Werl

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Die Wallfahrtsstadt Werl ist eine Stadt in Nordrhein-Westfalen, Deutschland, und gehört zum Kreis Soest im Regierungsbezirk Arnsberg. Seit dem 14. Januar 2015 darf sie den offiziellen Namenszusatz Wallfahrtsstadt führen.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Werl.

Geschichte

Mesolithikum bis Antike

Nacheiszeitliche Jäger und Sammler (10. Jahrtausend v. Chr.)

Die ältesten menschlichen Spuren, nämlich von Angehörigen der letzten Jägerkultur, traten im Werler Umkreis im Jahr 2011 zu Tage, als die Kreisstraße 18n gebaut werden sollte, und sich bei Werl-Büderich mesolithische Artefakte fanden. Die dortige, 65 bis 70 cm unter dem heutigen Niveau befindliche Freilandfundstelle mit einer Fläche vn 34 m² barg zudem zahlreiche Knochen, eine Fundsituation, die am Hellweg einmalig ist. Als Beutetiere ließen sich auf dieser Grundlage Rothirsch, Reh, Wildschwein und Fuchs nachweisen. 156 der 188 Steinartefakte bestehen aus Baltischem Geschiebefeuerstein, der durch die Gletscher der Saale-Kaltzeit südwärts transportiert worden war; hinzu kommen Stücke aus schwarzem Kieselschiefer und ein aus südlicheren Gegenden stammendes Quarzitwerkzeug. Zwei Aktivitätszonen sind erhalten, nämlich ein Bereich, in dem Werkzeuge repariert und hergestellt wurden, dazu eine Feuerstelle, über der auch Birkenpech zum Zusammenkleben von Werkzeugteilen erweicht wurde, vor allem von steinernen Spitzen (Mikrolithen) und Pfeilschäften. An der anderen Stelle wurden die Beutetiere zerlegt und Abfälle deponiert. Der wohl erheblich größere, nicht erhaltene Teil des Lagerplatzes, ist der Erosion und der Bodenbearbeitung zum Opfer gefallen, so dass nur der Rand des Lagerplatzes erhalten blieb. Zunächst in die Zeit zwischen 8600 und 7100 v. Chr. datiert[3] konnte dies mit Hilfe der Radiokohlenstoffmethode anhand eines Holzkohlestückes auf 9369 ± 45 v. Chr. korrigiert werden. Damit zählt der Platz zu den ältesten mesolithischen Fundplätzen.[4]

Bauern und Hirten (ab Mitte 6. Jahrtausend v. Chr.)

Als erste Angehörige bäuerlicher Kulturen, die letztlich mitsamt ihrem Vieh aus dem Nahen Osten zugewandert waren, sind Bandkeramiker nachweisbar. Sie siedelten am Salzbach, am heutigen Salinenring und auf dem Gebiet der heutigen Unnaer Straße. Die ausgedehnte Siedlung ist durch etliche Scherbenfunde, einige Werkzeuge aus Feuerstein und Brandspuren sowie Pfostenlöcher belegt. Die Menschen lebten in einfachen Fachwerkhäusern und bauten verschiedene Getreidesorten an. Haustiere waren Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und später auch Pferde. Auch südlich von Werl, hinter Wulfs Appelhof, wurde eine bandkeramische Siedlung durch verschiedene Grabungsfunde belegt.

Vier Siedlungsplätze aus der Rössener Kultur, die im Raum Werl zwischen 4800 und 4300 v. Chr. nachgewiesen ist,[5] wurden im Stadtgebiet gefunden, davon zwei im Stadtwald und auf dem Höhenzug des Melsterberges in Richtung Scheidingen und zwei im städtischen Umland der Hellwegebene. 2002 wurde Auf dem Klei eine neolithische Siedlung aufgedeckt. Die Siedlungen der Rössener Kultur orientierten sich ganz überwiegend „an der hohen Bodengüter der Hellwegzone swie an den weiteren Lössinseln der Region“ (S. 206), es wird aber auch eine Expansion auf Sandböden und in die Mittelgebirge erkennbar.[6]

Metallzeitalter (ab 2. Jahrtausend v. Chr.), Salzgewinnung

Grabhügel aus der Bronzezeit, in dieser Region als „Hügelgräberbronzezeit“ bezeichnet, die um 1600–1300 v. Chr. bestand, finden sich im Gebiet des Werler Stadtwaldes.[7] Beim Bau von Militäranlagen hat man bei Notgrabungen einige dieser Hügel abgetragen, die Fundstücke inventarisiert und einen der Hügel beispielhaft schichtweise kartiert.

Bei Grabungen an der Bäckerstraße wurden Briquetagen vom Ende der vorrömischen Eisenzeit gefunden. Die aus Lehm gebrannten Stützfüße wurden in ein Feuer gestellt und dienten als Untersatz für Tontöpfe, in denen Salzwasser verdampft wurde. Sie sind das älteste Zeugnis der Salzgewinnung im Stadtgebiet,[8] und stammen aus der Zeit um 800 v. Chr.

Grafen von Werl (ab etwa 900)

Um 850 wurde erstmals urkundlich Salzgewinnung in Rithem erwähnt. Die Stadt lag auf einem Vorsprung des Haarstranges nach Norden, was sie zu einem idealen Standort für eine Burg machte. Die im gesamten norddeutschen Raum einflussreichen Grafen von Werl zogen um 900 von Meschede nach Werl und erbauten die Werler Grafenburg, die nicht an der Stelle der erst 1519 erbauten Kurkölner Landesburg lag. Ihre genaue Lage ist bisher nicht erforscht. Die „curtis dicta Aldehof“ wird teilweise in der Nähe des Werler Marktes verortet, teilweise vor der Stadt, jedoch fehlen eindeutige schriftliche Belege oder architektonische Überreste.[9] Um 950 entstand eine in Kreuzform angelegte Eigenkirche, deren Fundamente ergraben werden konnten. Erbauer war Graf Hermann I.; die Kirche wurde 1197 an das Prämonstratenserstift Wedinghausen bei Arnsberg verschenkt. Graf Hermann war mit Gerberga, einer Tochter des burgundischen Königshauses, verheiratet. Diese heiratete nach dem Tod Hermanns den Schwabenkönig Hermann II. und wurde Mutter der späteren Kaiserin Gisela von Schwaben (990–1043).

