Tönisvorst

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Die Stadt Tönisvorst liegt am Niederrhein im Westen des Landes Nordrhein-Westfalen und ist eine mittlere kreisangehörige Stadt des Kreises Viersen im Regierungsbezirk Düsseldorf. Sie besteht aus den beiden ursprünglich eigenständigen Hauptorten St. Tönis und Vorst – wobei Letzterer flächenmäßig den größten Stadtteil darstellt, aber weniger als ein Viertel der Einwohner beherbergt – sowie den Siedlungen Laschenhütte und Kehn.

Tönisvorst wurde am 1. Januar 1970 aus den Gemeinden St. Tönis und Vorst sowie aus Teilen der Gemeinden Anrath, Neersen und Oedt gebildet.

Am 27. März 1979 wurde Tönisvorst durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen das Recht verliehen, künftig die Bezeichnung Stadt zu tragen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Tönisvorst.

Geschichte

Frühzeit

In der Bronze- und Eisenzeit siedelten sich germanische und keltische Volksstämme am Niederrhein an. Erste Siedlungsspuren sind jungsteinzeitliche Funde wie ein Steinbeil (heute im Kramer-Museum Kempen) und Spuren eisenzeitlicher Siedlungsplätze an der heutigen Butzenstraße. Zwischen 58 und 51 v. Chr. eroberte Cäsar den linken Niederrhein. Brand- und Urnengräber, die an „Hinkes Weißhof“ in Vorst gefunden wurden, belegen eine römisch-germanische Siedlung im Raum Vorst.

5. bis 15. Jahrhundert

Während der fränkischen Landnahme siedelten nach Abzug der Römer fränkische Stammesverbände am Niederrhein, die das entstandene Machtvakuum füllten. Fränkische Siedler nahmen die schon unter den Römern hier ansässigen Germanenstämme in sich auf und legten in Form von Ackerburgen Einzelhofsiedlungen an. Mit Einfall der Wikinger etwa ab 900 zog sich der fränkische Landadel in die sumpfigen Niersniederungen zurück und legte hier Wehr- und Wohntürme auf künstlichen („Motten“) oder natürlichen Erhebungen („Donken“) an. Vorst wurde Honschaft („Große Honschaft“), das heißt ein Zusammenschluss mehrerer Gehöfte, denen ein Honne vorstand. Dabei gehörte diese bäuerliche Verwaltungseinheit zusammen mit fünf weiteren Honschaften zum Amt Kempen, das wiederum zum Erzbistum Köln gehörte. Der Erzbischof war sowohl geistlicher als auch weltlicher Herrscher.

Die erste Erwähnung einer Kirche datiert aus dem Jahr 1131. Es wird vermutet, dass die Kirche auf die kleine Holzkapelle des Hauses Brempt – Ursprung und Keimzelle von Vorst – zurückgeht, die ihrerseits an der Stelle errichtet wurde, an der bereits die Germanen ihren Göttern gehuldigt haben. Dabei soll es sich um die höchste Erhebung in der Landschaft gehandelt haben. Erzbischof Friedrich I. von Schwarzenburg schenkte der Vorster Kirche Reliquien des heiligen Godehard, dem späteren Schutzpatron der Kirche. 1188 folgte die älteste Erwähnung von St. Tönis als Osterveerd. Die öde Heide im südlichen Teil der „Kleinen Honnschaft“ wird in einer Urkunde erstmals erwähnt und „Osterveerd“ genannt. 1259 war die erste schriftliche Erwähnung von Haus Donk.

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts folgte die erste Erwähnung von Haus Raedt und dem Gelleshof. Die kleine Holzkapelle von Vorst wurde durch einen romanischen Tuffsteinbau ersetzt. 1310 soll sie erste Pfarrrechte – das Trauen – erhalten haben. 1330 bis 1380 wurde das Amt Kempen mit einer sogenannten „Landwehr“ umgeben, ein Schutzwall aus Gräben, Wällen und Hecken. 1380 wurden in den Vorster Kirchen neben Trauungen auch Beerdigungen gestattet. Ort wird Osterhaide genannt (= östliche Heide) und erhält die Genehmigung für eine Kapelle durch Erzbischof Friedrich von Saarwerden. St. Tönis entwickelt sich demnach auf dem Gebiet der „Kleinen Honschaft“ des kurkölnischen Amtes Kempen. Es wird angenommen, dass man für die umliegenden Höfe eine schneller zu erreichende Kapelle gebaut hat. Die Kirche wurde mit der Zeit zur Keimzelle für die weitere Entwicklung.

