Winsen (Luhe)

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Winsen (Luhe), umgangssprachlich oft Winsen an der Luhe, ist die Kreisstadt des Landkreises Harburg in Niedersachsen und eine selbständige Gemeinde.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Winsen.

Hugo Haase

Sonstige

Geschichte

Frühgeschichte und Mittelalter

Die Luhe schuf die Voraussetzung für eine Besiedelung. Sie erreichte an dieser Stelle das Urstromtal der Elbe, die mitgeführten Stoffe des Flusses lagerten sich zu einem Schwemmlandfächer, der sich im Laufe der Zeit um einige Meter aus dem Elbtal hob. Wann die ersten Menschen sich ansiedelten, ist nicht bekannt.[4] Durch diese Aufschüttung entstand ein idealer Naturhafen und wurde ein optimaler Umschlagplatz vom Wagen zum Schiff und umgekehrt, da er bei Hoch- und Niedrigwasser genutzt werden konnte. Der Hafen Winsen erstreckte sich vom heutigen Standort der Wassermühle im Süden bis zur Luhebrücke, die die Markt- und Deichstraße miteinander verbindet, im Norden. Er gewann im 12. Jahrhundert durch die Zerstörung und Wegfall des Handelsplatzes Bardowicks 1189 an Bedeutung. Der Hafen war im 14. Jahrhundert vor allem für die Holz- und Getreideausfuhr wichtig und trug wesentlich zum Aufstieg Winsens zur Stadt bei. Die Bedeutung des Schiffsverkehrs zwischen Winsen und Hamburg ist durch viele Urkunden belegt und nahm erst im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt und den neuen Anlegestellen an der Elbe ab. Um 1830 begann man, das Hafenbecken zuzuschütten, so dass vom Hafen heute nur noch der Abfluss der Wassermühle, im Volksmund „Mühlenluhe“ genannt, vorhanden ist.

An einem Übergang der Luhe entstand eine Burg, die 1315 in einer Urkunde explizit erwähnt wird.[5] Eine Beurkundung aus dem Jahr 1277 legt nahe, dass das Schloss bereits zu diesem Zeitpunkt existiert hat.[6] Das Schloss war ursprünglich vor allem zum Schutz des Hafenbetriebs gedacht.[7]

Am 21. Mai 1158, unter der Regentschaft des Welfen Heinrich der Löwe, wurde Winsen erstmals in einer Urkunde des Bistums Verden erwähnt, das den Zehnten an jenes Stift abführen müsse. Der Bischof Hermann von Verden regelte in dieser Urkunde die Streitigkeiten der Stiftsherren in Bardowick. Die Urkunde ist nur in einer späteren Abschrift erhalten geblieben.[8] Bei der Abschrift wurde wahrscheinlich der ursprüngliche Ortsname Winhusen durch Winsen ersetzt. Zur Zeit der Stadtwerdung hieß der Ort Winhusen, später entstand daraus verkürzt Winsen. In der Vergangenheit haben verschiedene Autoren unterschiedliche Deutungen vorgeschlagen. Doch die urkundlich belegbaren geographischen Gegebenheiten Winsens und eine grammatikalisch korrekte Wortbildung des Ortsnamens Winhusen lassen folgenden Schluss zu: Der zweite Namensbestandteil im Ortsnamen „husen“ deutet auf Häuser hin. Der erste Namensbestandteil, das sog. Bestimmungswort in Ortsnamen erscheint in den meisten Fällen im Genitiv und ist oft der Personenname oder der Hof eines Adeligen, der mit der Ortsgründung in Verbindung gebracht wird. Gelegentlich beschreibt er auch Besonderheiten des Ortes. Beim ersten Namensbestandteil „Win“ handelt es sich wahrscheinlich um eine alte deutsche, verkürzte genitivische Endung, im Nominativ „Wi“ genauso auch „Vi“, was im Mittelniederdeutschen Sumpf, Bruch oder Teich bedeutet. In mittelalterlichen Urkunden sind vier Sümpfe oder Brüche rund um die Stadt namentlich belegt. Daher ist die Deutung des Ortsnamens Winhusen mit Häuser an den Sümpfen (oder Brüchen) zurzeit die wahrscheinlichste.

