Tirschenreuth

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Tirschenreuth (bairisch: Dirscharaad) ist eine Kreisstadt im gleichnamigen Landkreis im bayerischen Regierungsbezirk Oberpfalz.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Tirschenreuth.

Geschichte

Erste Besiedlung und Stadtgründung

Es ist anzunehmen, dass die ersten Siedler im Gebiet Tirschenreuths Slawen waren, die im 7. oder 8. Jahrhundert durch das Eger- und das Wondrebtal zogen und sich dort niederließen. Erst von 938 bis 1057 lassen sich erste Spuren menschlicher Aktivitäten nachweisen, als die Babenberger Markgrafen die Herrschaft über Bayern errungen hatten. Zu dieser Zeit begann von Tirschenreuth aus die deutsche Besiedlung des Egerlandes.[12] Das erste Mal urkundlich erwähnt wurde Tirschenreuth in einer Pergament-Urkunde mit dem Siegel des Regensburger Bischofs Heinrich I. von Wolfratshausen im Jahr 1134.

Der Ort befand sich 1138 im Besitz der Grafen von Leiningen, die ihn wahrscheinlich vom hohenstaufischen König Konrad III. als Lehen bekommen hatten. Danach besaßen ihn die Herren von Hartenberg und später die Grafen von Ortenburg. Ende des 12. Jahrhunderts war die Gegend schon sehr bewohnt und um ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot zu schaffen, wurde auf einer Fläche von 150 Tagwerk der obere Stadtteich zur Fischzucht angelegt.[13]

1217 tauschte das Kloster Waldsassen sein Gut Seebarn bei Rötz, dessen Überwachung und Verwaltung aufgrund der großen Entfernung schwierig war, gegen den Gutsbezirk Tirschenreuth mit weiteren kleinen Orten in der Nähe ein.[14] Unter der Herrschaft des Klosters wurde in den Jahren 1217 bis 1219 auf Veranlassung des Abtes Hermann der untere Stadtteich durch Abriegelung des Waldnaab-Abflusses angelegt. Dadurch lag Tirschenreuth auf einer Insel, die von zwei großen Teichen umgeben war. Bis zum Jahr 1260 hatte sich das Dorf Tirschenreuth so weit entwickelt, dass es Sitz eines Richters war. Um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert wurde eine Stadtpfarrkirche an dem Platz erbaut, an dem jetzt die Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt steht. Rudolf von Habsburg verlieh auf Veranlassung des Abtes Udalrich dem Ort im Jahr 1306 das Recht zur Abhaltung eines Wochenmarktes, wodurch Tirschenreuth zum Markt und die Bewohner eine bürgerliche Gemeinschaft wurden.

Begünstigt durch die Lage des Ortes an der Kreuzung der Handelswege von Regensburg und Nürnberg nach Eger entwickelte sich das Gewerbe. Um das Jahr 1330 ließ der Waldsassener Abt Johann IV. ein burgähnliches Schloss in Tirschenreuth erbauen, das nicht mehr existiert. Auf der Ostseite wurde die Stadt durch eine Stadtmauer mit halbrunden Mauertürmen und zwei Stadttoren befestigt; am südlichen Ende der Mauer entstand der Klettnersturm. Unter dem Abt Johann V. wurde Tirschenreuth 1364 das Stadtrecht verliehen, wodurch Bürgermeister und Rat die Gemeindeverhältnisse selbst ordnen durften, aber dennoch unter der Botmäßigkeit des Klosters standen.[15][16]

Reformationszeit und Dreißigjähriger Krieg

Bei einem großen Brand im Jahr 1613, entstanden im untersten Eckhaus des Marktplatzes, wurde dort beinahe die Hälfte aller Häuser zerstört. Bis hinauf zur Quergasse waren innerhalb weniger Stunden 24 Wohnhäuser und 22 Nebengebäude betroffen.[17]

Nach dem Ausbruch des Krieges 1618 diente Tirschenreuth oft als Quartier für Truppen unterschiedlicher Heere. Am 16. April 1621 kam der schottische Oberst Gray mit mehreren hundert Mann nach Tirschenreuth und drohte den Bewohnern so lange, bis sie ihm und seinen Männern Unterschlupf gewährten. Die Eindringlinge forderten Essen und Trinken sowie Futter für ihr Vieh von den Tirschenreuthern, ohne dafür aufzukommen.[18] Wenig später bezogen auch deutsche Truppen in der Stadt Quartier, um einem feindlichen Einfall aus Böhmen entgegenzukommen. Nach dem siegreichen Vordringen des bayerischen Herzogs Maximilian I. musste sich auch Tirschenreuth seiner Herrschaft unterstellen. Dem Herzog lag in den Folgejahren daran, die kalvinistisch-reformierte Oberpfalz wieder zum katholischen Glauben zu bekehren.