Im Jahre 1396 wurde erstmals ein Kirchhof in der Nähe der Kapelle erwähnt. Im 15. Jahrhundert gab es erste Hinweise auf die Existenz einer Schule. 1443 wurde die Landwehr am „Stock“ und an der „Hückelsmay“ erweitert.

Im Jahre 1444 Im Mittelalter schlossen sich junge Männer zu Wehren zusammen, um Feld und Flur sowie Haus und Hof gegen Raubüberfälle zu schützen. Die St. Sebastianus Schützenbruderschaft wurde erstmals urkundlich erwähnt.

Von 1447 bis 1449 während der Soester Fehde stritten sich der Kölner Kurfürst und der Herzog von Kleve um die Vorherrschaft am Rhein. Vorst und St. Tönis mussten wie andere Honnschaften des Kurfürstentum Köln Mittel zu Kriegs- und Rüstungszwecken abliefern, was in Vorst zunächst in Form von Hafer erfolgte. Im Jahre 1479 war die erste urkundliche Erwähnung einer Windmühle in der St. Töniser Heide. Sie soll seinerzeit auf dem Ühlenberg am Weg nach Vorst gestanden haben. Dabei handelte es sich um eine Bockwindmühle.

Im Jahre 1482 wurde ein romanisches Kirchenschiff aus Tuffstein durch ein gotisches ersetzt, welches im Jahr 1894 abgebrochen wurde.

16. Jahrhundert

Im Jahre 1510 erhielt die St. Töniser Kirche einen Taufstein und damit das Recht, zu taufen. 1559 erhielt Vorst sämtliche Pfarrrechte, 1564 war das Gründungsjahr der Bürger-Junggesellen-Schützenbruderschaft, 1573 wurde auf einer Landkarte das heutige St. Tönis als „Sanct Antonius in der Heyde“ genannt. 1583 im Truchsessischen Krieg gehörten Vorst und St. Tönis nach wie vor zu Kurköln. Als sich der Kölner Erzbischof und Kurfürst Gebhard von Truchsess zu den Reformisten bekannte, wurde er vom Papst und Deutschen Kaiser sämtlicher Ämter enthoben. Truchsess verbündete sich daraufhin mit dem ebenfalls reformierten Grafen von Moers sowie den Niederlanden, die sich im Freiheitskampf gegen Spanien befanden. In Köln regierte derweil Ernst von Bayern als Kölner Kurfürst. Bei Hüls besiegte Truchsess mit Graf Adolf zu Neuenahr und Moers den neu eingesetzten Kurfürsten von Köln, Ernst von Bayern. Die Folge: Söldner beherrschten das ungeschützte Land des Amtes Kempen und plünderten in der Folge Vorst und steckten die 1482 erbaute gotische Kirche in Brand. 1583 kam es in St. Tönis zu einem Hexenprozess. 1599 bis 1603 kam es nach dem Truchsessischen Krieg immer wieder zu Plünderungen in Vorst und St. Tönis durch niederländische Truppen und Truppeneinquartierungen.

17. Jahrhundert

Vor allem in den Jahren 1607, 1617 und 1634, in denen große Seuchen in der Gegend herrschten, kamen zahlreiche Prozessionen nach St. Tönis (oft bis zu 4000 Menschen), um beim Heiligen Antonius, dem Schutzpatron der Haustiere, Fürbitte zu erlangen. 1609 erfolgte die Genehmigung und Baubeginn für Befestigung (Wall, Graben, Tore) zum Schutz vor umherstreifenden Soldatengruppen. St. Tönis wird mit Verteidigungswall, Graben und drei Toren umgeben. Damit einher gingen für den Marktflecken St. Thönis Rechte und Privilegien, wie das Abhalten von Jahrmärkten sowie das Privileg, von zusätzlichen Geldgaben und anderen Bedrängungen befreit zu sein.