Im Stadtkern Winsens unterhielt die Gemeinde St.-Gertrud in Pattensen eine Filialkirche. 1233 erwarben Helena von Lüneburg und ihr Sohn Otto I. im Tauschwege das Patronat über die Kirche Winhusen. Dadurch kam es zur Abkoppelung von der Mutterkirche Pattensen und die Winsener Kirche wurde eine selbständige Pfarrkirche. Mit der Ernennung Ottos zum Herzog von Braunschweig-Lüneburg 1235 lag das Kirchenpatronat fortan bei dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg.[7]

Zu Beginn des Lüneburger Erbfolgekrieges war Herzog Magnus II. 1371 gezwungen, die Großvogtei Lüneburg nach Winsen zu verlegen. Das Winsener Schloss diente fortan als Großvogtei Winsen und verwaltete die welfischen Güter im Nordteil des Fürstentums Lüneburg, das ein Teilfürstentum des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg war.

1392 wurde Winsen Mitglied der Sate, einem Herrschaftsvertrag zwischen den Landesherren und den Landesständen des Fürstentums Lüneburg. Allerdings wurde Winsen 1396 gezwungen die Sate wieder verlassen, wobei wichtige Rechte aus dem Vertragswerk, insbesondere die von Lüneburg erworbenen Vorrechte, weiterhin in Kraft blieben, was die Entwicklungsmöglichkeiten Winsens zugunsten Lüneburgs stark beschränkte.

1401 wird erstmals das Leprosen-Hospital St. Georg erwähnt, das sich damals außerhalb der Stadt befand.[9]

Im 14. und 15. Jahrhundert wurde das Schloss samt den dazugehörigen Ländereien durch die Herzöge mehrfach verpfändet. So gehörte es 1374 bis 1389 dem Rat der Stadt Lüneburg, ging 1396 an Hamburg und Lübeck, war von 1434 mit Unterbrechungen wieder im Besitz von Lüneburg und ging von 1493 bis 1523 an die Kurfürsten von Sachsen. 1415 wird erstmals eine Winsener Schule urkundlich erwähnt. Sie war eine Einrichtung der Kirche.[10]

Anfang des 15. Jahrhunderts wurde die gotische St.-Marien-Kirche als Nachfolgebau der 1233 genannten Kirche am selben Standort gebaut. Diese Kirche hatte allerdings keinen Bezug zur Terminei und dem Kloster. Die Terminei entstand 1348 durch die Lüneburger Franziskaner-Konventualen als Außenstelle zum Sammeln von Almosen in Winsen. Seit 1477 bestand auf der Luheinsel ein Konvent der Franziskaner-Observanten, die zur Sächsischen Franziskanerprovinz (Saxonia) gehörten. Diese beiden Ordensrichtungen hatten allerdings keinen Bezug zueinander.

