Waldfriedhof Halbe

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Glockenplastik

Der Waldfriedhof Halbe befindet sich in der Gemeinde Halbe bei Berlin und ist eine der größten Kriegsgräberstätten Deutschlands. Dort ruhen über 28.000 Opfer des Zweiten Weltkrieges, überwiegend im Kessel von Halbe Gefallene, aber auch hingerichtete Deserteure der Wehrmacht, Zwangsarbeiter und zwischen 1945 und 1947 Verstorbene aus dem sowjetischen Speziallager Ketschendorf.


Vorgeschichte

Als am 1. Mai 1945 die Kesselschlacht um Halbe vorüber war, fing für die wenigen Überlebenden die Bestattungsarbeit an. Es lagen etwa 40.000 innerhalb der letzten Woche getötete deutsche Soldaten und Zivilpersonen in Halbe und den umliegenden Wäldern verstreut. Bis Anfang Juni wurden in Wäldern und an Wegen provisorische Gräber angelegt - für Leichen und Leichenteile, die durch Panzer und Geschosse oft unidentifizierbar waren. Die Erfassung der Toten war zunächst sekundär.


Entstehung

Der Pfarrer Ernst Teichmann (1906-1983) aus Schierke im Harz kam nach Halbe und setzte sich dafür ein, die verstreuten Gräber zu vereinigen. Er erreichte mit Unterstützung der Berlin-Brandenburgischen Kirche, was dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wegen mancher Widerstände noch nicht gelungen war: Im Jahre 1951 begann der Bau vom Zentralfriedhof Halbe auf einem sieben Hektar großen Waldgebiet. Bis 1956 wurden dorthin über 22.000 Begrabene umgebettet, von denen dabei 8.000 identifiziert wurden. Selbst Jahrzehnte später wurden und werden noch vereinzelt Gefallene aus den Wäldern auf den Waldfriedhof gebracht.


Weitere Begrabene

Neben den unmittelbaren Opfern der Kesselschlacht wurden noch weitere Menschen begraben. In Ketschendorf bei Fürstenwalde existierte von April 1945 bis Februar 1947 ein sowjetisches Gefangenenlager (NKWD-Lager Nr. 5). Dort hielt der sowjetische Geheimdienst NKWD knapp 20.000 Deutsche gefangen, darunter viele Jugendliche. Die dort umgekommenen etwa 6.000 Menschen wurden in der Nähe in Massengräbern beseitigt. Sie wurden 1952 kurz nach ihrer Entdeckung bei Bauarbeiten auf Initiative Pfarrer Teichmanns nach Halbe überführt. Den restlichen eher kleinen Teil der auf dem Waldfriedhof Begrabenen bilden Soldaten, die die Wehrmacht hinrichten ließ sowie ausländische Internierte und Zwangsarbeiter.


Erinnerungskultur der DDR und Neonazi-Aufmärsche nach 1990

Die Regierung der DDR ließ die Welt soldatischer Erinnerung über Jahrzehnte hinweg nicht in die Räume öffentlichen politischen Gedenkens vordringen. Deswegen tat sie sich mit Soldatengräbern sehr schwer und sie reagierte oft erst auf den Druck kirchlicher Instanzen oder des Auslands. Die Kriegserfahrung wurde nur thematisiert, wenn sie sich für die Auseinandersetzung mit dem Westen funktionalisieren ließ, sich mit ihr der offizielle Antifaschismus oder die Freundschaft mit der Sowjetunion inszenieren ließ. Erst im Juli 1971, im Zusammenhang mit dem Antrag der DDR auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen, fasste der Ministerrat einen Beschluß über die Behandlung von Gräbern Gefallener und ausländischer Zivilpersonen.

In der Zeit der DDR blieb der Waldfriedhof Halbe von geschichtspolitischen Deutungsmustern verschont. Das änderte sich nach der politischen Wende in der DDR und der deutschen Wiedervereinigung. Er wurde zu einem Wallfahrtsort von Alt- und Neonazis. Höhepunkte waren dabei die Aufmärsche zum Volkstrauertag 1990 und 1991 mit mehreren tausend Teilnehmern der rechten Szene aus der gesamten Bundesrepublik. Mit ihrer Gedenkveranstaltung für die gefallenen Soldaten aus den Reihen von Wehrmacht, Waffen-SS und Volkssturm knüpfen sie an die zuerst in der Weimarer Republik eingeführten Heldengedenken an. Erschreckt durch die hohe Zahl marschierender Rechtsextremisten und ihrem martialischen Auftreten verbot in den folgenden Jahren die Versammlungsbehörde das Heldengedenken in Halbe.

Aufgrund einer veränderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheiterten die Verbotsabsichten der Behörden 2003. Unter dem Motto „Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten“ durften ca. 700 Anhänger der „Freien Kameradschaften“ erstmals wieder zu den Klängen klassischer Musik Kränze am Waldfriedhof ablegen. Die Aufmärsche in Halbe werden seither zumeist von dem Kameradschaftsverbund „Widerstand Nord“ organisiert und von dem selbsternannten führenden Kopf der Bewegung Christian Worch angemeldet.