Im Jahre 1642 war das „Hessenjahr“ im Dreißigjährigen Krieg. In der Schlacht an der Landwehr zwischen Krefeld und St. Tönis (Hückelsmay) erfolgte ein Sieg der Protestanten. Die protestantische Seite, bestehend aus französischen, hessischen und weimarerischen Truppen bezogen auf kurkölnischem Land, nämlich hinter der Landwehr der „Großen Honschaft“ ihr Winterquartier. Der Kölner Erzbischof rief daraufhin die kaiserlichen Truppen zu Hilfe, um die Fremden zu vertreiben. Die kaiserlichen Truppen stellten sich in dem heutigen Forstwald, also nördlich der Landwehr auf. Die Franzosen und Hessen allerdings besiegten die katholisch-kaiserlichen Truppen und verwüsteten anschließend Höfe und Dörfer des Amtes Kempen, so auch Vorst und St. Tönis. In St. Tönis fiel die Kirche den Flammen zum Opfer. 1652 war das Gründungsjahr der Kehner Junggesellen Schützenbruderschaft. 1659 wurde auf einer Landkarte des Amtes Kempen der Ort als „St. Antonius“ bezeichnet.

18. Jahrhundert

Im Jahre 1731 kam es zur Entstehung des Koitzhofes (heute unter Denkmalschutz als Beispiel eines wasserumwehrten niederdeutschen Bauernhofes). Gründung einer Seidenfabrik in Krefeld: Viele Vorster Hausweber, entstanden durch die Tradition der Leinenweberei, konnten die Fabrik beliefern. 1745 wurde das heute älteste äußerlich unveränderte Wohnhaus – das Mertenshaus an der Kirchstraße – gebaut. 1758 gewann Preußen eine der entscheidenden Schlachten im Siebenjährigen Krieg auf Tönisvorster Boden, an der Hückelsmay auf der St. Töniser Heide, bei der Herzog Ferdinand von Braunschweig die Franzosen besiegte. Die Franzosen zogen sich nach Köln zurück, Vorst und St. Tönis fielen an Preußen. Das bestehende Vorster Schulgebäude – wohl in der Nähe der damaligen Kirche gelegen – wurde erweitert. 1765 wurde Im Kehn das Hagelkreuz errichtet. 1769 erfolgte der Bau der Streuff-Mühle an der Kempener Straße (heute Gelderner Straße) durch die kurfürstliche Hofkammer. Diese aus Stein gebaute Turmwindmühle ersetzte die alte Bockwindmühle der Kölner Kurfürsten. Die Mühle war noch bis zum Zweiten Weltkrieg in Betrieb. Sie gilt als Wahrzeichen von Tönisvorst und verlor im Januar 2007 beim Orkan Kyrill ihre Flügel. Im Jahre 1781 kam es zur Abtragung des Walls. 1785 erfolgte der Bau eines Schulgebäudes.

Im Jahre 1794 besetzten französische Revolutionstruppen das linke Rheinufer und damit auch St. Tönis und Vorst. Im Jahre 1798 wurde das Rheinland von den Franzosen in vier Departements (Rur/Roer, Rhein-Mosel, Saar und Donnersberg) aufgeteilt. Als unterste Verwaltungseinheit (Departements waren unterteilt in Arrondissements/etwa Regierungsbezirke, diese wiederum in Cantone/etwa Kreise und diese wieder in Mairien/Bürgermeistereien) in diesem Gebiet entstand die Mairie Vorst und St. Tönis. Die Urkunden wurden von nun an auf Französisch abgefasst. Im Jahre 1799 wurden aufgrund der französischen Gesetze (Code Civil) erstmals Standesämter in St. Tönis und Vorst eingerichtet, fortan zuständig für die Schließung von Zivilehen sowie für die Registrierung von Geburten und Sterbefällen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren diese Aufgaben den Kirchen vorbehalten.

19. Jahrhundert

1801 wurde im Frieden von Lunéville der Niederrhein offiziell an Frankreich abgetreten und St. Tönis in Saint Antoine umbenannt. 1809 kam es zur Gründung des Rettungsvereines in St. Tönis, welcher zur Freiwilligen Feuerwehr Tönisvorst wurde. 1813 verwüstete ein Feuer Teile von Vorst, eine Bäckerei, eine Gaststätte und alle Häuser am westlichen Markt sowie einige Häuser der Kuhstraße.

