiete zwischen Saale und Elbe unter den Königen Heinrich I. und Otto I. in das Ostfrankenreich wurde im Gebiet um Mutzschen vermutlich ein Burgward eingerichtet, dessen Zentrum als Sitz der Herrschaft und der Verwaltung in der Region in Mutzschen oder auf der Alten Schanze lag.[3] In der historischen Forschung wird davon ausgegangen, dass an der Stelle der heutigen Stadtkirche in der ehemaligen Vorburg[4] in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bzw. in der Zeit um 1000 die Kirche des Burgwardes errichtet wurde.[5] Im Jahr 1081 schenkte König Heinrich IV. seinem Getreuen Chitele die drei Dörfer (villae) Mutzschen (Musitscin), Böhlitz (Beliz, heute Ortsteil der Stadt Grimma) und Mehlis (Milus, Wüstung zwischen Böhlitz und Prösitz) nebst allem Zubehör und allen Einkünften zu freiem Eigen, sowie den zu Mutzschen gehörenden Wald innerhalb angegebener Grenzen im Gau Chutizi in der Grafschaft Ekberts, wie aus einer am 18. März 1081 in Regensburg ausgestellten Urkunde hervorgeht.[6] Mit dieser Krongutschenkung wird die Grundlage für eine räumlich begrenzte allodiale Grundherrschaft südlich des Wermsdorfer Forstes geschaffen.[7] Der Wald gehörte später als Mutzschener Heide oder Wermsdorfer Forst stets zur Herrschaft Mutzschen.[8] Die weilerartige Siedlung, die wohl schon im 9./10. Jahrhundert entstanden war, wird am südlichen Ende der Stadt im Bereich zwischen Töpfermarkt und der Brücke über das Mutzschener Wasser lokalisiert. An dieser Stelle zeigt der Stadtgrundriss ziemlich unregelmäßige Grundstücke und Häusern, wie sie für die Niederlassungen der Slawen im frühen Mittelalter typisch waren.[8]

Stadtentstehung

Im Jahr 1206 wird erstmals ein Konrad von Mutzschen (Cunradus de Mutsin) als Zeuge in einer Urkunde genannt.[9] In Verbindung mit Döben und Luppa (Wermsdorf) ist Konrad von Mutzschen ein Edelfreier und damit ein Hinweis auf ältere Wurzeln in dieser Region, als es die Urkunden überliefern können. Das edelfreie Geschlecht starb Ende des 13. Jahrhunderts bereits im Mannesstamm aus bzw. wanderte in die Oberlausitz ab. Wohl um 1290, sicher aber noch vor 1308 erwarben die Burggrafen von Leisnig Burg und Herrschaft Mutzschen. In einer Urkunde von 1308 nennen sie Mutzschen erstmals castrum nostrum.[10] Die Stadt Mutzschen besteht aus zwei breiten Hauptstraßen, der Ost-West-ausgerichteten Obergasse und der nord-südlich verlaufenden Untergasse, die östlich der Stadtkirche an dem unregelmäßig viereckigen Markt zusammentreffen. Anhand des Straßenverlaufes und der im Grundbuch aus dem Jahr 1848 dokumentierten Abgabenverhältnisse wurde eine Theorie der Stadtentstehung in zwei Schritten entwickelt. In einer ersten Stufe sei in den Jahrzehnten von 1100 bis 1150 oberhalb der älteren Ansiedlung eine Siedlung entlang der Untergasse und um den Töpfermarkt als vermutlich frühester Markt mit der für solche typischen langgestreckten Form entstanden. In einer zweiten Stufe, um 1150 setzt, sind dann die planmäßig angelegten Güter an der Obergasse angelegt worden.

