St. Martin (Biberach)

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St. Martin (Biberach)

Die Kirche St. Martinus und Maria, meist nur „St. Martin“ genannt, ist die Stadtpfarrkirche der Kreisstadt Biberach an der Riß in Baden-Württemberg. Es handelt sich um eine Simultankirche, die von der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde genutzt wird. Eigentümerin der Kirche ist die Stiftung Gemeinschaftliche Kirchenpflege Biberach, einer im Konstrukt weltweit einzigartigen Stiftung öffentlichen Rechts. Die Kirche befindet sich in zentraler Lage inmitten der Biberacher Altstadt und ist die älteste und zugleich die größte Kirche Biberachs.


Mittelalter

Aufgrund des St.-Martin-Patroziniums wird darauf geschlossen, dass es hier schon im 7. Jahrhundert eine Kirche oder Kapelle gegeben haben muss. Der Standort der Vorgängerbauten ist nicht geklärt, archäologische Grabungen zur Erforschung stehen noch aus.

Um 1100 wurde dann eine romanische Kirche errichtet und zwischen 1320 und 1370 durch eine gotische, dreischiffige Basilika ersetzt. Die an den Chor angrenzenden Kapellen und dessen Einwölbung stammen aus dem 15. Jahrhundert. Nach vorgenommenen Stilvergleichen steht fest, dass in der Zeit zwischen 1320 und 1330 mit dem Bau des Chores begonnen wurde. Das Dachgebälk über dem Chor wurde um 1337/1338 gezimmert, das über dem Schiff um 1365/66. Es entstand eine gotische Basilika mit drei Schiffen. Die Achteckpfeiler ruhen auf spitzbogigen Scheidbögen. Der Dreiachtelchor ist eingezogen, der Westturm ist mit einem Dachhelm mit vier Giebeln bekrönt. Der Bau war in seiner Schlichtheit zu Anfang den nüchternen Sakralbauten der Bettelorden verpflichtet. Wohl in den vierziger Jahren übernahm wahrscheinlich der Baumeister Heinrich Kädeli die Bauleitung. Es wurde der Fassadenturm angefügt. Im 15. Jahrhundert wurden an den Chor eine Sakristei und zwei Nebenkapellen angebaut. Die Patriziern Eberhard II von Brandenburg und Martin Weißhaupt stifteten eine Gesellschaftskapelle, die 1449 an der Nordseite angefügt und geweiht wurde. Der städtische Werkmeister Hans Hartmann wölbte von 1475 bis 1476 den Altarraum mit einer halbrunden Tonne mit steilen Stichkappen ein. Auf den vier Schlusssteinen sind auch die beiden Kirchenheiligen zu sehen. Der Biber-Schlussstein wird im Museum ausgestellt.


Reformation

Die Reformation in Biberach gipfelte in einem Bildersturm, bei dem am 29. Juni 1531 unter anderem der Hochaltar der Kirche mit Tafeln von Martin Schongauer zerstört wurde. Die römisch-katholische Messe wurde verboten, durch das Augsburger Interim von 1548 aber wieder zugelassen. Gesellschaftlich stand in der Stadt Biberach zu dieser Zeit eine überwiegend protestantische Bevölkerungsmehrheit von etwa 90 % einer römisch-katholisch verbliebenen Adelsschicht von etwa 10 % gegenüber. So nutzten Protestanten und Katholiken die Kirche seit dem 13. August 1548 gemeinsam. Das galt vor allem für das Kirchenschiff, der Chor blieb rein römisch-katholisch. Dieser Zustand wurde durch den Westfälischen Frieden, der sich auf das Normaljahr 1624 bezog, festgeschrieben und besteht noch heute. 1584 wurde die Kirche nach einem Brand, verursacht durch einen Blitzschlag, schwer beschädigt; dabei verbrannten die Orgel und die Uhr. Der Werkmeister Hans Fischer beseitigte zusammen mit dem Maurer Hans Kuzberger innerhalb eines Jahres die Schäden. Hans Baumhauer malte eine Brandtafel, nach der das Westwerk in etwa sein heutiges Aussehen erhielt.