Nachdem im Februar 1623 Tirschenreuth in den Besitz von Maximilian I. zu Bayern gekommen war, wurde auch der Katholizismus wieder eingeführt. Von ihm erhielt Tirschenreuth 1628 auch die städtischen Privilegien zurück, die wegen der Ermordung des kurpfälzischen Beamten Valentin Winsheim entzogen worden waren. 1633 kam es erneut zu einem großen Brand, bei dem mehr als 60 Gebäude zerstört wurden.

Im März 1648 kam der schwedische General Hans Christoph von Königsmarck mit seiner Truppe nach Tirschenreuth, nachdem er die böhmische Stadt Tachau eingenommen hatte. Er ließ die Stadt besetzen und forderte sie zur Übergabe auf, was von den Bürgern abgelehnt wurde. Nachdem er den Ort zweimal erfolglos angegriffen hatte, zog er ab, um am 6. April 1648 mit zwölf Schwadronen und schwerem Kriegsgerät sowie gefangengenommenen Bauern erneut vor die Stadt zu ziehen. Dieses Mal verzichtete er auf einen Angriff, sondern ließ die Bauern den unteren Stadtteich abgraben, der Tirschenreuth zur Verteidigung diente. Die Stadt war nun zur Aufgabe gezwungen und öffnete freiwillig die Stadttore, womit man sich zum dritten Mal in diesem Krieg in schwedischer Hand befand. Die Truppen plünderten die Stadt völlig aus; Tirschenreuth war am Ende des Dreißigjährigen Krieges ein armes Städtchen geworden.

Erneute Herrschaft des Klosters und das 19. Jahrhundert

Nach dem Tod des bayerischen Kurfürsten Maximilian I. am 27. September 1651 bestieg sein Sohn Ferdinand Maria den bayerischen Thron. Um eine Neubestätigung des städtischen Freiheiten und Privilegien zu erlangen, was 1666 geschah, unterstellte sich die Stadt Tirschenreuth seiner Herrschaft. Auf Wunsch seines verstorbenen Vaters und auch aufgrund des Drängens der Kurie und des Mangels an Geistlichen und Lehrern wurden im Zuge der Rekatholisierung die Oberpfälzer Klöster, darunter auch das Kloster Waldsassen, wieder errichtet. Tirschenreuth erhielt fast seinen gesamten früheren Grundbesitz zurück, war jedoch der Oberhoheit der kurpfälzischen Regierung unterstellt.[19]

Im Jahr 1704 unterlag im Spanischen Erbfolgekrieg der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel, der mit Frankreich verbündet war, den kaiserlichen Truppen. Bereits Anfang 1703 rückten österreichische Truppen in das heutige Nordbayern vor und zum Ende des Jahres war die gesamte Oberpfalz von österreichischen Truppen besetzt. Tirschenreuth diente in den Jahren von 1703 bis 1714 immer wieder den österreichischen Soldaten als Quartier.[20] Als am 23. Juli 1708 die Oberpfalz an Johann Wilhelm von der Pfalz übergeben wurde, bekam Tirschenreuth einen neuen Landesfürsten, der der Bevölkerung bis dahin völlig unbekannt war.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Bayern durch die Säkularisation geprägt, mit der auch das Kloster Waldsassen aufgelöst, sein Besitz enteignet und an den Staat übertragen wurde. Das Gebiet, das zu Bayern kam, umfasste neben der Stadt Tirschenreuth sechs weitere Marktgemeinden sowie mehr als 170 Dörfer, Weiler und Einöden. Die Stadt gehörte nun wieder zum Kurfürstentum Bayern, das 1806 im Königreich Bayern aufging, und war nicht mehr geistlicher Herrschaft unterstellt.

