Schweinfurt

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Schweinfurt ist eine kreisfreie Stadt im Regierungsbezirk Unterfranken des Freistaats Bayern.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Schweinfurt.

Automobilhaus Paul Staiger

Eduard Lingel

Fichtel & Sachs

Friedrich Rückert

Fränkische Rohrwerke

Hans Elsässer

Kugelfabrik Fischer

L. Hirsch

Leonhard Tietz

Schuhfabrik Heimann

Seifenfabrik Gottlob Kraus

SKF


Sonstige

Geschichte

Die deutsche Mittellage Schweinfurts bestimmte die Geschichte und Kultur der Stadt. Die Region war nahezu von Anfang an fränkisch und frei von äußeren Einflüssen, wie wenig andere Gebiete. Die Region stand nie unter römischer, napoleonischer oder preußischer Herrschaft, war nie slawisch besiedelt und ist vom Wesen her nicht bayerisch. Schweinfurt lag an der Mainlinie und später unweit des Eisernen Vorhangs. „Schweinfurt gerät immer wieder zwischen die Fronten der großen Politik.“[13] Die protestantische Stadt war ein Zentrum des Humanismus und der Aufklärung, in der im 17. Jahrhundert die Leopoldina gegründet wurde und stand im scharfen Kontrast der umgebenden Hochstifte Würzburg und Bamberg, mit Hexenverbrennungen bis ins 18. Jahrhundert.[44] Überregionale politische Bedeutung besaß Schweinfurt lediglich vor 1000 Jahren. Überregionale wirtschaftliche Bedeutung besitzt die Stadt seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Wirtschaftliche Krisen wie Aufschwünge traten hier früher und stärker auf als anderswo in Deutschland – die Stadt wurde zum Frühindikator.

Urgeschichte

Die Urgeschichte auf dem Gebiet des historischen Schweinfurts ist noch relativ wenig erforscht. Sie wurde immer weiter zurück datiert, da es in neuerer Zeit unerwartete Funde aus früheren Epochen gab.[45]

Während der jüngsten Vereisungsphase, der Würm-Eiszeit, die um 10.000 v. Chr. endete, lag das Gebiet Schweinfurts in der Mitte des eisfreien, ca. 250 km breiten Korridors, zwischen dem alpinen und dem skandinavischen Eisschild. Latènezeit

Erste historische Zeugnisse befinden sich im Vorort Dittelbrunn, wo ein mittelsteinzeitlicher Fund (um 10.000 v. Chr.) belegt ist. Innerhalb des heutigen Stadtgebietes lassen sich Siedlungsspuren seit 7500 Jahren (Beginn der Jungsteinzeit) nahezu lückenlos nachweisen: von der Bandkeramischen Kultur[46] (5500 bis 5000 v. Chr.) mit zwei Langhäusern an der an Dittelbrunn grenzenden Eselshöhe,[47] über die Stichbandkeramik[46] (4900 bis 4500 v. Chr.), weiteren Epochen der Jungsteinzeit (bis 2200 v. Chr.),[46] der Urnenfelderzeit[46] (1300 bis 800 v. Chr.), der Hallstattzeit[46] (800 bis 450 v. Chr.) am Fischerrain,[48] bis zur Latènezeit[46] (450 v. Chr. bis zum Jahr 0) ebenfalls am Fischerrain.[48]

Eine Besiedlung durch Kelten um 500 v. Chr. und Germanen[49] ist am Biegenbach, zwischen dem Bergl und Geldersheim, nachgewiesen.[49] Während der Drusus-Feldzüge stießen die Römer im Jahre 10 v. Chr. bis zum Schweinfurter Mainknie vor, ließen sich aber dort nicht nieder.

Die erste namentlich bekannte Siedlung auf Schweinfurter Stadtgebiet ist die Wüstung Affeltrach am Ufer der Wern, am Nordrand von Bellevue. Der Name leitet sich wohl vom althochdeutschen Wort für Apfelbaum, aphaltar, her.[50] Wahrscheinlich wurde das Dorf bereits in vorchristlicher Zeit von Germanen gegründet.[51]

Auf dem Gebiet der ersten Siedlung Schweinfurts, des sogenannten Dorfs Altstadt, stieß man auf vorgeschichtliche Funde eines etwa 7000 Jahre alten Langhauses der Bandkeramik[45] sowie auf eine Fischersiedlung der Eisenzeit aus dem 5. bis 2. Jahrhundert v. Chr.[52][53] Diese lag 1,3 Kilometer mainaufwärts (östlich) der einstigen Fischersiedlung am Fischerrain.

