Wolfhagen

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Wolfhagen ist eine Kleinstadt mit historischem Fachwerkkern im nordhessischen Landkreis Kassel.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Wolfhagen.

Geschichte

Vorgeschichte

In der ehemaligen Sandgrube im Wolfhager Stadtwald wurden Fußabdrücke von frühen Dinosauriern gefunden. Zwei der Saurier, Protochirotherium wolfhagense und Palaeochirotherium macrodactylum wurden hier erstmals entdeckt.[5] Einige der Spuren sind im Wolfhager Museum zu besichtigen.

Erste Spuren menschlichen Wirkens in der Wolfhager Gemarkung verweisen auf die mittlere Steinzeit.[6] Zahlreiche Hügelgräber im Wolfhager Stadtwald belegen eine bronzezeitliche Besiedlung.[7]

Mittelalter

Die Gegend um Wolfhagen gehörte zu Beginn des Mittelalters zum chattischen Siedlungsraum, der bald im fränkischen Herrschaftsbereich aufgehen sollte. Auch wenn Architektur und die niederdeutsche Sprache weit stärker sächsisch als fränkisch geprägt sind, ist eine Zugehörigkeit zum fränkischen Hessen anzunehmen.[8] Die Gründungen von Gran und Langel, zwei Siedlungen chattisch-sächsischer Bauern auf heute Wolfhager Gebiet, wurden von einem Heimatforscher auf das Ende des vierten Jahrhunderts datiert.[9] Wahrscheinlicher ist jedoch, dass diese Orte erst im 8. Jahrhundert besiedelt wurden.

Seit dem 7. Jahrhundert wurde die Gegend von iro-schottischen Mönchen christianisiert.[10] Wahrscheinlich war es der heilige Bonifatius, der um 752 auf späterem Wolfhager Gebiet die Erzpriesterkirche auf dem Schützeberg als einflussreiches kirchliches Zentrum in der Region weihte. Eine Urkunde des 13. Jahrhunderts benennt einen Alkmar als ihren Gründer.[11]

Um 1200 wurde Nordhessen Schauplatz blutiger Adelsfehden. Die damals in diesem Teil Hessens regierenden Landgrafen von Thüringen waren deshalb bestrebt, die Bevölkerung in befestigten Städten anzusiedeln, um sie so aus den Kämpfen heraushalten und gleichzeitig zur organisierten Landesverteidigung dienstbar machen zu können. Wolfhagen wurde dazu auf einem strategisch günstigen Hügel nahe der Grenze zu Waldeck, Westfalen und zu Besitzungen des Erzbistums Mainz gegründet. Die Bewohnerschaft stammte aus den umliegenden unbefestigten Orten, die dann zum größten Teil wüst fielen.[12] Mit dem Bau der befestigten Stadt und Burg Wolfhagen muss frühestens 1200 und spätestens 1226 begonnen worden sein.[13]

1231 erwähnt Landgraf Konrad, der die hessischen Besitzungen der Ludowinger verwaltete, eine Hofstätte „in nostro oppido Wolfhain“, das erste schriftliche Dokument der Existenz der Stadt.[14] Diese Ersterwähnung markiert das offizielle Gründungsdatum des Orts. Im Jahr 1235 wurde der Altar der Stadtkirche geweiht.[15] Bei Ausbesserungsarbeiten im Jahr 2010 wurden unter der Kirche Reste eines romanischen Vorgängerbaus gefunden, die es denkbar scheinen ließen, dass Stadt und Kirche auf eine ältere Vorgängersiedlung zurückgehen,[16] die aber wahrscheinlich nur auf einen provisorischen Kirchenbau verweisen. Die Kirche auf dem Schützeberg verlor nach dem Bau der Stadtkirche an Bedeutung und wurde schließlich aufgegeben.

Im Jahre 1264 erhielt der Ort das Stadtrecht, und ab 1302 hatte die Stadt eine vollständige Befestigungsanlage. Organisatorisch war Wolfhagen in vier Bauerschaften, also Bezirke unterteilt. Der Vogt, Schultheiß oder Amtmann residierte auf der Burg und war der Vertreter des Landgrafen. Er war vor allem für Polizei, Rechtsprechungs- und Verteidigungsaufgaben zuständig. Die Verwaltung der Stadt oblag dem Bürgermeister, der von einem Rat angesehener Bürger gewählt wurde. Der Rat betreute auch das Stadtgericht, dessen Vorsitz der Vogt hatte. Ab 1313 bekamen auch Abgeordnete der Zünfte und der Bauerschaften Stimmrecht im Rat. Da die Ratswürde vererbt werden konnte, sahen sich aber weiter große Teile der Bevölkerung von einer Mitbestimmung ausgeschlossen. Sie gründeten ihren eigenen Rat, der einen eigenen Bürgermeister wählte. Ab dem 15. Jahrhundert hatte Wolfhagen dann auch ganz offiziell zwei Bürgermeister und zwei Räte: einen Gemeinderat und einen ordentlichen Rat. Beide wählten zwei Kämmerer, die die Verwaltung der Finanzen regelten.[17] Das Amt Wolfhagen umfasste einen Gerichtsbezirk des Landgrafen. Ab 1240 wurden eigene Münzen geprägt[18] und im Jahre 1286 wurde die Knabenschule erstmals erwähnt.[19]

