Sankt Andreasberg

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Sankt Andreasberg (auch St. Andreasberg, offizielle Bezeichnung Bergstadt Sankt Andreasberg) ist eine ehemals freie Bergstadt im Oberharz und gehört seit dem 1. November 2011 zur neugebildeten Stadt Braunlage im Landkreis Goslar.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Sankt Andreasberg.

Geschichte

12. bis 18. Jahrhundert

Die ersten Gruben und eine erste Siedlung wurden vermutlich im 12. Jahrhundert unter der Regie der Mönche der Zisterzienserabtei Walkenried angelegt. Schlackehalden und Gebeinhaufen belegen, dass der Bergbau in der Gegend um Andreasberg betrieben wurde, bis Mitte des 14. Jahrhunderts die Pest die Gegend entvölkerte. Ob diese Siedlung bereits den Namen Sankt Andreasberg trug, ist nicht überliefert, die Mönche benannten allerdings bereits einen Berg nach dem Schutzpatron des Bergbaus „St. Andrews Berg“.[4][5]

Die erste bisher aufgefundene urkundliche Erwähnung (im Genitiv: „sanct AndrewsBerges“) in einem Brief des Grafen Heinrich zu Stolberg an Dietrich von Witzleben stammt vom 3. November 1487. Die Ortsgründung erfolgte um den Markt. Die vermutlich ersten Silber-Zechen waren die Grube St. Andreaskreuz am Fuße des Beerbergs und die Grube St. Andreas am Marktplatz.

1521 wurde durch die Grafen Heinrich und Ernst von Hohnstein die Bergfreiheit erlassen.[6] Mit ihrer Hilfe versuchte man Bergleute aus dem Mansfelder Land, Sachsen und Böhmen in die Grafschaft zu holen, damit sie hier nach Silber und anderen Metallen zu schürfen. Da der gewünschte Zuzug ausblieb, wurde 1527 eine zweite Bergfreiheit erlassen, die durch weitere Privilegien Bergleute in das Gebiet locken sollte. Im Jahr 1535[4] wurden Sankt Andreasberg die Stadtrechte verliehen. Zu dieser Zeit arbeiteten in 116 Gruben etwa 800 Bergleute. Weitere Wohngebäude entstanden am Wäschegrund in direkter Nähe zur Grube St. Andreaskreuz, danach im Bereich der heutigen Ober- und Unterstadt. Die Keimzelle der blühenden Bergmannssiedlung bildete der Marktplatz, die Haldenstraße (heute Halde) und die Breite Straße. Dort befanden sich unter anderem das Rathaus, Polizei mit Gefängnis, Apotheke, das Gericht und diverse Händler. Die ältesten Gebäude der Bergstadt sind zum einen die Pochknabenschule (Haus Lämmerhirtsgasse) sowie die Gebäude der Mühlenstraße und Halde.

Um 1575 zählte St. Andreasberg bereits 2500 Einwohner und bildete damals die größte Ansiedlung des Oberharzes. Die Andreasberger Silberhütte, erbaut vor 1550, erlebte mit einer Jahreserzeugung von 1,6 Tonnen Brandsilber einen wirtschaftlichen Höhepunkt in ihrer Geschichte, den sie, nach einer langen Phase des Niedergangs, erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts wieder erreichen und überschreiten sollte. Charakteristisch für den Bergbau in St. Andreasberg war das Auf und Ab des Erz- und Metallausbringens, die stets unter dem Ausbringen benachbarter Bergbauorte wie beispielsweise Clausthal lag. So wurden in 400 Jahren Bergbau in St. Andreasberg nur 313 t Silber erzeugt, während im Clausthal-Zellerfelder Revier die gleiche Menge zu Beginn des 20. Jahrhunderts in etwa 20 Jahren gefördert wurde.[7] Wahrscheinlich bildete dies auch mitunter einen Anlass, das anfänglich in Ellrich vermünzte Silber, das anschließend bis 1593 in St. Andreasberg zu Talern geprägt wurde, ab 1623 in der Clausthaler Münzstätte zu vermünzen.

Weil die ersten Einwohner hauptsächlich aus dem böhmischen und sächsischen Erzgebirge sowie dem Mansfelder Land stammten, hat sich in Sankt Andreasberg eine Oberharzer Mundart (siehe auch: Erzgebirgisch) ausgebildet, welche sich regional auf die Bergstädte des Oberharzes beschränkt. Die Oberharzer Mundart hört man im täglichen Leben nur mehr wenig. Hauptsächlich Angehörige der älteren Generationen beherrschen sie noch, so dass zur Aufrechterhaltung in den Lokalzeitungen gelegentlich Artikel in Oberharzer Mundart abgedruckt werden. Als Beispiel für den Dialekt wird ein Spruch angeführt, den ein Vater im 19. Jahrhundert einem neuen Lehrer überbracht haben soll, da dieser die Oberharzer Mundart der Schüler nicht richtig verstehen konnte (Dos will ä Lehrer sein un verschtieht noch net ämol deitsch!) und sie auch abschaffen wollte.

