Nauen

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Nauen ist eine Stadt im Landkreis Havelland des Landes Brandenburg.

Stadtführer

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(c) Karte: CC-BY-SA OpenStreetMap.org contributors

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Nauen.

Wilhelm Kotzde-Kottenrodt

Sonstige

Geschichte

Frühgeschichte

Das Gebiet um die heutige Kernstadt Nauen war bereits seit der Jungsteinzeit besiedelt.[8]

Mittelalter (500–1500)

Eine These hinsichtlich der Namensgebung Nauens besagt, eine Familie aus Nauen am Westharz habe sich hier angesiedelt und ihrer neuen Wohnstatt den Namen ihrer alten Heimat gegeben.[9] Wahrscheinlicher ist aber, dass der Name von dem slawischen Wort „nowo“ stammt, was „neu“ oder „neuer Ort“ bedeutet.[10] Nauen wurde 1186 erstmals als „Nowen“ in einer Urkunde von Bischof Baldram von Brandenburg erwähnt und nicht, wie in früheren Quellen dargestellt, im Jahre 981.[11] Nauen erhielt 1292 das Stadtrecht, woraufhin die Bürger 1302 das erste Rathaus errichteten. 1317 wurde ihr durch den brandenburgischen Markgrafen Waldemar den Großen das Marktrecht verliehen. Bereits im Mittelalter siedelten Juden in der Stadt. Im Jahr 1414 verursachte ein Rachefeldzug des Raubritters Dietrich von Quitzow einen großen Stadtbrand.

Neuzeit (1500 bis Ende des 18. Jahrhunderts)

Während des Dreißigjährigen Krieges zerstörten im Jahr 1631 die kaiserlichen Truppen Tillys einen Teil der Stadt. Während des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges fand am 27. Juni 1675 das „Gefecht bei Nauen“ zwischen schwedischen und brandenburgischen Truppen statt. Ab 1716 begann die Einquartierung von Militär. Im Jahre 1732 hielt sich Kronprinz Friedrich, der spätere König Friedrich II. von Preußen, für drei Monate als Kommandeur eines Bataillons in Nauen auf. Der Bau von zwei Kasernen erfolgte 1767 im Bereich des heutigen Landratsamtes.

19. bis 21. Jahrhundert

Preußen und Deutscher Bund

Im Jahr 1800 weihte die jüdische Gemeinde ihre Synagoge in der Goethestraße 11 ein.

Im Jahre 1816 entstand der Landkreis Osthavelland. Die jüdische Gemeinde konnte 1819 außerhalb der Stadt Am Weinberg einen Friedhof anlegen. Nauen wurde 1826 Kreisstadt und blieb dies über alle folgenden Gesellschaftsformen hinweg bis zur Kreisreform 1993.

Die Stadt erhielt 1846 einen Anschluss an die Berlin-Hamburger Bahn. Zwischen 1865 und 1930 wurden mehrere Großprojekte verwirklicht, darunter 1865 die städtische Gasanstalt.

Norddeutscher Bund (1867–1871) und Deutsches Kaiserreich (1871–1918)

Im Jahr 1869 erfolgte die Einweihung einer höheren Knabenschule.

Im Jahr 1883 wurde die Freiwillige Feuerwehr gegründet. 1889 erfolgte der Bau der Zuckerfabrik Nauen. Das neue Rathaus der Stadt im Stil der norddeutschen Backsteingotik wurde zwischen 1888 und 1891 errichtet. Ein Orkan im Februar 1911 brachte dessen Turm zum Einsturz, welcher durch das Dach schlug, woraufhin die Turmspitze mitten in den Sitzungssaal ragte.[12] Mittels der Eisenbahn wurde 1890 der Vorortverkehr nach Berlin eröffnet. Vom 20. September 1901 bis zum 1. April 1961 war Nauen Endbahnhof der Kreisbahn Rathenow-Senzke-Nauen. 1906 entstand die nördlich vor Nauen liegende Funkstelle als Versuchsstation von Telefunken, deren Erweiterung zur Großfunkstelle Nauen im Jahr 1921 erfolgte. Sie ist damit die älteste noch bestehende Sendeanlage der Welt. Im Jahr 1907 wurde ein Kreiskrankenhaus eröffnet, dessen Entwurf von den Charlottenburger Architekten Mohr & Weidner stammte. Im Jahr 1912 ließ die Stadtverwaltung die Beleuchtung elektrifizieren. Der Bau des Gymnasiums in der Parkstraße erfolgte 1916.