Graf Hermann und seine Mutter Gerberga von Burgund wurden 1000 urkundlich genannt. Die Versammlung der sächsischen Großen fand 1002 in Werl statt. Nach dem Tod Ottos III. wurde eine Wahl notwendig. Heinrich II., Herzog von Bayern, der ebenfalls dem Haus der Ottonen angehörte, erhielt die feierliche und unbedingte Zusage, dass nur er gewählt werden solle. Die anderen Thronbewerber, Herzog Otto von Kärnten, Hermann von Schwaben und Ekkehard von Meißen, mussten verzichten. Auch die anderen deutschen Stämme pflichteten der in Werl getroffenen Wahl bei. So wurde Heinrich am 6. Juni 1002 von Erzbischof Willigis in Mainz feierlich gesalbt und gekrönt.[10] Der spätere Kaiser Heinrich wohnte 1008 einer in Werl abgehaltenen Synode bei. In der Fastenzeit des Jahres 1013 war der König in Werl und stellte dort mehrere Urkunden aus. Auch wurde eine Diözesanstreitigkeit zwischen den Bischöfen von Hildesheim und Mainz geklärt. Als einer der Zeugen war der Werler Graf Bernhard I. anwesend. Der König erkrankte bei diesem Besuch und musste fünf Wochen hier verbringen.[11]

Im Jahre 1024 wurde Werl erstmals mit dem Ortsnamen Werla erwähnt. Der zweite Teil des Namens Werla (la= Loh= Eichwald) deutet an, dass die Ursprünge der Stadt in einem Eichwald lagen. In diesem Jahr starb auch Kaiser Heinrich. Er hatte Konrad den Salier als seinen Nachfolger ausersehen. In Heinrichs Auftrag hatte sich Bischof Meinwerk von Paderborn an den Grafen Hermann von Werl gewandt, der ein Geschwisterkind von Kaiser Heinrich war. Hermann von Werl sollte die sächsischen Fürsten im Werler Schloss versammeln und eine Vorwahl abhalten. Es erschienen zu dieser Wahl: Bischof Meinwerk von Paderborn, Thiemar, der Bruder des Herzogs von Sachsen, Graf Siegfried von Stade, Graf Benno, Graf Amelung und andere. Die Vorwahl Konrads, des späteren Kaisers Konrad II., kam zustande. Er war der Urenkel von Luitgarde, der Tochter Kaiser Ottos I. Konrads Ehefrau, die Kaiserin Gisela, war die Tochter des Werler Grafen Hermann I. und dessen Gemahlin Gerberge von Burgund. Somit war Graf Hermann II. von Werl ein Vetter Kaiser Heinrichs II. und Schwager Kaiser Konrads.[12]

Im Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst schlug sich 1085 das Grafenhaus auf die Seite des Kaisers – Graf Heinrich II. von Werl wurde zum Bischof von Paderborn ernannt. Die Brüder des Grafen Heinrich, die Grafen Liupold und Konrad, teilten die Grafschaft in gleich große Bezirke auf: Lupold wurde Graf von Werl, Konrad Graf von Arnsberg. Die älteste in Werl geprägte Münze, etwa 1092 geprägt, zeigt den Grafen Konrad von Werl-Arnsberg. Graf Lupold schenkte 1100 der Kölner Kirche seinen Besitz. Neben der gräflichen Pfarrkirche baute der Erzbischof von Köln eine Nikolauskapelle. Pfarrer Albertus wurde erwähnt, (früheste Erwähnung eines Pfarrers). Die Werler Pfarrkirche wurde 1197 vom Grafen von Arnsberg an das Stift Wedinghausen verschenkt. Bis 1803 stellten die Stiftsherren den Pfarrer von Werl.

Stadtrecht (1218), Zerstörung (1288) und Wiederaufbau, Erbsälzer

1218 (im Juli?) erhielt das Dorf Werl vom Erzbischof Engelbert I. von Köln die Stadtrechte verliehen. Die Erbsälzer von Werl wurden 1246 erstmals genannt. Im Jahre 1272 erhielt die Stadt Werl das liberalere Rüthener Recht verliehen. Graf Engelbert von der Mark zerstörte bei einem Überfall die Stadt. Sie wurde in kleinerem Umfang wieder aufgebaut. Immer wieder geriet Werl zwischen die Fronten der unterschiedlichen Landesherren; daher wurde die Stadt häufiger zerstört, von ihren Bürgern aber auch unermüdlich aufgebaut. So nahmen die Truppen des Grafen Eberhard I. von der Mark im Limburger Erbfolgestreit die Stadt Werl nach der Schlacht von Worringen 1288 ein und zerstörten sie. Die Stadt wurde nur in verkleinertem Umfang wieder aufgebaut, der der heutigen historischen Altstadt entspricht. Die Streitparteien um die Marker Grafen Eberhard I. und Engelbert II. von der Mark sowie den Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg mit Wigbold von Holte einigten sich 1314/15 auf eine Entschädigung wechselseitiger Ansprüche. Dazu gehörte eine Gegenleistung für die zerstörte Behausung des Arnsberger Grafen durch den Marker Grafen Eberhard I. („…mansionem comitis de Arnsberg… prope Werle sitam sine iudicio violenter destruxit, …“). Die Formulierung prope Werle (bei/nahe Werl) deutet darauf hin, dass die alte Grafenburg vor den Toren der Stadt lag.[13]

Zahlreiche Zerstörungen durch Überfälle und Feuersbrünste bedingten eine andauernde Erneuerung des Stadtbildes. Nur wenige Gebäude, unter anderem die heutige Propsteikirche St. Walburga, das Haus Rykenberg (heute Städtisches Museum) und einige wenige weitere Steinbauten blieben weitestgehend verschont.

Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Stadt nach Ratsverfassung verwaltet. Der Rat bestand aus zwei Bürgermeistern und zehn Ratsherren. Diese wurden aus vier Gilden, Erbsälzer, Kaufleute, Bäcker und Ackerleute, gewählt. Die Erbsälzer hatten das Privileg, aus ihren Reihen jeweils einen Bürgermeister und fünf Ratsherren zu stellen. Die daraus resultierenden Spannungen wurden erst 1725 mit dem Ausscheiden der Erbsälzer aus dem Stadtverband, nach Adelung, bereinigt.[14] Die älteste Aufzeichnung des Werler Sonderrechts datiert vom 25. Februar 1324 (Gerichtsbarkeit, Ratswahl, Erbrecht). Werl zwang am 16. März 1326 die örtlichen Burgmannen des Erzbischofs zur Zahlung von Abgaben und zur Leistung von Wachdiensten, wie alle anderen Werler Bürger. Das Georgshospital vor dem Büdericher Tor wurde am 2. Mai 1326 vom Rat gestiftet. Das Werler Rathaus wurde erstmals am 15. Februar 1327 erwähnt. Ein Streit entbrannte 1381 zwischen den Erbsälzern und den anderen drei Gilden; es ging um die Besetzung der Ratsstellen. Am 16. Februar 1382 wurde der Streit von Erzbischof Friedrich III. geschlichtet. Den Erbsälzern wurde das Recht zugestanden, eine eigene Gerichtsbarkeit zu haben, sie mussten allerdings im Gegenzug Schatzung und Wachdienst, wie die Mitglieder anderen Gilden, leisten.