Spätes Mittelalter

Zum Jahr 1341 ist mit der Nennung eines plebanus erstmals ein Ortspfarrer und damit eine Pfarreiorganisation beurkundet.[11] 1350 wird Mutzschen als oppidum bezeichnet. In der betreffenden Urkunde wurde ihr zugleich ein Dienstags-Wochenmarkt und Braurechte verliehen.[12] Um 1400 wechselte die Burg in den Besitz der Familie von Starschedel. Mutzschen blieb jedoch, ähnlich wie Trebsen und Nerchau, eine Minderstadt, die die im Mittelalter üblichen städtischen Freiheiten nicht erlangen konnte. Der Stadtrichter zur Verwaltung der Stadt wurde vom Grundherrn eingesetzt, Bürgermeister und Rat gab es im Mittelalter und der frühen Neuzeit nicht. Eine geschlossene Stadtmauer hat ebenfalls nicht bestanden. Nach der Rückkehr 1476 als Begleiter von Albrecht dem Beherzten von einer Pilgerreise gründete Heinrich von Starschedel an der Stadtkirche ein Kloster der Marienknechte oder Serviten, die auch die Pfarrstellen von Mutzschen, Wermsdorf und Fremdiswalde innehatte. In dem Zusammenhang wurde die Kirche ausgebaut und ein kleiner Kreuzgang errichtet. Mit der Säkularisation 1530 ging das Servitenkloster, das angeblich für einige Monate Thomas Müntzer beherbergt haben soll, bereits wieder ein.

Neuzeit

1523 wird Mutzschen erneut als Städtchen bezeichnet, für 1544 ist die Verleihung verschiedener städtischer Privilegien urkundlich belegt, was allgemein mit der Verleihung des Stadtrechtes verbunden wird. Im Jahr 1551 umfasste das Städtchen 28 Güter und 38 Häuser, die Zahl der Einwohner dürfte etwa 400 betragen haben.[13] Kurfürst August von Sachsen erwarb 1565 die Burg, Rittergut und Ort. Bereits 1556 hatten die Herren von Starschedel Wermsdorf an den Kurfürsten verkauft, so dass dieser nun seine Herrschaft über den Wermsdorfer Forst voll verwirklichen konnte. Mutzschen wurde zum Zentrum und Sitz des bis 1856 bestehenden Amtes Mutzschen. Das Dorf Wermsdorf gehörte zum Amt Mutzschen, deswegen wurde 1681 der Amtssitz dorthin verlegt, als die Stadt Mutzschen durch einen Stadtbrand vollständig zerstört worden war. Erst um 1600 entstand die Friedhofskirche am östlichen Ausgang der Stadt. In den Landsteueranschlägen von 1661 und 1667 umfasste Mutzschen 32 Güter, davon 6 im Besitz von Pferdnern (Fuhrleute) und 26 von Hintersassen. Dazu kamen bereits 72 Häusler, was auf eine nicht unerhebliche Zunahme der Bevölkerung schließen lässt.[14] 1688 gab es neben den hufenbesitzenden Gütern vier Schuster, vier Leineweber, drei Töpfer, drei Tagelöhner, je zwei Fleischer, Bäcker, Böttger, Glaser und Zimmerleute und je einen Schmied, Sattler, Seiler und Maurer, ein Häusler war Soldat.[15] In den Jahren 1637, 1681, 1685 und 1724 verwüsten große Brände die Stadt. Die schlichten Wohnhäuser am Markt stammen daher im Wesentlichen aus dem 18. Jahrhundert und wurden im Barockstil errichtet. Wegen des einheitlichen Aufbaues und kaum erfolgter Veränderungen wurde der Markt unter Denkmalschutz gestellt. In den Jahren 1831 bis 1834 gelang den Einwohnern der Loskauf von Frondiensten. 1849 wollten sich Mutzschener Turner an der Revolution von 1848/49 beteiligen, kamen aber zu spät und wurden trotzdem nach ihrer Rückkehr bestraft. Die 1847 mitgeführte Turnerfahne hängt heute im Stadtmuseum. 1888 wurde die Schmalspurbahn Mügeln–Neichen, der sogenannte „Wilde Robert“, mit einem Bahnhof in Mutzschen in Betrieb genommen. Im Ersten Weltkrieg verlieren achtzig Mutzschener ihr Leben.[16] Der Zugverkehr nach Mutzschen wurde 1970 eingestellt. Spätestens seit der Neuzeit dienten die relativ dicken Lößlehmschichten vor der Stadt als Materialgrundlage für zahlreiche Töpferei- und Ofenbaubetriebe. Eine Porzellanfabrik in Mutzschen stellte zunächst Biskuitporzellan her und stellte sich später auf technische Keramik, insbesondere Isolatoren, um. Durch den Lehmabbau, der teilweise auch untertage erfolgte, entstanden die zahlreichen, mitunter mehretagigen tiefen Keller und sogenannten „Höhler“. Über etwa 100 Jahre lebten einige Familien von der Zigarrenherstellung. Von den Zerstörungen der beiden Weltkriege blieb Mutzschen weitgehend verschont. An den Kosten der in der allgemeinen Euphorie der Wende zahlreich erschlossenen 17,8 ha großen Gewerbeflächen hat die Stadt bis heute finanziell schwere Lasten zu tragen. Zumal dieses nie vollständig genutzt wurden.[17] Nach der Wende versuchte der Alteigentümer und Verwalter der von den Stalinisten enteigneten privaten Emil Naumannschen Familienstiftung sein Eigentum zurückzubekommen und beschuldigte die Stadt öffentlich der Hehlerei.[18] Die lebensfremden Hoffnungen der Stadt Mutzschen auf den millionenschweren Ölscheich[19] und andere Wunschgedanken, bzw. mit dem nach 1945 geraubten Eigentum einen hohen Verkaufserlös zu erzielen und damit die klamme Stadtkasse zu füllen, erfüllte sich nie. Das leere und ungenutzte Schloss verkam nach jahrelangen Unterlassungen immer mehr zur Ruine. Der von der Stadt 1998 entworfene Flächennutzungsplan wurde 2002 durch den Freistaat Sachsen genehmigt.[20] 2009 siegte Mutzschen in einem sächsischen Landeswettbewerb und wurde schlaueste Stadt Sachsens.[21] 2010 wurde auf dem Markt die große mittelalterliche Trinkwasserzisterne, welche von einem Wiesengebiet am Böhlitzer Weg, genannt Langhan, gespeist wurde, bei Pflasterarbeiten verfüllt. Bis in die 1990er Jahre wurde die Zisterne als Löschwasserspeicher genutzt.[22] In einer Entscheidung durch das Kultusministerium sollte nach der Schließung der Mittelschule 2004 auch 2011 die Grundschule geschlossen werden. Der Bürgermeister Carsten Graf dazu öffentlich: Wir hatten immer geglaubt, Mutzschen sei Pilotprojekt für die Abwasserbeseitigung. In Wirklichkeit sind wir seit 20 Jahren ein entsprechendes Projekt für die Entsorgung einer ganzen Stadt![23]