Weimarer Republik (1918–1933)

1923 erfolgte die Eröffnung der städtischen Badeanstalt. 1930 wurde die Vollkanalisation der Innenstadt durchgeführt. Drittes Reich (1933–1945)

Bereits in den ersten Wochen nach der Machtergreifung der NSDAP kam es zu gewalttätigen Übergriffen auf Mitglieder der Arbeiterbewegung, im August 1933 etwa wurde der Arbeitersportler Karl Thon von Angehörigen der Nauener SA verschleppt und erschlagen.[13] Zudem richtete die SA-Standarte 224 im Jahre 1933 in einer Zementfabrik im heutigen Ortsteil Börnicke das KZ Börnicke als Teillager des frühen KZ Oranienburg ein. Zwischen 150 und 500 politische Gefangene – überwiegend Kommunisten und Sozialdemokraten aus dem Landkreis Osthavelland – befanden sich hier in Schutzhaft, wobei mindestens zehn von ihnen ermordet wurden und weitere an den Haftfolgen starben. Nach der Auflösung des KZ Börnicke im Juli 1933 diente die Anlage als KZ-Außenlager des KZ Oranienburg.

Die Nauener Synagoge wurde 1938 während der Novemberpogrome stark beschädigt.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte am 20. April 1945[14] ein US-amerikanischer Luftangriff am Tage, bei dem 83 Menschen starben.[15] Der Bahnhof und die umliegenden Stadtgebiete erlitten schwere Zerstörungen.

Am 23. April 1945 rückten unter dem Oberbefehl von Marschall Schukow Bodentruppen der 1. Weißrussischen Front der Roten Armee, in deren Reihen auch Truppen der 1. Polnischen Armee kämpften,[16] bei der Umfassung der Reichshauptstadt in Vorbereitung der Schlacht um Berlin gegen Nauen vor. Sie nahmen die Stadt innerhalb von 24 Stunden ein.[17]

Sowjetische Besatzungszone (1945–1949) und Deutsche Demokratische Republik (1949–1990)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte Nauen zur Sowjetischen Besatzungszone. Die Stadt lag nun im Land Brandenburg. Enteignungen und Bodenreform prägten Nauen und seine umgebenden damals politisch noch selbständigen Gemeinden nachhaltig. Es setzte eine dauerhafte Flurbereinigung ein. Die bestehenden Produktionsbetriebe und Landwirtschaftsgüter vor Ort wurden nach Jahren der Reparationsleistungen in die Sowjetunion kollektiviert und ihre Privatbesitzer entrechtet. Das Vermögen über Gut und Boden wurde nun als Volkseigentum deklariert. Es folgte die Bildung von LPGs und VEGs als auch VEBs auf dem Stadtgebiet. Konsum- und Handelsgenossenschaften wie HO und Konsum ersetzten die Meisten der privaten Einzelhandelsgeschäfte. Im Verlauf der DDR entstanden in der Stadt auch einzelne Spezialgeschäfte wie Delikat. Der private Wirtschaftsbereich bestand als Nische unter staatlicher Duldung fort, ergänzte das zentral geplante Warenangebot und milderte so Versorgungsengpässe.

Im Jahr 1952 erhielt sie den Status einer Kreisstadt im Kreis Nauen, und da mit der Gründung der DDR die früheren Länder abgeschafft worden waren, gehörte sie nun zum Bezirk Potsdam. Die Aufstände von 1953 wirkten sich vornehmlich in der Region um Nauen, aber weniger in der Stadt selbst aus. Nach 1953 normalisierten sich die Lebensbedingungen vor Ort weiter, es entstanden eine Anzahl an öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen:

1953: Beginn des Baus der Freilichtbühne (bis 1955)

1955: Bau des „Theaters der Freundschaft“

1959: Fertigstellung des Baus der Molkerei

1967: Entwicklungsbeginn des Industriegebiets Ost

1968: Inbetriebnahme des Stadtbades an der Zuckerfabrik

1974: Einweihung eines neuen Schulkomplexes mit zwei Schulen und mehr als 1000 Schülern an der Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft (heute Kreuztaler Str.)[18]

