Rote Flora

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Die Rote Flora ist ein Autonomes Zentrum im seit November 1989 besetzten Restgebäude des ehemaligen Flora-Theaters am Schulterblatt 71 im Schanzenviertel des Hamburger Stadtteils Sternschanze. Im Jahr 2001 wurde es von der Stadt Hamburg an einen Immobilienhändler verkauft. Bereits seit 1988, mit der Verhinderung des Umbaus der Flora zu einem Musicaltheater, gilt sie als Symbol eines linksradikalen Widerstands oder auch Brennpunkt politisch motivierter, gewaltsamer Auseinandersetzungen.


Vorläufer

Im Jahr 1835 eröffnete ein Sommertheater mit Ausflugsgarten auf der Altonaer Seite des Schulterblatts. Es war mit einer einfachen, unüberdachten Holzbühne ausgestattet. Altona gehörte zu der Zeit zu Dänemark, auf der gegenüberliegenden Straßenseite begannen das Gebiet des Rosenhofes, des Dorfes Eimsbüttel und des Hamburger Bergs, der ab 1833 als St. Pauli-Vorstadt unter Hamburger Verwaltung gestellt wurde. Der Schulterblatt war zu jener Zeit eine relativ spärlich bebaute Landstraße in Richtung Pinneberg. Gut zwanzig Jahre zuvor, während der Franzosenzeit, waren sämtliche sechsundzwanzig in dieser Gegend stehenden Gebäude von den napoleonischen Truppen zur besseren Verteidigung der Sternschanze niedergebrannt worden.

1855 kaufte der Gastronom H.F.P. Schmidt das Gelände, ließ eine neue Bühne und einen Fachwerkrundbau errichten sowie im Garten einen Teich, Schaukeln, Tierkäfige und Karussells anlegen. Es eröffnete 1859 als Schmidt’s Tivoli und soll zu diesem Anlass 4000 Besucher gehabt haben. Das Programm bot Possen, Lustspiele und Opern. Ein neuerlicher Besitzerwechsel brachte 1869 die Neugestaltung und Umbenennung in Damm's Tivoli mit sich. Nun wurden „Brillantfeuerwerke und italienische Nächte“ geboten. In den 1880er Jahren riss man den Fachwerkrundbau ab.


Konzerthaus und Theater

Im Jahr 1888 errichteten die Kaufleute Theodor Mutzenbecher und Lerch das Gesellschafts- und Concerthaus Flora an Stelle des Tivolis, es wurde am 2. Juni 1889 eröffnet. Der neue Name wurde von der - zuletzt zum Walfänger umgerüsteten - Barck Flora übernommen, welche abgetakelt als schwimmendes Bier- und Tanzlokal an der Norderelbe vertäut sehr beliebt war, bis sie 1888 abgewrackt wurde. Es entstand ein Komplex, der sich aus Gesellschaftsräumen, Konzertsaal, Wiener Café und Wintergarten zusammensetzte. Im ersten Obergeschoss befanden sich kleinere Säle für Privatgesellschaften, im zweiten Obergeschoss Mietwohnungen und unter dem Dach Räume für das Dienstpersonal. Im Garten konnte das gehobene Publikum lustwandeln. Das Gelände streckte sich vom Schulterblatt bis an die Häuser der heutigen Lippmannstraße und der Eifflerstraße. 1890 wurde das Ensemble um eine Konzerthalle erweitert: Im Garten hinter den ein- und zweigeschossigen Häusern der Juliusstraße entstand aus einer für die Pariser Weltausstellung von Gustave Eiffel erschaffenen Stahl-Glas-Halle, der sogenannte Crystallpalast, eine leichte Eisenfachwerkkonstruktion des Jugendstils mit weitem, überhöhtem Mittelschiff und zwei Seitenschiffen, gewächshausartig verglast.

1895 verkauften Mutzenbechers Erben das Hauptgrundstück an die Hamburger Volksbank. Weitere Um- und Neubauten folgten. Es konnte erfolgreich als Theater und Varieté weitergeführt werden. Am Anfang des Jahrhunderts wurde die Vergnügungsstätte durch den Operettenkomponisten Paul Lincke mit dem sogenannten Flora-Marsch bedacht:

Dora – komm in die Flora,

die so viele Reize hat.

Sie liegt am Schulterblatt,

ist ganz in deiner Näh’,

das schönste Varieté.


