Schüttorf

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Schüttorf ist eine Stadt im Landkreis Grafschaft Bentheim im äußersten Südwesten Niedersachsens.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken mit einem Bezug zu Schüttorf.

Wilhelm Edel

Sonstige

Geschichte

Das Schüttorfer Rathaus wurde 1945 in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges von einer Fliegerbombe getroffen und brannte komplett aus. Hierbei verbrannten auch das Stadtarchiv und viele wertvolle Geschichtszeugnisse. Das macht Forschungen in der Schüttorfer Stadtgeschichte schwierig, viele Dinge ließen sich aber mittlerweile rekonstruieren.

Etymologie

Die Etymologie des Namens Schüttorf ist nicht genau geklärt und verschiedenen volkstümlichen Erklärungsversuchen ausgesetzt. Die verbreitetste Erklärung bietet die Sage, dass die Vechte erst 1295 durch den Bau eines Dammes um Schüttorf geleitet wurde, bei dessen Bau die Bürger ihre Handkarren auf das Kommando Schütt’t d’r up entleert hätten. Diese Sage erklärt allerdings nur einen Anklang auf die neuzeitliche Schreibweise von Schüttorf (platt: Schüttrupp).

Die frühesten Formen des Ortsnamens Schüttorf sind Scuhtthorp, Scutorpe, Scuttorpe und Scotdorpe auf Urkunden aus dem Jahr 1154; auf einer Münzprägung aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts findet sich die Schreibweise SCOTOR(p)E.

Hermann Abels[9] vertritt die Ansicht, dass sich der Ortsname aus dem niederländischen schut (Bretterwand, Staudamm, Schleuse) ableitet, was der volkstümlichen Deutung sehr nahe kommt, historisch aber wohl zu kurz greift, weil es die bereits gestaute Vechte bei der Entstehung des Ortsnamens voraussetzt und alle Formen von Scot- unerklärt lässt, die entsprechend vom niederdeutschen Schott (Trennwand im Stall) abgeleitet werden müssten.

Eine andere Erklärung leitet den Ortsnamen von Vechteschuten ab; eine Schute ist ein flaches Schiff mit sehr wenig Tiefgang, das verwendet wurde, um den Bentheimer Sandstein zu verschiffen. Die Vechte ist ab Schüttorf mit solchen Schuten schiffbar, und es ist bekannt, dass hier Stein verladen wurde. Diese Erklärung setzt allerdings eine intensive Flussschifffahrt bei der Ortsgründung voraus.

Eine ganz andere Deutung ist die, dass der Name Schüttorf von Scutthorpe oder Scuttrop stammt, was Schutzdorf bedeutet und der Burg Altena in der Stadt entlehnt ist. Historisch greift aber auch diese Erklärung zu kurz, da die Burg Altena nicht von Anfang an in der Stadt existierte.

Eine moderne Erklärung leitet den Ortsnamen vom plattdeutschen Scuit (Ire) ab. Der mittelalterliche Name Irlands war Scoti oder Scotti. Im gälischen gibt es zahlreiche Dialekte, die die Vokalvarianten o und u beinhalten und erklären. Zudem weisen bei Ausgrabungen um Schüttorf gefundene irische Ringkreuze und Fächerkreuze auf die Anwesenheit irischer Mönche in der Gegend hin.

Frühgeschichte

Bei Baggerarbeiten zu einer Bahnlinie wurde in Schüttorf der Oberschenkelknochen einer Frau gefunden, dessen Alter auf etwa 2000 v. Chr. bestimmt werden konnte. Schüttorf muss also zu dieser Zeit schon besiedelt gewesen sein, ungefähr zu dieser Zeit entstanden auch die Hünengräber im benachbarten Emsbüren. Auch ein Tongefäß, das 1927 gefunden wurde, weist in dieselbe Zeit.