Reformation und Dreißigjähriger Krieg

Herzog Ernst ‚dem Bekenner‘ von Braunschweig-Lüneburg führte auf Druck der Stadtbevölkerung 1526 die Reformation ein. Die Mönche mussten das Kloster im Juli 1528 verlassen und sich ins Lüneburger Kloster begeben, von wo sie aber im Zuge der Reformation in Lüneburg 1530 auch wieder vertrieben wurden.[11] Im gleichen Jahr vernichtete ein Großbrand alle Gebäude bis auf das Schloss, die Kirche und das Kloster. 1585 zerstörte erneut ein Brand zwei Drittel der Stadt.[12] Nach dem Stadtbrand von 1585 wurde der Adelshof der lüneburgischen Adelsfamilie Haselhorst, ein adeliges weltliches Lehen der welfischen Herzöge, aufgesiedelt und mit Bürgerhäusern bebaut. Johann Haselhorst war ab 1529 Verwalter des Klosters Lüne und seit 1532 auch Amtshauptmann von Winsen und fürstlicher Rat und Vertrauter Ernst des Bekenners. Der Haselhorsthof war ursprünglich ein fürstliches Vorwerk, das schon 1438 erwähnt wird[13] und befand sich von 1543 bis zu seinem Tode 1549 in dem Besitz von Johann Haselhorst. Die Straße heißt noch heute „Haselhorsthof“. Die Reste dieses Adelshofes, später „Brauhof“ genannt, wurden 1972 abgerissen. Ein weiteres fürstliches Vorwerk wird urkundlich 1585 erwähnt. Dieses lag in der Nähe des heutigen Finanzamtes und war mit Gräben umgeben. Zwar wurde dieses Vorwerk 1624/25 aufgehoben, dennoch existierte es aber in anderer Form weiter. Auf dem Stadtplan von 1785 ist diese Anlage noch vorhanden.

Von 1593 bis 1617 wurde das Schloss Winsen durch Dorothea von Braunschweig-Lüneburg, der Witwe Wilhelm des Jüngeren als Alterssitz bewohnt. Sie ließ den Umbau der Schlosskapelle im einzig erhaltenen Turm des Schlosses vornehmen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war das Schloss Winsen Schauplatz mehrerer Hexenprozesse.[14

Herzog Christian der Ältere gründete 1619 in Winsen eine Münzstätte. Diese hat sich wohl in der unmittelbaren Nähe der Wassermühle befunden und bestand bis 1626.[15] Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges wurden die Befestigungsanlagen des Schlosses verstärkt. Seit April 1627 gab es in Winsen eine kaiserliche Besatzung von etwa 100 Mann. Im selben Jahr drangen die auf lutherischer Seite kämpfenden Dänen kurzzeitig in die Stadt ein, plünderten diese und setzten etwa 25 Häuser in Brand. Das Schloss mit den lüneburgischen Soldaten wurde dabei nicht angegriffen. Nach dem Gefecht am Pinneberger Schloss im September 1627 wurde der verletzte Johann t’Serclaes von Tilly auf Befehl von Christian dem Älteren in das Schloss Winsen gebracht, um seine Verletzungen auszukurieren. Später folgten die Schweden und drängten die kaiserlichen Truppen zurück. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloss nur noch als Sitz der Amtmänner genutzt und ab 1882 durch preußische Landräte verwaltet.[16]

Nach dem sogenannten Kalkberg-Abkommen 1637 sollte die Stadt vom Militär geräumt und die Befestigungsanlagen abgebaut werden. Dies geschah allerdings nicht im vollen Umfang. Drei Stadtgräben mit den dazwischen liegenden Wällen blieben erhalten und waren nach wie vor für den zivilen Verkehr unpassierbar. Die Stadttore wurden erst 1827 abgerissen und die Kontrollen an der Stadtgrenze entfielen. Die erste Bebauung über die alten Stadtgrenzen hinaus gab es erst um 1830, als zuerst der Kranwall allmählich bebaut wurde. Die Menschen lebten in niedrigen Häusern, die dicht an dicht mit dem Giebel zur Straße standen. Brände verwüsteten wiederholt große Teile des Ortes. Es gab Handwerksbetriebe, Schiffs- und Fuhrleute schlossen sich in Ämtern zusammen, Krüge und Herbergen lebten vom Durchgangsverkehr.

Neuzeit und Industrialisierung

Während des Siebenjährigen Krieges wurde Winsen 1757 von französischen Truppen besetzt.