Neuzeit - Ausgestaltung

Ein Blitzschlag verursachte 1775 Schäden am Dach des Turmes und an der Orgel. Hierbei wurden auch die Chororgel und der Stuckzierrat beschädigt. Der Orgelbauer Joseph Höß aus Ochsenhausen baute dann neue Pfeifenwerke. 1746 wurde die gotische Kirche im Innern weitgehend barockisiert, erhielt Rundbogenfenster und Johannes Zick malte das Deckenfresko im Mittelschiff. Es zeigt die Geschichte Jesu von Nazaret von der Geburt bis zur Himmelfahrt. Ein Jahr später wurden die Seitenschiffe ausgestaltet. Die eindrucksvollen Deckengemälde im Stil des Rokoko haben im (bikonfessionell genutzten) Kirchenschiff Themen, die für beide Konfessionen tragbar waren, im Chor dagegen – ausschließlich von den Katholiken genutzt - herrscht ein römisch-katholisches Bildprogramm, das etwa eine Allegorie der Kirche zeigt, gekrönt von der päpstlichen Tiara. Unter der Leitung des Stadtbaumeisters Richard Preiser wurde von 1880 bis 1881 eine neue Empore aufgestellt und eine neue Orgel angeschafft. Mit Unterstützung beider Konfessionen wurden die Altäre, das Tafelgemälde, die Heiligenfiguren, die Deckenfresken, der Ölberg, die Beichtstühle, das Chorgestühl, die Windfänge, die Türen, die Fenster, die Wendeltreppe, die Bänke und die Fußböden umfassend renoviert. Eine zweite evangelische Sakristei wurde bei der Renovierung von 1963 bis 1967 in den sogenannten Nonnenschopf gebaut. Es wurden neue Fenster eingebaut und die Orgelempore erweitert. Die Deckengemälde waren verwittert und mussten verfestigt und restauriert werden. In dieser Zeit wurden auch alle Stuckarbeiten und die Wandgemälde renoviert; der Ambo und der Volksaltar wurden aufgestellt. Der Außenbau wurde von 1985 bis 1986 nach Befund gestaltet.


Simultaneum

Die Stadtpfarrkirche St. Martin in Biberach - auch Simultaneum genannt - wurde etwa in den Jahren 1320–1370 erbaut. Sie wurde bereits damals als eigenständige reichsstädtische Pfarrkirche errichtet und von der Kirchenpflege, später Gemeinschaftliche Kirchenpflege, als einer Stiftung zum Erhalt der Kirche unterhalten. Die Gemeinschaftliche Kirchenpflege unterstand in Zeiten der Freien Reichsstadt dem Magistrat, einem Verwaltungsrat der freien Reichsstadt Biberach, der innerhalb seines Territoriums für die Ausübung des religiösen Lebens mit verantwortlich war. Die Verantwortung des Magistrats blieb bis zum Verlust der Reichsfreiheit bestehen. In verschiedenen Verträgen, die die Rechtsform der Kirchenpflege und Kirchengemeinden in der jeweiligen Zeit regelten, wurde das Eigentumsrecht der Gemeinschaftlichen Kirchenpflege an der Stadtpfarrkirche St. Martin mit dem dazugehörigen Kirchplatz und ihre Eigenschaft als Rechtsperson nie in Frage gestellt. Eigentümerin der Stadtpfarrkirche ist nach dem Grundbuch die Gemeinschaftliche Kirchenpflege Biberach. In Zeiten der Reformation wurde für die Kirche St. Martin das so genannte Simultaneum eingerichtet, wonach für das Kirchengebäude eine gleiche paritätische Nutzung und bauliche Verantwortung der Kirchengemeinden beider Konfessionen besteht und in der die evangelischen wie auch die katholischen Gläubigen Gottesdienste und Messen feierten und bis heute feiern. Mit den württembergischen Landesgesetzen 1887 und 1889 wurde der Gemeinschaftlichen Kirchenpflege der Status einer rechtsfähigen Stiftung bestätigt. Bei der Gemeinschaftlichen Kirchenpflege handelt es sich um eine rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts. Sie hat die besondere Form der gemeinschaftlichen Stiftung (§ 31 Württembergisches Gesetz betreffend die Vertretung der evangelischen Kirchengemeinden und die Verwaltung ihrer Vermögensangelegenheiten vom 18. Juni 1887). Auch mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum 1. Januar 1900 hat Biberach am Sumultaneum und deren Verwaltung durch die bürgerliche Gemeinde festgehalten. Im Rahmen der Vermögensausscheidungs- und Abfindungsurkunde 1906 wurde dies ausdrücklich festgehalten. Diese besondere Form ist auch durch spätere gesetzliche Regelungen, insbesondere zur Gemeindeordnung, nicht wirksam aufgehoben worden. Im Geiste dieser Jahrhunderte alten Tradition und zum Erhalt und zur Fortführung des Zweckes dieser gemeinschaftlichen Stiftung wurde durch den Gemeinderat in Stiftungssachen Gemeinschaftliche Kirchenpflege im Einvernehmen mit den Gesamtkirchengemeinden beider Konfessionen am 25. Juni 2012 eine gemeinsame Satzung unterzeichnet und vom Regierungspräsidium Tübingen genehmigt.


katholische Sakristei

Die katholische Sakristei schließt seit 1720 die Chorapsis mit drei Räumen im Dreiachtelschluss ab. Die nicht öffentlich zugängliche Sakristei beherbergt wertvolle Sakristeischränke, den bedeutsamen Kirchenschatz, zu dem eine Turmmonstranz von 1612, ein spätromanisches Kruzifix aus der Zeit um 1220 und einen Festtagskelch, der 1786 von Johann Ignaz Baur, einem Goldschmied aus Augsburg getrieben wurde, gehört, sowie historische Messgewänder.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/DonBos

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