Erneute Zerstörung (1389), im Bund mit Kölner Erzbischof In einer Fehde zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Grafen von der Mark wurde 1389 die Stadt zerstört und anschließend wieder aufgebaut.[15] Nachweislich leistete der erste Fußbote als Bote der Erbsälzerstadt Werl den Boteneid. Er wurde im selben Jahr in das angelegte Stadtbuch eingeschrieben. Diese Fußboten gingen z. B. auf Flerke und Corvey oder sogar Köln. Die Entlohnung erfolgte häufig in Naturalien, z. B. ein Paar neue Schuhe. Die Boten trugen als Zeichen ihrer Tätigkeit das sogenannte Drüsselschild. ein Schild mit dem Stadtwappen auf der Brust. Sie waren die Vorläufer der Postbediensteten.[16] Werler Bürgereid 1420: „Jn den Jaren unses leyven Hern Jhesu Chrisit MCCCC twintich up Nygenjars Dach do wort dit gescreven. So wey irst Borgere wirt: Deme langet men irst dey Borgerscap mit der Hant dan stavet eme dey Borgermestere zo den Eyd und secget: Dat ik vortmer na dissem Dage will truwe und holt wezen dem guden Hern sonte Petere ind unsem lieven gnedigen Hern van Colne ind der Stait to Werle ind al den Borgeren dar enbynnen as eyn Borgere dem anderen to Rechte sal. Dat my so Got helbe und dey Hilgen“ aus dem Stadtbuch von 1419. Ein Gewitter am 4. Mai 1428 richtete mit einer Flut starke Schäden an, Hausrat wurde aus den Gebäuden geschwemmt, Vieh ertrank, die Stadtmauer stürzte teilweise ein.

Die Stadt trat 1437 der Erblandvereinigung der westfälischen Ritter und Städte bei. Während der Soester Fehde von 1444 bis 1449 hielt Werl, im Gegensatz zu Soest, treu zum Erzbischof von Köln und musste große Verluste und Schäden hinnehmen. Der Erzbischof belohnte die Stadt 1450 mit der Verlegung des geistlichen Gerichtes für Westfalen von Soest nach Werl. Eine Marktordnung für die sechs Werler Märkte trat 1460 in Kraft. Es handelte sich um die Märkte zu St. Walburga, Sonntag nach Mariä Heimsuchung, Petri Kettenfeier, Kreuzerhöhung, Viehmarkt am 30. Oktober und an Nikolaus. Bürgermeister Hunold Greve versuchte 1481 und 1482 die Übermacht der Sälzer im Rat zu brechen. Am 10. November 1485 gelang dem Kölner Erzbischof die Schlichtung der Streitigkeiten. Er billigte den Erbsälzern, auf Grund alter Gewohnheit, das Recht auf die Hälfte der Ratssitze zu. Die Stadt wurde am 2. März 1486 durch ein Großfeuer etwa zur Hälfte zerstört. Die althergebrachte Ulrichsprozession von Werl nach Soest wurde 1504 für immer eingestellt. Grund war die Feindschaft mit Soest während der Soester Fehde. Als Vorzeichen der Reformation gab es am 7. Dezember 1515 Unruhen gegen den Erzbischöflichen Drosten. Die Anführer (Rudack, Knirfe und Batwinder) ließ Erzbischof Hermann hinrichten. Eine wichtige gesellschaftliche Gruppierung war die Kalandsbruderschaft in Werl.

Pest (1528, 1580/81, 1613, 1617), Stadtbrände (1549)

Die Stadtentwicklung in der frühen Neuzeit wurde durch unterschiedliche Ereignisse erheblich beeinflusst. Erzbischof Hermann von Wied erbaute um 1522 die Werler Landesburg als Teil der Stadtbefestigung, als Gegenleistung lieferte der Rat der Stadt ihm ein Stadttor (die Barspforte) aus. Eine Pestepidemie brach 1518 aus.[15] Eine weitere Pestepidemie forderte 1528 etliche Opfer. Am 22. April 1549 brannte die Stadt etwa zur Hälfte ab. Der Zimmerknecht Gerd Balken legte am 13. März 1550 Feuer in der Stadt. Es brannten 107 Häuser ab. Der Brandstifter wurde in der Steinkuhle hingerichtet. Als gemeiner Verbrecher verurteilt, wurde er in vier Stücke gehauen und an den vier Seiten der Stadt an halbhohen Galgen aufgehängt. Den Kopf setzte man oben auf das Steintor. Während der Pest 1580/81 sollen etwa 2200 Menschen gestorben sein.

Konfessioneller Streit, Dreißigjähriger Krieg, Hexenprozesse

Gebhard I. von Waldburg, Erzbischof von Köln, verbot 1583 die Ausübung des katholischen Glaubens in Werl. Der Pfarrer Bernhard Tütel sollte gefangen genommen werden, aber er entzog sich dem Zugriff durch Flucht. Später war er wieder Pfarrer in Werl; sein Grab befindet sich in der Propsteikirche.[17] Werl wurde 1584 wieder katholisch. Im Jahr 1586 nahm Martin Schenk von Nideggen die Stadt ein. In der Schlacht bei Werl besiegte er ein Aufgebot des Herzogtums Westfalen, bevor er wieder abzog. Zwei weitere Pestepidemien forderten 1613 und 1617 etliche Tote.

Kaiserliche Truppen unter General Johann von Götzen vertrieben am 29. September 1636 die Hessen und plünderten anschließend die Stadt. Sie schleppten abermals die Pest ein. Die Kapuziner kamen 1645 nach Werl. Am 4. März 1657 brach des Nachts ein Feuer aus und zerstörte innerhalb von zwei Stunden 125 Wohnhäuser, 42 Salzhäuser und 30 Scheunen und Speicher. Unter Vorsitz von Bürgermeister Caspar Gödde legte der Rat am 21. März 1657 ein Gelübde ab: Auf ewige Zeiten sollte am 4. März eine Brandprozession gehalten werden.

Im Jahr 1661 wurde den Kapuzinern das Gnadenbild Werl, eine Marienstatue aus dem 12. Jahrhundert, übergeben. Die Kapuziner begannen umgehend mit der Organisation der Wallfahrt zu diesem bereits über Jahrhunderte in der Soester Wiesenkirche verehrten Gnadenbild. Unzählige Pilger haben seit dieser Zeit das Bild der Muttergottes in der Wallfahrtsbasilika besucht. Brandenburgische Truppen belagerten die Stadt 1673, zogen allerdings ohne Erfolg wieder ab.[18] Neben den Erbsälzer entwickelten sich die üblichen Handwerksbetriebe, und Ackerbürger bestellten ihre Äcker vor den Stadtmauern, während sie in deren Schutz lebten.

In der Zeit der Hexenverfolgungen um 1630 leitete Hexenkommissar Heinrich Schultheiß die Hexenprozesse in Werl.

Es gibt eine unvollständige Liste von Hexenverbrennungen von 20 Opfern der Hexenprozesse, die zum Gedenken und als Ermahnung erhalten wird. Verbrannt worden sind wohl an die 70 Frauen, die als Hexen angeklagt wurden. Der Rat der Stadt Werl sprach am 15. Dezember 2011 einstimmig eine sozialethische Rehabilitation für die Opfer der Hexenprozesse aus.

