Predigerkirche (Erfurt)

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Siegelmarke der Predigerkirche
Ansichtskarte der Predigerkirche

Der erste Beleg von Predigerbrüdern in der Stadt Erfurt stammt von 1229. Es waren vier hochgebildete Mönche des Pariser Konventes, die den Weg nach Erfurt wählten, um die neuen Ideen des Dominicus de Guzman zu verbreiten und die sozialen Nöte der Stadtbevölkerung zu lindern. Bis zur provisorischen Fertigstellung ihrer Kirche predigten die Mönche auf den öffentlichen Plätzen und in Kirchen der Stadt. Die Mönche besaßen vom Papst verbriefte Rechte, die ihnen auch das Hören der Beichte, das Erteilen von Ablässen und Bestatten Verstorbener erlaubte, bisher die mit Einkünften versehenen Dienste der Pfarrgeistlichkeit. Die Dominikaner erwarben so großen Einfluss in der Stadtbevölkerung und beim Adel.

Die ersten Klostergebäude (Oratorium und Coenobium/Cenobium) wurden 1230 von Erzbischof Siegfried II. von Mainz für die Dominikaner geweiht. Die Weihe einer ersten Kirche durch Bischof Engelhard von Naumburg datiert aus dem Jahr 1238. Der Name der Predigerkirche leitet sich aus der Bezeichnung der Dominikaner als Predigerbrüder (Ordo fratrum Praedicatorum) ab.

Der heutige Chorbau der Predigerkirche wurde 1272/73 überdacht, was aus einer dendrochronologischen Datierung des heute noch existierenden originalen Dachstuhls (der damit eine der ältesten Dachstuhlkonstruktionen in Deutschland ist) hervorgeht.

Kirche und Kloster waren die Wirkungsstätte des bedeutendsten deutschen Mystikers, Meister Eckhart, welcher wahrscheinlich 1274 mit etwa 14 Jahren als Novize in das Kloster aufgenommen wurde, später Prior des Erfurter Klosters und 1303-1311 Provinzial mit Erfurter Amtssitz der Ordensprovinz Saxonia war.

Die ursprüngliche Kirche wurde 1340/50 abgerissen und der Bau des Langhauses in harmonischer Fortsetzung des bestehenden Chorbaues begonnen (Fertigstellung der Westfassade 1370/80, Einwölbung mit Kreuzrippengewölben bis 1445). Dieser langgestreckte, trotz der extrem langen Bauzeit im Stil einheitliche „edle gotische Bau“ gilt als Höhepunkt des Bettelordensstils. Der recht unscheinbare Glockenturm wurde zwischen 1447 und 1488 errichtet. Eine Besonderheit stellt der (begehbare) Lettner aus der Mitte des 15. Jahrhunderts dar; die alten Chorschranken dahinter, d. h. zwischen Chor und Lettner und auch zwischen Chor und Seitenschiffen, stammen aus der Zeit um 1275. Der gotische Flügelaltar zeigt Szenen aus der Passion und stammt von etwa 1450.

Das Jahr 1521 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Kirche. Magister Georg Forchheim hielt vor der Gemeinde die erste evangelische Predigt. Die in der Folge als Reformation bezeichneten religiösen und sozialen Umbrüche führten auch in der Aufteilung der Erfurter Pfarreien zu neuen Gemeindegrenzen, da nicht alle Gläubigen bereit waren, der neuen Lehre zu folgen. Von den fünfzehn auch kunsthandwerklich sicher bedeutenden Altären der Predigerkirche trennte man sich, um die Erinnerung an den katholischen Bildgehalt und die „Alte Lehre“ zu verdrängen. Auch der Rat der Stadt Erfurt setzte auf die „Neue Lehre“ und bestimmte die Predigerkirche im Jahr 1559 zur Hauptkirche des Rates, in der auch alle beim jährlichen Ratswechsel eingeforderten Zeremonien mit einem feierlichen Gottesdienst verbunden waren. Ein vermögender Ratsmeister übernahm die Kosten für die 1574 erneuerte „Ausmalung“ des Kirchenschiffs und der Innenräume. Das angrenzende Kloster blieb noch bis 1588 im Besitz des Dominikanerordens. Das dann an den Stadtrat veräußerte Kloster wurde als profane Bildungsstätte genutzt, setzte aber die Tradition der Erfurter Klosterschulen als Vorläufer einer städtisch-bürgerlichen Universität fort.

