St. Ursula (Köln)

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St. Ursula (Köln)

St. Ursula ist eine der zwölf großen romanischen Basiliken in der Altstadt Kölns. Sie ist der Heiligen Ursula geweiht.


Vorgeschichte und spätantike Vorgängerbauten

Die Vor- und Frühgeschichte von St. Ursula wird heute anhand von archäologischen Funden der Kriegs- und Nachkriegszeit sowie der kritischen Interpretation der Legenden rund um die „Kirche der heiligen Jungfrauen“ rekonstruiert. Hinzu kommt die steinerne Clematius-Inschrift, die vielleicht aus dem 9. Jahrhundert stammt. Laut Inschrift habe Clematius die Kirche zu Ehren von jungfräulichen Märtyrerinnen von Grund auf renoviert:

„gemäß Gelübde, [hat] Clematius, senatorischen Ranges, auf eigene Kosten, auf seinem Boden, diese Basilika, wie er es nach dem Gelübde schuldete, von den Grundmauern auf erneuert.“

Christlicher Grabstein für das Mädchen Ursula, auf dem Gräberfeld unterhalb der Kirche gefunden

Die archäologischen Ausgrabungen ergaben einen Saalbau aus dem vierten Jahrhundert mit einer Ostapsis. Um- und Ausbaumaßnahmen fanden vor allem im 6. Jahrhundert statt. Dass das römische Gräberfeld, auf dem St. Ursula errichtet wurde, bereits im 12. Jahrhundert auf der Suche nach Reliquien stark durchwühlt wurde, erschwerte die archäologischen Auswertungen der 40er Jahre – exakte Klarheit über die Veränderungen an dem Bau lässt sich wohl nicht mehr erzielen. Nachgewiesen ist der Unterbau eines schlüssellochförmigen Ambo (Kanzel), wie er auch unterhalb des Kölner Doms, in Trier und in Boppard gefunden wurde. In diesen Orten stammen solche Kanzeln aus der 2. H. des 6. Jhs.


Gründung des Stifts und ottonischer Vorgängerbau

Eine Besitzumschreibung des Erzbischofs Gunthar erwähnt 866 erstmals ein Kanonikerstift; offenbar gab es zu dieser Zeit noch keine Stiftsdamen. Durch den Einfall der Normannen in Köln im Jahr 881/882 wurde die Basilika beschädigt; eine Schenkung aus dem Jahr 911 bezeugt die weitere Existenz des Stifts – unklar bleibt allerdings, ob zu diesem Zeitpunkt noch Kanoniker für das Kloster zuständig waren oder bereits Stiftsdamen. Eindeutig wird die Lage aus heutiger Sicht erst, als 922 die Damen des Gerresheimer Stifts vor einem Überfall der Ungarn nach Köln flohen und von Erzbischof Hermann I. aufgenommen wurden. Dieser erneuerte den Altarbereich durch ein T-förmiges Monument mit 11 Bestattungsplätzen bzw. Reliquiengräbern sowie eine Nebenapsis. Die gewählte Zahl 11 könnte der Ursprung der genau 11 – oder später dann 11.000 – legendären Märtyrerinnen um die Heilige Ursula sein.

Die Verehrung von jungfräulichen christlichen Märtyrerinnen war in dieser Epoche nichts Ungewöhnliches und seit der Spätantike bekannt. Eine Zeitlang stand Pinnosa, die eine von den Hunnen ermordete englische Prinzessin gewesen sein soll, im Vordergrund. Ihre Gebeine gingen jedoch im 10. Jahrhundert nach Essen, und so geriet Ursula als Anführerin der Märtyrer-Jungfrauen in dem Mittelpunkt der Verehrung. Dabei bezieht sich der Name Ursula offenbar auf einem im Umfeld der Kirche gefundenen Grabstein einer Achtjährigen aus dem 4./5. Jahrhundert.

Weitere Baumaßnahmen sind zunächst nicht dokumentiert; Erzbischof Wichfrid schenkte dem Stift im Jahr 927 die Pfarrkirche St. Maria Ablass. Eine großzügige Schenkung des Erzbischofs Warin – enthalten ist auch die Kirche St. Aposteln – diente der Reparatur der Kirchendächer und der Verbesserung der Beleuchtung.


Romanischer Neubau mit gotischen Erweiterungen

Als im Jahr 1106 die Stadtbefestigung erweitert wurde und man bei den Arbeiten ein großes Gräberfeld entdeckte, erhielt die Legende um die jungfräulichen Märtyrerinnen um Ursula neue Nahrung. Einige Reliquien gingen zunächst an St. Kunibert; weitere Funde folgten jedoch und erlaubten, auch gestützt durch religiöse Visionen, Ausschmückungen der ursprünglichen Legende. Die reichhaltigen Funde und der Handel mit Reliquien führte zu einigem Wohlstand, so dass in der Folge ein vollständiger Kirchenneubau möglich wurde. Dokumente hierzu liegen kaum vor, der einzige Hinweis ist die Notiz einer Altarweihe zu Ehren der heiligen Cordula aus dem Jahr 1135. Dies und die Interpretation der Bauformen erlaubt die Datierung des Baus auf zweite Viertel des 12. Jahrhunderts.