Beschreibung des Stadtbildes im 17. Jahrhundert

Die Stadtkirche auf dem Gelände der ehemaligen Grafenburg und der große Marktplatz bildeten den Mittelpunkt des Ortes. Die Stadttore waren etwa gleich weit vom Ortsmittelpunkt entfernt.[19] Der Grundriss der befestigten Stadt richtete sich an zwei sich etwa in der Mitte kreuzenden Straßen aus, die jeweils in die Stadttore mündeten. Wichtigstes Gebäude war das 1519 gebaute kurfürstliche Schloss, diese Landesburg war gleichzeitig Teil der Stadtbefestigung. An jedem der vier Stadttore war ein Wappen angebracht. An den freien Markttagen und zu besonderen Gelegenheiten wurden auf den Toren und auch auf dem Kirchturm und dem Rathaus, weithin sichtbar, Fahnen gehisst. Die vorbeikommenden Händler, Kaufleute und Reisenden sollten so auf das besondere Ereignis hingewiesen werden. Bei den Toren mündeten mehrere Straßen und Gassen, etliche Wege und Gassen durchzogen die Stadt und gewährleisteten schnelle Erreichbarkeit. Einige Straßen, wie die Steinerstraße, waren gepflastert.[20]

Der Torturm war über eine Zugbrücke erschlossen; daneben stand außerhalb der Befestigung ein kleines Heiligenhäuschen mit einer Figur der schmerzhaften Mutter. Die Inschrift lautete: „Die ihr ein- und ausgehet, grüßet von Herzen Maria, unsere Mutter voll der Schmerzen.“ Daneben auf dem Gelände des heutigen Kindergartens an der Steinerstraße befand sich der Totenacker. An der Kreuzung des Hellwegs mit der Straße in Richtung Ense stand die Liebfrauenkirche, das Volk nannte sie Lawrakerk. Möglicherweise handelte es sich bei dem Bau um eine Dankstiftung, eine erste nachweisbare Erwähnung erfolgte 1563 als leven Frouwen Kerck; vermutlich war die Kirche wesentlich älter. Sie war wohl recht groß und gut ausgestattet. Auf einem Wallfahrtsbild von 1661 ist der Turm abgebildet, darin hingen drei Glocken. Im Jahr 1629 wurde als Patrozinium das der Ursula genannt; eine in Paderborn gekaufte Pietà hatte hier ihren Platz. Ein Anbau an der Südseite bot den Pilgern und Reisenden Schutz- und Rastmöglichkeiten. Der Erzbischof von Köln machte anlässlich des Abbruchantrages die Auflage, anschließend ein Bild eines Heiligen auf dem Ort der Capelle zu bauen. Die Stadt baute eine Prozessionsstation, die „den geistlichen Verrichtungen angemessen war“. Die Straße vom Hellweg zum Steinertor wurde Steinersteinweg genannt, sie führte entweder in die Stadt oder zum kleinen Galgen sowie zu den großen Steinbrüchen, den sogenannten Stenkuhlen. Am Kreuzkamp befand sich wohl der alte Versammlungsplatz der Steinerhofe, der Platz war als Freifläche mit Kreuz und Sitzgelegenheiten gestaltet.[21]

Am Hellweg stand in der Nähe eines Schlagbaums ein Wärterhäuschen, dessen Posten hier von vorbeiziehenden Fuhrleuten Wegezoll erhob. In Richtung Westen stand die Antoniusklause mit Kapelle, sie wurde 1311 gestiftet. Der Klausner bot Übernachtungsmöglichkeiten sowie Kost. Er braute Bier und sammelte in der Stadt Futter für sein Vieh. An der Ecke Wickeder Straße / Hellweg stand bis 1935 ein Kreuz, das an ein Heiligenhäuschen mit einer Figurennische erinnerte. Im Protokoll über die Abänderung der Prozession Mariä Heimsuchung von 1667 ist zu lesen: „von der Antoniusklause geht die Betfahrt nach St. Georgii Capelle, 700 Schritt weiter, woselbst gleichfalls gewisse Collekten gesungen und den armen Sichen oder Leprosen Allmosen gegeben wird“. Diese Kapelle gehörte zum Siechenhaus, das 1330 gestiftet wurde, um kranke Durchreisende zu betreuen; danach diente das Gebäude als Wohnung für Lepröse und andere Kranke. Auf dem Grundstück befanden sich noch ein Mehrzweck- sowie ein Waschhaus, ein Garten und ein Friedhof und ein Brunnen; das Gelände war mit einer Mauer umfriedet. Von dem Turm der Kapelle konnte der Reiseverkehr auf dem Hellweg beobachtet werden.

Bei der Steinerbrücke, in der Nähe des Schlosses, stand zwischen zwei Bäumen ein Kreuz, der Platz diente später der Neuerhofe als Tyggeplatz. Die Straßenbezeichnung Steinerbrücke deutet auf eine ehemalige Brücke aus Stein hin, über die der Weg zur Badevortspforte führte. Vor dem Außenwall der Liebfrauenstraße befand sich ein Weingarthen; über die Qualität des Weines gibt es keine Überlieferungen. Vermutlich geht der Weinanbau auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zurück; in dieser Zeit herrschten mildere Klimabedingungen. Beim Büdericher Tor lag der Tyggeplatz der Büdericherhofe. Hier stand das Heiligenhäuschen Muttergottes in der Not. Nach trivialen Überlieferungen soll ein fremder Reiter eines Abends beim Durchreiten des Tores das Bild der Schmerzhaften Mutter verspottet haben. Kaum war das letzte Wort gefallen, stürzte er vom Pferd und starb kurz darauf. Nahe der Stelle habe man ihn verscharrt. Als nach einiger Zeit aus der Grabstelle eine Lilie aufblühte, zeigte die Blüte die Inschrift: „Vom Steigbügel bis zur Erd hat sich dieser Sünder bekehrt.“ Am nördlichen Teil des Mühlenweges hat nach Angaben von Franz Lotze „vorzeiten eine alte Kapelle gestanden“. „Rote Säulen trugen das kleine Dach des Rundbaues. Eines Morgens war die Kapelle verschwunden. Sie war in die Tiefe gesunken, ein kreisrunder Teich nahm ihre Stelle ein. Noch eben ragte die höchste Spitze des Daches aus dem Schlamme in der Mitte des Teiches hervor. Zuweilen klingt es aus der Tiefe. Es sind die Glocken, die noch immer zum Gebet rufen.“[22]

