Universität Marburg

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Siegelmarke der Königl. Entbindungs- und Hebammenlehranstalt

Die Philipps-Universität Marburg (historisch Alma Mater Philippina) wurde im Jahre 1527 von Landgraf Philipp dem Großmütigen in Marburg als protestantische Hochschule gegründet. Sie ist heute die älteste protestantische Universität der Welt und gehört mit ihren über 25.000 Studenten zu den mittelgroßen deutschen Volluniversitäten. Sie besitzt in mehreren Fachbereichen (Medizin, Chemie, Psychologie etc.) ein Renommee und gilt hier als besonders drittmittel- und forschungsstark.

Geschichte

Am 1. Juli 1527 gründete Landgraf Philipp die Universität, der damals elf Professoren und 84 Studenten angehörten. Erster Rektor war Johannes Eisermann, genannt Ferrarius Montanus, aus Amöneburg. Die Hochschule nutzte zunächst in erster Linie die vorhandenen Klostereinrichtungen der Dominikaner, Franziskaner und Kugelherren. Zwei Jahre später gründete Philipp auch die Hessische Stipendiatenanstalt, das älteste Studentenwohnheim Deutschlands. Die Universität war Schauplatz des Marburger Religionsgesprächs zwischen Martin Luther, Ulrich Zwingli und Philipp Melanchthon. Im Jahr 1541 erhielt der Landgraf von Kaiser Karl V. das Universitätsprivileg, das auf dem Reichstag zu Regensburg ausgefertigt wurde und vor dem Hintergrund des Regensburger Vertrags zwischen dem Kaiser und dem Landgrafen zu sehen ist.

1542 wurde die Universität während der Pest-Epidemie vorübergehend in das Universitätsgebäude der Stadt Grünberg ausgelagert.

In der Zeit von 1580 bis 1628 war Rudolf Goclenius d. Ä. Professor für Philosophie, Logik und Ethik an der Philipps-Universität. Er versuchte, wie zahlreiche andere Professoren seiner Zeit, Melanchthons Philosophie mit der von Petrus Ramus zu verbinden. Im Jahr 1609 wurde Johannes Hartmann zum Professor für Chymiatrie berufen und erhielt damit den weltweit ersten pharmazeutisch-medizinisch orientierten Chemie-Lehrstuhl.

Als Landgraf Moritz zum Calvinismus übertrat, nahm die Universität ebenfalls das reformierte Bekenntnis an (und behielt es bis zum Ende der konfessionellen Ausrichtung 1866), was viele lutherische Professoren an die 1607 neu gegründete Gießener Universität vertrieb. Als im Jahr 1624 Marburg vorübergehend an das lutherische Hessen-Darmstadt fiel, wurde die Universität von 1625 bis 1649 mit der Gießener Universität vereinigt und danach geschlossen.

Am 24. Juni 1653 wurde die Universität durch Wilhelm VI. (Hessen-Kassel) wiedereröffnet, der den Universitätsstandort des Landes wieder von Kassel nach Marburg verlegte. Die Hochschule erlebte danach wegen der Konfessionalisierung und Finanzknappheit schwere Jahre. Im Jahr 1866 wurde die Philipps-Universität mit der Annexion Kurhessens (Hessen-Kassel) durch Preußen königlich preußische Universität mit 264 Studenten (davon 22 Nicht-Hessen) und 51 Professoren.

1785 war die Universität Landstand, da sie bei Landtagen unter den Prälaten Sitz und Stimme hatte, besonderer Teil des Landes, da sie eine eigene Jurisdiktion hatte, und geistliche Stiftung, da sie Kirchengüter besaß, und schließlich gelehrte Anstalt. Rector war der Landesherr selbst, Curator der Etats-Minister Freiherr von Flekenbühl. Der Senat wählte an jedem Neujahrstag den Prorector. Der Senat bestand aus dem Canzler, drei Theologen, sechs Juristen, zwei Medicinern und neun Philosophen. Hierzu kamen zwei Lehrer der französischen, ein Lehrer der englischen und ein Lehrer der italienischen Sprache, ein Stallmeister, ein Fechtmeister, ein Tanzmeister, ein Concertmeister, ein Mechanikus, ein Zeichenmeister. Die Bibliotek war in den juristischen und historischen Fächern gut besetzt, da Johann Georg Estor ca. 10.000 Bände gestiftet hatte. Der Ankaufetat betrug 150 Gulden (umgerechnet etwa 6000 bis 7500 Euro) jährlich. Der Universität gehörten zwei Buchhandlungen, eine Druckerei und eine Apotheke.

Nach der Übernahme durch Preußen bis zum Ersten Weltkrieg wurde die Universität allmählich ausgebaut. In diese Zeit fällt der Bau der heutigen Alten Universität durch Carl Schäfer, der als qualitätvolles Beispiel eines Profanbaus der deutschen Neogotik gelten kann. Sehenswert sind hier unter anderem die im Stile des Historismus gestaltete Aula und der Karzer für Studenten. Bedingt durch die Grundstückssituation und das Bestreben, geeignete Gebäude in Staatsbesitz zu nutzen, blieben die Einrichtungen der Hochschule – im Gegensatz zur Campus-Universität angloamerikanischer Prägung, wie z.B. in Bielefeld, Bochum und Konstanz – über die Stadt verteilt, was auch viele Vorteile für Stadt und Universität hat.