Im späteren Nauener Ortsteil Groß Behnitz befand sich vom 7. Oktober 1969 bis zum 7. Oktober 1986 die NVA-Kaserne der Raketenabteilung 1 (Abkürzung: RA-1).[19][20] Diese Kaserne trug den Ehrennamen Rudi Arndt und den Tarnnamen Ogarok (deutsche Schreibweise des russischen Wortes Огарок = „Kerzenstummel“).[19] Die Raketenabteilung 1, welche den Tarnnamen Morena (deutsche Schreibweise des russischen Wortes Морена = „Moräne“) trug, unterstand der 1. Motorisierten Schützendivision (Abkürzungen: 1. Mot.-Schützendivision beziehungsweise 1. MSD) in Potsdam-Eiche,[20][21]

Nach 1945 wurde direkt im Zentrum der Ehrenfriedhof für die in und um Nauen gefallenen sowjetischen Soldaten angelegt. Zum Ende der 1980er Jahre wurde er mit Zustimmung der SED-Kreisleitung auf den Städtischen Friedhof verlegt und Anfang der 1990er Jahre schließlich als weithin sichtbare Gedenkstätte mit rotem Stern abgebaut. Die SED-Kreisleitung und die Kreisdienststelle Nauen des MfS bildeten die vor Ort sichtbaren Sicherheitsstrukturen der DDR.

Bis zum Bau der Autobahn und der Ortsumgehung führte der Transitverkehr von Hamburg nach Westberlin durch die Innenstadt Nauens. Die zentrale Hamburger Straße und Berliner Straße als Teilstrecke der alten F5 waren daher häufig mit Verkehr verstopft.[22] Das hatte zur Folge, dass während der DDR-Zeit der Hamburger Teil unter ständiger Kontrolle der Sicherheitsorgane stand.[23]

Noch vor der Maueröffnung wurde am 22. September 1988 eine Städtepartnerschaft mit dem West-Berliner Bezirk Spandau vereinbart.[24] Jährlich waren jeweils vier Treffen mit Vertretern beider Kommunen vorgesehen. 1989 fanden zwei Fußballfreundschaftsspiele zwischen der BSG Einheit Nauen und einer Spandauer Bezirksauswahl statt. Beim Hinspiel blieben zwei Nauener Spieler in Spandau und kehrten nicht mehr nach Nauen zurück.[25] Die Idee zum Aufbau einer Städtepartnerschaft inmitten des Kalten Kriegs entstand 1987, als Werner Salomon auf der Rückreise von einem Treffen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds in Potsdam, ohne Erlaubnis mit einigen Kollegen nach Nauen fuhr und sich dort mit Alfred Kuhn, den Nauener Bürgermeister traf. Für das Treffen wurde Kuhn von der DDR-Regierung gerügt.[26] Trotzdem beschlossen Honecker und Diepgen bei einer Unterredung den Aufbau von gemeinsamen Städtepartnerschaften im Februar 1988.[27]

Die Gärtnerische Produktionsgenossenschaft Nauen, einer der größten Betriebe in Nauen, errichtete umfangreiche Gewächshausanlagen am damaligen Ortseingang. Die Genossenschaft produzierte große Mengen an Gartenbauprodukten, die allerdings für den Westberliner Markt bestimmt war. Von der örtlichen Produktion hatten die Nauener nichts. Dies verstärkte die vielfach geäußerte chronische Mangelversorgung mit Konsumgütern in der Wahrnehmung der damaligen Stadtbevölkerung.[28]

Die Häuser der Nauener Altstadt wurden im Laufe der Jahrhunderte immer baufälliger. Aufgrund der nicht genügend vorhandenen Baumaterialien und auch der niedrigen Arbeitsproduktivität in den Baubetrieben, wurden sie zu Ruinen, in denen unter schlechten hygienischen Verhältnissen Menschen lebten. 1987/88 begannen erste Abrissarbeiten in der historischen Altstadt. Da 68 baufällige Häuser in der Altstadt fotografisch dokumentiert wurden, wäre der Kern der Stadt verschwunden und Nauen hätte sein historisches Aussehen verloren. Die sich abzeichnende Wende verhinderte den Vollzug der Abrissplanungen.

Vor Ort wurde wie anderswo in der DDR, ab den fortgeschrittenen 80ern eine allgemeine nachlassende Dynamik in Gesellschaft und Wirtschaft in der Bevölkerung bemerkt. Auf die Diskrepanzen zwischen Wahrnehmung und Propagiertem reagierte der örtliche Karnevalsverein „NKC“, der eine bedeutende Mitgliederbasis und Stellung besaß,[29] mit traditionellen Spott in den Büttenreden, die trotz üblicher Zensurbestimmungen Kundgabe fanden. Kritisiert wurden die allgemeinen städtischen Defizite, die häufig Versorgungsengpässe aber auch die Angewohnheit des Hamstern über den Eigenbedarf hinaus thematisierten.