An den Hauptstraßen hatten überwiegend Handwerker, Fuhrleute, Händler, Herbergen und Wirtschaften ihre Wirtschafts- und Wohngebäude. Die Honoratioren und Burgmänner, aus denen die Erbsälzergeschlechter hervorgingen, siedelten ebenfalls hier. Später siedelten die Sälzer überwiegend auf dem Salzplatz und in den Außenbezirken, da hier weniger Gedränge als in der Innenstadt herrschte und die Brandgefahr geringer war. Die Burgmänner handelten ähnlich. Die Bäcker hatten ihre Betriebe in der Bäckerstraße. Die Gerber, Brauer, Färber und Tuchmacher konzentrierten sich in der Nähe von Gewässern. In der Mitte des Marktplatzes stand der Stadtbrunnen mit der Figur des Petrus. Der Stadtpranger, ein Schandesel, diente drastischen Strafmaßnahmen. Eine Wippe, ähnlich der in Soest, stand als Rechtsmal am Teich in der heutigen Sandgasse.[23]

Etliche Kramläden umsäumten den Markt. Ein Torhaus trennte den Marktplatz vom Kirchplatz. Parallel zur Kirche stand ein Steinhaus, das unter anderem den drei letzten Freigrafen der heimlichen Veme als Wohnsitz diente. Neben dem Rathaus stand, wie in alten Städten üblich, das Wachhaus. Das Hospital mit der Kapelle St. Laurentius und Elisabeth, am Kälbermarkt, wurde 1320 erstmals erwähnt und 1961 abgebrochen. Es stand da, wo bis 2006 die Firma Fickermann ihren Geschäftssitz hatte. Neben dem Hospital stand ein Beginenhaus, dessen Bewohnerinnen eine religiöse Frauengemeinschaft bildeten. Eine ihrer Beschäftigungen war das Anfertigen von Kerzen. Das Haus wurde zum Ende des 20. Jahrhunderts abgebrochen, eine Dokumentation erfolgte aus Unkenntnis der Bedeutung nicht.[19] Das Siechenhaus mit der St.-Georgs-Kapelle und eigenem Friedhof sowie die Antoniusklause mit einer Herberge und einer Kapelle standen am Hellweg außerhalb der befestigten Stadt.[19] Etliche repräsentative Stadtgiebelhäuser und in mittelalterlicher Weise gebaute Saalgeschosshäuser waren für das Stadtbild prägend, das besterhaltene ist das Haus Rykenberg. Diese Häuser standen überwiegend auf großen Grundstücken, oft auch an Straßenecken und waren reich, zum Beispiel mit Sondergiebeln, gestaltet. Die Stellung oder das Vermögen der Besitzer wurde so nach außen gezeigt.[24]

Von der Haar floss immer wieder Oberflächenwasser in den Stadtbereich und überflutete diesen; unterstützt wurde dies durch etliche ergiebig sprudelnde Quellen. Um die Wohnplätze zu schützen, sorgte ein ausgeklügeltes Grabensystem für geregelten Abfluss und gewährleistete gleichzeitig die Versorgung mit Brauch- und Löschwasser. Das Wasser mündete in die Stadtgräben, die die Stadt umflossen, den großen Teich und in den Salzbach. Zur Sicherung der Trinkwasserversorgung gab es über einhundertsiebzig Brunnen; da nicht jedes Haus einen eigenen Brunnen besaß, bildeten sich Brunnengemeinschaften. Die im Stadtgebiet befindlichen Teiche und Tränken dienten der Brandbekämpfung sowie der Versorgung des Viehs, auch außerhalb der befestigten Stadt gab es etliche Teiche und Tränken. Die Stadt betrieb eine Wassermühle und zwei Windmühlen, von denen noch eine erhalten ist und unter Denkmalschutz steht.[25]

Zur Sicherstellung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln lagerte die Stadt Vorräte in verschiedenen Gebäuden. Dies war besonders bei Belagerungen in Kriegszeiten und nach Missernten von Bedeutung. Einige massive Speichergebäude und die städtische Waage am Markt wurden zu diesem Zweck errichtet. Korn wurde auf den Dachboden des Rathauses und der Kirche sowie im Hl.-Kreuz-Turm gelagert. Ein weiteres Glied der Versorgen war die Anlage von Gemüsegärten und Obsthöfen durch die Einwohner; auch die Soldaten des Schlosses unterhielten eigene Gärten. Die Grundstücke waren üblicherweise mit Zäunen, Mauern oder Hecken eingefriedet, einige dieser Mauern im Stadtgebiet sind bis heute erhalten.[19]

Außerhalb der Stadtbefestigung unterhielt die Stadt in den Feldfluren sogenannte Vöhden; sie standen den Bürgen als Wiesen und Weiden für das Vieh zur Verfügung, noch heute ist die Gänsevöhde nach ihrer damaligen Nutzung benannt. Diese Vöhden unterstanden der Verwaltung durch die Hofevorsteher, der Schützenbruderschaft St. Sebastianus und Fabian Werl ist in Hofen unterteilt und wird von Hofevorstehern geführt. Die Gänsevöhde, gegenüber dem ehemaligen Melstertor, war auch Thyggeplatz der Melsterhofe. Hier befand sich auch ein Gerichtsplatz; in einem Schreiben von 1594 heißt es: „Hermann Lilie Junior ist in anno 94 umb Pfingsten von seinem Vetteren Hermann Krispen, seligen Krispens Sohn, hinterrücks gar jemmerlich alhie vor der Melster Pforten uf der Gosevöde erstochen und uf der Malstadt mit dem Tod abgangen.“ An dieser Stelle musste nach alter Sitte ein Sühnekreuz aufgestellt werden. An der Gänsevöhde war die Kapelle an der Gänsevöhde eine der vier Hauptstationen der damaligen Prozessionen. Stifter war der Domherr Freiherr Johann Heinrich von Gertzen genannt von Sintzig; an der Westseite der Kapelle ist sein Wappen angebracht.[26]

Der Salzplatz war ein wichtiger Ort zur Salzgewinnung, deren Ursprünge nach dem Ergebnis von Ausgrabungen bis in die Hallstattzeit zurückgehen. Das Salz wurde nicht nur zum Eigenbedarf genutzt, sondern auch für überörtlichen Bedarf. Der Platz nahm fast den gesamten nordwestlichen Bereich des Stadtgebietes ein. Bis zum 17. Jahrhundert wurde die Sole innerhalb der Stadtmauern, danach auch im Bereich des heutigen Kurgartens, außerhalb der Befestigung, geschöpft. Die Sole wurde zu den einzelnen Siedestätten geleitet, wo sie immer wieder über die Wände der Gradierwerke floss und durch Verdunstung Wasser verlor. Die Reste wurden in großen Siedepfannen gekocht. Zwanzig Sälzer besaßen zu dieser Zeit die Siedeberechtigung und jeder siedete seinen Anteil selbst. So standen am Salzplatz eine große Anzahl von Gradierwerken, Siedehäuser, Lager- und Trockenhäuser und andere mehr. Der größte der Brunnen, der Michaelisbrunnen, stand etwa auf dem höchsten Punkt des Platzes; der Brunnen war mit Holz ausgekleidet.[27] Weitere Gebäude am Salzplatz waren die Ölmühle am Salzbach, Kohlen- und Materiallager, Remisen und Behausungen für die Salzknechte. Salz wurde in den Monaten von März bis Dezember gewonnen, in den anderen Monaten wurden erforderliche Reparaturen vorgenommen. Wo der Salzplatz nicht durch die Stadtmauer gesichert war, trennten Palisadenzäune ihn zum restlichen Stadtgebiet ab; Fahrzeuge konnten durch Schlagbäume passieren.