De Harzer Schprohch, die klingt su schien, un kann ä jeder wull verschtiehn. Se hott kä „ö“ un hott kä „ü“, doch klingtse mollig, schpät un frieh. Un biste fremd, denn larnse ahch, doch kannstes net, schtieh kän in Wahg.

Nach dem Aussterben der Grafen von Hohnstein 1593 waren die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel bis 1617 politisch für Sankt Andreasberg zuständig. Bis zum Jahr 1665 waren es die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, gefolgt von der Calenberg-Hannoverschen Linie.

Ein Großfeuer, verursacht durch einen Blitzschlag an der heutigen Herrenstraße 23, zerstörte am 8. Oktober 1796 insgesamt 249 Wohn- sowie 326 Stallgebäude, die Dreifaltigkeitskirche, Amtshaus, Rathaus, Schulhaus, Apotheke, Wohnungen der Prediger, des Stadtmagistrats, der Bergbedienten und des Arztes.[8][9] 500 Familien verloren in dem Sturm- und Regenwetter alles Obdach. „Eine schwere Gewitterwolke, mit dem heftigsten Sturm begleitet, ließ sich mit der schrecklichsten Gewalt um die Mittagszeit auf unserer Stadt nieder, und ein Blitzstrahl, einem Feuerklumpen gleich, zündete schnell ein Gebäude, und verbreitete das Feuer mit solcher unglaublichen Wut und Schnelligkeit“, schrieb Pastor Primer Johann Heinrich Christoph Deichmann in den Hannoverischen Anzeigen vom 21. Oktober 1796.[10]

Die Kirche der evangelischen Martini-Gemeinde wurde als einfache Holzkirche mit kleinem Läuteturm erst 1809–1811 wieder aufgebaut. In der Zeit des Wiederaufbaus wurde das Haus Halde 18 als Schule und Kirche genutzt.

1688 wurde der Glockenturm auf dem Glockenberg neben dem vorhandenen Gebäude des Hutmannes (Nachtwächter und Anläuter) errichtet. Der vorherige Glockenturm an der Kirche war baufällig geworden und der Stadtteil, welcher sich in südlicher Richtung zum Matthias-Schmidt-Berg und im Tambach-Tal befand, war in der vorhergegangenen Wirtschaftskrise (Holzmangel, schlechte Anbrüche, Geldmangel, Pest) abgerissen worden und brauchte nicht mehr „beläutet“ zu werden. 1833 war auch dieser so baufällig, dass der heute noch vorhandene Turm direkt am Gebäude errichtet wurde.

In 400 Jahren Bergwerksbetrieb wurden in und um Sankt Andreasberg über 300 Gruben für den Erz- und Silberbergbau angelegt. Im Stadtgebiet und der nahen Umgebung trifft man auch heute noch auf zahlreiche Zeitzeugen der wirtschaftlich bedeutendsten Geschichte Sankt Andreasbergs, u. a. den montanhistorischen und gesteinskundlichen Lehrpfad. Tiefstes Bergwerk war die Grube Samson mit 42 Strecken (Etagen) und einer Gesamtteufe von „190 m unter dem Spiegel der Ostsee“, also etwa 840 m. Am 11. Dezember 1777 besuchte Johann Wolfgang von Goethe Sankt Andreasberg, um sich über den Bergbau zu informieren. Er fuhr in die Grube Samson ein und vermerkte in seinem Tagebuch: „Es ward mir sehr sauer“. 1783 besuchte Goethe erneut die Bergstadt und wanderte u. a. entlang des Rehberger Grabens.

19. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Von 1807 bis 1813 gehörte Sankt Andreasberg zum Königreich Westphalen. Die Bergstadt war der Hauptort des Kantons Andreasberg, Distrikt Osterode im Departement des Harzes. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft gehörte Sankt Andreasberg zum Königreich Hannover. Der Ort wurde durch die Berghauptmannschaft Clausthal als Mittelbehörde des Königreichts Hannover verwaltet. Im Zuge der Trennung von Justiz und Verwaltung wurde im Jahr 1852 das Amt Sankt Andreasberg mit dem Sprengel des bisherigen Berg- und Stadtgerichts Clausthal neu gebildet. Bereits 1859 wurde es mit dem Amt Zellerfeld und der bisher amtsfreien Stadt Clausthal zum Amt Zellerfeld zusammengefasst, mit dem es 1885 im Kreis Zellerfeld aufging. Dieser gehörte ab 1866 zur preußischen Provinz Hannover.