Frühmittelalter

Die Franken besiegten die Thüringer 531 und überlagerten daraufhin die erste Schweinfurter Siedlung. Damit war die Christianisierung verbunden, die in Franken Ende des 7. Jahrhunderts einsetzte (Kilianskirche).

Für die Zeit um 750 ist die Existenz Schweinfurts urkundlich nachgewiesen. 791 wurde Schweinfurt (Dorf Altstadt) erstmals im Codex Edelini des Klosters Weißenburg als Suuinfurtero marcu urkundlich erwähnt, in dem Besitzungen des Klosters vier Jahrzehnte zuvor erwähnt worden waren.[13][54] Im ersten Jahrtausend gab es auf heutigem Stadtgebiet noch zwei weitere erste urkundliche Erwähnungen von Affeltrach und Hilpersdorf, beide im Jahre 951.

Die Markgrafen von Schweinfurt errichteten im 10. Jahrhundert ihre Stammburg auf der Peterstirn, unweit östlich des Dorfs Altstadt.[55] Bedeutung erlangte Schweinfurt bereits im Jahre 941,[56] mit der Nennung Bertholds als erstes Glied der Markgrafen.[57] Er nahm eine wichtige Position im zentralen Reichsgebiet ein, dem Herzogtum Franken. Berthold gab König Otto I. (regierte 936–973) gegen aufständische Stammesherzöge wertvolle Waffenhilfe. Als Dank erhielt Berthold von Otto die Grafschaften des Folkfeld- und des Radenzgaus sowie die Markgrafschaft des Nordgaus, etwa die heutige Oberpfalz.[58] Dadurch waren er und ab 980 sein Sohn Heinrich von Schweinfurt (genannt: „Hezilo“) die mächtigsten weltlichen Adeligen im heutigen Nordbayern,[59] mit einer Kette von Burgen bis in den Bayerischen Wald. Hezilo unterstützte Heinrich II. (regierte 1002–1024) bei der Königswahl 1002 und bekam dafür die Herzogswürde von Baiern zugesagt. Nach der Wahl löste Heinrich II. das Versprechen nicht ein. Darauf kam es 1003 zur Schweinfurter Fehde. Hezilo verlor mit Ausnahme des Burgbergs Peterstirn[13] seinen gesamten Besitz. Die entzogenen Königsgüter bildeten den Kern des neuen Bistums Bamberg und größter Nutznießer in der Region wurde das Hochstift Würzburg. Hezilos Sohn Otto von Schweinfurt (* um 995; † 1057) wurde 1048 von König Heinrich III. nach dem Tod des Herzogs Ottos II. von Schwaben zu dessen Nachfolger ernannt.

Das Schweinfurter Adelsgeschlecht, mit Judith von Schweinfurt als sagenumwobener und bis heute in der Stadt populärer Figur, starb nach Otto im Mannesstamm aus. Ottos Tochter Gräfin Alberada stiftete zusammen mit ihrem Gatten die Klöster Heidenfeld und Banz.

Hochmittelalter

Das wohl als Sühnestiftung wegen der Erhebung Hezilos gegen Heinrich II. von Hezilos Mutter Eila 1003 gegründete Nonnenkloster (später Benediktinerkloster) verwahrloste und gelangte 1112 mit dem Dorf Altstadt als Erbe in den Besitz des Hochstifts Eichstätt.[55] Schweinfurt erlebte nun den Katholizismus in Reinkultur.

Die heutige Altstadt rund um den Marktplatz entstand im 12. Jahrhundert,[57] in der Zeit der Staufer,[52] wovon St. Johannis als ältestes, erhaltenes Gebäude der Stadt zeugt. Sie wurde einen halben Kilometer westwärts des Dorfs Altstadt, jenseits des Marienbachs und unmittelbar östlich des zunächst weiterhin eigenständigen Fischerrains errichtet. Hierzu gibt es zwei Ansichten, die einer allmählichen Verlagerung des Dorfs oder die einer Gründungsstadt in Konkurrenz zur eichstättischen Siedlung durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa (regierte 1152–1190) als Civitas Imperii (Reichsstadt), unter Verwendung von vorhandenem Krongut.[55] Der fehlende Nachweis einer Stadtrechtsverleihung,[55] der klassische, mittelalterliche Stadtgrundriss mit Straßenkreuz und eine Stadtplanung nach den Prinzipien der Staufer sprechen eindeutig für eine Gründungsstadt (siehe: Altstadt (Schweinfurt), Stadtgründung und Planung).

