Rüthen

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Rüthen (Mitte des 19. Jahrhunderts noch offiziell Rüden) ist eine Stadt im Kreis Soest in Nordrhein-Westfalen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Rüthen.

Geschichte

Älteste Spuren, Rentierjäger

2,5 km südwestlich von Kallenhardt befindet sich am linken Ufer des südwärts verlaufenden Lörmecke-Bachs eine 40 m lange Kuppe mit einer Höhlung, dem „Hohlen Stein“. Dieser gilt neben dem Kartstein in der Nordeifel und Remouchamps in den belgischen Ardennen als wichtigster Fundplatz der Ahrensburger Kultur im nördlichen Mittelgebirgsraum. Neben wenigen Artefakten aus der Mittelsteinzeit fanden sich vor allem Überreste aus der Zeit um 10.000 v. Chr., die der besagten Kultur zugeordnet werden, einer Kultur von Rentierjägern in einer Phase wiederkehrender Kälte. Rentierherden zogen durch das Tal des besagten Baches, was sich an zahlreichen Zähnen ablesen lässt. Im westfälischen Bergland kamen die Jungtiere zur Welt. Die durchziehenden Herden wurden an der Engstelle unterhalb des „Hohlen Steins“ von Menschen mit Pfeil und Bogen bejagt, die Knochen der Beutetiere weisen Schnittspuren und Hinweise auf die Gewinnung von Knochenmark auf.[5]

Römer, Germanen, Frühmittelalter (1. bis 8. Jahrhundert)

Im Ortsteil Kneblinghausen entstand um die Zeitenwende, vielleicht auch gegen Ende des 1. Jahrhunderts ein Römerlager, das 1901 entdeckt wurde. Seither wurden dort mehrere Grabungen durchgeführt. Das erste Lager maß etwa 450 × 245 m, in einer zweiten Bauphase verkürzte man den Bau im Osten um ungefähr 130 m. Vermutlich wurde eine ältere germanische Siedlung durch den Bau des Lagers zerstört, vielleicht imitierten die Germanen aber auch römische Befestigungstechnik. Innerhalb des Lagers herrscht Fundleere.[6] Das Gebiet der heutigen Stadt Rüthen lag im Grenzgebiet zwischen den Cheruskern im Osten, den Marsen im Süden und den Brukterern im Norden. Im 3. und 4. Jahrhundert sickerten auch Franken in das obere Möhnegebiet ein, wie Scherbenfunde belegen. Zwischen 600 und 700 dominierten die Sachsen. Die etwa 3 ha umfassende Fliehburg auf den Schafsköppen an der Glenne dürfte aus dieser Zeit stammen.

Das Frankenreich unter Karl dem Großen eroberte Sachsen, und der an Rüthen vorbeiführende Haarweg wurde Königsweg (via regia) genannt. Bodenfunde belegen, dass die meisten geschlossenen Dorfsiedlungen an denselben Stellen entstanden, wo sie sich noch heute befinden. Vermutlich war Altenrüthen, das frühere Rüthen (Ruden), von Beginn an die bedeutendste Siedlung. Die Ansiedlung wird erstmals im 2. Drittel des 12. Jahrhunderts in den Urbaren der Abtei Werden und in den Corveyer Traditionen aufgeführt. Altenrüthen ist die älteste Pfarre in diesem Gebiet und war sehr wahrscheinlich schon in karolingischer Zeit Gau- und Marktkirche für den Raum Kallenhardt, Warstein, Belecke, Drewer, Effeln, Langenstraße, Meiste. Die Pfarrkirche in Altenrüthen wurde zwar erst in den Jahren 1664 bis 1667 erbaut, doch stammt ihr Turm aus der Zeit um 1000, wie eine Inschrift besagt. Der mit dem Neubau beauftragte Architekt Nikolaus Tendel wies nach, dass die alte Kirche durch Umbau eines sächsischen Edelsitzes geschaffen worden war. Unter dem Turm der Pfarrkirche wurden 1664 auch Reste eines Opferaltars gefunden, so dass angenommen wurde, dass die Kirche über einer heidnischen Opferstätte errichtet worden war. So war diese Pfarre womöglich die Keimzelle der Christianisierung. Nach dem Kirchenhistoriker Beda hat der heilige Suitbert als erster den Brukterern gepredigt. Er soll auf dem 16 km entfernten Borberg bei Brilon um 700 die erste Kapelle errichtet haben.