„Unser Bier, das kam seit Jahren schon

von der Nauener Getränkeproduktion.

Ich meine das Helle, das ist ja klar,

was nach drei Tagen schon sauer war.

Hielt man die Flasche in die Höhe

dann fielen die Flocken wie Wasserflöhe.

Und das Ergebnis dieser Pullen,

zwei Flaschen trinken und vier Mal gleich lullen!

Potsdamer Spezial und Berliner Bier

das gabs in Nauen selten hier.

Viel wurd' vom Westen eingeführt,

blos Bier das wurd' nicht importiert.

Sonst hätten wir, das hätte geklappt

mit denen drüben die gleiche Fahne gehabt.“

– Büttenrede des NKC, etwa 1990

Am 7. Mai 1989 fanden in der DDR Kommunalwahlen statt. Erstmals überwachten unabhängige Bürger die Stimmenauszählung und konnten nachweisen, dass Wahlergebnisse manipuliert wurden. Dies wirkte als ein Aufbruchsignal für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR.[30] Entsprechende Wahlfälschungen wurden auch in Nauen berichtet.

Das Konzert der westdeutschen Rockband „The Lords“ auf ihrer Good-Bye-Tour in der DDR, zusammen mit den Puhdys und Turbo am 7. August 1989 in der ausverkauften Freilichtbühne in Nauen, verstärkte die Destabilisierungen der Strukturen vor Ort.[31]

1989 entstand auch in Nauen eine Oppositionsbewegung um das Neue Forum. Die Gründung des Kreisverbands der Freidenker im Oktober 1989 und die öffentlich zur Diskussion gestellte neue Nauener Stadtordnung bildeten den Wendeauftakt in Nauen. Frühes Protestzentrum war die St. Jacobikirche und das Kino ab Ende Oktober und November 1989. Auf dem heutigen Rathausplatz wurden nach Aufrufen der evangelischen Kirche Kundgebungen organisiert, die bis zu 4000 Personen anzogen.[32] Die Oppositionsbewegung lässt sich bis auf Reinhard Steinlein zurückverfolgen, der von 1970 bis 1984 Superintendent in Nauen war. Steinlein ging zu den Annäherungsversuchen des Staats zunehmend auf Distanz. Seine Kritik richtete sich gegen den Absolutheitsanspruch des DDR-Systems. Er bezog in seinen kritischen Äußerungen gegenüber Kirche und Staat einen dezidiert lutherischen Standpunkt, der eine Minderheitenposition darstellte.

Die Stadt erhielt seit Monaten keine Gelder mehr von den übergeordneten Institutionen, eine echte kommunale Selbstverwaltung, die auch eigene Finanzmittel enthalten hätte, hatte es nicht gegeben. Versuche der Stadt, durch öffentliche Aussprachen die Kontrolle über die ihr entgleitenden Geschehnisse zu behalten, endeten in wüsten und emotionalen Vorwürfen, die die aufgebrachte Nauener Bevölkerung gegenüber den Stadtverantwortlichen bei öffentlichen Sitzungen entgegenbrachte. Zu heftigen Disputen führten konkrete Nachfragen bezüglich der Mülldeponien Vorketzin, Röthehof und in Schwanebeck. Auch Missstände in den Bereichen Wohnungsverwaltung, Wohnraumerhaltung, Straßenbau, Gesundheitswesen, Handel und Versorgung und Verwaltungsantragsbearbeitung aber auch unverhältnismäßige Korruptionsvorwürfe wurden häufig aufgegriffen. Der Pfarrer aus Berge, Harald Gräber führte die Diskussionen an. Am 9. November fand während des „zweiten Rathausgesprächs“ im Kino die Nachricht Umlauf, das eben die Mauer geöffnet wurde, was anhaltenden Jubel unter den Teilnehmern hervorrief. Eine längere inhaltlich arbeitende Reformgruppe vor Ort etablierte sich aber nicht. Das Interesse an der Erarbeitung von Reformthemen erlosch binnen kurzer Zeit nach Einräumung der Möglichkeit der Einreise in das „kapitalistische Ausland“.[33]

Nach der Maueröffnung zerfielen die Strukturen vor Ort in raschem Tempo. Die bei den letzten (unfreien) Kommunalwahlen gewählten Vertreter in der Stadtverordnetenversammlung blieben den Sitzungen fern.