Die Straßen im Stadtgebiet waren nur teilweise gepflastert, an anderen Stellen gab es Schotter- oder Sandaufschüttungen, Aschenbeläge oder auch Bohlen. Andere Straßen waren nur mit Ablaufrinnen versehen und bei Regenwetter sehr matschig; durch die günstige topographische Lage des Ortes konnten Rückstände durch das ablaufende Wasser relativ schnell entfernt werden. In dieser Zeit traten mehrere Überschwemmungen auf, bei denen ein Teil des Viehs ertrank und Feldfrüchte vernichtet wurden. Zeitgleich traten Ratten- und Mäuseplagen auf, auch Katzen- und Hundehaltung brachte kaum Erfolge. Nahrungsmittelmangel war die Folge.[28]

Austritt der Erbsälzer (1725), Stadtbrände, Preußen (1816)

Die Erbsälzer erhielten 1708 die Reichsadelsstandsanerkennung. Mit der Entstehung der Stadt Werl im ersten Viertel des 13. Jhs. setzte auch die Wandlung der Sälzer zu einer mit Sonderrechten versehenen Korporation innerhalb der Bürgerschaft in Werl ein. Vom Kaiser wie von den Landesherren mehrfach privilegiert, brachten sie die Salzquellen in Werl unter ihre Kontrolle und konnten mit der Übernahme der Saline Neuwerk 1627 den landesherrlichen Versuch, ihr Monopol zu brechen, verhindern. Innerhalb der Stadt bildeten die Erbsälzer, die unter sich eine rigide Mitgliedskontrolle beobachteten, ein patrizisches Element und gerieten aufgrund des von ihnen beanspruchten Sonderstatus immer wieder in heftige Streitigkeiten mit der übrigen Bürgerschaft. Diese innerstädtischen Auseinandersetzungen endeten erst, als die 1708 geadelten Erbsälzergeschlechter 1725 aus dem städtischen Gemeinwesen austraten und in den Landadel übertraten.

1738 brannten auf der Steinerstraße 43 Häuser von der Glockenapotheke bis zum Glockenwirtshaus ab. Ein weiteres großes Feuer brachte weiteren beachtlichen Schaden, durch Brandstiftung brannten in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1744 in der Kämperstraße 44 Häuser ab. Der Brandstifter, ein zwanzigjähriger Schneidergeselle, wurde in Olpe hingerichtet. Im Jahr 1750 brach eine Viehseuche aus, der von einem Bestand von etwa 900 Stück 513 zum Opfer fielen. Den Geschädigten wurde für fünf Jahre die Schatzung erlassen.

Während des siebenjährigen Krieges von 1756 bis 1763 verzeichnete die Stadt große Schäden und Verluste. Während der Schlacht bei Vellinghausen im Jahr 1761 wurde das Werler Schloss zerschossen, es wurde nicht mehr aufgebaut. Werl kam 1803 zusammen mit dem säkularisierten Herzogtum Westfalen unter die Herrschaft von Hessen-Darmstadt. Die Stadt wurde 1816 preußisch.[29][30]

Industrialisierung

Im 19. Jahrhundert begann für Werl eine Entwicklung, die einen steilen Aufschwung markierte. Erste industrielle Betriebe und der Anschluss an das Bahnnetz brachten Leben in die ehemalige Ackerbürger- und Bauernstadt. Eine bedeutende Industriegründung der damaligen Zeit war die Hefefabrik Wulf, die aus einem Brennereibetrieb entstand. Sie war bis ins frühe 20. Jahrhundert bedeutendste Industrieansiedlung der Stadt. Die Hefefabrik wurde im Jahr 1909 in die „F. Wulf A.G.“ umgewandelt. Auf dem Weg durch die Stadt auf der B 1 war das Gebäude bis 1973 bildprägend. Die Anlagen galten zeitweilig als höchstes Ziegelgebäude Europas.

Nationalsozialistische Herrschaft und Zweiter Weltkrieg Die Zeit des Nationalsozialismus hinterließ auch in Werl ihre Spuren. Am 28. Mai 1933 weihten die Werler Braunhemden vom Sturmbann 32/98 auf der Gänsevöhde ihre Fahne. Zu Gast waren die SA-Stürme aus Soest, Welver, Ostönnen und Bad Sassendorf. Die Fahnenenthüllung nahm der Standartenführer Schulte-Hermann aus Hagen vor. Mit der Machtübernahme Hitlers wurde der in Werl geborene Franz von Papen stellvertretender Reichskanzler. Eines der größten Ereignisse war die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Adolf Hitler, Paul von Hindenburg und Franz von Papen, der persönlich an der Feier teilnahm. Am 23. August 1933 traten tausende von SA- und SS-Leuten in geschlossenen Formationen auf der Gänsevöhde an. Auch waren fast alle vaterländischen Vereine der Umgebung aufmarschiert. Von Papen erschien gegen 15.00 Uhr. Nach der Feier wurde er unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Stadt gefahren. Die Stadt war mit straßenüberspannenden Bögen, Girlanden, Fahnen und Hakenkreuzen geschmückt.

Es existierten 1933 noch 37 Erbhofbesitzer in Werl, nur ihnen stand der Titel Bauer zu. Großgrundbesitzer, Schrebergärtner und andere durften nur die Bezeichnung Landwirt führen. Im September 1933 wurde der Reichsnährstand gegründet, diesem gehörte jeder an, der landwirtschaftliche Produkte erzeugte, verarbeitete oder verkaufte. Der Grundsatz war Gemeinnutz geht vor Eigennutz.

Seit Ende der 1920er Jahre waren segelsportbegeisterte Bürger unter dem Hilfswerk Baukursus Deutscher Luftsportverband als Interessengemeinschaft aktiv. 1934 erhielten sie einen Raum an der oberen Steinerstraße, in dem sie theoretische Flugschulungen abhalten konnten. Die Vereinsmitglieder bauten auch eigene Segelflugzeuge. Am 3. März 1935 wurde die Elster vom Birkenbaum und der Haarvogel der Öffentlichkeit vorgestellt. 1937 wurde die Gruppe in das NS-Fliegerkorps überstellt.[32]

Anlässlich der Volksabstimmung im März 1938 zum Anschluss von Österreich war das Sparkassengebäude mit Transparenten wie Ein Volk – Ein Reich – Ein Führer und Deine Stimme dem Führer! Ja! versehen worden. Vor dem Gebäude auf dem Markt war ein Holzstoß aufgeschichtet worden, der nach dem Fackelzug am Wahlabend abgebrannt werden sollte. Von 5507 in der Stadt abgegebenen Stimmen waren 5451 für Hitler, 53 dagegen und 3 Enthaltungen.[33]

Etwa 2000 Häftlinge des Werler Zuchthauses produzieren Rüstungsgüter. Zu diesem Zweck wurde auf dem Zuchthausgelände die sogenannte Veltrup-Halle, die damals größte freitragende Halle im Deutschen Reich, gebaut. Überwiegend arbeiteten an den Maschinen abgeurteilte Kriminelle. Politische Häftlinge waren für diese Beschäftigung an Spezialmaschinen nicht geeignet; sie wurden häufig zwischen den Gefängnissen verlegt. Nach dem Krieg wurde die Halle demontiert und ins Ausland gebracht.