An der neu gegründeten Stadt liefen wichtige Handelsstraßen zusammen, vom Untermain und Obermain, aus Nürnberg und Erfurt.[55] Als erstes Stadtviertel entstand der Zürch. Bis 1524 waren alle Bewohner des Dorfs Altstadt übergesiedelt, das danach verfiel.[60]

Spätmittelalter

Im Kampf um die Vorherrschaft Mainfrankens zwischen den Hennebergern und dem Bischof von Würzburg wurde die Stadt zwischen 1240 und 1250 zerstört („Erstes Stadtverderben“). In einem Brief König Wilhelms vom 9. Januar 1254[13] heißt es, Schweinfurt sei früher Reichsstadt gewesen („...Swinforde, que olim imperii civitas fuerat“). Es bleibt unklar, ob jemals der Stadt Rechte entzogen wurden oder ob nur auf die Zerstörung Bezug genommen wird. Jedoch ist dieser Brief der erste urkundliche Nachweis von Schweinfurt als Reichsstadt und somit auch als Ort mit Stadtrecht.[13]

Die Reichsstadt Schweinfurt errichtete die erstmals 1258 urkundlich erwähnte und teilweise noch erhaltene Stadtbefestigung.[61] 1282 wurde Schweinfurt von Rudolf von Habsburg (regierte 1273–1291) als Reichsstadt bestätigt.[60]

Durch Verpfändung kam 1309 Schweinfurt an die Henneberger, die von 1310 bis 1427 eine Reichsburg im Zürch unterhielten, deren Burgkapelle (Chor von St. Salvator) noch teilweise erhalten ist.

1436 wurde Oberndorf erworben.[55] 1437 konnten aufgrund guter wirtschaftlicher Entwicklung zudem die Besitzungen des Deutschen Ordens mit dem Dorf Altstadt, der Burg Peterstirn und den Dörfern Zell und Weipoltshausen mit allen vogteilichen Rechten erworben werden. Die Bürger dieser Orte erhielten kein Bürgerrecht, sondern waren Beisassen.[55] Nach 1437 begann die inzwischen notwendig gewordene Stadterweiterung.[62]

Frühe Neuzeit

Der Reformation schloss sich die Stadt relativ spät, 1542, an,[63][64] da sie vom Hochstift Würzburg umgeben war und mit militärischen Übergriffen gerechnet werden musste, wofür ihr Schutzherr Wilhelm von Henneberg nicht genügend Rückhalt bot.

Im Zweiten Markgrafenkrieg wurde Schweinfurt 1554 geplündert und in Brand gesetzt. Dies ging als „Zweites Stadtverderben“ in die Stadtgeschichte ein. Der Wiederaufbau zog sich bis 1615 hin,[65] in dieser Form blieb die Altstadt bis ins frühe 19. Jahrhundert fast unverändert.[66]

1609 trat die Stadt der Protestantischen Union bei.[63] Nach dem Erwerb der Exklave Madenhausen im Jahre 1620 umfasste das Territorium der Reichsstadt 53 km²[55] (zum Vergleich: heutiges Stadtgebiet 36 km²), das von Südwesten nach Nordosten eine Ausdehnung von 17 Kilometern hatte.[67] Schweinfurt war Sitz des 1806 aufgelösten Ritterkantons Rhön-Werra und von mehreren protestantischen Reichsdörfern und Reichsritterschaften umgeben.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) öffnete die Reichsstadt im Oktober 1631 dem schwedischen König Gustav II. Adolf (regierend 1611–1632) ihre Tore.[68] Die schwedische Zwischenregierung endete 1634, danach wurde Schweinfurt für über 12 Jahre von kaiserlichen Truppen besetzt.[69] Im April 1647 eroberten schwedische Truppen unter einigen Schäden die Stadt,[70] die ansonsten den Dreißigjährigen Krieg schadlos überstand. Der schwedische Generalfeldmarschall Carl Gustaf Wrangel hatte hier für einige Zeit sein Hauptquartier und baute die Stadtmauer in eine moderne Befestigungsanlage mit vorgelagerten Schanzen aus (zweite untere Abbildung von links). Die beiden bekanntesten Abbildungen der Reichsstadt (erste und zweite untere Abbildung von links) stammen aus der Zeit unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg.

