Neustettin
Szczecinek (deutsch Neustettin) ist eine Stadt in der polnischen Woiwodschaft Westpommern. Sie ist Sitz des Powiats Szczecinecki sowie der gleichnamigen Landgemeinde, der sie aber nicht angehört. Sie hat mehr als 40.300 Einwohner.
Reklamemarken und Siegelmarken
Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Neustettin.
Geschichte
Nach dem pommerschen Geschichtsschreiber Micrälius sind die Stadt Neustettin und das Schloss im Jahr 1309 von Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast zur Befestigung des Landes an der polnischen Grenze erbaut worden, auch zum Schutz gegen die unter Markgraf Waldemar expandierende Mark Brandenburg. Nach einer Inschrift, die 1769 in der abgebrochenen Kirche in Neustettin gefunden wurde, ist Neustettin von Herzog Wartislaus IV. im Jahr 1313 nach dem Muster der an der Oder gelegenen Hauptstadt Stettin angelegt worden (daher wohl der Name Neustettin). Er verlieh der Stadt das Lübische Stadtrecht.[3][4][5] Wegen der günstigen Lage brauchten zur Befestigung der Stadt nur ein Wall und Palisaden errichtet zu werden.
Nachdem Wartislaw IV. im Jahr 1326 gestorben war, regierten seine drei Söhne Bogislaw V., Barnim IV. und Wartislaw V., die zunächst unter Vormundschaft standen, ab 1341 das Herzogtum Pommern-Wolgast gemeinsam. Bei der Aufteilung im Jahr 1368 erhielt Bogislaw V. den östlichen Teil mit der Stadt Neustettin; diese überließ er anschließend als Abfindung ohne Landeshoheit seinem jüngsten Bruder Wartislaw V.[6] Im Jahr 1356 wurde Neu-Stettin von der Beulenpest heimgesucht. Zum Dank für das Abebben der Seuche gründeten die Herzöge das Kloster Marienthron, das auf dem Mönchsberg am Südende des Streitzigsees errichtet wurde.
Herzogtum
Unter Herzog Wartislaw VII. (Sohn Bogislaws V.) wurde Neustettin von 1376 bis 1395 Sitz des gleichnamigen Herzogtums. Danach gehörte Neustettin nacheinander zu den pommerschen Teilherzogtümern Rügenwalde (bis 1418), Wolgast (bis 1474) und Stettin (bis 1618).
Am 15. September 1423, dem „großen Tag von Neustettin“, kamen in Neustettin die pommerschen Herzöge, der Hochmeister des Deutschen Ordens und der nordische Unionskönig Erich I. zusammen, um Maßnahmen gegen das Bündnis von Brandenburg und Polen zu verabreden. 1461 wurde Neustettin von polnischen Truppen und Tataren überfallen, weil sich Polenkönig Kasimir am Pommernherzog Erich II. rächen wollte, der Polen im Kampf gegen den Deutschen Orden im Stich gelassen hatte. Neustettin wurde geplündert und gebrandschatzt.
In den Jahren 1540 und 1547 erlitt die Stadt große Feuersbrünste, die sich 1682 und 1696 wiederholten und die Stadt abermals verwüsteten.[3]
Die ersten Nachrichten über das Bestehen einer Schule in Neustettin gehen auf das Jahr 1570 zurück. Es gab damals einen „Scholemeister“ zu Neustettin, der zugleich „Köster“ in Küdde war, von dort bezog er sein Einkommen. Im Jahre 1590 waren bereits zwei Lehrer an der Schule zu Neustettin, von denen der zweite den Amtsnamen Cantor führte und später auch Schulmeister genannt wurde.[5]
1579 wurde die St.-Nicolai-Kirche erbaut, zum größten Theil aus den Bausteinen des abgebrochenen, nahe gelegenen Klosters Marienthron.[7][5]
1591 wurde die Rutze, Ehefrau des Neustettiner Bürgermeisters Augustin Rutze, Opfer der Hexenverfolgungen in Neustettin. Jakob von Kleist ließ sie „wegen Hexerei nicht allein gefänglich einziehen, sondern auch zu unterschiedlichen Malen auf die Reckebank legen und sie fast zu Tode peinigen. Diese Tortur dauerte mit Unterbrechungen fast ein ganzes Jahr.“ Nachdem der Bürgermeister geklagt hatte, erging erst am 22. Juni 1592 an Kleist das herzogliche Mandat, „daß er sich alles Richtens zu enthalten hätte“.[8]
1602, 1636, 1653 und 1657 wurde die Stadt von der Pest heimgesucht und wiederholt entvölkert. Nach der letzten Feuersbrunst erhielt die Stadt von Kurfürst Friederich III. Zuschüsse für den Wiederaufbau der Häuser sowie eine fünfjährige Befreiung von allen Abgaben und Lasten.[3] Während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) war die Stadt Durchzugsort für die kämpfenden Heere; die Bevölkerung der Stadt verarmte.