1792 wurde in der Marktstraße der berühmteste Sohn der Stadt, Johann Peter Eckermann, geboren.[17] Nachdem er seine Kinder- und Jugendjahre in seiner Heimatstadt verbrachte, gelangte er über mehrere Stationen 1823 nach Weimar als Mitarbeiter und Vertrauter von Goethe. Hier erlebte er die letzten neun Lebensjahre Goethes als „strahlender Schatten“ und gewann seinen festen Platz in der Literaturgeschichte durch seine „Gespräche mit Goethe“ und seinen treuen Dienst für den Dichterfürsten über dessen Tod hinaus. Als Ehrung wurde 1939 die Schulstraße in Eckermannstraße umbenannt. Jährlich zum Geburtstag Eckermanns legen Schüler der Johann-Peter-Eckermann-Realschule am 21. September vor dem Denkmal ihres Namenspatrons einen aus Heide gebundenen Kranz nieder. Der Kulturverein Winsen (Luhe) e.V. sorgt für die Pflege von Eckermanns Grab auf dem Historischen Friedhof in Weimar.

1810 gehörte Winsen für vier Monate zum Distrikt Harburg des französischen Departements der Nieder-Elbe des Königreich Westphalen. Von 1811 bis 1814 gehörte Winsen zum Distrikt Lunebourg des Département des Bouches de l’Elbe des ersten französischen Kaiserreichs in Deutschland. Nach dem Wiener Kongress 1814 gehörte Winsen zum Königreich Hannover.

1827 wurden die Stadttore abgebrochen und die Kontrollen an der Stadtgrenze entfielen. Um 1830 gab es die erste Bebauung außerhalb der alten Stadtgrenzen als zuerst der Kranwall schrittweise bebaut wurde. 1847 wurde Winsen an das Eisenbahnnetz angeschlossen (Bahnstrecke Hannover–Hamburg).

Der Komponist Johannes Brahms verbrachte ab 1847 mehrere Erholungsaufenthalte im Hause des Papiermachers Adolph Heinrich Giesemann in der Deichstraße.[18][19] Von Winsen aus begann Brahms 1853 seine erste Konzerttournee.[20]

1852 zog das Amtsgericht in die Räume des Schlosses. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit durch die preußische Regierung durfte 1868 der Buchdrucker Ferdinand Endermann erstmals in Winsen eine Zeitung, das „Wochen-Blatt für Stadt und Amt Winsen an der Luhe und Elbe“ herausgeben. Der Buchdrucker Martin Perger übernahm die Druckerei und benannte das Wochenblatt in „Winsener Nachrichten“ um. Nach dem Tod Pergers übernahm Martin Ravens den Verlag. Eine weitere Zeitung entstand durch die 1912 von Heinrich von der Heyde gegründete Druckerei an der Ecke Eckermannstraße/Wallstraße. Die „Neue Winsener Zeitung“ (später „Winsener Zeitung“) stand in Konkurrenz zur den „Winsener Nachrichten“. 1926 übernahm Hermann Maack diesen Betrieb. 1949 fusionierten beide Betriebe zur Firma „Ravens & Maack“, woraus die Tageszeitung „Winsener Anzeiger“ entstand, die bis heute erscheint.[21][22] Ab 1858 entstanden die ersten Industrieanlagen wie auch die Papierfabrik Eppen sowie zahlreiche neue Gebäude: 1894 die Volksschule, 1895 ein Postgebäude, 1896 das Rathaus und 1899 eine Kreissparkasse.

„Winsen (W. an der Luhe), Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Lüneburg, an der Luhe, unweit ihrer Mündung in die Ilmenau, und an der Linie Lehrte-Harburg der Preußischen Staatsbahn, 8 m ü. M., hat eine evang. Kirche, ein Schloß, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Tabaks- und Zigarren-, Papier- und Kunstwollfabrikation, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Schiffahrt, lebhaften Handelsverkehr mit Hamburg und (1885) 2973 fast nur evang. Einwohner.“

– Eintrag in Meyers Konversationslexikon von 1890[23]