Am 30. Juli 1814 ereignete sich der große Stadtbrand von Tirschenreuth, bei dem die Stadt innerhalb weniger Stunden beinahe vollständig abbrannte. Lediglich der Pfarrhof und drei benachbarte kleine Häuser überstanden den Brand fast unversehrt. Der Brandkatastrophe folgten in den nächsten Jahren Teuerung und Hunger. In der Zeit des Biedermeier und auch in den darauffolgenden Jahren blieb Tirschenreuth von Konflikten oder Kriegslasten verschont, die Bevölkerung lebte in einfachen Verhältnissen, war zufrieden und feierte Feste.[21]

Die Industrialisierung in Tirschenreuth begann in den 1830er Jahren mit der Entdeckung von Kaolin in der Nähe von Wondreb. Dies veranlasste den Geschäftsmann Heinrich Eichhorn, ab 1832 mit der Stadt und dem Landgericht über die Errichtung einer Porzellanfabrik zu verhandeln. Nach langwierigen Verhandlungen und dem Widerstand der Bevölkerung gegen das Projekt wurde ihm 1838 die Genehmigung erteilt.[22] An der neuen Straße nach Mitterteich wurde ein neues Fabrikgebäude errichtet, das 1847 um einen weiteren Brennofen erweitert wurde. Die Fabrik wurde 1927[23] von der Lorenz Hutschenreuther AG übernommen.

Das Stiftland wurde in den Jahren 1864 und 1865 an das Eisenbahnnetz mit der Eröffnung der Bahnstrecke von Wiesau über Mitterteich nach Eger angeschlossen. Tirschenreuth wurde mit einem Bogen über Wiesau umgangen. Die Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen schloss Tirschenreuth erst 1872 an das Eisenbahnnetz an, indem eine Lokalbahnstrecke von Wiesau nach Tirschenreuth abzweigte, die 1903 bis Bärnau verlängert wurde.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Auch in Tirschenreuth waren die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren. Fast zehn Prozent der Bevölkerung waren auf Fürsorge angewiesen, wofür die Stadt fast 100.000 Reichsmark ausgeben musste, also rund ein Fünftel des gesamten Stadthaushaltes. Um den hohen Ausgaben entgegenzuwirken, mussten die Steuern Ende 1930 massiv erhöht werden; außerdem wurden neue Steuern eingeführt.[24] Weiterhin verbot der Stadtrat die Einbürgerung von Ausländern, hauptsächlich Arbeitssuchenden aus dem benachbarten Böhmen. Um eine Hungersnot zu verhindern, wurden durch die Stadt kostenlos Kartoffeln und Brennmaterial verteilt; die meisten städtischen Projekte, wie etwa der Bau von Wohnhäusern oder eines Gefängnisses, mussten gestoppt werden.

Ende der 1920er Jahre radikalisierte sich auch die politische Stimmung in Tirschenreuth. So konnte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ihre Stimmen von 1928 bis 1932 beinahe verfünffachen, die Bayerische Volkspartei (BVP) blieb aber dennoch stärkste politische Kraft. Nach den großen Erfolgen der NSDAP bei der Reichstagswahl 1933 hielten die Nationalsozialisten auch bald in Tirschenreuth Einzug. Nach dem Austritt der Stadtratsmitglieder der SPD und der BVP Anfang Juli 1933 bestand dieser nun vollständig aus Nationalsozialisten, mit Ausnahme des ersten Bürgermeisters, gegen den bald darauf ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurde, das zunächst scheiterte. Bürgermeister Heinrich Mayer schied erst 1938 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Amt, das anschließend von der NSDAP übernommen wurde. Während der Novemberpogrome 1938 wurden auch Geschäfte und Wohnungen jüdischer Geschäftsleute in Tirschenreuth verwüstet. Mit Kriegsbeginn im März 1939 verschlechterte sich auch die Situation in Tirschenreuth. Alle Kraftfahrzeuge, die nicht zur städtischen Versorgung benötigt wurden, und Pferde mussten abgegeben werden. Lebensmittel wurden rationiert und Lebensmittelmarken eingeführt. Schätzungen zufolge kamen rund 250 Tirschenreuther, die in die Wehrmacht eingezogen worden waren, im Krieg ums Leben.[25]

Von Kriegszerstörungen blieb Tirschenreuth im Zweiten Weltkrieg verschont. Im Dezember 1944 explodierten einige Fliegerbomben in der Nähe von Rothenbürg, die jedoch keinen Schaden anrichteten. Gegen Ende des Krieges trafen immer mehr Kriegsflüchtlinge in Tirschenreuth ein, die in städtischen Einrichtungen und Lazaretten untergebracht und versorgt wurden. Ende des Jahres 1944 bekam die Bevölkerung von Tirschenreuth zum ersten Mal KZ-Häftlinge zu sehen. Als in der Nähe von Bayreuth ein Zug mit Häftlingen entgleiste, die ins nahegelegene Konzentrationslager Flossenbürg gebracht werden sollten, wurden diese von der SA nach Tirschenreuth getrieben und von dort weiter nach Flossenbürg gebracht.