Pommernherzog Philipp II. ließ nach dem Tod von Herzog Bogislaw XIII. im Jahr 1606 für dessen Witwe Anna (geborene Herzogin von Holstein), seine zweite Ehefrau, das Schloss in Neustettin (auch Ritterhaus genannt) in einen bequemeren Wintersitz umbauen.[5] Herzog Ulrich ließ das lang zerstörte Schloss wieder aufbauen und machte es bis zu seinem frühen Tod zu seiner Residenz.[3] Seine Witwe Hedwig gründete 1640 die später nach ihr benannte Fürstin-Hedwig-Schule.
Preußen
Nachdem der letzte pommersche Herzog Bogislaw XIV. im Jahr 1637 gestorben war, fiel Hinterpommern und damit Neustettin nach dem Dreißigjährigen Krieg im Jahr 1653 an Brandenburg-Preußen.[10]
Um eine Ausdehnung der Stadt zu ermöglichen, wurde 1778 der Vilmsee und 1867 der Streitzigsee abgesenkt. Der 10,300 Morgen große Vilmsee wurde auf Anordnung Friedrichs des Großen auf Staatskosten auf 9 Fuß abgelassen, wodurch über 4000 Morgen Wiesen trockengelegt wurden. Von den trockengelegten Wiesen und Äckern erhielt jeder Hausbesitzer 1 Vorland, 1 Seewiese und 1 Vilmbruchs-Wiese als freies Eigentum und außerdem zum Ankauf einer Kuh ein Geschenk von 10 Talern.[11][5]
Mit der preußischen Verwaltungsreform und der Einführung der Städte-Ordnung vom 19. November 1808 wurde die städtische Verwaltung Neustettins neu geordnet. Neben dem Bürgermeister, dem Kämmerer und vier Ratsmännern, die zusammen das Magistrats-Kollegium bildeten, wurden 24 Stadtverordnete gewählt, die gemeinsam über alle Gemeinde-Angelegenheiten zu bestimmen hatten. Zusätzlich wurde für jeden der 4 Stadtbezirke ein Vorsteher bestellt.[5] 1818 wurde die Stadt Verwaltungssitz des neu geschaffenen Landkreises Neustettin.
Ab 1878 wurde die Stadt Eisenbahnknotenpunkt. Die Bevölkerungszahl nahm daraufhin stetig zu (siehe Einwohnerentwicklung) und neue Industrie siedelte sich in der Stadt an. Es entstanden weitläufige Stadtrandsiedlungen, und die Stadt wuchs schnell.[11]
Am 18. Februar 1881 kam es nach Hetzreden des Berliner „Radauantisemiten“ Ernst Henrici vom 14. Februar zum unaufgeklärten Synagogenbrand im antisemitisch geprägten Neustettin, dem 1883 ein Prozess gegen örtliche Juden als vermeintliche Brandstifter folgte, die in der Berufungsverhandlung 1884 aber freigesprochen wurden.[12] Am 17./18. Juli 1881 fanden in Neustettin gewalttätige antisemitische Ausschreitungen statt, nachdem Henrici erneut in der Stadt gesprochen hatte.[13][14][15] Am 8. März 1884 erfolgten im Anschluss an den gerichtlichen Freispruch der angeklagten Juden erneut Übergriffe gegen die jüdische Bevölkerung.[16][17][18]
20. Jahrhundert
Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Neustettin eine evangelische Kirche, eine Synagoge, ein Gymnasium, Maschinenfabrikation, Filzwaren-, Backhefe-, Seifen- und Spiritusfabrikation, Eisengießereien, holzverarbeitende Betriebe, eine Reichsbanknebenstelle, eine Oberförsterei und war Sitz eines Amtsgerichts.[2]
Um 1930 hatte die Gemarkung der Stadt Neustettin eine Flächengröße von 51,3 km², und im Stadtgebiet standen zusammen 1083 Wohnhäuser an zwölf verschiedenen Wohnorten.
Im Jahr 1925 wurden 15.501 Einwohner gezählt, darunter 443 Katholiken und 147 Juden, die auf 3.873 Haushaltungen verteilt waren.[19]
Während des Zweiten Weltkriegs gab es in der Stadt zwei Zwangsarbeiterlager.
Gegen Kriegsende setzten Truppen der 2. Weißrussischen Front der Roten Armee die deutsche Garnison mit 3000 Soldaten fest und nahmen Neustettin ein. Die sowjetische Kommandantur setzte als neuen Bürgermeister zunächst Gustav Pergrande ein.[20] Dieser wurde bald darauf verhaftet und durch den Buchhalter Findelking ersetzt, der gleichfalls bald verhaftet wurde.[20] Nach Kriegsende wurde Neustettin zusammen mit Hinterpommern von der Sowjetunion unter polnische Verwaltung gestellt. Anschließend wurde die deutsche Stadt in Szczecinek umbenannt. Danach begann allmählich die Zuwanderung polnischer Migranten, die zum Teil aus Gebieten östlich der Curzon-Linie kamen, wo sie der polnischen Minderheit angehört hatten.
Letzter Verwalter der deutschen Bevölkerung der Stadt war Albert Schulz.[20] Der noch anwesende Teil der ortsansässigen Bevölkerung der Stadt wurde in dem westlichen Stadtteil hinter der Infanteriekaserne zusammengefasst und nach und nach von der örtlichen polnischen Verwaltungsbehörde vertrieben, wofür Bahntransporte mit Güterwaggons eingesetzt wurden.[20]
Text: Wikipedia
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