1900 erhielt die Tuchfabrik Naylor & Lemm an der Bahnlinie Hannover–Hamburg die Genehmigung ein Elektrizitätswerk zur Stromversorgung ihrer Fabrikanlagen zu errichten. Sie bekam im Gegenzug den Auftrag, die Stadt und ihre Bürger mit Strom zu versorgen. Die Stadt übernahm das Elektrizitätswerk 1926 und kurz darauf später entstanden die Stadtwerke Winsen.[24]

1926 wurde in Winsen die Wasserleitung gebaut. Im gleichen Jahr errichtete die Hamburger Maschinenfabrik Alfred Eriksen ein Werk in der Luhdorfer Straße in Winsen. 1928 wurde das Finanzamtsgebäude am heutigen Von-Somnitz-Ring fertiggestellt. Im Gegenzug wurde das alte Finanzamtsgebäude in der Marktstraße, das bis 1896 das Rathaus und das Geburtshaus der Kammersängerin Agnes Stavenhagen war, unter erheblichen Protesten abgerissen.

Im Zuge der Kreisreform wurde 1932 der Kreis Winsen aufgelöst und in den Landkreis Harburg eingegliedert. Ungeachtet der Proteste und ohne Anhörung der Bevölkerung geschah diese Eingliederung recht ungeschickt als reiner Verwaltungsakt der damaligen preußischen Regierung. Winsen war fortan nicht mehr Kreisstadt. Der Sitz der Kreisverwaltung befand sich außerhalb des Landkreises Harburg im Stadtkreis Harburg-Wilhelmsburg. Durch das Groß-Hamburg-Gesetz, das am 1. April 1937 in Kraft trat, wurde Harburg-Wilhelmsburg zum 1. April 1938 zusammen mit anderen Gebieten zur Einheitsgemeinde Hamburg vereinigt. Seitdem befand sich der Sitz des Landkreises Harburg nicht mehr in Preußen, sondern in der Freien und Hansestadt Hamburg.[25]

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Am 23. April 1932 sprach Adolf Hitler auf einer Kundgebung im Rahmen des Wahlkampfes zum Preußischen Landtag in der Winsener Viehhalle. Bei der preußischen Landtagswahl am 24. April 1932 erhielt die NSDAP 162 Mandate, 153 mehr als bei der vorherigen Landtagswahl.[26] Bei den Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 erhält die NSDAP im Wahlkreis 15 – Osthannover, zu dem auch Winsen gehört, 49,5 % der Wählerstimmen.[27]

Als die Nationalsozialistische Führung am 1. April 1933 den „Judenboykott“ anordnete, postierte der Kreisbildwart der NSDAP vor dem einzigen jüdischen Geschäft in Winsen, das Kaufhaus Stern in der Bahnhofstraße und fotografierte die Kundschaft.[28] In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde das Kaufhaus von Bernhard Stern beschmiert und die Fenster des Geschäfts und der Wohnung zerstört.[29] Einen Tag später wurde das Geschäft geschlossen und liquidiert.[30] Im Zuge der Namensänderungsverordnung mussten auch die Winsener Juden ab 1939 die zusätzlichen Vornamen Sara beziehungsweise Israel annehmen. Bis 1943 wurden die letzten acht jüdischen Einwohner Winsens deportiert, darunter auch Bernhard Stern. Seine Frau Elsa Stern, die von den Nationalsozialisten als „Halbjüdin“ eingestuft wurde und vorerst nicht zur Deportation vorgesehen war, begleitete ihren Mann mit ins Lager und in den Tod.[31]

1938 lag die Einwohnerzahl vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bei 5369 Bürgern.[32] In Winsen gab es während der Kriegsjahre mehrere Zivilarbeitslager für ausländische Kriegsgefangene und Zivilpersonen. In der Stadt existierten weitere Unterkünfte für Zwangsarbeiter.[33]