Nach dem Ersten Weltkrieg zeichnete sich der Niedergang der großen Vergnügungshäuser auch für die Flora ab. 1921 wurde das erste Obergeschoss an die Elsami-Orient – Tabak und Cigarettenfabrik vermietet und nach deren Konkurs 1924 ab 1925 an die Berlitz School of Languages. 1926 richtete man ein modernes Kinovarieté im hinteren Teil des Gebäudes ein, legendär wurde ein aus Glühlampen geschaffener Sternenhimmel. Um diese Zeit fanden Auftritte mit Siegfried Arno, Hans Albers, Zarah Leander und Johannes Heesters statt. Dennoch musste Ende der 1920er Jahre der Konkurs angemeldet werden. Unter neuer Führung wurde ein neues Programm angeboten, so sollten Ringkämpfe das Publikum anlocken.

1936/1937 erfolgte ein Umbau des hinteren Ballhauses zur Garagenhalle, in den Obergeschossen einschließlich des Dachgeschosses wurden 23 Kleinwohnungen geschaffen. 1941 entstand im Flora-Garten ein Hochbunker für 700 Personen. Im Zweiten Weltkrieg, während der Bombenangriffe auf Hamburg, blieb die Flora weitgehend unbeschädigt, einzig die Garagenhalle wurde zerstört. Bis 1943 wurde das Theater bespielt, danach wurde es geschlossen und lediglich für die Lagerung von Möbeln ausgebombter Hamburger genutzt. 1949 konnte sie nach einer geringfügigen Renovierung wieder eröffnen, gespielt wurde die Revue Die lustige Witwe.


Kino und Warenhaus

Von 1953 bis 1964 diente das Gebäude als Kino mit 800 Plätzen, die neuen Besitzer waren August Battmer und Johann Wetzel. Auf dem Vordach wurde der Neonschriftzug „Flora“ angebracht, an der rechten Seite ein Vorführraum angebaut, der auch heute noch erhalten ist. 1964 kaufte die Sprinkenhof AG als stadteigene Grundstücksgesellschaft für die Stadt Hamburg das Gebäude und vermietete sie an das Discount-Unternehmen „1000 Töpfe“. 1974 wurden das Dachgeschoss und das zweite Obergeschoss abgetragen und durch ein Flachdach ersetzt.

1979 kam es zu den Planungen, eine Ausweichstelle für das zu renovierende Schauspielhaus in dem Gebäude der Flora einzurichten, doch durch die geschätzten Kosten in Höhe von 4,7 Millionen DM (entspricht 2,4 Mill. Euro)wurde das Vorhaben als zu teuer verworfen. Ein Jahr später plante das Klecks-Theater zusammen mit dem Filmhaus einen Umbau und die Wiederbelebung der Flora als Theater, den Aufbau eines neuen 2. Stockwerks und die Errichtung von Werkstätten. Doch auch diese Planungen mussten nach einem Kostenvoranschlag von neun Millionen DM als zu teuer verworfen werden.


Teilabriss

1987 wurde der Musical-Produzent Friedrich Kurz auf das Gebäude aufmerksam. Kurz trat an die Stadt Hamburg mit dem Wunsch heran, das Gebäude zum Musical-Theater umzubauen. Er wollte ab 1989 das Musical Das Phantom der Oper dort zur Aufführung bringen. Ende 1987 zog 1000 Töpfe aus. Innerhalb weniger Monate regte sich vielfältiger Widerstand gegen die Musicalpläne. Ein Bündnis von Anwohnern, Gewerbetreibenden und autonomen Gruppen organisierte vielfältige Proteste. Es wurde die Sorge formuliert, dass mit einem Musicaltheater an dieser Stelle Mieten für Gewerbe und Wohnraum steigen würden. Nicht verhindert werden konnte der Abriss des größten Teils des historischen Floratheaters im April 1988, insbesondere des denkmalgeschützten Crystallpalastes von 1890. Obwohl der Crystallpalast als Bestandteil der Galerie des Machines für den schnellen Auf- und Abbau konzipiert war und bereits von Paris nach Hamburg umgesetzt wurde, erfolgte offenbar kein geordneter Abbau mit Einlagerung oder Versetzung, sondern eine Verschrottung der denkmalgeschützten Eisen-Glas-Halle. Lediglich der Eingangsbereich sollte erhalten werden, dahinter sollte ein Neubau mit der neuen Musicalspielstätte entstehen. Doch zahlreiche Aktionen, eine Platzbesetzung im Juni 1988 und militante Anschläge gegen die Baustelle führten im September 1988 dazu, dass trotz täglicher Polizeibewachung die Investoren das Musicalprojekt zumindest an dieser Stelle aufgaben. Für das ursprünglich geplante Projekt wurde die Neue Flora gebaut.