Zum 1. Januar 2012 wurde Mutzschen in die Große Kreisstadt Grimma eingemeindet.[24]

Die Mutzschener Pietisten

Missstände im kirchlichen Leben, unsicherer Gebrauch der Messen, ungeistliches Auftreten der Pfarrer förderten um 1731 die Ausbreitung des Separatismus um den Chirurgen Samuel Siegfried in der evangelisch-lutherischen Kirche. So gab es 1740 dreißig sogenannte Pietisten in Mutzschen. Dazu zählten Handwerker und Handelsleute. Obwohl die für Mutzschen zuständigen Superintendenten aus Grimma und die vor Ort immer wieder neu eingewechselten Ortsgeistlichen mit seelsorgerischem Ernst auf die Vorwürfe reagierten, gelang es diesen nicht, die separatistischen Anhänger Siegfrieds zur Teilnahme an Gottesdiensten und Abendmahl zu bewegen. Auch härtere Maßnahmen, wie die Beschlagnahmung von verdächtigen Büchern oder die Drohung einer Ausweisung hatte keinen Erfolg. Dabei engten das Desinteresse am Geschehen des Dresdner Hofes und die Duldung durch das Oberkonsistorium den Handlungsspielraum des örtlichen Pfarrers enorm ein.[25] Lediglich die Aufklärung verhinderte eine weitere Ausbreitung dieser neuen Form des Protestantismus innerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche.


Text: Wikipedia

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