Der neue Bau übernahm die Mittelachse des ottonischen Vorgängerbaus, der Neubau war eine dreischiffige Emporenbasilika mit flach gedecktem Mittelschiff und kreuzgratgewölbten Seitenschiffen. Der Wandaufbau ist unter den heute erhaltenen Kirchen Kölns einmalig. Unter dem Kreuzaltar vor dem Chor befand sich eine gewölbte Reliquienkammer; westlich vorgelagert kam ein neues Stiftsgebäude dazu.

Die Vollendung des Turms nimmt man für die Zeit um 1230 an, etwa zu dieser Zeit erhält das nördliche Seitenschiff Fächerfenster. Eine erfolgreiche Spenden-Sammelaktion im Bistum Paderborn erlaubte es um 1247/1267, den großen gotischen Chor an der Ostseite der Basilika anzubauen. Er wurde gegen Ende des 13. Jahrhunderts vollendet, anscheinend aber erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Kanonikern und Stiftsdamen genutzt. Seine elf (sic!) Fenster umgeben den Chor wie ein „gläserner Schrein“. Noch vor 1300 kam an der Südseite der Basilika ein zweites Seitenschiff hinzu, die so genannte Marienkapelle. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts erfuhr die Kirche umfassende Renovierungen; nach einem Sturmschaden wurde auch die Turmspitze zunächst mit einem spätgotischem Knickhelm versehen.

Ein bedeutendes Werk der gotischen Kölner Malerschule entstand 1464, als Johann von Hirtze einen Altar stiftete, den der Meister des Marienlebens schuf. Das Werk befindet sich heute mehrheitlich in der Münchener Pinakothek.


Zeitalter des Barock

Das 17. Jahrhundert brachte gravierende, dem Zeitgeschmack entsprechende Umbauten für St. Ursula mit sich. Der mittelalterliche Lettner wurde abgerissen, die Kirche erhielt neue Maßwerkfenster und zwischen den Dienstbündeln barocke Reliquienkästen. Die Goldene Kammer, die vier Wände der begehbaren Reliquienkammer werden vom größten jemals aus menschlichen Knochen angefertigtem Mosaik bedeckt.

Die berühmte Goldene Kammer zur Aufbewahrung von Reliquien stiftete 1643 der kaiserliche Reichshofrat Johann Krane und seiner Ehefrau Verena Hegemihler, ebenso wie die Nikolauskapelle an der Nordseite. Nikolaus de Groote folgte mit der Stiftung der südlichen Johann-Baptist-Kapelle.

Nachdem 1680 ein Brand der Dächer eine Reparatur erforderlich machte, erhielt der stämmige Westturm eine barocke Haube mit einer „britischen Krone“, der an die Herkunft der Heiligen Ursula erinnern sollte. 1767 versuchte man einen einheitlichen Raumeindruck dadurch zu erreichen, dass die Seitenschiffemporen zum Mittelschiff hin vermauert und mit spätbarocken Freskenmalereien versehen wurden.


Auflösung und Niedergang

1802 teilte St. Ursula das Schicksal aller Klöster in Köln: Im Rahmen der Säkularisierung wurde es aufgehoben und 1804 der Gemeinde St. Maria Ablass als Pfarrkirche zugesprochen, die bisherige Pfarrkirche wurde bis auf eine Kapelle abgerissen. Die Basilika war in einem desolaten und statisch bedenklichen Zustand und wurde 1810 zunächst teilweise durch die Gemeinde wiederhergerichtet. Stadtbaumeister Weyer ließ 1832 den Vorhallenbogen des Kirchturms vermauern, um ihn vor dem Einsturz zu sichern.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Basilika zu weiten Teilen wieder in den ursprünglichen romanischen Zustand zurückgebaut. Dabei erhielt der Innenraum durch J. Osten eine „zwar gut gemeinte, aber heute unverständliche Ölmalerei“. Diese wurde eine Generation später bereits wieder entfernt. 1890-91 wurde auch der Turm wiederhergestellt.

1920 erhielt die Kirche ebenso wie St. Gereon durch Papst Benedikt XV. den Titel einer Basilica minor.


Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau

1942 verbrannten nach Bombenangriffen sämtliche Dächer der Basilika. Bei Kriegsende waren Gewölbe, Turm, Teile des Südseitenschiffes sowie des Chors stark beschädigt; St. Ursula war eine Ruine.