Hausbesetzung und Stadtteilprojekt

Bis zum Sommer 1989 stand das Restgebäude leer. Lediglich Initiativen aus dem Stadtteil bemühten sich in sogenannten Winterfestmachaktionen um den provisorischen Erhalt des Restgebäudes. Im August 1989 bot die Stadt den Initiativen überraschend einen befristeten sechswöchigen Nutzungsvertrag an, um die Vorstellung einer alternativen Nutzung als Stadtteilzentrum öffentlich zu präsentieren. Die Gruppen gingen auf dieses Integrationsangebot zunächst ein. Nachdem am 23. September 1989 die Rote Flora offiziell eröffnet wurde, wurde sie dann am 1. November 1989 für besetzt erklärt. Seitdem wird das Gebäude als kultureller und politischer Treffpunkt genutzt. Es gibt keine bezahlten Stellen, keine Fördergelder, die Belange des Projekts werden im Rahmen der Selbstverwaltung organisiert.

Zwischen 1990 und 1991 errichteten die Nutzer der Roten Flora auf dem hinter dem Restgebäude liegenden Freigelände – dem ehemaligen Bauplatz – in Eigenarbeit einen Park. Die Stadt wollte an dieser Stelle nunmehr sozialen Wohnungsbau verwirklichen. So kam es im Juli 1991 zu einer Räumung des Parks in einem großangelegten Polizeieinsatz mit über 1000 Beamten.

Im August 1992 trat die damalige Senatorin für Stadtentwicklung im Auftrag des Hamburger Senats, Traute Müller (SPD), an die Rote Flora mit der Aufforderung heran, binnen sechs Wochen einen Vertrag über die Nutzung des Gebäudes mit der Stadt Hamburg zu unterzeichnen. Andernfalls würde das Projekt geräumt. Tatsächlich zogen sich die Verhandlungen ohne eine abschließende Einigung über sechs Monate hin. Die angedrohte Räumung wurde nie vollzogen, die Rote Flora blieb besetzt. Nach einem großen Brand im November 1995 wieder in Eigenarbeit durch die Besetzer in Stand gesetzt, diente sie nach wie vor als kulturelles Stadtteilprojekt sowie als politisches Zentrum autonomer Gruppen in Hamburg.


Verkauf und Privatbesitz

Im Herbst 2000 wollte der damalige rot-grüne Hamburger Senat unter Bürgermeister Ortwin Runde erneut Verhandlungen über eine vertragliche Absicherung der Gebäudenutzung führen. Anlass war der anstehende Bürgerschaftswahlkampf 2001, in dem die Opposition die seit elf Jahren andauernde Besetzung der Roten Flora zum Wahlkampfthema machen wollte. Das Nutzerplenum der Roten Flora lehnte nach kontroversen internen Diskussionen das Vertragsangebot ab. Daraufhin verkaufte der Senat der Stadt Hamburg im März 2001 überraschend das Haus für 370.000 DM an den Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer, der beim Kauf zusicherte, am Status der Roten Flora nichts ändern zu wollen. Ohne Zustimmung des Senats kann die Rote Flora nicht weiterverkauft werden.

Kretschmer gab später an, er habe für das Gebäude nun ein Angebot von 20 Millionen Euro und könne sich vorstellen, das Gebäude zu verkaufen. Der Bezirk Altona erließ daraufhin eine „Veränderungssperre“ für das Gebäude und legte fest, dass eine dauerhafte kommunale Nutzung gegeben sein müsse.

Im November 2004 wurde in einer Festwoche das 15-jährige Bestehen der Besetzung gefeiert.