Schon sehr früh befand sich an der Stelle des heutigen Schüttorf eine wichtige Kreuzung zweier Handelsrouten, da die Vechte hier durch eine Furt passierbar war. An diesem Knotenpunkt befand sich ein Urhof, um den sich die Siedlung entwickelte und der als der „Alte Hof“ bis 1792 bestand.

Im 6. oder 7. Jahrhundert kamen dann Missionare von den Britischen Inseln nach Schüttorf. Bei Ausgrabungen wurden zum Beispiel irische Ringkreuze gefunden. Die Benennung des Stadtteils „Schottbrink“ in Schüttorf, die es nachweislich schon im 15. Jahrhundert gab, weist zudem auf die Anwesenheit von Iren in der Gegend hin.

Im 8. und 9. Jahrhundert wurden dann, um die Christianisierung voranzutreiben, Bauern aus dem Gebiet um Calais und Boulogne in Schüttorf angesiedelt. Noch heute tragen viele Familien in Schüttorf Namen, die von Dorfnamen in der Gegend stammen, wie zum Beispiel Hermeling von Hermelinghen, Hummert von Humbert oder Wanning von Maninghen.[10]

Stadtrechte

Schüttorf wurde 1154 das erste Mal urkundlich in der curtis Scutthorp als Besitz der Grafen zu Bentheim erwähnt. Die Stadtrechte wurden Schüttorf am 6. November 1295, am Sonntag nach Allerheiligen, von Graf Egbert zu Bentheim verliehen; die Urkunde hierzu ist erhalten und befindet sich im Fürstlich Bentheim'schen Archiv in Burgsteinfurt. Schüttorf ist damit die älteste Stadt der Grafschaft Bentheim. Es ist aber bekannt, dass auch vor der Gründung hier ein gräflicher Haupthof und ein kirchliches Zentrum der Obergrafschaft war. 1295 gab es in 30 km Umkreis um Schüttorf nur zwei weitere Städte: Horstmar und Oldenzaal; dies machte die junge Stadt zu einem bedeutenden Markt- und Umschlagplatz und Schüttorf wurde Mitglied der Hanse. Die Stadtrechte enthielten im Detail sechs Rechte, die den Bürgern der Stadt zugestanden wurden. Im Einzelnen waren das:

Steuerfreiheit

Beteiligung an Einkünften des Gerichts (2/3 aller Abgaben und Strafen)

Freies Erbrecht

Ersitzen der Freiheit nach einem Jahr und sechs Wochen

Abgabenfreiheit für Händler von Holz und Torf

alle Rechte der Bürger der Stadt Münster.

Zuzüglich zu den sechs Rechten findet sich eine große Anzahl an Sonderbestimmungen für so genannte Wicbeldeslude (Weichsbildleute), die den größten Teil der Urkunde ausmachen. Dies waren Einwohner der Stadt, die unter einem besonderen Recht standen, aber keine Bürger der Stadt waren. 1297 wurde Schüttorf im coram judico nostro Scottorpe von Graf Bernd zusätzlich eine eigene Gerichtsbarkeit zugestanden.

Die innere politische Organisation der Stadt war den Bürgern überlassen. Schnell bildete sich eine Führungsschicht aus Händlern und Handwerkern. Neue Bürger wurden stets am Petritag, dem 22. Januar, in die Stadt aufgenommen, auch alleinstehende Frauen hatten das Recht, Bürger der Stadt zu werden. Bürger hatten bis zum Jahr 1555 die Pflicht, jährlich ein Bürgergewinnungsgeld zu zahlen, diese Gebühr betrug fünf Taler, was etwa einem fetten Rind und einem Kalb entsprach. Zum Vergleich verdiente ein Maurermeister etwa sechs Schilling am Tag, er musste also etwa 3,5 Tage für einen Taler arbeiten. Alternativ war es auch möglich, ein deutlich niedrigeres Einwohnergeld zu zahlen, aus dem sich allerdings keine Bürgerrechte ableiteten; viele Einwohner wählten zunächst diese sparsamere Alternative. Um innerhalb der Mauern wohnen zu können, war aber sowohl für Bürger als auch für Einwohner ein Treueeid auf die Stadt Schüttorf Voraussetzung. Bis zum Jahr 1719 hatten alle erwachsenen Männer, die Bürger waren, das Wahlrecht zum Stadtrat, danach durften nur noch verheiratete männliche erwachsene Bürger wählen.