Durch die kriegsbedingte Zerstörung des Landratsamtes in Harburg wurde 1944 der Sitz der Kreisverwaltung wieder in das Winsener Schloss verlegt. 1945 wurde Winsen immer wieder von Tieffliegern angegriffen. Ziele waren hauptsächlich die Bahnanlagen und die Fabriken an der Bahnlinie Hannover–Hamburg. Zum Kriegsende war Winsen Lazarettstadt geworden. Verwundete lagen in den Sälen des Schützenhauses, Beckmanns Hotel (heute Haus des Handwerks), Ahlers Tivoli, Bahnhofshotel, Polizeikaserne und der Volksschule (heute Alte Stadtschule).[34] Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Winsen am 19. April 1945 durch die britische 11th Armoured Division (11. britische Panzerdivision) und der 1st Herefordshire Regiment (Infanterie) eingenommen.

Nachkriegszeit

Nach der Kapitulation Deutschlands setzte die britische Regierung in der von ihr kontrollierten Besatzungszone für den Kreis Harburg die 505. Militärregierung unter Führung von Major Alan Seddon. Er amtierte als British Resident Officer zusammen mit seinem Stab in der Villa Eppen in der Bahnhofstraße in Winsen. Major Seddon setzte am 19. November 1945 den Politiker (DP, NSDAP) und studierten Landwirt Fritz Broistedt als stellvertretenden Vorsteher der Gemeinde Winsen ein. Am 26. November 1945 trat das erste berufene Bürgervorsteher-Kollegium zusammen, dass am 15. September 1946 erstmals demokratisch gewählt wurde. Von 1948 bis 1952 amtierte Broistedt als gewählter Bürgermeister und wurde danach Landrat des Kreises Harburg.

Am 1. November 1949 erschien die erste Ausgabe des Winsener Anzeigers. Damit gab es erstmals nach dem Krieg wieder eine in Winsen ansässige Tageszeitung. Sie ist aus den ehemaligen Winsener Tageszeitungen Winsener Nachrichten und Winsener Zeitung hervorgegangen.[35]

Ab 1950 wurde die vorliegende Struktur der Stadt vornehmlich durch die verkehrsgünstige Lage zur Entlastung Hamburgs geprägt. Durch den Flüchtlingszuwachs wuchs die Bevölkerungszahl bis 1950 auf 8.886 Einwohner.

Das Gymnasium Winsen entstand 1955, bekam 1970 am Ende der Bürgerweide ein neues Schulgebäude. Das neue Schulgebäude der 1925 als selbständige Schule eingerichteten Mittelschule, heute Johann-Peter-Eckermann-Realschule an der Bürgerweide wurde 1957 fertiggestellt. Durch den Bevölkerungszuwachs entstanden weitere Schulen: 1968 die Grund- und Hauptschule an der Fuhlentwiete, im selben Jahr das neue Schulgebäude für die Sonderschule in der Bürgerweide. Weitere Schulen entstanden in den Ortsteilen Winsens.

Am 30. Juni 1958 entschied der Kreistag auf einer Sitzung in Brackel für den Bau eines Kreishauses und damit den Sitz des Landkreises Harburg in Winsen. Das Kreishaus wurde am 10. März 1961 eingeweiht.

Während des Kalten Krieges wurde im Juni 1962 in der Hamburger Straße 81 die Stadt auch Standort der Technischen Grenzschutzabteilung Nord (GSA T Nord) sowie der Grenzschutzverwaltungsstelle des Bundesgrenzschutzes (BGS). Der BGS-Standort wurde 1999 aufgelöst.