Hoch- und Spätmittelalter

Namensgeber der heutigen Stadt war das ca. zwei Kilometer westlich gelegene Dorf Altenrüthen, das bis 1200 Ruothino (varia) hieß. Die dortige Pfarrei St. Gervasius und Protasius ist die älteste im Umkreis und wurde in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts als Stammpfarre von der Urpfarre Erwitte aus eingerichtet. Im Jahr 1072 übertrug Erzbischof Anno II. ihre Einkünfte an das neu gegründete Kloster Grafschaft. In Altenrüthen lag ein erzbischöflich kölnischer Haupthof. Diesen hatten die Herren von Rüdenberg zu Lehen.

Im Gebiet des heutigen Rüthen erwarben die Erzbischöfe von Köln ab 1180 als Herzöge von Westfalen zunächst umfangreiches Grundeigentum. Aber auch die Arnsberger Grafen hatten dort erheblichen Besitz.

Am 29. September 1200 wurde Rüthen durch den Kölner Erzbischof Adolf I., der als Herzog von Westfalen das Befestigungsrecht hatte, zur Stadt erhoben und danach kontinuierlich mit Mauern und Gräben befestigt. Offenbar wurde eine bereits vorhandene ältere Höfesiedlung der Grafen von Arnsberg in die Neugründung mit einbezogen. Die planmäßige neue kölnische Stadtanlage zeichnet sich noch heute durch den deutlich sichtbaren Unterschied zwischen dem unregelmäßigen Straßensystem um St. Nikolaus (mit der dort zu vermutenden Villikation) und den regelmäßig und parallel verlaufenden Straßen um St. Johannes (vermutlicher Gründungskern von 1200) ab. Neben dem ältesten schriftlich überlieferten Stadtrecht aus dem späten 13. Jahrhundert behielten aber zunächst die Grafen von Arnsberg nach der Gründung über einige Jahrzehnte noch eine Mitbeteiligung an den Stadteinkünften aus der älteren Höfesiedlung. Diese Privilegierung schwand aber gegen Ende des 13. Jahrhunderts.

Rüthen lag strategisch günstig über dem nördlichen Ufer der Möhne auf einem 38 ha großen Bergvorsprung. Die Gründung der Stadt gehörte zur expandierenden Territorialpolitik der Kölner Erzbischöfe, ihre Position in Westfalen nach der Übertragung des Titels eines Herzogs von Westfalen auszubauen. Die Stadt richtete sich strategisch gegen die Bischöfe von Paderborn, die Grafen von Arnsberg und die Edelherren von Büren. Gesichert werden sollte auch die Verbindung zur größten kölnischen Stadt Westfalens, Soest. Zudem sollte von der neuen Stadt aus insbesondere das Gebiet des Arnsberger Waldes vereinnahmt werden. Anfangs diente der Ort sogar bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts als Sitz des Marschalls von Westfalen als Vertreter des Erzbischofs und war damit zeitweise das kölnische Machtzentrum in Westfalen. Der Stadt im Westen vorgelagert wurde daher Anfang des 13. Jahrhunderts eine großflächige Burganlage als Landesburg mit einer beträchtlichen Besatzung erbaut. Die Burgmannschaft bestand aus bis zu 12 Lehnsnehmern des Landesherrn. Bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts spielte die Burg allerdings für die Erzbischöfe keine wichtige strategische Rolle mehr und verfiel. Auf ihrem Gelände entstand seit 1826 der neue Friedhof der Stadt.[7]

Dem Stadtrecht Rüthens diente zunächst das Soester Stadtrecht als Vorbild; es wurde aber dann eigenständig erweitert. Es wurde von weiteren Städten wie Geseke, Hallenberg, Medebach, Werl, Warstein, Schmallenberg, Winterberg, Belecke und Kallenhardt übernommen. Die neue Stadt selbst zog Leute aus dem Umland an. Wohl noch vor 1300 sind die Bewohner der in der stadtnahen Feldmark gelegenen Dorfsiedlungen Haderinghausen, Schneringhusen, Wulmeringhusen und Bruerdinghusen in die neue Stadt gezogen. Ihre Landwirtschaft betrieben die umgesiedelten Neubürger nun weiter von Rüthen aus. Zum Einflussbereich der Stadt gehörten mindestens seit dem frühen 16. Jahrhundert auch drei Dörfer und drei einzeln gelegene Höfe. Ihre Bewohner fanden in Notzeiten als „Pfahlbürger“ (= Bürger minderen Rechts) Schutz in der Stadt, hatten als Gegenleistung aber eine Reihe festgelegter Hand- und Spanndienste für den Rüthener Magistrat zu leisten.[8]

