Schifferhaus

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Schifferhaus

Das Schifferhaus in Bremen ist ein bekanntes Baudenkmal und erhielt seinen Namen von einem Besitzer, der sich mit der Schifffahrt besonders verbunden fühlte und um 1920 im Erdgeschoss ein Kolonialwarengeschäft eröffnete. Es befindet sich im Stadtteil Bremen-Mitte Stadtviertel Schnoor im Ortsteil Altstadt.

Das Haus steht seit 1973 unter Denkmalschutz. Am Tag des offenen Denkmals ist es in der Regel für die Öffentlichkeit zugänglich. Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Haus über längere Zeit als Privatmuseum betrieben. Es gehört zu den wenigen Häusern in Bremen, welches die Jahrhunderte und Kriege überstanden hat und sowohl innen als auch außen weitgehend im ursprünglichen Zustand erhalten wurde. Es war und ist Anziehungspunkt für zahlreiche, auch prominente Besucher (z.B. Hans-Dietrich Genscher).


Baugeschichte

Das Gebäude wurde im Jahre 1630 am südlichen Flussufer der Klosterbalge, einem mittelalterlich Nebenfluss der Weser, errichtet und 1750 erweitert. Aus jener Zeit sind im ältesten Stadtteil Bremens noch die Häuser Hinter der Balge 10 (um 1600), Marterburg 27 und 28 (1629) und Lange Wieren 13 (Gasthof zum Kaiser Friedrich, um 1630) sowie die Häuser Schnoor 31 bis 35 (um 1650) erhalten.

Bis zum heutigen Tag dient das ursprüngliche Fachwerk als tragendes Gerüst des Hauses. Es ist also mit Sicherheit davon auszugehen, dass einige Balken rund 400 Jahre alt sind. Im Unterschied zu einigen anderen Bauten im Schnoor sind die Zwischenräume des Fachwerks hier mit Steinen ausgemauert. Die Art der Bauweise lässt Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Stellung der Hauseigentümer zu: Fachwerkhäuser mit Lehm und Strohdach bildeten über Jahrhunderte die Mehrheit. Wer es sich leisten konnte, mauerte mit Steinen und verwendete Schindeln für das Dach.

Es ist anzunehmen, dass das erste Dach strohgedeckt war. Aus der baugeschichtlichen Dokumentation ist die Veränderung des Daches erkennbar. Etwa um 1925 wurde im zweiten Obergeschoss eine Gaube mit drei Fenstern zur Straßenseite hin gebaut. Hier befand sich im 20. Jahrhundert die Schlafstube. Das heutige Dach wurde um 1970 neu eingedeckt.

Ursprünglich hatte das Gebäude eine Grundfläche von rund 28 m² und bestand im Erdgeschoss nur aus einem Raum. Im Jahre 1750 wurde die Grundfläche durch einen rückwärtigen Anbau um etwa 10 m² erweitert und aufgestockt. Welche Teile des Hauses beim diesen Umbauarbeiten erhalten bzw. weiterverwendet wurden, lässt sich nicht mehr in allen Einzelheiten nachvollziehen. Das erste Obergeschoss wurde durch überkragende Balken zur Straße hin erweitert, so dass die gesamte Fläche in dieser Ebene größer ist als im Erdgeschoss. Dies war in der Vergangenheit bei vielen Fachwerkhäusern in Deutschland üblich.

Im Spitzboden sind noch Reste des alten Dachstuhls aus den Anfängen erhalten. In der Küche können einige Wandfliesen besichtigt werden, deren Alter auf etwa 200 Jahre geschätzt wird. In der Zeit um 1900 wurde die letzte Freifläche des insgesamt nur 58 m² großen Grundstücks überbaut, so dass seit dieser Zeit eine Wohn- und Nutzfläche von insgesamt rund 125 m² zur Verfügung steht.

Nach dem ersten Anschluss der Kanalisation, die im Jahre 1906 erfolgte, befanden sich die Toilette auf der Diele im ersten Stock und eine Waschgelegenheit im Erdgeschoss. An die Stelle der ehemaligen Balge wurde ein Rohr gelegt, um das Recht zu gewährleisten, das Regenwasser vom rückwärtigen Dach dieses Hauses wie auch der Nachbargebäude über einen städtischen Kanal abzuleiten. Dieses Recht ist bis auf den heutigen Tag im Grundbuch eingetragen.