Wegen der nicht geringen Sterblichkeitsrate unter den Häftlingen und der allgemeinen Holzknappheit wurde ein Klappsarg entwickelt und gebaut. Während der Begräbniszeremonie wurde der Sarg über die ausgehobene Grube gehalten, ein Mechanismus wurde von einem der Sargträger betätigt, es öffneten sich unter dem Sarg zwei Klappen und die Leiche fiel in Ölpapier gewickelt oder auch unbekleidet in die Grube. Der Sarg konnte somit immer wieder verwendet werden.[34]

Ein großer Rüstungsbetrieb mit über 1000 Mitarbeitern war die Domag an der Soester Straße. Die Fabrik wurde um 1941 fertiggestellt. Hier wurden Zünder und Granaten produziert. Etwa 600 überwiegend sowjetische Fremdarbeiter und Fremdarbeiterinnen mussten hier Zwangsarbeit verrichten. Untergebracht waren sie in einem umzäunten Barackenlager in der Nähe. Im Volksmund wurde das Lager Domag-Baracken genannt. Es war etwa 1,5 ha groß und bestand aus insgesamt zehn Wohn-, Wirtschafts- und Wachbaracken. Jede der sechs Wohnbaracken war 480 m² groß. In der Wachbaracke befand sich ein Schießstand. Die Kosten für die Lagererrichtung, die Betriebskosten und die Verpflegung wurden von der Domag getragen. Der Stacheldrahtzaun war 2,5 m hoch und an Betonpfosten befestigt. Vereinzelt wurde den Arbeiterinnen Ausgang in Gruppen unter Bewachung bewilligt; sie hatten dann auf ihrer Kleidung sichtbar das Abzeichen Ost zu tragen. Zur Bevölkerung durften sie keinen Kontakt aufnehmen. Die Bevölkerung hatte zum Lager keinen Zutritt.

Bekannt bei der Bevölkerung war der Union-Saal, der zu Kriegszeiten als Propaganda-Kino genutzt wurde. Es fanden auch zahlreiche KdF-Unterhaltungsveranstaltungen statt. Nach dem Krieg war hier das Union-Werk untergebracht. Der Saal wurde auch für private Veranstaltungen genutzt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt mehrmals in Mitleidenschaft gezogen. Die ersten Bomben fielen am 14. Juli 1940, es wurden einige Wohnhäuser in der Hermann-Göring-Straße (Heute Langenwiedenweg) beschädigt. Am 19. April 1944 starben 132 Menschen und 134 wurden verletzt, als amerikanische Bomber die Stadt angriffen, um den Werler Militärflugplatz auszuschalten. Etwa 60 Flugzeuge griffen in drei Wellen an und warfen innerhalb von etwa zehn Minuten etwa 2000 Brand- und 1200 Sprengbomben ab. Obwohl ein Großteil der Bomben auf dem Flughafengelände oder auf freiem Feld einschlug, wurden insgesamt 233 Gebäude zerstört oder mehr oder weniger stark beschädigt.[35] Am 22. April 1944 wurde eine B-17 (Flying Fortress, Seriennummer: 42-39785) der amerikanischen Luftwaffe mit dem Namen „Thru Hel’en Hiwater“, die einen Angriff auf Hamm flog, durch Flak abgeschossen und stürzte bei Werl ab. Im Stadtgebiet waren während des Krieges mehrere Lazarette eingerichtet. Sie befanden sich Im Franziskaner- und Ursulinenkloster, der Overbergschule, der Oberschule für Jungen, im Mariannenhospital, im Exerzitienhaus und im Konvikt. Die Lazarette waren durch große, auf den Dächern aufgemalte Rote Kreuze gekennzeichnet. Zum Ende des Krieges wurde das Gymnasium durch eine Bombe getroffen und zerstört.[36]

Am 8. April 1945 wurde die Stadt von Truppen der 8. US-Panzerdivision eingenommen. Zwar gab es keine Kämpfe – die wenigen deutschen Soldaten kapitulierten und der Werler Volkssturm warf seine Waffen in den Löschwasserteich – aber durch Artilleriebeschuss starben 30 Menschen. Nach dem Ende des Krieges wurde die Stadt von britischen Besatzungstruppen übernommen.

Das Werler Gefängnis war zu der Zeit das größte Zuchthaus im Deutschen Reich. Zwei Panzer fuhren vor der Pforte auf und richteten ihre Kanonen darauf. Die Gefängnisleitung kapitulierte daraufhin. Die Vollzugsbeamten wurden in einem Fußmarsch in ein Gefangenenlager nach Scheidingen gebracht. Vorher mussten sie alle Waffen ablegen und alle Zellenschlüssel auf einen Haufen werfen. Die Gefangenen wurden am 11. April 1945 von einem Militärgericht der 9. US-Armee registriert. Sie wurden befragt, ob sie aus strafrechtlichen oder politischen Gründen inhaftiert seien. Fast alle Insassen gaben an, sie seien politisch Verfolgte. Erster Anstaltsleiter der Nachkriegszeit war der kanadische Major Porrier.[37]

Nachkriegszeit, Besatzungsmächte

Mitte April 1945 wurde der Werler Flughafen von der deutschen Luftwaffe aufgegeben und verlassen. Kurz nachdem dies in der Bevölkerung bekannt wurde, strömten die Bewohner in Scharen mit Pferdewagen, Karren und Handwagen dorthin und plünderten die Anlage. Die Lager waren teilweise voll mit Wolldecken, Töpfen, Porzellan und Fallschirmseide. In den Vorratskellern waren Lebensmittel aller Art gelagert, in kurzer Zeit wurde alles gestohlen.

Am 15. Juni 1945 übernahm in Werl die britische Rheinarmee das Kommando, die Stadt gehörte nun zur britischen Zone. Stadtkommandant war Major Gething. Zum Bürgermeister bestimmten die Briten den früheren Stadtinspektor Heinrich Lennartz. Die britische Militärregierung befahl am 22. September 1945 die Bildung eines Ausschusses. Unter Aufsicht der Kommandantur sollte dieser die politischen Belange der Gemeinde bestimmen.