Bundesrepublik Deutschland (seit 1990)

Die völlig veränderten Staatsstrukturen führten zu einem fundamentalen Wandel der städtischen Strukturen, Personalzusammensetzung und städtischen Einrichtungen. Kitas und Schulen wurden komplett neu ausgerichtet. Auch die städtische Verwaltung durchlief Transformationsprozesse. Der Anteil an Büroarbeitsplätzen stieg an, bei gleichzeitigem Abbau an Arbeitsplätzen im handwerklichen und produktiven Bereich. Städtische Kantinen und Küchen wurden abgebaut, die Büros mit Personalcomputern und Rechennetzen ausgestattet. Es setzten in den 1990er Jahren in der Stadtverwaltung anhaltende Personalabbauprozesse ein, da eine Überausstattung an Personalkräften vorhanden war, die den plötzlich gewandelten Qualifikations- und Aufgabenanforderungen der neuen Zeit nicht mehr entsprachen.[34]

Nach den ersten Kommunalwahlen nach der Grenzöffnung am 6. Mai 1990 stellten vier Parteien die Stadtverordnetenversammlung. Die noch geltende Kommunalverfassung der DDR schrieb ein 40-köpfiges Gremium vor. Die Kommunalwahlen 1993 reduzierten die Anzahl der Stadtverordneten auf 22 Mitglieder. Das Wahlergebnis brachte der SPD die absolute Mehrheit mit 22 Mandaten. Verbunden mit der Kommunalwahl 1993 war dies die erste Urwahl des Bürgermeisters. Aus dem Kreis der drei Kandidaten Werner Appel (SPD), Dirk Bütow (CDU) und Robert Heller (BüBü) ging Werner Appel als Wahlsieger hervor. Mit 74 % der abgegebenen Stimmen führte Werner Appel die bereits 1991 begonnene Amt weiter. Die Bürgerinitiative für gerechte Gebühren initiierte mit einer Unterschriftensammlung das in der Gemeindeordnung verankerte Recht des Abwahlverfahrens des Bürgermeisters. Am 16. Juni 1996 scheiterte das Abwahlbegehren an dem vorgegebenen Quorum von 25 % der Wahlberechtigten.[35]

Mit Verabschiedung des „Gewerbegesetzes der DDR vom 6. März 1990“ wurde erstmals nach der Ära der sozialistischen Planwirtschaft die Gewerbefreiheit erklärt. Mit dem Beitritt zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 galt dann automatisch die Gewerbeordnung der Bundesrepublik Deutschland auch für das Territorium der neuen Bundesländer. Waren in der Vorwendezeit jährlich lediglich ein bis sieben Gewerbeanmeldungen in einem Jahr zu verzeichnen, begann mit der Einführung der Gewerbefreiheit eine regelrechte Gründerzeit. 1990 schnellten die Gewerbeanmeldungen auf über 250 jährlich hoch. Ab 1993 pegelte sich die Anzahl auf einen etwa gleichbleibenden Stand von etwa 150 Gewerbeanmeldungen pro Jahr ein.[36]

1990 fragte die Stadt Kreuztal in Nauen an, ob eine Kontaktaufnahme gewünscht sei. Diese Frage wurde von dem damaligen Nauener Bürgermeister Wolfgang Seeger positiv beschieden und zugleich mit einer Einladung nach dort verbunden. Im November 1990 trafen Stadtdirektor Erdmann, Stadtbaurat Koch und Dezernent Siebel aus Kreuztal in Nauen ein, um festzustellen, ob und in welcher Weise eine Unterstützung möglich sei. Der Einblick in die Ausstattungssituation der Freiwilligen Feuerwehr Nauens führte spontan dazu, dass ein in Kreuztal überzähliger Rüstwagen angeboten wurde. Auf die Kreuztaler Gegeneinladung fuhr dann Ende Januar 1991 eine Delegation aus Nauen nach Kreuztal mit dem Auftrag der Stadtverordnetenversammlung Nauen, eine Städtepartnerschaft mit einer Kommune aus Westdeutschland herzustellen. Schnell wurden die Absichten der Partnerschaftserklärungen in die Tat umgesetzt. Am 23. Februar 1991 erfolgte der Abschluss des Partnerschaftsvertrages mit Kreuztal.[37]

1992 wurde das 700-jährige Stadtjubiläum über das gesamte Jahr hinweg mit vielen Jahresprogrammpunkten begangen. Neben einem großen historisierenden Umzug gab es eine vermehrte publizistische Tätigkeit rund um die Jubiläumsfeierlichkeiten im regionalen Bereich. Bekannte Landespolitiker besuchten öffentlichkeitswirksam die Stadt. Auch die neue Stadtpartnerschaft mit Kreuztal wurde im Rahmen der Feierlichkeiten vertieft und ausgebaut.