Im Jahr 1465 erneuerte und erweiterte Graf Everwyn zu Bentheim die Stadtrechte noch einmal; diese Urkunde ist nicht im Original erhalten, sie ging beim Rathausbrand 1945 verloren. Die neuen Stadtrechte waren in 49 Abschnitte unterteilt und auf ewig datiert. Die Stadtrechte wurden in der Folge von jedem Grafen bestätigt und auch erweitert. Ab dem Jahr 1589 allerdings verschlechterten sich die Beziehungen zwischen dem Grafenhof in Bentheim unter Graf Arnold und der Stadt. In diesem Jahr ließ der Graf den Bürgermeister der Stadt sogar für fünf Wochen einkerkern und erst nach Zahlung von 100 Goldgulden und einem Aem Wein (1 ½ Fässer) wieder frei. Die Situation spitzte sich daraufhin stetig zu. Im Jahr 1645 weigerte sich Graf Ernst Wilhelm dann, die Stadtrechte zu erneuern; er ließ stattdessen den Bürgermeister von Schüttorf für 38 Wochen einkerkern und schickte ihn anschließend in die Verbannung. Daraufhin wandten sich die Bürger an den Kaiserhof in Wien; diese Beschwerde ist dort bis heute erhalten. Ernst Wilhelm hingegen beantragte beim Reichshofrat die Cassation der Stadtrechte. Der Konflikt spitzte sich noch weiter zu, als das Grafenhaus 1668 zum Katholizismus konvertierte, Schüttorf aber reformiert blieb. Als Ernst Wilhelm im Jahr 1693 abdankte, weigerte sich die Stadt, dessen Sohn, Arnold Maruk, zu huldigen, wurde jedoch in der Folge dazu gezwungen.

Steuern

War der Stadt Schüttorf in den Stadtrechten von 1295 noch volle Steuerfreiheit zugestanden, so heißt es in den Stadtrechten von 1465: „unse Stadt und Börger […] nicht beschwehren mitt ungewohnliche Schattinge“. Es wurden also Steuern erhoben. Zunächst wurden Steuern pro Stück Vieh berechnet, ab 1638 aber auch pro Feuerstätte. Zu Sondersteuern kam es im 15. Jahrhundert für die Hussitenkriege, im 16. Jahrhundert für die Abwendung der Türkengefahr und die Bekämpfung der Täufer. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts mehrten sich Kriegskontributionen und es wurden sogar fremde Truppen in Schüttorf einquartiert; dies führte zu einer argen Finanznot der Stadt. Im Jahr 1682 sah sich der Graf von Bentheim sogar gezwungen, die Steuern mit Hilfe der Truppen einzuziehen.

Stadtbefestigung

Direkt nach der Verleihung der Stadtrechte wurde damit begonnen, die Stadt zu befestigen; dazu gehörte der Bau einer insgesamt 1400 m langen Stadtmauer, die immerhin ein 15 ha großes Areal umfasste. Für den Bau der Mauer aus Bentheimer Sandstein wurden etwa 30.000 m³ Sandstein abgebaut und in Ochsenkarren herbei gefahren. Ende des 14. Jahrhunderts war Schüttorf von einem starken Verteidigungssystem umschlossen, das über drei Stadttore verfügte:

die Voeporte (1424 fertiggestellt): das Föhntor

die Steenporte (1392 fertiggestellt): das Steintor

die Wyneporte (1379 fertiggestellt): das Windtor.[5]

Teile der Stadtmauer sind im Südwesten der Altstadt erhalten.