Beim Wiener Kongress im Jahre 1815 kam es zur Wiederherstellung der vorrevolutionären politischen Ordnung und Neuaufteilung Europas. Der Niederrhein und demzufolge auch Vorst und St. Tönis kamen zu Preußen. 1816 wurde Vorst in den Kreis Kempen eingegliedert. 1816/1817 war ein Hungerwinter, der Schulunterricht fiel aufgrund der Kälte aus. Um 1818/1819 wurde die Honschaft Kehn mit Vorst zusammengefasst. Ab 1821 wurde St. Tönis ohne „h“ geschrieben.

Von 1823 bis 1851 und später nochmals von 1863 bis 1865 führte Bürgermeister Gerhard Seulen (1796–1865), Major a. D., gleichermaßen die Geschicke von Vorst und St. Tönis vom Koitzhof (Seulenhof) in der Huverheide aus. 1826 wurden die Postgeschäfte durch eine „reitende Post“ erledigt, die dreimal wöchentlich von Krefeld über St. Tönis, Anrath und Viersen nach Dülken und zurück über Süchteln, Vorst und St. Tönis nach Krefeld verkehrte. Die Einwohnerzahl in St. Tönis lag zu dieser Zeit bei 2911. Eine Poststelle wurde in St. Tönis im Jahre 1830 errichtet.

1834 erfolgte auf der Poststrecke eine tägliche Fahrpost. An diese Zeit soll heute noch der Straßenname „Nüss Drenk“ (zu deutsch: Neußer Tränke) erinnern. 1835 wurden Tore abgebrochen. 1836 kam es zur Einweihung der neuen Schule in Unterweiden, heute Kempen. 1837 folgte die Gründung der Brauerei Rixen. 1840–1860 kam es in der Rheinkrise zu Spannungen im französisch-deutschen Verhältnis. Es erfolgte der Ausbau der Verkehrswege als Landstraße bis Süchteln, Chaussee nach Anrath und Landstraße nach Oedt.

Da der alte Friedhof an der Kirche 1841 wegen der wachsenden Bevölkerung nicht mehr ausreichte, wurde ein neuer Friedhof an der Anrather Straße eingerichtet. Die Knabenschule am Kirchplatz wurde eingeweiht. 1844 wurde ein Armen- und Krankenhauses an der Kempener Straße erbaut. 1849 erfolgte der Anschluss an das Eisenbahnnetz. Die Jahre von 1849 bis 1853 waren die Blütezeit der Vorster Seidenweber, die zu Hause an ihren Handweberstühlen produzieren konnten.

1851 wurde der Kirchturm der Kirche ausgebaut. Er hatte zuletzt den Spitznamen „St. Töniser-Stüpp“. 1854 ließ sich der erste Arzt in Vorst nieder. 1855 kam es im Ort zu einer Textilkrise. 1857 wurde die Gemeindesparkasse eröffnet. 1858 entstand auf einem ehemaligen, zwischenzeitlich verlandeten Weiher (Bleiche), der unmittelbar am Dorfkern lag, eine Schule für Jungen; die Mädchen blieben im alten Schulgebäude. Es kam zur Einweihung des Hückelsmay-Denkmal. Das Krankenhaus wurde 1860 erbaut; dem Bau eines jüdischen Friedhofes am Strombusch wurde 1861 zugestimmt.

Das Eisenbahnnetz wurde 1863 mit einem Ausbau der Strecke Benrad – St. Tönis mit Bahnhof erweitert. Eine Terheggsche Windmühle entstand an der heutigen Mühlenstraße. 1866 kam es zum Bau einer Mädchenschule zwischen Kirchplatz und Kaiserstraße. 1867 wurde der Männergesangsverein Cäcilia gegründet – angeblich der langen Tradition der Weber folgend, die bei ihrer Arbeit viel sangen. 1870 entstand eine Mädchenschule an der damaligen Kastanienallee (heute Seulenstraße). Mit Errichtung der Mädchenschule wurde auch ein Rathaus inklusive Spritzenhaus für die Freiwillige Feuerwehr sowie Arrestzellen für Straftäter gebaut. Es folgte die Gründung eines Gesellenvereins nach dem Vorbild des Kerpeners Adolph Kolping, der sich zur Aufgabe machte: „Fortbilden der Handwerksgesellen, insbesondere die auf Wanderung befindlichen“. Um diese Zeit hatte St. Tönis einen eigenen Bahnhof.