Gescheiterte Universitätsgründung

Auf Weisung von Gustav Adolf II. wurde 1632 in Schweinfurt das Gymnasium Gustavianum, das heutige Celtis-Gymnasium, gegründet.[71] Zudem wollte er in der Stadt, als protestantischen Gegenpol zur Universität Würzburg, eine vom katholischen Dogmatismus befreite, allein der Wissenschaft verpflichtete Universität gründen. Er nahm deshalb im Dreißigjährigen Krieg dem Hochstift Würzburg Geldersheim und 17 weitere Ortschaften weg und schenkte sie Anfang 1632 der Reichsstadt zur Finanzierung der Eliteschule. Das Vorhaben wurde durch seinen Tod Ende 1632 in der Schlacht bei Lützen und schließlich durch das Ende der örtlichen schwedischen Herrschaft 1634 vereitelt, als die 18 Orte wieder dem Hochstift zurückgegeben werden mussten. An den Gönner der Reichsstadt erinnert die Gustav-Adolf-Gedächtniskirche.

Geistiges Leben

Die Lateinschule (Altes Gymnasium) wurde im 13. Jahrhundert gegründet, aus der berühmte Humanisten hervorgingen: Konrad Celtis (1459–1508), 1493 zum ersten deutschen poeta laureatus gekrönt, Johannes Cuspinian (1473–1529), 1500 Rektor der Universität Wien und Johannes Sinapius (1502–1560), 1534 Professor der Medizin an der Universität Ferrara. Olympia Fulvia Morata (1526–1555) aus Ferrara scharte in Schweinfurt einen Kreis humanistisch gebildeter Freunde um sich. Sie wurde als neue Sappho gepriesen und 1555 an die Universität Heidelberg berufen.[55]

1652 wurde in Schweinfurt die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gegründet, die 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften erhoben wurde (siehe: Gründungsort der Leopoldina).

Beginn der Industrialisierung

1000 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung Schweinfurts im Jahre 791 begann die Industrialisierung der Stadt.

1703 wurde die Gerberei Wilhelm Bach gegründet. Aus ihr entwickelte sich die 1791 von Christian Friedrich Bach gegründete Lederfabrik Wilhelm Bach.[72][73] Die chemische- und Farbenindustrie machte 1770 den Anfang der umfassenderen Industrialisierung, mit der Errichtung der Wolf'schen Bleiweißmühle, die 1780 zur Bleiweißfabrik ausgebaut wurde.[74] Danach entstanden fabrikähnliche Anlagen an der Bellevue und im benachbarten Niederwerrn.[75][74]

Im Gebiet um das Mariental und dem benachbarten Stadtbahnhof entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts, bereits vor dem Eisenbahnbau, das erste Industriegebiet Schweinfurts.

Königreich Bayern

Durch den Reichsdeputationshauptschluss kam Schweinfurt 1802 zu Bayern.[76] 4000 Menschen demonstrierten am Roßmarkt vergeblich gegen den Anschluss.[77] Nach der zwischenzeitlichen Zugehörigkeit zum Großherzogtum Würzburg (1810–1814) fiel Schweinfurt 1814 an das neu gegründete Königreich Bayern. Die zum reichsstädtischen Territorium gehörenden Dörfer wurden ausgegliedert. Dadurch verlor Schweinfurt über die Hälfte seines Gebietes. Im Deutschen Krieg besiegten am 10. Juli 1866 in der Schlacht bei Kissingen preußische Truppen die Bayern, die nach Schweinfurt flüchteten. Die Preußen folgten ihnen bis nahe der Stadt, erhielten aber dort den Befehl, gegen Frankfurt am Main zu marschieren.[78] Schweinfurt stand zu keiner Zeit unter dem Einfluss Preußens.

1852 erfolgte mit der Eröffnung der Ludwigs-Westbahn von Bamberg zum Stadtbahnhof der Anschluss an das Eisenbahnnetz.[79] 1874 wurde 2,5 Kilometer weiter westlich der Hauptbahnhof im damals noch selbständigen Oberndorf als Centralbahnhof in sechseinhalb Monaten errichtet. Mit der Neutorvorstadt (1868) und der Ludwigsvorstadt (1891) wurden neue Gründerzeit-Vorstädte geplant und aufgebaut. Die Schweinfurter Straßenbahn verband als Pferdebahn und erste kommunale Straßenbahn Bayerns von 1895 bis 1921 den Hauptbahnhof mit dem Stadtzentrum.