Reste des unterirdischen Ganges im Erdgeschoss wurden vorübergehend als Lagerraum genutzt, wobei die Einfüllöffnung (zum Beispiel für Kohle oder Kartoffeln) an der Straße infolge der Neupflasterung des Stavendamms um 1950 geschlossen wurde und somit nicht mehr genutzt werden kann.

Im Bauzustand des 20. Jahrhundert war die Raumverteilung wie folgt:

Geschäftsräume im Erdgeschoss

Wohnbereich mit Küche, Diele und Stube im ersten Stock

Schlafzimmer und WC im zweiten Stock

Dachboden als weiterer Raum

Aufgrund des Denkmalschutzes sind weitere Ausbaumöglichkeiten beschränkt. Die Zimmerhöhe im zweiten Stock entspricht nicht mehr den heutigen Erfordernissen. Die Restaurierung, welche noch nicht abgeschlossen ist, zielt auf die weitgehende Wiederherstellung der ursprünglichen Nutzung. So wurde im Sommer des Jahres 2009 die ehemalige Waschküche, die sich im hinteren Teil des Erdgeschosses befand und zeitweise als Lager- oder Ausstellungsraum benutzt wurde, wieder als Küche hergerichtet.

Nach der Sanierung stellte sich Anfang des 21. Jahrhunderts die Raumverteilung wie folgt dar:

Geschäftsräume, WC und Küche im Erdgeschoss

Wohnbereich mit Schlafzimmer, Terrasse, Diele und Stube im ersten Stock

Dusche und WC sowie Lagerräume im zweiten Stock

Dachboden als weiterer Raum (Atelier für Künstler)

Obwohl das Haus über Jahrhunderte bewohnt war, gab es bis Ende 2005 kein Bad, keine Dusche, keine Zentralheizung, keinen Fernsprechanschluss und somit auch keinen Internetzugang. In allen drei Stockwerken befinden sich noch Anschlüsse für Öfen, die je nach den Bedürfnissen der Bewohner genutzt wurden. Die verschiedenen Energieträger wie Petroleum (Ende des 19. Jahrhunderts), Gas, Kohle und Brennholz kamen nacheinander zum Einsatz. Bis einschließlich Dezember 2006 wurde das Haus überwiegend mit einem einzigen Kohle- bzw. Holzofen von der Wohnstube aus beheizt; danach wurde eine erdgasbetriebene Zentralheizung mit den heute gebräuchlichen, wassergefüllten Heizkörpern eingebaut. Aus Gründen des Umweltschutzes und angesichts der engen Bebauung im Schnoorviertel wäre gegenwärtig der Betrieb von Einzelöfen nicht mehr zulässig. Wegen der Zahl der zu beheizenden Räume müssten insgesamt wenigstens fünf Feuerstellen (einschließlich Küche) betrieben werden. Diese herkömmliche Art der Heizung ist nicht zeitgemäß.


Geschäftshaus

Im 19. Jahrhundert wurde im Erdgeschoss eine Gastwirtschaft betrieben und in den oberen Stockwerken Übernachtungsmöglichkeiten angeboten. Von 1919 bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war im Haus ein Geschäft für Schiffsproviant, Kolonialwaren und Lebensmittel. Ab Dezember 2005 baute der neue Besitzer eine dreisprachige Internetpräsentation auf, die den Standort des Hauses erneut international bekannt machte und somit zur Tourismus-Werbung beitrug. Nach umfangreichen Renovierungsmaßnahmen und zwischenzeitlicher Nutzung als Spezialgeschäft für hochwertige Glas-Erzeugnisse wurden die Räume im Sommer 2006 für Besichtigungen wieder geöffnet. Von Dezember 2006 bis November 2010 hatte die in Gründung befindliche WeserStrom Genossenschaft Büro und Geschäftssitz in diesem Haus, um Kapitalgeber für das geplante Weserkraftwerk Bremen anzuwerben. Im Winter 2006/2007 fanden im Erdgeschoss Ausstellungen verschiedener Künstler statt, während in den oberen Stockwerken weitere Sanierungsmaßnahmen erfolgten. Von September 2007 bis Januar 2009 bot ein Kunst- und Antiquitätengeschäft in den unteren beiden Stockwerken Gegenstände aus dem Bremer und Worpsweder Raum an. Das bekannte Schiffsbild an der Frontseite wurde vorübergehend durch ein Firmenschild ersetzt. Um den Betrieb als Antiquariats- und Antiquitätengeschäft während der notwendigen Sanierungsarbeiten fortsetzen zu können, wurde ein Internetshop bei Ebay eingerichtet.