Demonstrationen und Auseinandersetzungen

Im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm wurde das Gebäude im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) am 9. Mai 2007 durch die Bundesanwaltschaft durchsucht. Da sich Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens auch in der Roten Flora getroffen hatten, sollte durch diese Durchsuchung potentielles Beweismaterial sichergestellt werden. Beamte des Bundeskriminalamtes, der Bundesanwaltschaft und des Hamburger LKA durchsuchten vier Stunden lang alle Räume des Gebäudes. Im Rahmen der Durchsuchung wurden in der Roten Flora Computer, Drucker, Faxgeräte sowie zahlreiche Dokumente sichergestellt. Am gleichen Abend kam es zu einer spontanen Demonstration mit über 2.000 Teilnehmern, die sich gegen die Durchsuchungsaktion wendete. Nach der Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das Nutzerplenum der Roten Flora wertete in einer Presseerklärung die Durchsuchung als Versuch, Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm zu kriminalisieren. In einer Entscheidung vom Januar 2008 erklärte der 3. Senat des Bundesgerichtshofs die Durchsuchung und die Beschlagnahme von Gegenständen in der Roten Flora anlässlich der Polizeiaktion vom Mai 2007 nachträglich für rechtswidrig. Das der Durchsuchungsaktion zugrunde liegende Ermittlungsverfahren wurde im September 2008 gegen alle Beschuldigten mangels Vorliegen eines Tatverdachts durch die zuletzt zuständige Hamburger Staatsanwaltschaft eingestellt.

Am 6. Juli 2008 durchsuchte die Polizei das Projekt erneut mit einem Großaufgebot. Vorangegangen war ein Streit vor dem Gebäude, in den sich Besucher der Roten Flora eingemischt hatten. Im folgenden Polizeieinsatz kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf nach Darstellung der Polizei mutmaßliche Straftäter in die Flora flüchteten. Nachdem den vor Ort befindlichen Polizeikräften der Zutritt zum Gebäude verwehrt worden war, brachen Bereitschaftspolizisten im Schutze von Wasserwerfern die verschlossenen Türen auf. Bei der Durchsuchung des Gebäudes wurden 13 Personen festgenommen. In einer Stellungnahme der Nutzer der Roten Flora wurde der Einsatz als unverhältnismäßig kritisiert und als politischer Angriff auf das Gesamtprojekt bezeichnet. Noch am selben Abend kam es in Hamburg und weiteren Städten zu zahlreichen Spontandemonstrationen. Im April 2009 wurde die Rolle der Roten Flora im Hamburger Schanzenviertel zum Thema in der Hamburger Lokalpresse. Der Eigentümer der Gebäudes, Klausmartin Kretschmer, warf den Nutzern des Gebäudes in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ mangelnde Kreativität und einen fehlenden Bezug zum übrigen Stadtteil vor. Er wolle aber an seiner Zusage, am Status der Roten Flora nichts ändern zu wollen, festhalten. Lokalpolitiker der SPD und der CDU reagierten auf die Berichterstattung mit Erklärungen, die die Zukunft des Projekts infrage stellten. An einem so exponierten Ort wie dem der Roten Flora könne es keine abgeschottete Privatveranstaltung geben, zudem wurde dem Grundeigentümer signalisiert, bei Änderungswünschen hinsichtlich der Nutzung Entgegenkommen zu zeigen. Die Nutzer ihrerseits reagierten in einer ersten Erklärung mit dem Hinweis, dass aufgrund des durch die Aufwertung gestiegenen Grundstückspreises auf sieben Millionen Euro wirtschaftliche Interessen an einer Beendigung des Projekts mit einer entsprechenden kommerziellen Folgenutzung bestünden.


Jubiläum und Rückkaufpläne

Anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Roten Flora wurde im September und Oktober 2009 unter anderem eine Reihe von Veranstaltungen organisiert, die die Geschichte und die Perspektiven des Projekts thematisierten. In diesem Zusammenhang äußerte sich der Eigentümer Klausmartin Kretschmer in einem Interview mit dem Stadtmagazin Szene Hamburg, in dem er die Zukunft des Projekts erneut in Frage stellte und erstmals eine Räumung des besetzten Hauses durch ihn ins Gespräch brachte.


Ideenwettbewerb 2010

Im Juni 2010 berichteten verschiedene Lokalzeitungen, dass es Überlegungen innerhalb der zuständigen Behörden in Hamburg gäbe, das Objekt vom Eigentümer zurückzukaufen. Damit solle verhindert werden, dass ein Verkauf an private Investoren zu unkalkulierbaren Auseinandersetzungen um die Rote Flora führe. Entsprechende Gespräche mit dem Eigentümer sollte der Leiter des zuständigen Bezirksamts Altona, Jürgen Warmke-Rose, gemeinsam mit einem Vertreter der Finanzbehörde führen. Zunächst sei Stillschweigen über Inhalte und Ergebnisse dieser Gespräche zwischen den Beteiligten vereinbart worden.