1871 entstand ein eigener Bahnhof in Vorst. 1873 kam es in dem Ort zu einem Kulturkampf mit Auseinandersetzungen zwischen Staat und katholischer Kirche. Dampfmühlen verdrängten die Windmühlen, Heinrich Mertens ließ am Wilhelmplatz eine große Dampfmühle errichten, die später sogar einen eigenen Bahnanschluss erhielt. Hier wurde sowohl Öl als auch Mehl hergestellt. 1874 wurde eine Telegrafenstation eingerichtet.

1878 kam er zur Gründung des Reit- und Fahrvereins Vorst, des Turnvereins und der Brauerei Gebrüder Ortmanns. 1880 wurde der Mechanische Webstuhl in Tönisvorst eingeführt; er konnte acht Handwebstühle ersetzen. Die rund 400 Heimweber wechselten vom Handwebstuhl daheim in die Fabriken der Nachbarstädte als abhängige Lohnarbeiter. Die Volksschule wurde am Marktplatz bezogen. 1881 fiel die Mühle von Scheerer, die am Wilhelmplatz stand, einem Brand zum Opfer. 1882 erfolgte ein erster organisierter St.-Martins-Zug in St. Tönis. 1883 kam es zur Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Vorst. 1885 folgte die Gründung eines Kirchenchores. 1886 wurde ein neues Spritzenhaus der Feuerwehr am Rathaus in der Hochstraße gebaut. 1893 wurde in St. Tönis das erste Telefon angeschlossen. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es neben der Landwirtschaft noch Nagelschmieden, Zinngießer, Töpfer und wenige Hausweber.

20. Jahrhundert

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab es noch rund zehn bäuerliche Betriebe, die im Ortskern angesiedelt waren. Als industrielle Betriebe existierten in Tönisvorst in den 1920er Jahren eine Webschützen-Fabrik, eine Krautpresse, eine Kapokfabrik, ein Mühlenbetrieb und zwei Ziegeleien. Daneben gab es landwirtschaftliche Handwerksbetriebe wie Sattlereien und neun Schmieden. Schmuggel war zu dieser Zeit verbreitet und einträglich: Schmuggler kauften in den Niederlanden günstig Kaffee oder Tabak und verkauften ihn in Deutschland.

Die Katholische Knabenschule an der Schulstraße wurde in den Jahren 1902 und 1903 gebaut. 1906 zog erstmals ein organisierter Karnevalszug durch den Ort. 1907 wurde die Synagoge an der Wilhelmstraße (heute Kolpingstraße) eingeweiht. Im Jahre 1911 wurde das Postgebäude an der Bahnstraße bezogen (heute Verwaltung). Am Hospitalplatz wurde ein Krankenhaus gebaut. Das alte Krankenhaus an der Kempener Straße wurde ein Jahr später zum Altersheim. 1913 erfolgte der Bau des Rathauses an der St. Töniser Straße. 1918 besetzten Truppen der Alliierten das Rheinland, Vorst war von 1918 bis 1926 von Belgiern besetzt. Im Jahre 1920 firmierten nach Zusammenschluss die beiden großen Brauereien als Ortmanns & Rixen (Ort-Rix). Im Jahre 1927 war die Eröffnung des Strandbades am Tacksee.

Im Jahre 1929 wurde der Forstwald an Krefeld verkauft, und der Grundstein des Wasserturmes wurde gelegt. 1931 begann der Ausbau des Gotthardus-Krankenhauses durch einen dreigeschossigen Flachbau inklusive großem Operationsraum und Entbindungszimmer. In den 1940er Jahren wurde das Krankenhaus durch Umbaumaßnahmen um ein Altenheim ergänzt. 1936 wurde die „Prinzenstraße“ anlässlich des 75-jährigen Turnerschaftjubiläums in „Ludwig Jahn-Straße“ umbenannt. 1939 entstand ein erstes modernes Lichtspieltheater, die „Lichtburg“, welches unmittelbar neben dem Saal Wirichs lag, in dem auch öfter ein Kinofilm zu sehen war.