Obwohl zunächst aus strategischen Gründen entstanden, profitierte der Ort selbst auch von der Lage zwischen Hellweg und Bergland. Dies ermöglichte bald die Ausbildung eines breit gefächerten wirtschaftlichen Lebens. Im Mittelpunkt standen die allgemeine Landwirtschaft sowie die Schafhaltung und Wollgewinnung. Rüthen entwickelte sich zu einem wichtigen Marktort für das östliche und südöstliche Westfalen bis in das nahe Hessen hinein. Der Handelsradius für die eigenen Güter war dagegen deutlich enger begrenzt.[9] Ab 1469 war der Ort Mitglied der Hanse. Rüthen war Beistadt von Soest. Ihm selbst unterstanden als zugewandte Orte Warstein, Kallenhardt und Belecke. Für die aufstrebende Entwicklung spricht auch, dass es zwei Pfarreien (St. Johannes und St. Nikolaus) gab, die allerdings von nur einem Pfarrer verwaltet wurden. In der Stadt entstand seit 1420 ein Hospital, und außerhalb der Stadt wurde eine Unterkunft für Leprakranke errichtet. Ein Augustinerinnenkloster entstand um 1480. In den folgenden Jahrhunderten nahm die Bedeutung Rüthens allerdings deutlich ab. Bereits im späten 16. Jahrhundert schwächte sich der Außenhandel ab, und das in Zünften organisierte Handwerk hatte seit dem 17. Jahrhundert kaum Bedeutung über das Gogericht Rüthen als näheres Umfeld der Stadt hinaus.[9][10]

Neuzeit

Trotz der ökonomischen Stagnation führten die politische Stellung, die handwerklichen Strukturen und die relativ günstigen landwirtschaftlichen Bedingungen dazu, dass der Ort auch in der frühen Neuzeit zu den bedeutendsten Städten im Herzogtum Westfalen gehörte. Das Schatzungsregister von 1536 erbrachte ein Steueraufkommen von 250 Gulden. Dies war weniger als etwa Geseke und Werl aber deutlich mehr als in den anderen Städten. Arnsberg brachte es etwa nur auf 40 Gulden.[11]

Die Macht hatte in Rüthen bis Ende des 16. Jahrhunderts eine kleine Gruppe von wohlhabenden Familien. Gegen diese entstand seit 1577 im Rahmen der landesweiten „Truchsessischen Wirren“ der sogenannte Bürgerstreit, der von der Klageschrift der örtlichen Schützenbruderschaft gegen den Magistrat ausging. Es ging unter anderem um die Mast- und Weidemöglichkeiten, die Waldnutzung und ähnliche Probleme. Der Rat wandte sich vergeblich an den Landesherren zur Beilegung des Konflikts. Schließlich kam es 1580 während der Ratswahl zu Unruhen und der Vertreibung der neugewählten Ratsherren durch die Masse der Bevölkerung. Daraufhin bemühte sich die landesherrliche Verwaltung intensiver um die Beilegung des Konflikts. Sie gipfelten 1584 in der Verleihung einer neuen Ratswahlordnung, die das Rotationsprinzip für den Bürgermeister und die Magistratsämter einführte.[12]

Auch gegen den Versuch des Landesherrn, seine Gerichtshoheit über die zur Stadt gehörenden Dörfer auszuweiten, kam es zu Konflikten. Sie endeten nach Anrufung des Offizialgerichts in Werl 1637 mit einem Erfolg Rüthens.[13]

Wie zahlreiche andere Städte, so trafen auch Rüthen schwere Stadtbrände, wie etwa 1353 und 1470, dann aber auch 1630, 1654, 1739 und noch 1834. Das Erscheinungsbild der Stadt ist hiervon stark geprägt. Auch traf die Pest mehrfach die Stadt, so im Jahr 1350, dann wieder 1572 und 1598, besonders heftig aber 1625. Die Stadt verlor in diesem Jahr etwa ein Viertel ihrer Einwohner, so dass der Rat die jährliche Durchführung einer „Lobeprozession“ gelobte, die bis heute unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der politischen Repräsentanten stattfindet: „Im Jahre 1625 hat Gott eine furchtbare Pest-Epidemie über Rüthen kommen lassen. Dadurch wurden viele Menschen aus dem irdischen Jammertal an den Ort ewiger Ruhe versetzt. Um eine solche Strafe Gottes abzuwenden, haben sich der ehrbare Stadtrat und ein Gemeindeausschuß auf dem Rathaus zusammengesetzt, den Hl. Sebastian und den Hl. Fabian zu Schutzpatronen gewählt und gelobt, sie jedes Jahr durch eine Prozession von der Oberen Kirche (St. Nikolaus) zur Unteren Kirche (St. Johannes) und durch eine Armenspeisung vor dem Rathaus zu ehren. Nachdem sie dieses Gelöbnis abgelegt und das Versprochene feierlich erfüllt hatten, ließ die Pestepidemie plötzlich nach, und alle Erkrankten wurden wieder gesund.“[14] Rüthen Hexenturm, Bronzerelief von 1991 vom Bildhauer Bert Gerresheim, für Friedrich Spee und Pfarrer Michael Stappert