1268 wurde Wolfhagen von den westfälischen Truppen des Bischofs Simon I. von Paderborn bedrängt. Landgraf Heinrich von Thüringen trat diesen erfolgreich entgegen, wobei 150 der Angreifer getötet wurden. Zwei Jahre später gelang es den Westfalen jedoch, die Stadt in Brand zu setzen.[20] Im Sommer 1372 wurde Bischof Heinrich von Paderborn mit einem Teil seines Gefolges durch Wolfhager Bürger unter der Führung von Werner und Heinrich von Gudenberg gefangen genommen, in Wolfhagen festgesetzt und schließlich gezwungen, die Seiten im Sternerkrieg zu wechseln.[21]

1368 wurde das Spital gegründet. Im Januar 1376 wurden große Teile der Stadt von einem Feuer zerstört. Ab 1385 war der Ort für längere Zeit an das Erzbistum Mainz verpfändet.[22] 1420 brannte es in Wolfhagen erneut.[15] In den Jahren 1464 und 1465 kam es erneut zu mehreren Angriffen aus Paderborn.[23] Ab dem 14. Jahrhundert war Wolfhagen Sitz des Amtes Wolfhagen.

Neuzeit

Im Jahre 1527 hielt die Reformation Einzug in Wolfhagen.[24] Im Jahre 1576 raffte die Pest einen großen Teil der Bevölkerung dahin. Noch mehr Todesopfer gab es im Jahr 1597 durch mit Mutterkornpilz verunreinigtes Getreide.[25]

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt nahezu vollkommen zerstört. Von vormals 394 Wohnhäusern standen am Ende des Kriegs nur noch 81. Die Behebung der Schäden dauerte Jahrzehnte. Von 370 Wolfhager Bürgern (also allen Haushaltsvorständen ohne den jüdischen Bewohnern und den Bewohnern der Garthaus Vorstadt, die alle nicht als rechtlich vollwertige Bürger eingestuft wurden) waren 1646 nur noch 81 zu finden.[26] Ab 1699 kam es zum Zuzug von Hugenotten.[27] Im Siebenjährigen Krieg kam es in und um Wolfhagen zu mehreren Gefechten, von denen das größte allein mehreren Tausend Menschen das Leben kostete. Zeitweise war die Stadt französisch besetzt.[28] Um Bevölkerungsverluste auszugleichen, wurden nach dem Krieg auf Wolfhager Gebiet die Kolonien Philippinendorf, -burg und -thal gegründet, deren Siedler zumeist aus anderen Teilen Hessens stammten.

Während der Zeit des napoleonischen Königreichs Westphalen (1807–1813) war die Stadt Verwaltungssitz des Kantons Wolfhagen. Der Dörnbergsche Aufstand gegen Napoleon im Jahr 1809 endete nicht zuletzt deshalb so unglücklich, weil die beteiligten Wolfhager Aufständischen so dilettantisch vorgegangen waren, dass die Truppen König Jérômes rechtzeitig gewarnt wurden.[29]

Im Jahre 1815 wurde Hessen-Kassel Kurfürstentum. 1821 wurden die Ämter Wolfhagen, Naumburg, Volkmarsen und Zierenberg zum neuen Landkreis Wolfhagen zusammengefasst.[30] Im Jahre 1866 wurde Kurhessen preußisch und 1867 wurde das Wolfhager Justizamt zum Amtsgericht Wolfhagen umbenannt.[30] Im Jahre 1896 wurde Wolfhagen an das Eisenbahnnetz angebunden.[31]

20. und 21. Jahrhundert

Von November 1918 bis Februar 1919 wurde die Stadt von einem Arbeiter-Soldaten- und Bauern-Rat verwaltet.[32] Ab ca. 1925 vergrößerte sich die bebaute Fläche, die über Jahrhunderte fast konstant geblieben war, rapide. Neubaugebiete wurden erschlossen. Dieser Prozess beschleunigte sich noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg. Parallel dazu stieg die Bevölkerungszahl. Hatte die Stadt 1931 noch 3200 Einwohner,[33] so betrug die Zahl der Bewohner 1951 schon 5500.[34] 30 Jahre später waren es 7000. Hinzu kamen noch einmal etwa 5500 Bewohner der 1971 eingemeindeten umliegenden Dörfer, so dass die Großgemeinde Wolfhagen nun auf etwa 12.500 Einwohner kam.[35]