Offenbar hatten die Erfurter Dominikaner im frühen 17. Jahrhundert ein verstärktes Interesse an der Rückerlangung ihrer einstigen Klostergebäude und versuchten vergeblich den Rat zu einer Entscheidung zu drängen. Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) wurde Erfurt mit dem Cyriaksberg 1631 durch Unionstruppen von Gustav Adolf II. von Schweden besetzt. Der Schwedenkönig nutzte während seiner Anwesenheit in Erfurt die Kirche als Hofkirche. Damit verschlechterte sich die Lage der Ordensgeistlichkeit. Wegen fehlender Mittel zur Bauunterhaltung brachen wohl schon Teile des Klosterkomplexes in sich zusammen, der Rest wurde vermutlich ein Opfer des Stadtbrandes von 1737. Die Predigerkirche erlitt bei diesem Brand nur geringe Schäden am Turm, während die Mehrzahl der angrenzenden Gebäude und Nachbarkirchen ausbrannten.

Das Gotteshaus diente in der Zeit der Napoleonischen Kriege 1806 den Franzosen als Kriegsgefangenenlager und Heumagazin, was zu Beschädigungen, Inventarverlust und Verwüstung der Ausstattung mit Plastiken und Gemälden führte. 1808 konnte wieder ein regelmäßiger Gottesdienst stattfinden. 1811 wurde die Kirche dann „auf Befehl des Kaisers“ Napoleon Bonaparte, dessen „Domäne“ Erfurt war, zum Verkauf auf Abriss ausgeschrieben. Es meldete sich kein Käufer. Später setzte sich der preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel für das Bauwerk ein.

Um 1826 erfolgte eine Instandsetzung, 1874 bis 1908 die generelle innere und äußere Sanierung. Glasfenster schuf damals der bekannte Glasmaler Alexander Linnemannaus Frankfurt.

1850 war die Predigerkirche zunächst als Tagungsstätte des Erfurter Unionsparlaments vorgesehen, das dann jedoch im Augustinerkloster tagte. Als die Deutsche Nationalversammlung im Januar 1919 vor der blutigen Revolution in Berlin ausweichen musste, wurde auch Erfurt mit seiner Predigerkirche als Alternative in Betracht gezogen.

Im Bombenkrieg 1944/45 erlitt die Kirche indirekte Schäden mit Zerstörung der Fenster und weitgehender Dachabdeckung. Für einige Zeit war sie schutzlos der Witterung ausgesetzt, bis erste Sicherungsmaßnahmen einsetzten. Auf Initiative von Pfarrer Benckert fertigte der Erfurter Meister Heinz Hajna zwischen 1946 und 1950 vier farbige „Trümmerfenster“ aus Scherben von Fenstern kriegszerstörter deutscher evangelischer Kirchen. Eine umfassende Rekonstruktion der Kirche, die schon vor dem Krieg vorgesehen war, erfolgte von 1960 bis 1964 unter Leitung der Restauratorin Käthe Menzel-Jordan. Bei Erneuerung des Fußbodens wurden mehr als 150, davon 80 noch gut erhaltene großformatige Sandsteingrabplatten aus dem 14. bis 18. Jahrhundert freigelegt, die in drei Schichten abgelegt den Unterbau des um 1900 erneuerten Fußbodens gebildet hatten. Darunter kamen noch mehrere intakte Bestattungen mit teilweise mumifizierten Toten zum Vorschein. Viele dieser Steine zeigten Merkmale einer Mehrfachbenutzung, Bilder und Schrift belegen meist Stifter aus Erfurter Patrizier-Familien.

Während der Friedlichen Revolution 1989/90 kamen die Erfurter auch in der Predigerkirche zusammen, bevor sie die Demonstrationszüge durch die Stadt bildeten. Im Oktober fand zweimal ein Plenum des Neuen Forums mit 1750 und 4000 Teilnehmern in der Kirche statt.

Substanzsicherung und Bauwiederherstellung der Kirche wurden nach der politischen Wende verstärkt fortgesetzt.



Text: Wikipedia

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