Paul-Gerhardt-Stift

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Das Paul-Gerhardt-Stift ist seit fast 140 Jahren ein Ort der sozialen Entwicklung, der Gesundheit, der Bildung und der Sozialen Arbeit im Herzen von Berlin. Das Paul-Gerhardt-Stift (PGS) ist eine am 7. Juni 1876 durch den evangelischen Pfarrer Carl Schlegel gegründete private Stiftung zur Pflege von Kranken, Kindern und Alten in christlicher Tradition der Nächstenliebe. Das auch heute noch geltende Leitmotiv aus der Gründungsurkunde von 1876 lautet: „Das Paul-Gerhardt-Stift begehrt allen zu dienen, soweit Kraft und Vermögen reichen, und keinen auszuschließen, er sei, wer er sei, und heiße, wie er wolle.“

Das Mutterhaus hatte seinen Sitz in Berlin-Kreuzberg, erwarb dann ein Baugelände im heutigen Ortsteil Berlin-Wedding und beauftragte die Architekten Ernst Schwartzkopff und Heinrich Theising mit der Errichtung eines entsprechenden Gebäudekomplexes. Die in mehreren Etappen fertiggestellten Bauten bestehen aus einem langgestreckten repräsentativen Diakonissenmutterhaus, einer Kapelle, einem Krankenhaus mit Isolierstation und mehreren Wohnhäusern. Die Stiftung wurde bei ihrer Gründung bereits nach dem Kirchenliederdichter Paul Gerhardt benannt. Die Gesamtanlage steht als Ensemble unter Denkmalschutz.[1]

Siegelmarke

Das Diakonissenmutterhaus

Das Diakonissenmutterhaus („Mutterhaus Kaiserswerther Ordnung“)[2] diente zur Ausbildung von christlichen Krankenschwestern, später auch von Hortnerinnen (Erzieherinnen) und Hauswirtschaftskräften. Die Auszubildenden und die mit einem Abschluss versehenen Schwestern wohnten in diesem Gebäude. Sie arbeiteten mit Krankenhäusern zusammen, betreuten darüber hinaus rund vierzig Kindertagesstätten und unterstützten die dortigen Gemeindeschwestern in der Stadt Berlin bzw. in den umgebenden Dörfern.

Die Ausbildung von Krankenschwestern konnte hier in der Müllerstraße ab 1888 beginnen, als das Mutterhaus in einer ersten Bauetappe fertiggestellt und unter dem Protektorat der Kaiserin Auguste Viktoria eingeweiht worden war. Das Geld für den Ankauf des Baugeländes und die Errichtung der Gebäude kam überwiegend aus privaten Spenden, auf einer Bronzetafel in der Toreinfahrt wird besonders ein Hermann Silka als Förderer hervorgehoben. Das Kuratorium der Stiftung hatte die bereits bekannte Architektensozietät Ernst Schwartzkopff & Heinrich Theising mit Entwürfen beauftragt, die dann auf dem Grundstück in mehreren Bauabschnitten umgesetzt wurden. Die Baumeister wählten einen damals üblichen Baustil in Anlehnung an die märkische Backsteingotik. Das symmetrische Haupthaus mit einem schiefergedeckten Satteldach erstreckte sich parallel zur Müllerstraße.

Nördlich schließt sich der in einem zweiten Bauabschnitt zwischen 1897 und 1898 entlang der Müllerstraße und in die Tiefe der Fläche verlegte Trakt an. Das Mutterhaus erhielt im Hochparterre einen kleinen und einen großen repräsentativen holzgetäfelten Festsaal und in den darüber liegenden Etagen Schlafräume für die Diakonissen sowie Verwaltungsräume. Der neuere Gebäudeteil ist in lebhafterer Fassadengliederung, mit einer großzügigen Toreinfahrt sowie Schmuckgiebeln und einem Standerker in der Straßenfront ausgestattet und durch hellere und glattere Backsteine erkennbar. Nach 1905 erfolgte ein zweiter Anbau bis zur Ecke Barfusstraße, der mit heller Majolika verkleidet wurde und jugendstilartige Elemente trägt.