Um die Jahrhundertwende begann der Aufschwung der örtlichen metallverarbeitenden Industrie. Die 1903 von Ernst Sachs entwickelte Torpedo-Freilaufnabe revolutionierte das Fahrradfahren und ein großes Werk entstand am Schillerplatz.

Weimarer Republik

Bei der Ermordung des ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner entging dessen Mitarbeiter Benno Merkle und spätere Schweinfurter Oberbürgermeister (MSPD, 1920–1933) knapp den Schüssen. Nach Ausrufung der Münchner Räterepublik 1919 durch den „Arbeiter- und Soldaten-Rat“ (ASR) wurde der Schweinfurter Gewerkschafter Fritz Soldmann „Volksbeauftragter des Inneren“ und forderte per Telegramm die Stadt auf, sich der Räterepublik anzuschließen. Auf der Maininsel Bleichrasen waren tausende Menschen bei der Ausrufung dabei. In der Stadt kam es zu bürgerkriegsähnlichen Kämpfen mit einigen Toten. Die ASR nahm nachts einen Panzerzug unter Feuer und beschoss vom Oberndorfer Wasserturm den Hauptbahnhof. „Die Arbeiterhochburg am Main war einige Tage lang sowjetisch.“[80]

1929 wurde die deutsche Wälzlagerindustrie in einem Kartell unter Führung der schwedischen SKF sowie von Ernst Sachs (Fichtel & Sachs AG) und Georg Schäfer (Kugelfischer) neu geordnet, was sich für den Standort Schweinfurt als Weichenstellung erwies. Sachs verkaufte seine Wälzlagersparte (Werk 1 am Schillerplatz) an die SKF, die bereits seit 1925 eine aggressive Expansionsstrategie verfolgte. SKF erwarb zudem die Schweinfurter Fries & Höpflinger AG, die mit der erweiterten SKF zu den Vereinigten Kugellagerfabriken (VKF, ab 1953 SKF) verschmolzen wurde. VKF beherrschte 80 % des deutschen Marktes. Einziger verbliebener deutscher Konkurrent war Kugelfischer. Die deutsche Wälzlagerindustrie wurde nun komplett von Schweinfurt aus gesteuert.

Anfang der 1930er-Jahre war Adolf Hitler in der von der SPD dominierten Arbeiterstadt nicht sehr beliebt. Zu seinem zweiten Besuch in der Stadt 1932 kamen nur etwa 9000 Menschen, während ihn zuvor in Coburg über 70.000 gehört hatten. Hitler soll in Schweinfurt äußerst ungehalten gewesen sein, auch da ihn bei der Einfahrt viele „Pfui“-Rufe begleitet hatten.[81]

Nationalsozialismus

Auf die wirtschaftliche Depression folgte ab 1934 ein von Arbeitsbeschaffungsprogrammen und Kriegsrüstung getragener Wirtschaftsaufschwung. Die Mitarbeiterzahl der metallverarbeitenden Großfirmen stieg bis 1939 auf 20.700 an. Weitläufige, moderne Industrie- und Wohnanlagen, das Willy-Sachs-Stadion und Kasernen entstanden.

Der Zweite Weltkrieg brach mitten im Bauboom aus. Teile der Produktion wurden in andere Orte verlegt. Die kriegswichtige Wälzlagerindustrie war eine Schlüsselindustrie für den Panzer- und Flugzeugbau. Laut Albert Speer wäre bei Ausfall der Schweinfurter Industrie der Krieg in zwei Monaten zu Ende gewesen,[82] weshalb die Stadt die beste Luftverteidigung Deutschlands besaß. In 22 Luftangriffen[83] wurde die Stadt zu 40 % und das Industriegebiet zu 80 % zerstört, was als „Drittes Stadtverderben“ in die Geschichte einging. Jedoch wurde kein Feuersturm entfacht, im Gegensatz zur Nachbarstadt Würzburg, die bei einem Angriff zu 80 % zerstört wurde.