Die Zuckerfabrik Nauen wurde 1993 aufgelöst. Viele weitere ehemalige DDR-Betriebe wurden ebenfalls abgewickelt, die Anzahl der Arbeitslosen stieg rasch. Dem wirtschaftlichen Strukturwandel wurde mit der Entwicklung von neuen Gewerbegebieten begegnet. In den neu entstandenen Arealen siedelten sich teils namhafte Unternehmen an. So produziert Wirthwein in seiner Niederlassung Nauen seit Mitte der 1990er Jahre jährlich um die 500.000 Waschmaschinen. Um die Wohnungsnot in der Kernstadt zu lindern, entstand ab 1994 ein großer neuer Wohnpark in der Hamburger Straße, das erste größere Neuinvestitionsprojekt in Nauen nach der Wende.

Bauliche Investitionen wurden ab 1993 vermehrt umgesetzt, der bauliche Sanierungsstau in der Kernstadt wurde so bis etwa 2005 kontinuierlich abgetragen:

21. Apr. 1993 Grundsteinlegung des Hausgerätewerkes Nauen

14. Juni 1993 Grundsteinlegung für die Rekonstruktion des Nauener Stadtbades

27. Aug. 1993 Baubeginn des Gewerbegebietes „Nauen-Ost“

1. Okt. 1993 Richtfest des Turmes der St. Jacobi-Kirche (Sanierung)

29. Okt. 1993 Richtfest Einkaufszentrum Dammstraße

15. Nov. 1993 Grundsteinlegung „Wohnpark Hamburger Straße“[38]

Durch die Zusammenlegung des Landkreises Nauen mit dem Landkreis Rathenow zum Landkreis Havelland im Dezember 1993 verlor Nauen seinen Status als Kreisstadt an Rathenow, behielt aber Teile der Landkreisverwaltung. Über ein Landesgesetz erhielt die Stadt für die Dauer von vier Jahren finanzielle Kompensation in Form einer Investitionspauschale.[39]

Nauen wurde am 18. Oktober 2001 Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen des Landes Brandenburg“.[40] Dadurch rückte die Altstadtsanierung in den Mittelpunkt der Stadtpolitik.[41]

Die angeordnete Stasiaufarbeitung bei Nauenern Mandatsträgern und leitenden Angestellten in Nauen endete nach 2012.[42]

Durch die Inkorporation von 13 Gemeinden des vormaligen Amt Nauener Land veränderte sich der städtische Charakter grundlegend. Die so sprunghaft gewachsene Flächengemeinde erfuhr durch die Fusionierung zweier kommunaler Verwaltungen in den Folgejahren eine quantitative und qualitative Ausweitung ihrer Aufgaben. Infrastrukturaufwendungen, Erneuerungsmaßnahmen und gewachsene Bedarfe an öffentlichen Gütern wie zum Beispiel Schulplätze und Kitaplätze führten seit 2010 zu gestiegenen Investitionen in den Ausbau der Schul- und Kitainfrastruktur auf dem Gemeindegebiet.

Als 2015 zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sollte in Nauen eine Flüchtlingsunterkunft für ca. 100 Menschen eingerichtet werden. In der Nacht vom 24. auf den 25. August 2015 wurde ein Brandanschlag auf den Gebäudekomplex verübt,,[43] sodass Nauen in der Folge in den Medien häufig als „Zentrum der rechtsextremen Szene in Brandenburg“ bezeichnet wurde. Mit dem Toleranzfest Nauen stellen sich seitdem mehr als 30 Organisationen und die Stadtverwaltung dieser Entwicklung entgegen.[44] Sie wollen auf friedliche Weise signalisieren, dass sich die Mehrheit der Einwohner der Stadt für ein tolerantes, demokratisches und solidarisches Miteinander der Menschen einsetzt.


Text: Wikipedia

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