Am 6. Juni 1942 verursachte eine Fliegerbombe Schäden an der katholischen Pfarrkirche St. Cornelius. Die meisten Häuser am Kirchplatz wurden zerstört.

Am 3. März 1945 eroberte das 335. US-Regiment St. Tönis; damit endeten dort NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg.[3] Pfarrer Friedrich Janße wurde zum Bürgermeister ernannt.

Tönisvorst wurde Teil der britischen Besatzungszone.

Im Jahre 1947 wurde die wiederhergerichtete katholische Kirche eingeweiht.[4] In den 1950er Jahren spezialisierte sich die Landwirtschaft unter anderem auf den Obstanbau. Ein SB-Supermarkt eröffnete auf dem Gelände des ehemaligen Tacksees. Die Firma Arca Regler zog mit ihrer Produktionsstätte in die ehemaligen Räume des „Hotels zur Post“ am Markt. 1949 wurde die Vorster Siedlergemeinschaft gegründet; ab 1951 wurde am südlichen Ortsrand gebaut.

Die Kreis- und Stadtsparkasse Kempen übernahm die Gemeindesparkasse als Zweigstelle. 1952 war die Einweihung des Neubaus der Evangelischen Schule an der Hülser Straße; die Siedlung „Kirchenfeld“ entstand. Die Alliierten rodeten ein etwa 60 Morgen großes Gelände im Forstwald für die Franziska-Kaserne. Ab Anfang der 1950er Jahre nahm die Zahl der PKW stark zu; die Kuh-, Süchtelner, Kempener und die St. Töniser Straße (damals Krefelder Straße) wurden befestigt. Im Jahre 1953 war die Einweihung der evangelischen „Christuskirche“ an der Hülser Straße. Durch den Flüchtlingsstrom war die Protestantenzahl in St. Tönis auf rund 2000 gewachsen.

1954 zerstörte ein Wirbelsturm ein Vereinsheim der Turnerschaft. 1955 bildeten sich erste Straßengemeinschaften. 1957 brannten die Mühlenwerke Mertens aus. Es entstand ein Bus- und Straßenbahnhof am Wilhelmplatz. 1958 gab es einen Grenzänderungsvertrag; der ehemalige Bahnhof Vorst und ein dazugehöriger 17 Hektar großer Streifen gingen an Anrath. Das Hochkreuz am Friedhof wurde als Mahnmal der Weltkriegsopfer gebaut. Eine Sportstätte an der Gelderner Straße, die Jahnsportanlage, wurde ebenfalls 1958 fertiggestellt, wurde 1971 um eine Sporthalle ergänzt. 1959 ging der Straßenausbau weiter.[5]

Vorst nahm mehrere hundert Heimatvertriebene aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland auf. Dadurch stieg der Anteil der evangelischen Christen in der Ortsbevölkerung. An der Jahnstraße (heute Schützenstraße) wurde eine kleine evangelische Holzkirche gebaut. 1960 erhielt die Pfarrkirche St. Cornelius in St. Tönis fünf Bronzeglocken mit den Tönen b°, c′, es′, f′, g′. Die Gewichte der Glocken betragen 3704, 2491, 1460, 986 und 697 kg. Sie wurden bei der Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher gegossen. Eine neue evangelische Schule entstand auf dem Gelände der ehemaligen katholischen Volksschule an der Jahnstraße. Zuvor war die zweiklassige evangelische Volksschule mit einer Klasse im Gebäude der katholischen Volksschule und mit der zweiten im katholischen Pfarrheim untergebracht. Zwischenzeitlich war sie im Sälchen einer Gastwirtschaft in der Kuhstraße untergebracht.

1961 wurde ein neues Postamt (mit der neuen vierstelligen Postleitzahl 4154) an der Ludwig-Jahn-Straße eröffnet. 1962 folgte eine Erweiterung der Vorster Volksschule durch einen Anbau an der Südseite. Weiterhin erfolgte ein erster Spatenstich zum Neubau des Krankenhauses/Altenheimes.