Beim ersten Angriff auf Schweinfurt, am 17. August 1943, wagten sich die United States Army Air Forces im Rahmen der Operation Double Strike in eine von den Britischen Inseln weit entfernte Zone und erlitten bereits große Verluste[84] (siehe auch: Videos). Der zweite Großangriff am 14. Oktober 1943 führte sie in die größte Luftniederlage ihrer Geschichte (Black Thursday). Unter den Bomberbesatzungen gab es 600 Todesopfer,[85] etwa halb so viele, wie unter der deutschen Zivilbevölkerung in allen Luftangriffen zusammen. Die Luftangriffe der Amerikaner auf deutsche Städte wurden daraufhin zwei Monate unterbrochen.[86] Die Alliierten Bomberbesatzungen fürchteten fortan Angriffe auf Schweinfurt.

Die Schweinfurter Widerstandsgruppe Gelbe Birke, die den bewaffneten Widerstand ablehnte, versorgte und rettete Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und gefährdete Bürger.[87]

Am 11. April 1945 marschierten die Amerikaner in die Stadt ein und Oberbürgermeister Ludwig Pösl organisierte, im Gegensatz zu vielen anderen NS-Funktionären, keinen Widerstand, sondern übergab die Stadtverwaltung persönlich an die US-Armee.[88] Zwei Kasernen wurden sofort besetzt und schließlich die US-Heeresgarnison Schweinfurt gegründet.

Bundesrepublik Deutschland

Im Kalten Krieg hatte der Schweinfurter US-Standort die höchste Konzentration von US-Kampf-Einheiten in der Bundesrepublik Deutschland.[89]

Unter Oberbürgermeister Georg Wichtermann (SPD, 1956–1974) regierte die SPD mit absoluter Mehrheit. Die Großindustrie boomte, ab 1960 wurden Gastarbeiter angeworben. Es entstanden neue Wohnstadtteile und dank hoher Gewerbesteuereinnahmen eine großzügige Infrastruktur. Mit dem „Sprung über den Main“ 1963[90] wurden der neue Hafen und große neue Industrie- und Gewerbegebiete entwickelt. 1971 wurde die heutige Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt eröffnet.

Die Zeit des Oberbürgermeisters Kurt Petzold (SPD, 1974–1992) stand unter den Zeichen von Konsolidierung, Ölkrise und Rezessionen, mit Stellenabbau in der Großindustrie. Man suchte neue Märkte, SKF entwickelte und fertigte beispielsweise auch Skateboards (Calypso 1977) und Inlineskates (Speedy 1978).[91] Mit Hilfe des neuen Städtebauförderungsprogramms begann 1979 die Altstadtsanierung nach dem dafür entwickelten „Schweinfurter Modell“. 1981 wurde das Leopoldina-Krankenhaus und 1990 das Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt eröffnet.[92]

Mit Gudrun Grieser (CSU, 1992–2010) gelang es der CSU erstmals, den Oberbürgermeister zu stellen. 1992 wurde Schweinfurt infolge der Globalisierung deutsche Krisenregion, mit großem Stellenabbau in der Großindustrie. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze sank auf 42.000 und die Arbeitslosenquote stieg auf 19,8 Prozent. Jedoch begleitete der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) den Machtwechsel wohlwollend und Teile des Bayerischen Landessozialgerichts und des Bayerischen Landesamtes für Statistik wurden von München nach Schweinfurt verlegt. Durch den Strukturwandel, mit Tausenden neuen Arbeitsplätzen in der Industrie und insbesondere im Dienstleistungsbereich, stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze relativ schnell wieder auf den ehemaligen Wert von 54.000 an. Unter Grieser wurden viele, z. T. in der Architekturwelt beachtete Projekte verwirklicht. Hervorzuheben sind der neue Industrie- und Gewerbepark Maintal (ab 1995), das Museum Georg Schäfer (2000), das Konferenzzentrum Maininsel (2004), die Stadtbücherei im Ebracher Hof (2007) sowie der Stadtumbau West (2009) mit der Stadtgalerie Schweinfurt und der Kunsthalle Schweinfurt (Bilder siehe auch Collage am Artikel-Anfang).

Unter Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU, ab 2010) verlor die CSU bei der Stadtratswahl 2020 wieder ihre langjährige Dominanz und regiert seitdem in einer Koalition mit den Grünen. Im Rahmen der US-Konversion, die zu den fünf größten Konversionsprojekten Deutschlands zählt, entstehen derzeit die Stadtteile Bellevue und Carus-Park. Im letzteren wird derzeit der i-Campus Schweinfurt aufgebaut und eine bis heute umstrittene Landesgartenschau (Stadtrat, Bürgerbegehren, Ratsbegehren) für das Jahr 2026 geplant.


Text: Wikipedia

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