Nach Abschluss dieser Bauetappen erhielt der große Saal eine Bronzestatue zu Ehren von Paul Gerhardt, die der Bildhauer Friedrich Pfannschmidt auf der Grundlage seines Denkmalmodells für die Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben formte (1909). Die zur Berliner Secession gehörende Malerin Hedwig Weiß fertigte im Auftrag fünf Ölgemälde (Die sieben Werke der Barmherzigkeit) für den kleinen Saal an. Der Kleine Saal ist seit 2013 nach Hedwig Weiß benannt. In der Toreinfahrt befindet sich ein farbiges Mosaik mit dem Hinweis: „Erbaut Anno Domini 1897–98“. In die Erweiterungsbauten zogen neue Abteilungen wie ein Kindergärtnerinnenseminar, eine Hauspflegeschule und andere soziale Bildungsinstitutionen ein. Ein gleichgestaltetes Mosaik mit Rankenmuster schmückt die Fassade zur Müllerstraße.

In den 1930er Jahren, während der nationalsozialistischen Diktatur wurden die meisten christlichen Ausbildungsstätten des Stifts geschlossen, aus finanziellen Gründen mussten auch die Hilfsarbeiten verringert werden. Am Ende des Zweiten Weltkriegs erlitt der Gebäudekomplex starke Zerstörungen. Und nach dem Krieg mangelte es schlicht an allem – außer der geringen Zahl von Diakonissen (1946 werden nur 146 angegeben gegenüber 1928, wo es noch 425 Schwestern waren) – fehlte es an Grundnahrungsmitteln und anderen materiellen Dingen, so dass der Wiederaufbau und die Wiederinbetriebnahme der Einrichtungen nur langsam realisiert werden konnten. Pflegedienstaufgaben wurden in den folgenden Jahren immer mehr von nicht christlichen Krankenschwestern wahrgenommen.[2]

Stiftskirche

Auf dem Hof ergänzt eine kleine Kapelle ebenfalls im neogotischen Baustil das Bauensemble. Im Jahr 1991, nach fast 100 Jahren ihres Bestehens erhielt die Kapelle neue farbige Bleiglasfenster an den Seitenwänden und in der Altarapsis. Gestaltet wurden die insgesamt sechs Fenster nach Liedmotiven von Paul Gerhardt (Befiehl du deine Wege, Geh aus, mein Herz, und suche Freud, Ich singe Dir mit Herz und Mund, Wie soll ich dich empfangen, Sollt ich meinem Gott nicht singen, Ich steh an deiner Krippen hier)[3] und von Eric Feist ausgeführt. Die schlichte Kapelle wird von einer Kreuzkuppel überwölbt; ihr hölzerner Altar steht auf der Estrade der weiß getünchten Altarapsis. Auf der Empore befindet sich eine kleine Orgel.

Krankenstation und Pflegeheime

Die Backsteingebäude im Hofgelände wurden von den Architekten und Maurermeistern Carl Pullich und Paul Stüwe[4] und wiederum nach Plänen von Schwartzkopff & Theising errichtet. Sie dienten nach ihrer schrittweisen Fertigstellung bis 1905 verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses, insbesondere enthielten sie eine Siechenstation, ein Krüppelheim, eine Isolierstation, eine Poliklinik für behinderte Kinder, ein Säuglingsheim. Schließlich kamen noch ein Kesselhaus und eine Leichenhalle auf dem Hof hinzu, der anschließend begrünt wurde. 1908 wurde der ursprünglich zweistöckige Krankenhausflügel durch Heinrich Theising um ein weiteres Stockwerk erhöht (sein Sozius war 1905 verstorben).

Das Paul-Gerhardt-Stift übertrug dem Architekten Otto Rüger in den 1920er Jahren die Aufgabe, nordöstlich an das Gelände anschließend ein Feierabendheim zu errichten. Das 1928 im Stil der Moderne fertiggestellte Heim wendet seine Fassade zur Edinburgher Straße. Das Feierabendheim wurde 1950/51 nach Plänen des Architekten Hermann Schluckebier umgebaut und genau 50 Jahre später hofseitig um ein Wohnstift ergänzt. 1989 wurden das Damenheim und 1991 auch das Kinderheim geschlossen.