Burg Altena

Zur Befestigung der Stadt wurde auch die Burg Altena errichtet, deren ältester Teil in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt wurde. Dort konnten Verfolgte ein Jahr und einen Tag Asyl finden.[11] Die Burg wurde im 15. Jahrhundert dann zum Witwensitz des Bentheimer Grafenhauses. Um 1565 wurde sie dann um zwei Flügel erweitert, diese waren bis 1973 erhalten. Ab dem 17. Jahrhundert geriet die Burg zunehmend in Vergessenheit und verfiel nach dem Dreißigjährigen Krieg langsam zu einer Ruine. Im 18. und 19. Jahrhundert diente der Nordflügel der katholischen Gemeinde als Kapelle. 1903 erwarb der Fabrikant Herman ten Wolde die Burg Altena, ließ deren Ruinen sprengen und renovierte den Nord- und Westflügel. Schließlich wurde sie 1973, um Platz für eine Durchgangsstraße zu schaffen, abgerissen. Heute steht auf dem Burg-Altena-Platz eine Skulptur mit dem Namen zurück-gerichtet von Werner Ratering, in Gedenken an die Burg und deren Asylrecht.[11]

Gilden

Im Jahr 1341 wurde die erste Schüttorfer Gilde von Graf Simon zu Bentheim anerkannt, und zwar de Schomackere Amte (Schuhmacher), das lässt darauf schließen, dass dieser Berufsstand besonders verbreitet war. 1362 erkannte Graf Otto die Gilden der Wandmacher und Schreiner an und schließlich im Jahr 1387 Graf Bernhard die Gilde der Schmiede. Im Jahr 1465, in den neuen Stadtrechten, wurden immer noch lediglich diese Gilden und keine weiteren erwähnt. Um einen der entsprechenden Berufe ausüben zu können, war es Voraussetzung, Bürger der Stadt Schüttorf zu sein und die entsprechende Gilde gewonnen zu haben (Zunftzwang), dies war mit erheblichen materiellen Leistungen verbunden.

Es wurde bereits früh Wohlfahrt in Schüttorf betrieben. Die Heilige-Geist-Stiftung wird urkundlich erstmals 1379 erwähnt, als Graf Bernhard der Stiftung kostenlos ein Gelände zum Bau eines Armenhauses überließ. Die Stiftung versorgte arme und alte Bürger mit Kleidung, ab dem Jahr 1384 erhielten Bedürftige darüber hinaus eine jährliche Rente von vier Schilling. Die Heilige-Geist-Stiftung existiert auch heute noch und befindet sich im Besitz der Stadt. Sie wird von ehrenamtlichen Geistprovisoren gelenkt, ihren Aufgabenbereich hat sie auch auf die Förderung der Jugend erweitert.

Munizipalität und Gemeinde

Während der Koalitionskriege hatte der französische Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand dem Grafen zu Bentheim seine Neutralität garantiert, die wurde von Napoléon Bonaparte allerdings ignoriert und er schlug die Grafschaft am 12. Juni 1806 dem Herzogtum Berg zu. Es folgten sofort deutliche Eingriffe in die Schüttorfer Gerichtsbarkeit und in die anstehende Wahl des Rats. Am 7. März 1809 entzog der Minister des Innern Schüttorf die Stadtrechte und schuf stattdessen die Munizipalität Schüttorf aus der Stadt selbst und den umliegenden Gemeinden Quendorf, Wengsel, Suddendorf und Neerlage. Gleichzeitig wurde eine Volkszählung anberaumt, die für die Stadt 1040 Einwohner, für die Munizipalität 2140 ergab. Im Jahr 1810 wurde die Munizipalität dann nochmals vergrößert und ihr wurden die Gemeinden Salzbergen, Hummeldorf und Steide zugeschlagen. In die Zeit Napoleons fällt auch das Ende der Leibeigenschaft in der Region. In einer Verfügung über die „Aufhebung der Leibeigenschaft im Großherzogtum Berg“, gegeben am 12. Dezember 1808 im kaiserlichen Lager zu Madrid, ordnete Napoleon an, dass auch die Colonen und Leibeigenen alle bürgerlichen Rechte erhalten sollen. Im Jahr 1813 wurden die Franzosen dann vertrieben und Schüttorf 1815 in das Königreich Hannover eingegliedert. Alle französischen Gesetze wurden pauschal für ungültig erklärt, die Rückkehr zu den alten Strukturen gestaltete sich aber als schwierig.