Das Heldengedenken hat für die rechtsextreme Szene in erster Linie eine integrative Funktion. Ähnlich wie in Wunsiedel beim Rudolf-Heß-Gedenkmarsch erhoffen sie sich auch in Halbe die Beteiligung von Tausenden aus nationalen und internationalen Neonaziorganisationen. Schien der offene Bezug auf den Nationalsozialismus zwar verhaltener als bei den nazistischen Veranstaltungen Anfang der 1990er Jahre, erfüllte die Ehrung von Wehrmachtssoldaten und Soldaten der Waffen–SS doch den gleichen Zweck – die Schaffung eines positiven Bezugs zum Nationalsozialismus.

Zum Samstag dem 17. September 2005 hatte Christian Worch das letzte Mal zu einem Gedenkmarsch in Halbe aufgerufen. Zu diesem Aufmarsch wurden etwas mehr als 100 Anhänger der Rechten Szene erwartet. Zur Sicherung des Gedenkmarsches wurden etwa 200 Polizisten, sowie ein Hubschrauber nach Halbe verlegt. Zum eigentlichen Gedenkmarsch kamen jedoch nur etwa 25 Personen (ein Großteil davon Jugendliche, die kaum volljährig waren), sodass auf einen Demonstranten 8 Polizisten zur Sicherung kamen.

Um ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus zu setzen und Präsenz zu zeigen, wurden jeweils Stände der SPD, CDU und PDS aufgebaut. Da dieser Aufmarsch jedoch kurzfristig geplant war, konnte keine offizielle Gegendemonstration organisiert werden. Somit wurde die Präsenz der Parteien als Wahlveranstaltung zur Bundestagswahl 2005 getarnt. Mit dem Eintreffen der rechten Demonstranten wurden die Stände und Plakate der Parteien durch die örtlichen Polizeieinsatzkräfte verdeckt, da sich Sprüche gegen den Rechtsextremismus auf Bannern vor den Ständen befanden. Laut Polizei waren diese Banner nicht mit der Wahlveranstaltung in Einklang zu bringen, so dass diese für die Demonstranten nicht sichtbar zu sein hatten. Des Weiteren wurden Bewohner der Dorfes während des Aufmarsches in Sicherheitsgewahrsam genommen, nach dem sie kleine DIN A4-Zettel mit der Aufschrift "Gegen Rechte Aufmärsche" vor der Demonstration sichtbar getragen hatten.

Sowohl im November 2005 als auch im März 2006 marschierten erneut Rechtsextremisten in Halbe auf. Während die Demonstration am 12. November durch die Nichträumung einer Blockade vereitelt wurde - was in der rechtsextremistischen Szene zu Unmutsbekundungen führte - verlief die Demonstration am 11. März 2006 mit nahezu 1000 Teilnehmern störungsfrei. Künftig - so die Rechtsextremisten - sei es geplant jeweils zweimal im Jahr in Halbe aufzumarschieren. Neben einer Instrumentalisierung des Volkstrauertages für seine Zwecke beabsichtigt das rechtsextremistische Spektrum, die Tradition der "Heldengedenken" aus der Zeit der Weimarer Republik und dem 3. Reich wiederzubeleben. Diese Feierlichkeiten fanden jeweils am 5. Sonntag vor dem Osterfest statt. Nach Ende des 2.Weltkrieges wurde in der Bundesrepublik der Gedenktag für die Kriegstoten in „Volkstrauertag“ umbenannt und entnazifiziert. Mit den fünf Kreuzen der Kriegsgräberfürsorge und der Verlegung an das Ende des Kirchenjahres, das mit dem Totensonntag schließt, wurde der Gedenktag in den Bereich christlicher Symbole und Denkfiguren verschoben.


Änderung des Versammlungsrechts 2006

Künftig werden Aufmärsche im Bereich des Friedhofs verboten. Der Landtag von Brandenburg hat am 25. Oktober 2006 mit breiter Mehrheit gegen die Stimmen der DVU ein "Gesetz über Versammlungen und Aufzüge an und auf Gräberstätten (Gräberstätten-Versammlungsgesetz- GräbVersammlG)" verabschiedet. Das Gesetz trat am 31. Oktober in Kraft.

Am 18. November, dem Vortag des Volkstrauertages, wollten Neonazis erneut zu einem "Heldengedenken" an Deutschlands größtem Soldatenfriedhof in Halbe aufmarschieren. Wegen der Änderung des Versammlungsrechts meldeten sie die Zufahrtsstraße zum Waldfriedhof als Kundgebungsort an, dies wurde jedoch von den Ordnungsbehörden nicht stattgegeben, da dort Anmeldungen für eine zeitgleiche wesentlich größere Gegendemonstration vom landesweiten "Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit" (Tag der Demokraten) vorlagen. Nachdem die Neonazis in den vergangenen Jahren mehrfach Genehmigungen für ihre Veranstaltungen erhalten hatten, räumte das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) dieses Mal dem Aktionsbündnis Vorrang ein. Den Neonazis wurde der Bahnhofsvorplatz in Halbe als Versammlungsort zugewiesen. Hiergegen gerichtete Eilanträge der Neonazis beim Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg blieben erfolglos. Das Bundesverfassungsgericht wies einen hiergegen gerichteten Eilantrag des Neonazis Lars Jakobs ab. Die Rechtsextremisten wichen daraufhin nach Seelow aus, dem Ort der Schlacht um die Seelower Höhen, wo Christian Worch vorsorglich eine Demonstration angemeldet hat.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Clemensfranz

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