Wegen der nicht mehr zeitgemäßen Ausstattung und der inzwischen anderweitig entstandenen Krankenhäuser in der Stadt beschloss der Senat von Berlin die Einstellung des Krankenhausbetriebs zum Jahr 1989.[2]

Die Gebäude erhielten bald eine neue Nutzung als Heim für Übersiedler aus der DDR und Spätaussiedler aus Polen und der GUS. Von 1995 bis 2004 hatte das Wohnheim seinen Schwerpunkt auf der Betreuung von traumatisieren Kriegsflüchtlingen aus verschiedenen Krisengebieten (Bosnien, Kurden aus der Türkei und Syrien, Tschetschenien, Iran, Irak und andere).

Nutzung der Gebäude seit den späten 1990er Jahren

Nach einigen Sanierungs- und Umbauarbeiten in den 1990er Jahren zogen in den Krankenhausbau mehrere ambulante Arztpraxen und eine Tagespflegeklinik, die das Ärzte- und Gesundheitszentrum Wedding[5] im Paul Gerhardt Stift bilden. Einige Gebäudeteile sind auch an andere Einrichtungen vermietet, beispielsweise an die Psychiatrische Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus (Versorgungsbereich Wedding)[6] oder an ein Atelier für Paramentik, das von der Designerin Christine Utsch unterhalten wird.

Ein neues Wohnhaus wurde 2001 als Paul Gerhardt Wohnstift erbaut, in welchem 48 abgeschlossene altersgerechte Wohnungen eingerichtet sind. Die sozialpädagogische Arbeit für traumatisierte Flüchtlinge und Asylbewerber wird seit 2005 in der Nachfolgeeinrichtung Refugium auf dem Gelände fortgeführt.

Das Paul-Gerhardt-Heim für Flüchtlinge wurde zum Diakonisches Pflegewohnheim Schillerpark umgebaut mit einer Kapazität von 163 Plätzen und am 1. Dezember 2006 offiziell eingeweiht.

Das Diakonissenmutterhaus wurde 2009 energetisch saniert, wozu Fördergelder aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und aus dem Finanztopf des Senats von Berlin bereitgestellt wurden. Im Jahre 2013 wurden Teile des Mutterhauses mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Städtebaulicher Denkmalschutz) zu einem Stadtteilzentrum umgebaut.

Zukunftshaus Wedding

Seit 2011 verfolgt das PGS unter der Leitung von Ute Köpp-Wilhelmus die Öffnung des Hauses zum Ortsteil und für neue Zielgruppen unter der Überschrift Zukunfthaus Wedding.[7] Mit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Angebote im Paul-Gerhardt-Stift unter dem Dach des Zukunftshauses sollen die vorhandenen Aktivitäten und Projekte für Jung und Alt sowie für Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters und Sprache verbunden werden. Das Haus bietet Räume und Gelegenheitsstrukturen für Kontakte, zum Austausch von Erfahrungen sowie vielfältige Bildungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Mit den bereits bestehenden Angeboten des betreuten Wohnens, des Beratungszentrums Refugium sowie des 2012 eröffneten Familienzentrums erhielt das Zukunftshaus Wedding erste Konturen. Weitere Ausdifferenzierungen etwa durch ein Stadtteilzentrum (Eröffnung November 2013) und eine Kindertagesstätte (ab Sommer 2014) werden das Angebot abrunden. Das Zukunftshaus Wedding soll zu einem Knotenpunkt nachbarschaftlicher Kooperation im Sozialraum Schillerpark und im Ortsteil Wedding werden. Auch dem Thema Inklusion wendet sich das Zukunftshaus mit seinen Angeboten und Projekten zu, vor allem der Förderung von Selbstbestimmung und sozialer Teilhabe.

Lage und Verkehrsanbindung des Paul Gerhardt Stifts

Die etwa 20.000 m² große Fläche mit der Stiftsanlage befindet sich im Bezirk Mitte von Berlin, Ortsteil Wedding. Sie umfasst einen Teil der Müllerstraße (56 bis 58), Barfusstraße und Edinburgher Straße (Hofseite). Erreichbar sind die Einrichtungen sowohl mit der U-Bahnlinie 6 (Station Rehberge) als auch mit dem Linienbus Nr. 120, Haltestelle Türkenstraße.


Text: Wikipedia

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