Einen für Anfang August 2010 verabredeten Termin mit Vertretern der Stadt sagte der Eigentümer Klausmartin Kretschmer kurzfristig ab, da er die Vertraulichkeit der Gespräche nicht mehr gewahrt sah. Unmittelbar zuvor hatte Kretschmer über verschiedene Medien in Hamburg verlauten lassen, er strebe einen Ideenwettbewerb an, in dem Anwohner des Schanzenviertels ihre Vorstellungen über eine künftige Nutzung des Gebäudes einbringen könnten.

Im Dezember 2010 setzten sich Hamburger Initiativen unter dem Motto Ich würd's so lassen in einer Kampagne für den Erhalt des besetzten Projekts ein und erteilten Kretschmers Plänen nach Beendigung des Projekts eine Absage. Im Rahmen einer Unterschriftenaktion unterstützen rund 1500 Einzelpersonen, aber auch u. a. verschiedene Kultur- und Verlagsprojekte diese Kampagne.


Gegenwart

Im August 2013 vermietete Kretschmer, laut dem Hamburger Abendblatt, das Haus an Gert Baer von der Firma Baer und Baer Consulting. Im Oktober 2013 wurde bekannt, dass es Pläne gibt, ein sechsstöckiges Kulturzentrum mit Konzerthalle anstelle der Flora zu bauen. Linke Aktivisten haben Widerstand gegen einen eventuellen Umbau angekündigt. Tatsächlich besteht seit 2011 eine Veränderungssperre für das Gebiet: das Gebäude der Roten Flora muss erhalten werden und ist ausdrücklich als Fläche für den Allgemeinbedarf und Stadtteilkulturzentrum ausgewiesen. Die Bezirksversammlung in Altona verabschiedete Ende Oktober einen Beschluss, dass das Haus nicht mehr umgebaut oder abgerissen werden und Stadtteilkulturzentrum bleiben soll. Kretschmer beantragte daraufhin eine private Nutzung des Gebäudes. Ihm liege das Angebot einer amerikanischen Bekleidungsfirma vor, und er könne sich vorstellen im Haus Flüchtlinge zu beherbergen.

Ende Oktober 2013 drohte der Eigentümer Kretschmer, einen für den 3. November 2013 geplanten Auftritt der Hip-Hop-Gruppe Fettes Brot zu unterbinden, und sprach ein Hausverbot aus. Kretschmer hatte der Band zuvor angeboten, die Räumlichkeiten „gegen eine Nutzungsgebühr“ von 5.000 Euro in Anspruch zu nehmen, was die Band jedoch ablehnte. Am 2. November 2013 reichte Kretschmer eine Anzeige wegen „der drohenden Straftat eines Hausfriedensbruchs“ ein. Zum Konzert am 3. November 2013, das mit einer Videoprojizierung auf die Wand des Nachbargebäudes auch draußen übertragen wurde, kamen 2000 Menschen. Am selben Tag reichte Kretschmer eine weitere Anzeige gegen die Band ein, nunmehr wegen Hausfriedensbruchs. Kurz darauf warf Kretschmer den Besetzern vor, in 24 Jahren Besetzung mehr als neun Millionen Euro eingenommen zu haben.

Im Dezember 2013 stellte Kretschmer das Ultimatum, dass die Besetzer das Haus bis zum 20. Dezember 2013 räumen sollen, und verlangte von diesen 25.000 Euro pro Monat für jede weitere Nutzung des Gebäudes. In einer weiteren Mitteilung ließ er jedoch mitteilen, dass die Räumung durch die Behörden nicht vor Weihnachten stattfinden solle.

In diesem Kontext kamen am 21. Dezember 2013 nach Polizeiberichten etwa 7.300, laut Veranstalter über 10.000 Menschen zu einer Demonstration unter dem Motto „Die Stadt gehört allen! Refugees, Esso-Häuser und Rote Flora bleiben“ auf dem Schulterblatt zusammen. Die Demonstration sollte laut Veranstalter das Ausmaß des Widerstands verdeutlichen, mit dem im Falle eines Räumungsversuchs zu rechnen gewesen wäre. 4000 Polizisten waren im Einsatz. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten.