Am 15. Mai 1851 erreichte die Stadt Schüttorf eine Aufforderung der Landdrostei Osnabrück, sich der neuen hannoverschen Städteordnung zu unterlegen. Diese forderte von einer Stadt jedoch einen hauptamtlichen Bürgermeister und eine städtische Polizei, dies konnte sich Schüttorf nicht leisten. So wurde Schüttorf am 18. September 1852 der hannoverschen Landgemeindeordnung – und damit auch einem königlichen Amt – unterstellt. Der spätere Bürgermeister Scheurmann nannte dies ein dunkles Kapitel in der Schüttorfer Stadtgeschichte. Auch die Annexion Hannovers durch Preußen und die Reichsgründung 1871 änderten nichts am Status Schüttorfs als Gemeinde.

Die Entstehung der Industrie

Die entscheidende Rolle bei der Industrialisierung Schüttorfs spielte die Textilindustrie. Dies liegt zum einen daran, dass die Herstellung von Textilien aus Leinen auf Handwebstühlen hier schon seit Jahrhunderten betrieben wurde und zum anderen daran, dass die bäuerlichen Kleinbetriebe auf diesen Zuverdienst angewiesen waren. Im 17. Jahrhundert waren viele Schüttorfer jedes Jahr in die reicheren Niederlande gegangen, um durch Torfstechen, Mähen oder den Verkauf von Waren ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Niederlanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts schwand diese Einkommensquelle aber. Einen Ausweg bot die Intensivierung der Heimweberei. Um 1850 beschäftigte die Familie Schlikker bereits 400 Handweber, einige Jahre später wurde das erste Fabrikgebäude errichtet. 1865 folgte eine Färberei der Familie Schümer. 1867 ging die erste mechanisch betriebene Baumwollweberei von Schlikker und Söhne in Betrieb, 1881 eine Baumwollspinnerei.

Erster Weltkrieg und Rückkehr zur Stadt

Der Erste Weltkrieg führte zu einem Stillstand der Textilindustrie, die sich inzwischen zum wichtigsten Wirtschaftszweig der Stadt entwickelt hatte, da keine Rohstoffe mehr geliefert wurden. Nur ein Betrieb konnte durch die Produktion von kriegswichtigen Uniformen der Schließung entgehen. Dies führte zu einer extrem hohen Arbeitslosigkeit. Die Gemeinde beschloss aus diesem Grund auf eigene Kosten die Urbarmachung der Schüttorf umgebenden Heide, um den Menschen so eine Perspektive zu geben. Dies führte allerdings zu einer starken Belastung der Stadtkasse. Durch die hohe Inflation war Schüttorf gezwungen, Notgeld und Brotmarken herauszugeben.

Nach dem Krieg beschloss die Gemeinde 1924, einen hauptamtlichen Bürgermeister zu bestellen, um so den ersten Schritt Richtung Rückkehr zu den Stadtrechten zu machen. Am 28. Februar 1924 wurde der Berliner Franz Scheurmann zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister von Schüttorf bestellt. Am 15. Juni 1924 erging der Beschluss, dass Schüttorf mit Wirkung vom 1. Juli zur städtischen Verfassung übertrete; ab diesem Tag unterhielt Schüttorf auch eine eigene Polizei. Am 1. Oktober 1924 gründete die Stadt eine Stadtsparkasse, um nach der Inflation den Sparwillen der Bürger zu fördern.