Hexenprozesse

Wie auch andere Orte des kurkölnischen Herzogtums Westfalen und Mitteleuropas war die Stadt in der frühen Neuzeit Schauplatz von Hexenprozessen. Von 1573 bis 1664 wurden in der Stadt und im Gogericht Rüthen 104 Hexenprozesse durchgeführt. Dabei sind mindestens 167 Menschen hingerichtet worden. Nur einzelne Personen, wie etwa Freunnd Happen, Angeklagter während der Hexenverfolgungen in Rüthen, trotzten der Folter und schafften es, dem Schuldvorwurf zu widersprechen. Nach zwei Monaten Haft und dreimaliger schwerster Folter wurde Freunnd Happen am 23. September 1660 schließlich freigelassen.

An das Wirken von Gegnern der Hexenverfolgung erinnert am Hexenturm in Rüthen das Bronzerelief für Friedrich Spee und den Hirschberger Pfarrer Michael Stappert. Am 31. März 2011 beschloss die Stadtvertretung Rüthen eine sozialethische Rehabilitation aller im Bereich der heutigen Stadt Rüthen während des 16. und 17. Jahrhunderts im Rahmen der Hexenverfolgungen unschuldig verurteilten und hingerichteten Personen.

17. und 18. Jahrhundert

Nach dem demographischen Rückgang durch den Dreißigjährigen Krieg, die Pest von 1625 und dem großen Stadtbrand von 1654 sind für Rüthen 1670 nur noch 270 Haushalte mit 1050 Bewohnern nachzuweisen. Man zählte zwar insgesamt 416 Hausstätten, von denen aber zu dieser Zeit 143 unbewohnt waren. Die Zahl der Einwohner stieg dann bis 1717 auf ca. 1200–1300 Einwohner in 359 Haushalten an. 1759 zählte man 1431 Einwohner, darunter 43 Juden und 427 Kinder unter 12 Jahren. Bis 1818 wuchs die Bevölkerung auf 1714 Personen und erreichte damit in etwa die Zahl vor dem Dreißigjährigen Krieg. In dieser Zeit hatte Rüthen etwa 400 Wohngebäude.

Rüthen entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem Zentrum der Bauindustrie für Kirchen, Rathäuser, Schlösser und Klöster. Aufgrund des Rüthener Grünsandsteins ließen sich zahlreiche auswärtige Bild- und Steinhauer, Maurer sowie Maler und Holzschnitzer in Rüthen nieder, „das in dem Bauboom nach dem Dreißigjährigen Krieg durch die Sandsteinbrüche [geradezu] zu einem Eldorado“[15] für diese Berufsgruppen wurde. So beispielsweise auch der Steinhauer Bartolomeo Rabaliatti, Vater des berühmten Baumeisters Franz Wilhelm Rabaliatti. Er wanderte 1703 aus der Gegend von Ferrara zu, erwarb in Rüthen das Bürgerrecht und heiratete Elisabeth Hartmann.[16] Im Herzogtum Westfalen wurde eine Vielzahl bekannter historischer Baudenkmale bis um 1750 aus dem Grünsandstein von Rüthener Handwerkern angefertigt und eine Reihe von Kirchen und Kapellen mit ihren künstlerischen Holz- und Malerarbeiten ausgestattet.[17]

Die Stadt hatte nur eine kleine wohlhabende Oberschicht (mehr als 5 Reichstaler Steuersumme), die 1759 ca. 7 % der Bevölkerung ausmachte. Die Mehrzahl der Stadtbewohner (89,9 %) zahlte zwar Steuern, aber das soziale Gefälle war hier groß. Immerhin fast die Hälfte der Einwohner lebte in kleinen Verhältnissen. Die Zahl der zum eigentlichen Armenhaushalt zählenden Bewohner war mit etwas mehr als 3 % dagegen sehr gering. Ein beträchtlicher Teil der Einwohner (42 %) lebte im 18. Jahrhundert vom Handwerk. Die Dienstleistungsberufe im weitesten Sinn kamen auf 11 %. Schwächer vertreten war der Handel mit 5 %.[18]