Die Gemeinde feierte trotz der Zerstörungen in einem Notraum unterhalb des Turms ihre Gottesdienste; bereits vor der Währungsreform begann man 1949 mit dem Wiederaufbau unter Leitung des Architekten Karl Band. Diese Arbeiten zogen sich bis 1972 hin. Während im gotischen Chorhaus die Gewölbe rekonstruiert wurden, verzichtete man im Mittelschiff des romanische Langhauses auf die Wiederherstellung der spätgotischen Einwölbung; nur die z.T. figürlichen Konsolen blieben an Ort und Stelle. Nach Entwürfen Karl Bands wurde eine flach gewölbte hölzerne Kassettendecke eingezogen, welche die romanische Gliederung des Obergadens sichtbar lässt. Flache Decken erhielten auch die Querannexe im Norden und Süden. 1972-78 folgte die Restaurierung der Schatzkammer ("Goldene Kammer") im Südflügel des Westbaus. Die Dachlandschaft von Langhaus und Chor wurde sehr differenziert und elegant gestaltet; der Chor erhielt 1964 einen Dachkamm mit zwei Knäufen nach Entwurf von Karl Matthäus Winter. Von 1960 bis 1962 hatte der romanische Westturm die barocke Haube samt Laterne und Krone zurück erhalten.

Um die Jahrhundertwende 1999-2004 erfolgte unter Leitung von Architekt Rolf Link erneut eine umfassende Restaurierung, um die Marienkapelle, das südliche Seitenschiff erneut in voller Länge zugänglich zu machen und zum Kirchenraum hin zu öffnen. Nach Abbau der Orgel aus der Nachkriegszeit wurde auch die Westempore erstmals wieder als sakraler Raum erlebbar; hier wurde eine weitere Schatzkammer eingerichtet. Langhaus und Chor erhielten eine neue Farbfassung; die Holzdecken aus der Nachkriegszeit wurden hellgrau gefasst.


Gedenkstätte für die Märtyrer der Gegenwart

Im Jahr 2003 entwickelte sich die Idee, in der Basilika St. Ursula einen Gedenkort für die Kölner Märtyrer des 20. Jahrhunderts zu schaffen. Als Kontrapunkt zur historischen Kirche entstand ein kleiner, moderner Kapellenraum vor der Apsis des südlichen Querannexes, in der Achse des Marienschiffs. Dieser Kapellenraum besteht aus einer zweischaligen, innen mit Namen, Daten und Zitaten der Märtyrer bedruckten, leicht transparenten Leinwandkonstruktion. An der hellsten Stelle der Kirche errichtet, leuchtet der entstandene Andachtsraum aus sich heraus. Baubeginn war 2003 und die Aufstellung der fertigen Kapellentafeln war im Jahr 2005. Die Firma "Kister Scheithauer Groß - Architekten und Stadtplaner GmbH" aus Köln und Leipzig war für die Ausführung des Projektes verantwortlich. 2006 wurde während einer Messe eine Messerattacke auf den Kapellenraum verübt und dabei mehrere Leinwände zerschnitten. Im Jahre 2008 wurde der Kapellenraum mit dem Artheon-Kunstpreis ausgezeichnet.


Ursula-Legende

Bemerkenswert ist die den Ursprung der Basilika begleitende Legende um die Hl. Ursula. Von ihr gibt es zahlreiche Variationen, deren wesentliche Elemente übereinstimmen. Unter anderem verbinden sich in ihr Berichte über frühe Märtyrer-Jungfrauen und die Legende der Pinnosa. Dem Kern der Legende nach soll Ursula mit elf Gefährtinnen rheinaufwärts unterwegs gewesen sein. Aus diesen elf Jungfrauen werden dann im Laufe der Geschichte elftausend (vielleicht vor dem Hintergrund der Skelettfunde im benachbarten römischen Gräberfeld und dem im Mittelalter schwunghaften Reliquienhandel). Ihre Schiffsreise führte sie bis Basel, von wo aus sie zu Fuß nach Rom pilgerten. Der sie empfangende Papst Cyriakus schloss sich ihnen für die Rückreise an. In Mainz wurde Ursulas Bräutigam Aetherius schließlich getauft und von dort gelangte die Gesellschaft zu dem von den Hunnen belagerten Köln. Da die Jungfrauen die Ehe mit den nichtchristlichen Hunnen verweigerten, wurden sie und ihre Gefährten ermordet.

Diese Legende hatte eine erhebliche Ausstrahlungskraft und die in der Basilika verehrten Reliquien verloren im religiösen Leben Kölns und der die Stadt besuchenden Pilger erst dann ihre Vorrangstellung, als 1164 die Gebeine der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln überführt wurden.

Beide Heiligenverehrungen waren bildgebend für das Kölner Wappen: Die drei Kronen im oberen Feld symbolisieren die Drei Könige, elf Flammen stehen stellvertretend für die elf(tausend) Märtyrerinnen der Ursula-Legende. Neben den Heiligen Drei Königen und St. Gereon ist die Hl. Ursula Stadtpatronin Kölns.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/© Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons)

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