Im Jahr 1880 waren 500 Studenten eingeschrieben, und 1887 stieg die Studentenzahl erstmals auf 1000. Bis 1909 verdoppelte sie sich wiederum. Im Jahr 1908 wurden die ersten Frauen zum Studium zugelassen, und im Jubiläumsjahr 1927 war die Zahl von 3000 Immatrikulierten erreicht. Ab dem Jahr 1931 (4.387) erlebte die Studentenzahl – auf Grund geburtenschwacher Jahrgänge, ab 1933 aber auch auf Grund nationalsozialistischer Reglementierung (Beschränkung des Frauenstudiums, Ausschluss jüdischer Studenten, Vorschalten von Pflichtdiensten wie Reichsarbeitsdienst und Militärdienst vor die Immatrikulation) – einen deutlichen Einbruch.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurden 20 Marburger Hochschullehrer aus rassistischen oder politischen Gründen vertrieben. Das war mehr als ein Zehntel des Lehrkörpers. Zu den vertriebenen Hochschullehrern gehörte der renommierte Nationalökonom Wilhelm Röpke, der in die Türkei emigrierte. Der jüdische Professor für indogermanische Sprachen Hermann Jacobsohn verübte am 27. April nach seiner Beurlaubung 1933 Suizid.

Marburg verfügte historisch über ein ausgeprägtes Couleurstudententum, was wiederholt anlässlich des alljährlich am ersten Julisonntag stattfindenden Marktfrühschoppens der Verbindungsstudenten durch Gegner der Veranstaltung zu Konflikten und großen Polizeiaufgeboten führte. Marburger Verbindungsstudenten waren 1920 verantwortlich für die Mechterstädter Morde. Bis 1936 erfolgte die weitgehende Selbstauflösung der Marburger Studentenverbindungen im Zuge der Gleichschaltung der Verbindungen in Form so genannter Kameradschaften im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Nach dem Krieg wurden die meisten Verbindungen jedoch nach ihren alten, meist unpolitischen Grundsätzen wieder neu ins Leben gerufen; sie stellen heute einen eher marginalen Faktor des universitären Lebens dar.

Ab 1960 wurde die Universität wiederum ausgebaut und erweitert, auch um den Anforderungen der nach 1945 stark anschwellenden Studentenschaft zu begegnen (im Sommersemester 1964 zählte diese 8000 Köpfe). Die Neubauten des Verwaltungsgebäudes, der Mensa und des Hörsaalgebäudes beendeten die ärgste Platznot der weit über ihre Kapazitäten belasteten Universität. Daneben entstand die Philosophische Fakultät an der B3, und die alte Elisabethschule musste dem Savignyhaus der Rechtswissenschaften weichen. Die Gründung der Naturwissenschaftlichen Fakultät auf dem Campus-Gelände „auf den Lahnbergen“ (außerhalb der Stadt) fand Ende der 1960er Jahre statt. Umgesetzt wurden die dortigen Bauten im Marburger System, im ersten Fertigteilkonzept des bundesdeutschen Hochschulbaus.

In den 1970er und 80er Jahren galt die Marburger Universität und insbesondere der Fachbereich 03 „Gesellschaftswissenschaften und Philosophie“ als linke Hochburg. Bereits seit den 1950er Jahren wirkte hier der marxistische Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth. Nach 1968 wurden viele seiner Schüler der „zweiten Generation“ wie Frank Deppe, Georg Fülberth, Reinhard Kühnl und Dieter Boris auf Professorenstellen in der Politikwissenschaft und der Soziologie berufen. Auch die Vertretung der Studierenden war in den 1970er Jahren vom DKP-nahen Marxistischen Studentenbund Spartakus (MSB) und in den 80er Jahren von der Grün Bunt Alternativen Liste (GBAL) geprägt.

Die Philipps-Universität ist heute geprägt durch ihre Vielzahl an kleinen, vor allem geisteswissenschaftlichen Fächern, die zahlreiche Studienkombinationen ermöglichen. Führend in Rankings ist sie vor allem in den Naturwissenschaften, insbesondere Chemie und Biologie, ebenso wie in der Psychologie. Hervorragend ausgewiesen ist sie beispielsweise in den Materialwissenschaften und der Nanotechnologie, in der Tumorbiologie und der Mikrobiologie, in den Neurowissenschaften, auf dem Gebiet der Optodynamik, der Friedens- und Konfliktforschung sowie weiteren natur- und geisteswissenschaftlichen wie auch medizinischen Fachgebieten. Im Bereich der Forschung gilt sie als überdurchschnittlich erfolgreich, was viele hohe Auszeichnungen für Wissenschaftler der Universität, insbesondere elf Leibniz-Preise, belegen.

Bundesweit historisch ohne Vorbild ist der Verkauf des Universitätsklinikums an die Rhön-Klinikum-AG, einen privatwirtschaftlichen Klinikkonzern, zum 1. Januar 2006, nachdem es zuvor mit dem Universitätsklinikum Gießen fusioniert wurde. Das Klinikum heißt seither „Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Standort Marburg“. Im Rahmen des begonnenen zweiten Bauabschnitts des Klinikums auf den Lahnbergen sind inzwischen die beiden Neubauten des Biomedizinischen Forschungszentrums und der Zentralen Medizinischen Bibliothek eingeweiht worden, der Umzug des Mutter-Kind-Zentrums erfolgte im Sommer 2006.

In der Innenstadt ist ein neuer, „offener“ Campus für die Geisteswissenschaften in Planung, deren bisheriger Gebäudekomplex in der Wilhelm Röpke-Straße komplett aufgegeben werden soll. Die meisten naturwissenschaftlichen und medizinischen Institute dagegen bleiben weiterhin auf dem Campus Lahnberge weit außerhalb der Stadt.

Die Philipps-Universität hat zwölf Prozent ausländische Studenten, die aus über 120 Nationen kommen; Frauen machen mittlerweile über die Hälfte der Studierenden aus. Historisch gab es zahlreiche prominente Universitäts-Angehörige.

Siegelmarken

Verzeichnis der Siegelmarken mit einem Bezug zur Universität.



Text: Wikipedia

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