Im Januar 2014 erklärte der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), dass dem Eigentümer Kretschmer ein Angebot über 1,1 Millionen Euro zum Rückkauf der Flora gemacht wurde. Kretschmers Berater Gert Baer äußerte daraufhin, dass der Kaufpreis lächerlich und die rechtliche Argumentation der Stadt nicht haltbar sei. Baer ließ weiterhin verlauten, der Senat und der Bürgermeister hätten eine rote Linie überschritten, weil sie Steuerhinterziehern und Linksextremisten einen rechtsfreien Raum schenken würden. Das Wiederkaufsrecht der Stadt sei, nach zehn Jahren, vertragsgemäß im Grundbuch gelöscht worden, im Kaufvertrag stehe zudem, dass nur „zunächst“ eine weitere Bebauung des Grundstücks ausgeschlossen sei. Daher könne neu verhandelt werden. Vertreter der Roten Flora sagten auf einer Pressekonferenz am 16. Januar 2014 dazu: „Uns ist egal wer Eigentümer des Gebäudes ist, klar ist, dass die Flora als Kulturzentrum erhalten bleibt.“

Am 17. Januar 2014 trat eine Änderung des Bebauungsplans in Kraft: „der Rückbau, die Änderung, die Nutzungsänderung oder die Errichtung baulicher Anlagen“ bedürfen seitdem zusätzlich einer Genehmigung durch das Bezirksamt Altona. Der „Bebauungsplan Sternschanze 7“ ist im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht worden. Der Eigentümer Kretschmer nahm das Rückkaufangebot bis zum Ablauf der Frist am 3. Februar 2014 nicht an. Daher hat die Stadt nun Rechtsanwälte beauftragt, um ihr Interesse gerichtlich durchzusetzen. Nach Ablauf der Frist will der Senat nunmehr die Rote Flora entsprechend des Kaufvertrages von 1991 für nur noch für 190.000 Euro zurück kaufen. Hierauf drohte Kretschmer der Stadt mit einer Schadensersatzforderung. Zudem stellte Kretschmer vier Bauvoranfragen, die vorsahen, die Rote Flora mit einem 2000 Plätze fassenden Musiktheater zu überbauen. Dabei sollten auch fremde Grundstücke mit überbaut werden.


Kultur

Von der Roten Flora ausgehend werden im Stadtviertel immer wieder Kunstaktionen, Flohmärkte, Stadtteilfeste veranstaltet oder unterstützt, aber auch politische Stadtteilarbeit im Stil von Bürgerinitiativen findet statt. Themen sind dabei Migration, Nationalismus in Deutschland, Privatisierung öffentlichen Raums, Gentrifizierung und soziale Probleme, wie im Jahr 2002 der Konflikt um den Bauwagenplatz Bambule. Finanziert werden die Aktivitäten der Flora zum Beispiel durch Konzerte, Partys und ähnliche Veranstaltungen. Die Spannweite der Musikstile reicht dabei von Punk über Reggae oder Dub bis hin zu Drum and Bass, House und Techno (Subkultur). Durch diese kulturelle Öffnung hin zu breiteren Bevölkerungsschichten ist die Rote Flora in den 1990ern im Schanzenviertel und St. Pauli endgültig zu einer festen Institution geworden, die das Bild des Stadtteils mitgeprägt hat. Das Projekt sieht seine Rolle in diesem Zusammenhang selbst als durchaus zwiespältig, denn die nichtkommerziell ausgerichteten Veranstaltungen haben unter anderem das „subkulturelle Ambiente“ geliefert, das im Rahmen des Gentrifizierungsprozesses mit für die Aufwertung des Schanzenviertels in Form von steigenden Wohnraum- und Gewerbemieten gesorgt hat.

Die Außenfassade des Hauses dient als Medium für regelmäßig wechselnde selbstgestaltete politische Plakate.

Im Mai 2009 wurde vor dem Portal der Roten Flora ein Stolperstein für den aus einer Sinti-Familie stammenden Boxer Johann Wilhelm Trollmann verlegt. Trollmann hatte einige seiner Profiboxkämpfe – zuletzt im November 1933 – im historischen Flora-Theater bestritten. 1942 wurde Trollmann in das KZ Neuengamme verschleppt und ein Jahr später in einem Außenlager von einem Kapo erschlagen.

Gegen die Räumung des Gebäudes haben sich auch Bands in ihren Songs ausgesprochen. Bekannt geworden ist der Flora Song von den Roving Bottles. Johnny Mauser & Captain Gips entwickelten den Song Flora Bleibt. Im 2013 Song Echohäuser, der von Thomas Wenzel und Ømmes Fröhling komponiert wurde, wird das Gebäude ebenfalls erwähnt.



Text: Wikipedia


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