Zeit des Nationalsozialismus

Im Oktober 1942 wurde Bürgermeister Scheurmann wegen Differenzen mit dem örtlichen NSDAP-Führer Arnold Horstmeier und dem NSDAP-Kreisleiter Josef Ständer des Amtes enthoben. Zu seinem Nachfolger wurde NS-Ortsgruppenleiter Arnold Horstmeier ernannt, der über Scheurmann ein Rede- und Aufenthaltsverbot für Schüttorf verhängte.

In Schüttorf gab es vor der NS-Herrschaft drei jüdische Familien; zwei flohen und eine wurde verschleppt. Während der alliierten Bombenangriffe auf Deutschland wurde Schüttorf immer wieder von Bomben getroffen, die die alliierten Flieger bei der Bombardierung ihrer eigentlichen Ziele nicht aufgebraucht hatten und auf dem Rückflug abwarfen. Am 3. April 1945, nach der Einnahme von Bad Bentheim, vermuteten die Alliierten, dass sich in Schüttorf starke deutsche Kräfte verschanzt hätten und beschossen die Stadt massiv mit Artillerie, zusätzlich warfen Kampfflugzeuge Phosphorbrandbomben ab. Dadurch wurden 15 Häuser völlig zerstört, 25 Wohngebäude schwer und rund 600 leicht beschädigt. Die in Schüttorf stationierten deutschen Fallschirmjäger hatten sich allerdings bereits nach Lingen zurückgezogen und dabei sämtliche Vechtebrücken gesprengt sowie die Strom- und Fernsprechleitungen unbrauchbar gemacht. Am 4. April 1945 wurde das Rathaus von einer Fliegerbombe getroffen und brannte mitsamt dem Stadtarchiv aus. Einen Tag später wurde Schüttorf von britischen Truppen eingenommen. Insgesamt zählte Schüttorf im Zweiten Weltkrieg 222 Gefallene, acht Zivilpersonen starben bei Bombenabwürfen und Artilleriebeschuss und 114 Einwohner gelten als vermisst.

Die britische Militärregierung setzte noch im April 1945 Bernhard Verwold zum ehrenamtlichen Bürgermeister ein, bis die Bürger sich wieder selbst einen Bürgermeister wählen konnten. Diese wählten am 25. Januar 1946 wieder den späteren Ehrenbürger Franz Scheurmann zu ihrem Bürgermeister, dem 1960 das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde.[12]

Ein Gegner der Nazis war Friedrich Middendorff, der 1926 zum Pastor der evangelisch-reformierten Gemeinde in Schüttorf berufen wurde. Bereits vor der Machtergreifung hatte er sich im „Sonntagsblatt für evangelisch-reformierte Gemeinden“, das er seit 1919 leitete, öffentlich mit der NS-Ideologie auseinandergesetzt, aber auch durch sein Wirken im Christlich-Sozialen Volksdienst war er bekannt und wurde schnell zur Zielscheibe der Nazis. Es folgte die Überwachung durch die Gestapo und staatliche Repressalien. Der Höhepunkt der Auseinandersetzung wurde am 18. April 1937 erreicht, als mehrere hundert Schüttorfer den Pastor nach einer Verhaftung freisangen, indem sie sich vor dem Rathaus versammelten und bis zur Freilassung stundenlang Choräle sangen. Bekannt wurde sein Artikel Ein Weniges zur Judenfrage, der beschlagnahmt und verboten wurde. Trotz Massenprotesten musste er seine Gemeinde verlassen, da über ihn ein Aufenthaltsverbot in der Region verhängt wurde. Er floh 1937, seine Familie 1938 und kehrte erst nach dem Krieg 1946 nach Schüttorf zurück. Er hatte später viele Ämter inne und wurde von 1946 bis 1953 Kirchenpräsident der evangelisch-reformierten Kirche. Später war er Spitzenkandidat der DFU bei den Niedersachsenwahlen. Er verunglückte 1973 bei einem Verkehrsunfall tödlich. Nach ihm ist in Schüttorf der Friedrich-Middendorff-Platz benannt.[13]


Text: Wikipedia

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