Der Bergbau geriet ab Mitte des 19. Jahrhunderts in eine Krise und kam 1910 zum Erliegen. Zunächst konnten holzverarbeitende Betriebe, Lungenheilstätten sowie der aufkommende Fremdenverkehr und Kurbetrieb die wirtschaftlichen Folgen mindern, jedoch kamen diese Erwerbszweige im Zuge der Weltwirtschaftskrise größtenteils zum Erliegen. Bereits ab 1929 stiegen die Wahlergebnisse der NSDAP; bei den am 5. März 1933 stattfindenden Kommunalwahlen erreichte die NSDAP die absolute Mehrheit im Bürgervorsteherkollegium. In der konstituierenden Sitzung gelang es der NSDAP sofort, die anderen Fraktionen auszuschalten. Dementsprechend wurde ein NSDAP-Mitglied zum kommissarischen Bürgermeister gewählt, die Freifläche vor dem Rathaus in Adolf-Hitler-Platz umbenannt und Paul von Hindenburg und Adolf Hitler zu Ehrenbürgern erklärt. In der Folgezeit wurden bis 1935 in großem Umfang Notstandsarbeiten durchgeführt. Erst durch die Ansiedlung von Rüstungsindustrie und die Förderung des Fremdenverkehrs ging die Arbeitslosigkeit ab Mitte der 1930er Jahre zurück. Des Weiteren wurden ein SA-Hilfswerklager sowie eine SA-Führerschule eingerichtet. Im Zuge des Stadtjubiläums 1937 wurde zudem Viktor Lutze, der Stabschef der SA, zum Ehrenbürger ernannt, da die SA auch nach 1934 eine große Rolle vor Ort spielte. Nach Kriegsbeginn kam es zum Einsatz von Kriegsgefangenen sowie ab 1942 von über 1000 Zwangsarbeitern in zahlreichen Betrieben, insbesondere in den Rüstungswerken.[11]

Haupteinsatzort der Zwangsarbeiter war die ehemalige Silberhütte.[12] Im Oktober 1934 erwarb die Federstahl AG Kassel, ein Tochterunternehmen der Dortmunder Hoesch AG, die im Juli 1912 stillgelegte Silberhütte Sankt Andreasberg. Noch bis 1929 hatten die Harzer Werke „Glück Auf“ (Inhaber Rudolf Alberti aus Goslar) in den Gebäuden hauptsächlich Spielwaren hergestellt. Die neu gegründete Metallwerk Silberhütte GmbH übernahm zugleich den weiteren Grundbesitz der Silberhütte (Vereinigte Werke Dr. Rudolf Alberti & Co., später Werk I), dazu noch die Gebäude der Bauholzwerke und Kistenfabrik Sankt Andreasberg GmbH am Westbahnhof, später Werk II, sowie die der Firma C. W. Hertwig im Sperrluttertal, später Werk III, die jedoch an die Hoesch-Tochter Schmiedag weiterverpachtet wurden. Bis Ende 1935 baute die Metallwerk Silberhütte die Hallen in Werk I und II für ihre Zwecke um und erweiterte sie. Ab dem Frühjahr 1936 stellte der Hoesch-Zweigbetrieb in den übernommenen Räumlichkeiten Infanteriemunition her, vorwiegend Patronen und Ladestreifen für Standardgewehre der Wehrmacht. Ab 1941 dienten die Gebäude am Westbahnhof allerdings nur noch der Unterbringung zumeist russischer Zwangsarbeiter. Im Metallwerk Silberhütte waren Ende Dezember 1944 fast 1.200 Personen in der Rüstungsproduktion beschäftigt, darunter 659 Ostarbeiter (137 Männer/522 Frauen) und 75 Fremdarbeiter (55 Männer/20 Frauen). Im Werk III stellte die Schmiedag AG ab 1935 Artilleriemunition (Geschosshülsen der Kaliber 7,5 cm und 10,5 cm) her, jedoch belief sich die Belegschaft auf nur 263 Personen, darunter 155 ausländischer Herkunft. Die fertigen Hülsen wurden an die Heeresmunitionsanstalt in Kummersdorf bei Berlin geliefert.[12]

Zusätzlich zu den vor Kriegsbeginn existierenden Rüstungsbetrieben wurde die Firma Leybold's Nachfolger aus Köln nach Sankt Andreasberg verlegt. Im April 1945 war Sankt Andreasberg Bombenangriffen und Kampfhandlungen ausgesetzt. Die Rüstungswerke wurden geplündert, die Zwangsarbeiter wurden bis Juni 1945 aus Sankt Andreasberg abtransportiert. Die Demontage der Rüstungswerke war bis 1948 abgeschlossen.[11]

Als Ort im Landkreis Zellerfeld kam Sankt Andreasberg im Jahr 1946 zum neu gegründeten Land Niedersachsen. Durch das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden im Bereich des Harzes erfolgte die Aufteilung des Landkreises Zellerfeld, wodurch Sankt Andreasberg seit dem 1. Juli 1972 zum Landkreis Goslar gehört. Die ehemals freie Bergstadt im Oberharz war die kleinste selbständige Stadt im Land Niedersachsen, bis sie zum 1. November 2011 mit Braunlage fusionierte.[13] Vorrangiges Ziel war, durch eine gemeinsame Verwaltung Kosten zu senken.


Text: Wikipedia

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