Diesem Ausschuss gehörten an:

9 Mitglieder der Zentrumspartei

6 Mitglieder der SPD

4 Mitglieder der CDU

4 Mitglieder der KPD

Am 15. September 1946 wurden in Werl die ersten demokratischen Nachkriegswahlen durchgeführt. Das neue Stadtparlament hatte folgende Sitzverteilung:

11 Mitglieder der Zentrumspartei

5 Mitglieder der SPD

5 Mitglieder der CDU

An diesem Tag fand auch eine Bürgermeisterwahl statt, Theodor Nottebaum wurde gewählt, sein Vorgänger Lennartz wurde zum Stadtdirektor ernannt.[38]

Die hauptsächlich zu lösenden Probleme dieser Zeit waren Nahrungsknappheit, Wohnungsmangel und Versorgung mit Wärme sowie die Entnazifizierung.

Viele Heimatvertriebene, teilweise bis zu 400 am Tag, wurden der Stadt in den Jahren 1945 und 1946 zugewiesen, was die schwierige Ernährungslage verschärfte. Insgesamt suchten etwa 3000 Flüchtlinge und Vertriebene Unterkunft in der relativ kleinen Stadt. Viele wurden in den Domag-Baracken, in denen zuvor Zwangsarbeiter gelebt hatten und in den ehemaligen Kasernengebäuden auf dem Flugplatz untergebracht. Auch wurden ehemalige Nazigrößen verpflichtet, überflüssigen Wohnraum abzugeben.

Während des Kalten Krieges war die Stadt auch Garnison der belgischen Armee (18. Logistikbataillon (Batailjon Logistiek) und 4. Instandsetzungskompanie (Compagnie Materieel)). Die Einheiten waren auf dem Fliegerhorst Werl stationiert. Ebenfalls war die 4th. USAFAD USA mit einem Kasernengebäude, einem Nuklearwaffenlager sowie einem Sendeturm auf dem Gelände untergebracht.

Im Werler Stadtwald waren von 1953 bis 1970 Einheiten der Kanadier und danach von 1970 bis 1994 Einheiten der britischen Rheinarmee stationiert: 1. Royal-Highland Rgt., 636. Mechanized Corps, Transport Group, 1. Artillery Rgt. (Stab) in den Victoria Barracks.

Im nördlichen Teil der Kasernenanlage, den „Albuhera Barracks“, auch als Camp 6 bekannt, waren folgende Regimenter stationiert:

1971–1975: 2nd Battalion the Queens Regiment,

1975–1980: 1st Battalion the Queens Regiment,

1980–1985: 1st Battalion Black Watch,

1985–1991: 1st Battalion the Royal Scots,

1991–1994: 1st Battalion the Devon & Dorset Regiment.

1971 lebten insgesamt etwa 4500 NATO-Angehörige in Werl. Die Kaufkraft dieser Menschen war ein erheblicher Wirtschaftsfaktor für die Stadt.

Auf einem Gebiet des Werler Parkfriedhofes ist ein Abschnitt als Kanadischer Teil angelegt. Hier befinden sich die Gräber von 124 kanadischen Soldaten und 324 verstorbenen Angehörigen.

Die Angehörigen der kanadischen und später der britischen Soldaten wohnten in einer eigens für sie gebauten Wohnsiedlung mit eigener Infrastruktur. Es befand sich ein größeres Kaufhaus mit Waren aus dem Heimatland in der Siedlung. In einer kleineren Ladenzeile waren eine Bar (ursprünglich Snack-Bar) sowie ein Friseur. Ebenfalls war hier die Militärpolizei untergebracht. Die Siedlung wurde seit den 1960er Jahren von einem zentralen Heizwerk in der Lindenallee geheizt. Zwei Kirchen wurden 1953 in den Camps im Stadtwald gebaut. Bei dem Heizwerk waren auch die Werkstätten für die Unterhaltung und Instandsetzung der Gebäude (Schreinerwerkstatt, Schlosserwerkstatt, Elektrowerkstatt). Die Verwaltung wurde vom deutschen Bundesvermögensamt in Soest übernommen, die Heizer, Handwerker und der Hausmeister der ebenfalls in der Wohnsiedlung befindlichen Schule waren deutsche Arbeiter, für die auch gleich neben dem Heizwerk ein Achtfamilienhaus gebaut wurde.

Am 10. Januar 1947 fand eine Stadtverordnetenversammlung im Gesellenhaus statt. Anwesend war der Quartiermeister der belgischen Besatzungsstreitkräfte, sowie ein deutscher Beamter des Wohnungsamtes. 500 Personen mussten ausgewählt werden um evakuiert zu werden. Es wurde Platz für die belgische Besatzungsmacht benötigt. Es wurden inklusiv Inventar 74 Wohnungen mit 349 Zimmern für die belgischen Familien beschlagnahmt. Für das britische Personal wurden sieben Wohnungen mit 36 Zimmern beschlagnahmt. In verschiedenen Hotels wurden 63 Zimmer zwangsbelegt. In der Domag-Siedlung an der Soester Str. waren es acht Wohnungen mit 49 Zimmern. Der Kommandant der Belgier bezog die Wohnung des ehemaligen Domag-Direktors.[39]

Jahre später bezogen die Familienangehörigen der belgischen Soldaten eigens für sie gebaute Wohnungen und Reihenhäuser am Kucklermühlenweg sowie in der Brabanter Straße.

Dem kanadischen 22. Königlichen Regiment wurde von der Stadt Werl das Ehrenrecht Droit de Cité verliehen. Das Recht erlaubt dem Regiment, mit aufgepflanzten Bajonetten, wehenden Fahnen und klingendem Spiel durch Werl zu marschieren. Erstmals machte eine kanadische Abteilung von diesem Recht Gebrauch.[40]

Kommunale Neugliederung (ab 1969)

Auf Vorschlag des Innenministeriums wurden am 1. Juli 1969 Gemeinden des Kreises Soest neu gegliedert: Büderich, Budberg, Holtum, Mawicke, Niederbergstraße, Oberbergstraße und Westönnen als bisher selbstständige Gemeinden des ehemaligen Amtes Werl sowie Blumenthal und Mawicke des ehemaligen Amtes Bremen, ferner Sönnern aus dem Kreis Unna wurden in die Stadt Werl eingegliedert.[41]

Das Stadtgebiet vergrößerte sich somit von 24,78 km² auf 66,38 km². Es kamen 5600 Einwohner hinzu.[40] Am 1. Januar 1975 kam der Ortsteil Hilbeck, der bisher zur Gemeinde Rhynern gehörte, mit rund 850 Einwohnern und einer Fläche von 9,96 km2 hinzu.[42]

1969 wurde nach umfangreichem Um- und Anbau aus dem alten Mariengymnasium das neue Rathaus. Dessen offizielle Übergabe fand nach der Fertigstellung des Vorbaues am 15. Mai 1971 statt.


Text: Wikipedia

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