Mitte des Jahres 2010 wurde das Haus an eine Künstlergruppe vermietet, die bisher die Galerie Artemis, Schnoor 15, betrieben hatte. Diese Künstler verkauften seit August 2011 im Erdgeschoss Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und andere Kunstgegenstände. Unter dem Namen Künstlerhaus im Schnoor wurde von Juli bis Dezember 2012 von diesen Künstlern eine eigene Galerie betrieben. Im Rahmen dieser Galerie standen die Werke von Sabine Reichelt und Susanne Hayduck im Vordergrund. Im Januar 2013 wurde das Haus zwangsversteigert. Die Künstler, die das Haus bis dahin genutzt hatten, konnten sich mit dem neuen Eigentümer nicht einigen, so dass es nach wenigen Wochen zu einer Schließung kam.


Privatmuseum

In der Anfangszeit gab es wahrscheinlich eine offene Feuerstelle im Erdgeschoss; ein Nachbau dieser Feuerstelle entstand um 1960, als der Besitzer Theodor Dahle im Erdgeschoss mit zahlreichen Antiquitäten die Nachbildung einer historischen Gaststätte einrichtete. Diese Einrichtung wurde zusammen mit den Wohnräumen der oberen Stockwerke etwa ab 1975 als Privatmuseum gezeigt und blieb bis Ende 2005 weitgehend erhalten. Das bis dahin erhaltene Original-Inventar des Schifferhauses wurde eingelagert und für Forschungszwecke dokumentiert. Eine dreisprachige Internetpräsenz unter der Bezeichnung Museum im Schnoor soll die bisher auf sehr engem Raum dargestellte Wohn- und Nutzungsgeschichte für die Öffentlichkeit darstellen, wobei an die Ideen von Theodor Dahle angeknüpft wurde.

Bis Januar 2013 blieb das Haus für die Öffentlichkeit zugänglich. Meist fanden am Tag des offenen Denkmals, aber auch zu anderen Anlässen Besichtigungen und Führungen in deutsch und englisch statt.


Bewohner und Eigentümer des Hauses

Im Jahre 1878 kaufte der Gastwirt Heinrich Lohmann das Haus zum Preis von 7.950 Mark.

Von 1906 bis 1919 war das Haus im Eigentum einer Erbengemeinschaft, welche aus folgenden drei Personen bestand:

Marie Anna Lohmann, Witwe des Gastwirts Heinrich Lohmann

Sophie Lohmann, Schwester des Gastwirts Heinrich Lohmann

Luise Höcker, Schwägerin von Marie Anna Lohmann

Ab 1919 war Theodor Dahle Eigentümer und Bewohner des Hauses. Er bewohnte mit seiner Frau Johanne Dahle die oberen Räume und betrieb im Erdgeschoss ein Ladengeschäft. Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) blieb das Haus verschont. Somit gehörte Theodor Dahle zu den Bürgern, die Geld an den Lastenausgleichsfonds zahlten, um die von Kriegszerstörungen in Deutschland betroffenen Hauseigentümer zu entschädigen. Nach seinem Tode im Jahre 1968 wohnte seine Frau noch einige Jahre alleine in dem Haus.

2002/03 verkaufte Wolfgang Loose, seit 1971 Mitinhaber der Schnoor-Bäckerei, das Haus unter der Bedingung, das Inventar müsse unverändert erhalten bleiben. Diese Bedingung war ein privatrechtlicher Vertrag, der nur für den damaligen Käufer unmittelbar verbindlich war. Der weitere Betrieb als Privatmuseum hat sich in den Folgejahren – auch angesichts der geringen möglichen Ausstellungsflächen – als nicht finanzierbar erwiesen. Im Dezember 2005 erwarb der Umweltwissenschaftler Frank M. Rauch das Haus und entwickelte eine Internetpräsenz mit einem virtuellen Museum.

Nachdem das Haus fast 30 Jahre unbewohnt geblieben war, wurden die einzelnen Stockwerke des Hauses seit Herbst 2006 nach Untersuchung auf geschichtlich bedeutsame Spuren und Zeugnisse wieder für Wohnzwecke hergerichtet, ohne allerdings an der ursprünglichen Substanz und dem Charakter der Räume etwas wesentliches zu ändern. Dabei fanden mehrfach Begehungen und Untersuchungen durch die Denkmalpflege und die Landesarchäologie statt.