Das Teilstück der Schelthofer Straße zwischen Vorster Straße und Westring (damals Friedhofstraße) wurde anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Brauerei Rixen in „Brauereistraße“ umbenannt. 1964 kam es zur Gründung von action medeor, dem weltweit größten Medikamenten-Hilfswerk. Eingeweiht wurde das neue Rathaus an der Bahnstraße (heute Stadtverwaltung) im Neubau Schule in Unterweiden (heute Kempen). Das neue Altenwohn- und Pflegeheim (Antoniusstift) an der Kempener Straße wurde belegt.

1967 wurde das Vorster Krankenhaus geschlossen; das Altenheim blieb noch einige Jahre bestehen. 1968 war die Einweihung der Gemeinschaftshauptschule. Eine Kildersmühle musste dem Ausbau der Mühlenstraße (heute Hauptstraße) weichen und ein erstes Hallenschwimmbad an der Schelthofer Straße wurde eröffnet. Am 1. Januar 1970 wurden die damaligen Gemeinden St. Tönis und Vorst nach dem Gesetz zur Neugliederung des Kreises Kempen-Krefeld und der kreisfreien Stadt Viersen zur neuen Gemeinde Tönisvorst zusammengeschlossen.[6] In St. Tönis wurde eine Realschule mit zwei Klassen in den Räumen der Schule an der Hülser Straße eröffnet. Zwischen St. Tönis und Vorst entstand das Gewerbegebiet Tempelshof. An der neuen Gemeinschaftsgrundschule im Kirchenfeld wurde der Schulbetrieb aufgenommen. 1971 wurde das Hallenbad um ein Freibad ergänzt.

Die ehemalige Wilhelmstraße wird anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Kolpingsfamilie St. Tönis in „Kolpingstraße“ umbenannt. An der Lutherstraße entstand eine evangelische Kirche. 1972 erhielt die Gemeinde ein neues Wappen. 1973 wurde ein erster kommunaler Kindergarten im Biwak eröffnet. Die Rosentalhalle in der Jahnsportanlage fiel einem Großbrand zum Opfer und wurde am gleichen Ort erneut errichtet. 1975 wurde der Kreis Kempen-Krefeld erweitert und nach dem Sitz der Kreisstadt in „Kreis Viersen“ umbenannt. Nachdem das Schulzentrum Corneliusfeld 1974 Richtfest feiern konnte, konnte die Realschule – damals Kreisrealschule – aus der Schule an der Hülser Straße ziehen und ihre Räumlichkeiten im neuen Schulzentrum beziehen.

1977 wurde der 1850 erbaute Saal „Wirichs“ im Rahmen der Ortskernsanierung abgerissen. Die Freizeitanlage „Pastorswall“ wird fertiggestellt und der sanierte Seulenhof seiner Bestimmung übergeben. 1979 wurden die Stadtrechte verliehen. 1979 wurde eine Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Sées beschlossen. 1980 war eine Festwoche zum 600. Geburtstag von St. Tönis. Die Breite Straße wurde in „Rue de Sees“ umbenannt. Es erfolgte die Eröffnung der neuen Stadtbücherei im Rathaus. 1981 wurde die Fußgängerzone Hochstraße, Rathausplatz, Antoniusstraße fertiggestellt.

1983 wurde an der Kolpingstraße gegenüber der ehemaligen Synagoge das Mahnmal zur Erinnerung an Judenverfolgung und Holocaust eingeweiht. Am 7. November 1984 fand in der Rosentalhalle ein weithin beachtetes Konzert der Kölner Rockgruppe BAP statt. Im Dezember 1984 wurde die Brauerei Rixen stillgelegt. 1985 war ein Abriss am Vorster Krankenhaus. 1986 bekam Tönisvorst ein Gymnasium. Das „Städtische Gymnasium Tönisvorst“, später umbenannt in „Michael-Ende-Gymnasium“, nahm im Schulzentrum Corneliusfeld den Unterricht auf. 1988 wurde das neue Sparkassengebäude an der Ecke Krefelder-/Ringstraße fertiggestellt. 1989 wurden die Mertenshäuser an der Kirchstraße nach Renovierung als Bürger-Begegnungsstätte mit Saal, Hotel und Gaststätte eingeweiht.