Am 1. Juli 1972 wurden die Gemeinden Bahlburg, Borstel, Gehrden, Hoopte, Laßrönne, Luhdorf, Pattensen, Rottorf, Roydorf, Sangenstedt, Scharmbeck, Stöckte und Tönnhausen im Zuge der Gebietsreform eingegliedert. Die Einwohnerzahl stieg dadurch von 12.363 im Jahr 1970 auf rund 22.000 Einwohner an.[36]

Von 1972 bis 1984 wurde die Altstadt umfassend saniert und die Infrastruktur den modernen Bedürfnissen angepasst. Dabei gingen einige historische Gebäude, unter anderem die Villa Eppen und der historische Brauhof verloren.[37] Er war der Rest eines Adelshofes, der im Ursprung als fürstliches Vorwerk der welfischen Herzöge schon 1438 erwähnt ist.[38] Das Krankenhaus „Bethesda“ in der Wallstraße wurde aufgegeben, 1974 erfolgte der Neubau des Krankenhauses Winsen, das heute zum Elbe-Heide-Krankenhausverbund gehört. 1976 wurde das Ilmenausperrwerk in Hoopte fertiggestellt. 1975 wurde der stattliche „Schützenpalast“ abgerissen. An dessen Stelle wurde 1980 die Stadthalle als modernes Veranstaltungszentrum gebaut. 1977 wurde im Süden der Stadt eine Bahnunterführung gebaut und beendete damit den oft auftretenden Verkehrsstau.

Durch einen Grenzänderungsvertrag zwischen der Stadt Winsen/Luhe und der Gemeinde Stelle, der eine Grenzbereinigung zwischen Ashausen und Achterdeich zum Inhalt hatte, wurde am 1. Juli 1981 ein Gebietsteil mit damals etwa 80 Einwohnern an die Nachbargemeinde Stelle abgetreten.[36][39]

1987 wurde eine Zubringerstraße zum ersten Teilstück an die neugebaute Bundesautobahn 250 (seit November 2010 Teil der Bundesautobahn 39) fertiggestellt. 1991 folgte der Bau der Osttangente und die Einweihung der Fußgängerzone in der Innenstadt. In dieser Zeit wurde der Schlossplatz repräsentativ umgestaltet.

1992 wurden rund 360 Asylsuchende in Winsen aufgenommen, die von den Zentralen Anlaufstellen in Braunschweig und Oldenburg weitergeleitet wurden. Rund 61 Asylsuchende wurden dabei im ehemaligen „Hotel Stadt Hamburg“ in der Bahnhofstraße 64 untergebracht.[40] Am 29. November 1992 verübten zwei junge Männer einen Brandanschlag auf die Wohnung einer Familie aus Rumänien.

Seit 2000

Vom 21. April bis zum 15. Oktober 2006 wurde in Winsen die dritte Niedersächsische Landesgartenschau unter dem Motto „Eine blühende Fantasie“ durchgeführt.[41] Die Veranstaltung endete mit 536.000 Besuchern und der Übergabe der 22 ha großen Parklandschaft an die Winsener Bevölkerung. Das ehemalige Landesgartenschaugelände trägt heute die Bezeichnung „Luhegärten“.

2008 beging Winsen sein 850-jähriges Stadtjubiläum und war vom 4. bis 6. Juli 2008 Ausrichter für das 28. Landesfest Tag der Niedersachsen.

Durch den Abriss zweier Häuser in der Deichstraße, Ecke Mühlenstraße wurden bei archäologischen Grabungen im April 2012 Teile des ehemaligen Klosterfriedhofs gefunden.[42]

Am 10. April 2016 wurde die 1889 erbaute MTV-Turnhalle in der Eckermannstraße durch Feuer komplett vernichtet. Das Kulturdenkmal mit seiner aufwendigen Fachwerkbauweise war Winsens älteste erhaltene Turnhalle und diente im Zweiten Weltkrieg als Sanitätspark für die umliegenden Lazarette. Sie war über 125 Jahre Treffpunkt des Sports und anderer Veranstaltungen. Nachdem der TSV Winsen 2015 seine sanierungsbedürftige Sportstätte der Stadt Winsen übergeben hat, wurde diese zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert. Ein Bewohner hat gestanden, seine Unterkunft angezündet zu haben. Unter den Einwohnern löste die Zerstörung „ihrer“ Turnhalle großes Entsetzen und Trauer aus.[43]

Text: Wikipedia

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