Denkmalschutz

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Dieser Schutz umfasst die Erhaltung der tragenden Bausubstanz sowie die Einbauten wie Treppen, Wandverkleidungen und Bodenbeläge. Auch das Inventar eines Hauses könnte unter Schutz gestellt werden, vorausgesetzt es wird dokumentiert. Bei privaten Sammlungen wie im Schifferhaus ist dies jedoch nicht gewährleistet. Inzwischen konnte festgestellt werden, dass Teile des Inventars im Schifferhaus auch in anderen Museen zu finden sind. So ließe sich das Alter feststellen; es ist aber nicht mehr nachzuvollziehen, welche Gegenstände schon länger Bestandteil des Inventars waren oder später als Antiquitäten von dem früheren Eigentümer Dahle in der Mitte des 20. Jahrhunderts erworben wurden.


Legenden um das Haus

Am Stavendamm gab es im Mittelalter die erste öffentliche Badestube (Stave ist Plattdeutsch für „Stube“), die wohl auch Gelegenheit zu anderen Formen von Vergnügungen bot. So wurde berichtet, dass der Bischof von Bremen durch einen unterirdischen Gang vom Dom bis zum Stavendamm heimlich die Badestube besuchte, wobei er einen Ausgang benutzte, der sich im heutigen Schifferhaus befand. Dieser Ausgang wurde vermutlich in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit Sand verfüllt, nachdem Teile des unterirdischen Ganges während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) als Lager genutzt worden waren, und mit Brettern abgedeckt.

Wandfarben zum Beispiel unter den alten Tapeten in den oberen Stockwerken lassen vermuten, dass einige Räume des Hauses auch für Bordellbetrieb genutzt wurden. Dies war angesichts der Lage der ehemaligen Gaststätte und Nutzung durch Schiffsleute nicht ungewöhnlich.

Eine neuere Legende ist um eine wertvolle Uhr entstanden, die sich um 1970 im Erdgeschoss des Hauses befand. Hierüber gibt es widersprüchliche Aussagen. So behauptet ein Versicherungsvertreter, es habe sich um eine Standuhr gehandelt. Der Wert der Uhr wurde von einem Besitzer des Hauses auf 10–20.000 Euro geschätzt. Der Nachfolger, der das Haus im Jahre 2002 kaufte, behauptete, die Uhr sei heruntergefallen und dadurch zerstört worden. In der Literatur ist auf Bildern nur eine Wanduhr zu erkennen – also keine Standuhr –, so dass ein Herabfallen wahrscheinlich ist. Es gab zu dem Kaufvertrag im Jahre 2002 Fotos, die als Nachweis des mitverkauften Inventars beigelegt worden sind, auf denen jedoch diese Uhr nicht zu erkennen ist.

Weiterhin verbreitet ist die Meinung, das Haus sei als öffentliches Museum betrieben worden. In Wahrheit hat es niemals feste Öffnungs- oder Besichtigungszeiten gegeben, sondern es handelte sich um ein Privatmuseum, dessen Besichtigung nur mit Voranmeldung möglich war. Die Anmeldung war in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in dem nahe gelegenen Schnoor-Archiv (zunächst in der Straße Schnoor 21/22, später Am Landherrnamt 3) erforderlich. Im November 2004 beklagte Georg Skalecki vom Landesamt für Denkmalpflege, das Haus sei nur am Tag des offenen Denkmals 2003 geöffnet gewesen. Eine finanzielle Förderung hat es von seiten staatlicher Stellen – außer bei der teilweise denkmalgerechten Restaurierung der Außenfassade und durch Steuervergünstigungen – nicht gegeben. In zahlreichen Veröffentlichungen und auf Ansichtskarten sind noch Imitationen – zum Teil aus Kunststoff – an der Gebäudefront zu erkennen, die aber alle aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen (Nachahmung von Ziegelmauerwerk im unteren Bereich, Gemäldekopie im mittleren Bereich).

Hermann Gutmann erzählt in seinem Buch, dass die früheren Besitzer des Hauses – die Eheleute Dahle – rund um die Uhr Proviant an die Binnenschiffer verkauften. Wenn der Kapitän spätabends mit dem Schiff anlegte und frühmorgens weiterfahren wollte, aber zwischendurch Proviant brauchte, konnte er während nachtschlafender Zeit an das Regenrohr des Hauses klopfen. Dann kam einer der beiden Dahles die Treppe herunter, um den Kunden zu bedienen.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Ralf Prokop

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