Im April 1945 rückten die Alliierten ins Stiftland vor und nahmen zuerst den Markt Konnersreuth unter Beschuss, in dem sich noch Einheiten der Wehrmacht und der SS aufhielten. Am Abend des 20. April 1945 wurde in Tirschenreuth beschlossen, den vorrückenden amerikanischen Truppen keinen Widerstand zu leisten. In der Folge wurde der städtische Volkssturm aufgelöst, die Panzersperren wurden beseitigt und alle Waffen in der Stadt eingesammelt. Kurz vor dem Eintreffen der amerikanischen Truppen am 21. April wurde Tirschenreuth ohne Wissen des Oberkommandos der Wehrmacht in Bayreuth durch den Wehrmachtsstandortältesten als Lazarettstadt ausgewiesen und man signalisierte so, dass in der Stadt keine Waffen gelagert waren. Am 21. April 1945 um kurz nach 16:30 Uhr wurde die Stadt ohne Kampfhandlungen durch amerikanische Truppen besetzt.[26]

Nachkriegszeit und Gegenwart

Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hatte der Bahnverkehr in Tirschenreuth seinen Höhepunkt. Seitdem nahm die Auslastung auf der Strecke zwischen Wiesau und Bärnau stetig ab. Am 28. Februar 1975 wurde der Personenverkehr zwischen Tirschenreuth und Bärnau eingestellt; die Schließung des Abschnitts zwischen Wiesau und Tirschenreuth folgte am 22. September 1989 mit der letzten Fahrt eines VT 98. Tirschenreuth ist seitdem eine der wenigen bayerischen Kreisstädte ohne Bahnanschluss. Die Gleise auf der ehemaligen Bahnstrecke wurden in den letzten Jahren zwischen Wiesau und Bärnau komplett abmontiert und durch einen Fahrradweg ersetzt.[27]

In den 1990ern musste Tirschenreuth einen großen wirtschaftlichen Rückschlag verkraften. 1994 gab die Lorenz Hutschenreuther AG die Porzellanfabrik in der Bahnhofstraße in Tirschenreuth auf; die endgültige Schließung des Werkes folgte im Jahr darauf. Nach über 150 Jahren der Porzellanherstellung, durch die die Stadt bekannt geworden ist, endete damit das traditionsreiche Handwerk in Tirschenreuth. Nachdem es einige Jahre nach der Schließung einen Brand in dem Fabrikgebäude gegeben hatte, wurde es abgerissen und durch ein Einkaufszentrum ersetzt.

2004 wurde Tirschenreuth in das Förderprogramm Stadtumbau West aufgenommen und hat seitdem mehrere städtische Umbauprojekte getätigt. Das bisher größte Projekt war die Neugestaltung des Stadtzentrums mit dem gut 10.000 Quadratmeter großen Marktplatz. Zwischen 2007 und 2009 investierte die Stadt rund 4,5 Millionen Euro in die Umgestaltung des Platzes.[28] Da die Neugestaltung in der Bevölkerung umstritten war, wurde sie erst durch einen Bürgerentscheid endgültig beschlossen.

Nachdem sich Tirschenreuth bereits für die Landesgartenschau 2007 beworben hatte und gescheitert war, erhielt die Stadt den Zuschlag für die kleine Landesgartenschau 2013, die von Mai bis August 2013 stattfand. Mittelpunkt der Gartenschau war der teilweise wieder angelegte, rund sechs Hektar große Stadtteich. Seitdem steht die Fischhofbrücke – nach über 200 Jahren – wieder im Wasser und überquert nicht mehr wie bisher eine Wiese. Rund um den Teich sind Grünflächen entstanden; für den Bau eines Hotels und eines Restaurants wurden die Gebäude der ehemaligen Brauerei Schels abgerissen.


Text: Wikipedia

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