Die Sparkasse Tönisvorst fusionierte mit der Sparkasse Krefeld. Der Erlös floss in eine Sparkassenstiftung. 1994 wurde der neu gestaltete „Alte Markt“ eingeweiht und es kam dort zur Einweihung des St.-Martin-Denkmals. Im September 1995 wurde das erweiterte Seniorenheim eingeweiht. Nach Abriss des alten Hallenbades wurde an der gleichen Stelle ein neues Spaßschwimmbad eröffnet, das den Namen „H2Oh“ erhielt und mit seinem Blockheizkraftwerk auch das Neubaugebiet „Pipper“ am westlichen Ortsrand mit Nahwärme versorgte.

1995 wurde ein Minderheitsanteil (49 %) an den Stadtwerken Tönisvorst von der Stadt Tönisvorst an RWE Energie gegen Einbringung des Stromversorgungsnetzes im Ortsteil St. Tönis veräußert. Am 1. Juni 1999 übernahm RWE Energie die Stadtwerke komplett; am 1. Januar 2006 erwarben die Niederrheinwerke Viersen die Stadtwerke Tönisvorst vollständig.[7]

Ab 1996 entstanden rund 450 Wohneinheiten im Gebiet zwischen Friedrichstraße, Gelderner Straße und Biwak rund um den Düngelshof, umgangssprachlich „Pipper-Gebiet“. 1997 kam es zur Erschließung von zwei Neubaugebieten an der Willicher-/Benrader Straße und der Corneliusstraße/Südring und dem Bau von etwa 300 beziehungsweise 75 Wohneinheiten. 1999 begann eine Städtepartnerschaft mit Staré Město, Tschechien.

21. Jahrhundert

2001 wurde die städtische Kindertagesstätte (KiTa) Feldstraße vom Landessportbund (LSB) – als erste Einrichtung in NRW, die nicht in Trägerschaft eines Vereins ist – als anerkannter Bewegungskindergarten ausgezeichnet. Im März 2002 fand zum letzten Mal die Veranstaltung „Freedom Of The City“ statt. Die Fernmeldekompanie „280 (UK) Squadron“ zog von der Franziska-Kaserne nach Niederkrüchten-Elmpt. 2003 war die Erschließung des Neubaugebietes Gerkeswiese. Im Januar 2003 erfolgte die Einweihung des Neubaus der Katholischen Grundschule an der Schulstraße.

2005 war die Bürgerinitiative „Grüner Pastorswall“ an der Erhaltung der Freizeitanlage Pastorswall beteiligt. Außerdem wurde das neue Gewerbegebiet „Tacksee“ mit zahlreichen namhaften Einzelhandelsunternehmen eröffnet. Im Januar 2007 wurde ein Mitglied der Tönisvorster Freiwilligen Feuerwehr durch den Sturm „Kyrill“ während eines Sturmeinsatzes tödlich verletzt. Zudem wurde eines der Wahrzeichen der Stadt, die „Streuffmühle“, beschädigt. Ihr Flügelkreuz musste abgenommen werden. 2007 kam es zur Erschließung des Neubaugebietes „Blaumeisenweg“ am Südring/Viersener Straße. 2008 feierte der Löschzug Vorst der Freiwilligen Feuerwehr Tönisvorst sein 125-jähriges Jubiläum.

Eingemeindungen

Entsprechend dem Gesetz zur Neugliederung des Kreises Kempen-Krefeld und der kreisfreien Stadt Viersen wurden zum 1. Januar 1970 die Gemeinden St. Tönis und Vorst zu einer neuen Gemeinde mit dem Namen Tönisvorst zusammengeschlossen. In die neue Gemeinde wurden außerdem Gebietsteile der bisherigen Gemeinden Anrath, Neersen und Oedt eingegliedert. Gleichzeitig wurden Gebietsteile der bisherigen Gemeinden St. Tönis und Vorst in die Stadt Krefeld und neugebildete Stadt Kempen ausgegliedert.


Text: Wikipedia

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