Als besonders prekär darf die Lage der Bierbrauer eingeschätzt werden, die im 17. Jahrhundert viel experimentierten, da sie mit einer unzureichenden Wasserqualität zu kämpfen hatten und dementsprechend vom Rat der Stadt wegen unzureichender Qualität des Biers häufig mit Geldbußen belegt wurden, wie Ulrich Grun nachwies, während nämlicher Stadtrat zu festlichen Gelegenheiten gern Bier aus Paderborn oder gar aus Bayern importieren ließ und so die heimische Wirtschaft zudem selbst schwächte.[19] Diese Problematik ließ sich offenbar auch in der Folgezeit nicht lösen. Noch in den Protokollen der Bürgerschützen von 1855 heißt es ganz offen: „Hinsichtlich des Bieres wurde, weil hier die erforderliche Qualität nicht zu haben ist, beschlossen, dasselbe von Brenken (zu Erpernburg) ... zu bestellen“.[20]

In den verschiedenen Phasen des Dreißigjährigen Krieges wurde die Stadt von den Kriegsereignissen betroffen. Im Jahr 1644 z. B. marschierte der schwedische General Douglas nach der Eroberung von Obermarsberg nach Arnsberg auch über Rüthen. Dabei wurde die Stadt schwer geplündert.[21] Im Jahr 1654 wurde ein Kapuzinerkloster gegründet. Eine schwere Epidemie der Roten Ruhr brach 1673 aus.

Die erste Normalschule zur Lehrerausbildung im Herzogtum Westfalen eröffnete Friedrich Adolf Sauer, der in Rüthen zum Pfarrer ernannt worden war und hier mit dem Schulreformer Melchior Ludolf Herold zusammentraf[22], 1795 in Rüthen im Gebäude des ehem. Ursulinenklosters (heute Volksbank).

1734 kam es zu Beschwerden der Bürgerschaft. Dabei warf man dem Magistrat unter anderem Steuerverschwendung vor. Die Vorwürfe wurden von der landesherrlichen Verwaltung untersucht, blieben jedoch für das alte Ratssystem folgenlos.[23]

Überliefert ist, dass ein großer Stadtbrand vom 3. auf den 4. November 1739, der 119 Häuser zerstörte, auch das Tagebuch über den Dreißigjährigen Krieg des ehemaligen Bürgermeisters von Rüthen, Christoph Brandis, verloren gehen ließ, welches später ein Bürger beim Aufräumen im Schutt seines Kellers fand. Der damalige Bürgermeister von Rüthen, Dr. Wilthelm, kaufte es dem Bürger für 20 französische Gulden ab. Die ersten beiden Seiten waren in Teilen zerstört aber das Tagebuch blieb lesbar.[24] Nach 1790 wurden die funktionslos gewordenen Stadtmauern niedergelegt. Neben einigen Mauerresten blieben der Hexenturm und das Hachtor bestehen.

19. und 20. Jahrhundert

1803 kam die Stadt mit dem Herzogtum Westfalen durch den Reichsdeputationshauptschluss[25] zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und 1814 durch den Wiener Kongress zum Königreich Preußen.

Auch im 19. Jahrhundert bis weit ins 20. Jahrhundert hinein blieb Rüthen vorwiegend landwirtschaftlich geprägt. Um 1850 entstand das erste Haus außerhalb der alten Stadtbefestigung. Erst die Eisenbahnanbindung von 1898/99 ermöglichte eine Industrialisierung durch einige Sägewerke in Bahnhofsnähe und die Ausweitung des Grünsandsteinabbaus.[26]

In Rüthen existierte von 1876 bis 1926 ein Lehrerseminar, das für die Innenstadt eine wirtschaftliche Belebung bewirkte.

Als eine in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch fast rein katholische Stadt dominierte politisch die Zentrumspartei. Im Jahr 1924 stimmten noch 80 % der Wähler für das Zentrum. Noch bei der Reichstagswahl März 1933 kam die Partei auf 55 % der Stimmen. Allerdings kam die NSDAP auf 30,2 %. Dies war deutlich mehr als in anderen katholischen Regionen des Sauerlandes.[27] Zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus wurden 1933 sechs Einwohner aus Rüthen im KZ Benninghausen inhaftiert.[28] Die US-Army besetzte am 1. April 1945 Rüthen ohne größere Kämpfe. Am 6. April wurde mit Kallenhardt der südliche Bereich der Stadt besetzt.[29]


Text: Wikipedia

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