Der Zweite Weltkrieg kostete 229 Soldaten aus Wolfhagen das Leben.[36] Zahlreiche Zwangsarbeiter aus besetzten Gebieten mussten zu dieser Zeit in Betrieben in der Stadt arbeiten; gegen Ende des Krieges wurden rund 773 Personen von den Alliierten befreit.[37][38] Bereits vor dem Krieg war in der Gemarkung die Luftwaffen-Hauptmunitionsanstalt („Muna“) eingerichtet worden. Deren Bestand an Munition wird noch für Ende März 1945 mit 4000 Tonnen angegeben.[38] Die Muna wurde beim Herannahen der Alliierten in mehreren Schüben gesprengt. Durch die Wucht der Explosionen kam es zu Sachschäden in Wolfhagen.[39] Am 31. März 1945 wurde die Stadt kampflos von amerikanischen und belgischen Truppen besetzt.[40] Im heutigen Ortsteil Istha kam es zu einem Gefecht mit einer SS-Kompanie aus Arolsen, die sich dort verschanzt hatte. Mehrere der SS-Männer und mindestens ein Zivilist fanden dabei den Tod.[38] Wolfhagen gehörte fortan zur Amerikanischen Zone, später zum Bundesland Hessen. Zahlreiche Flüchtlinge fanden hier nun ein neues Zuhause. Durch die vielen katholischen Flüchtlinge entstand eine katholische Gemeinde, die 1966 die neu erbaute katholische Kirche St. Maria beziehen konnte.

Am 14./15. März 1960 wurde auf dem früheren Gelände der Munitionsfabrik der Truppenstandort der Bundeswehr in Wolfhagen bezogen. Stationiert wurden zunächst die Panzerjägerkompanie 50 aus Marburg und das Panzerbataillon 54 (1981 umbenannt in Panzerbataillon 64) aus Wetzlar. Wolfhagen war damit ab April 1960 Garnisonsstadt. 1964 bekam der Standort den Namen „Pommern-Kaserne“. Am 5. August 1976 folgte die Stationierung des Panzergrenadierbataillons 341, später umbenannt in Panzergrenadierbataillon 62. Die Kaserne wurde 2008 geschlossen.

Im Rahmen der Gebietsreform in Hessen wurde 1972 der Landkreis Wolfhagen aufgelöst und dem Landkreis Kassel zugeordnet. Damit wurden auch die Autokennzeichen mit dem Kürzel WOH immer weniger; 2013 wurden sie wieder zugelassen. Wolfhagen wurde mit umliegenden Dörfern zur Großgemeinde Wolfhagen vereinigt.

Im Jahre 1992 fand der Hessentag in Wolfhagen statt. Im Jahre 2005 wurde das Amtsgericht Wolfhagen geschlossen. Am 30. Juni 2008 folgte die Schließung des Bundeswehrstandortes; das Gelände der 1958/59 erbauten ehemaligen „Pommern-Kaserne“ wurde demilitarisiert und beherbergt heute eine Bildungseinrichtung und mehrere mittelständische Unternehmen. Zum 1. Januar 2019 wurde der Evangelische Kirchenkreis Wolfhagen aufgelöst und die Gemeinden des Kirchenkreises mit den Gemeinden des ebenfalls zu diesem Zeitpunkt aufgelösten Kirchenkreises Hofgeismar zum neuen Kirchenkreis Hofgeismar-Wolfhagen zusammengefasst. Damit wurde auch Wolfhagen als Standort des Evangelischen Dekanates aufgegeben.

Im Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke Opfer eines rechtsterroristisch motivierten Attentats vor seinem Wohnhaus im Stadtteil Istha.[41]

Die jüdische Gemeinde

18 jüdische Flüchtlinge aus Frankreich sind im Jahr 1235 in Wolfhagen belegt. Im Herbst dieses Jahres wurden sie bei einem Pogrom getötet.[42] Anfänge einer Gemeinde fallen wohl in die Zeit des Beginns des 16. Jahrhunderts.[43] Juden wurden jedoch keine vollen Bürgerrechte zugestanden, obwohl sie allen Pflichten unterworfen waren.[44] Bürgermeister und Rat der Stadt beantragten stattdessen mehrmals erfolglos beim Landgrafen, die Juden ausweisen zu dürfen.[43] 1720 bestand die Gemeinde bereits aus 40, 1788 aus 59, 1827 aus 127 und 1850 aus etwa 236 Personen. Im Jahre 1874 waren es etwa 300 Personen, das waren mehr als zehn Prozent der Bevölkerung.[45] 1929 bestand sie nur noch aus 65 Personen.[46]

Schon 1720 wirkte ein Lehrer der Gemeinde in Wolfhagen.[45] Während der napoleonischen Episode genossen Juden kurzzeitig volle Rechte, die danach aber zunächst wieder abgesprochen wurden und erst mit der kurhessischen Verfassung 1831 erneut gewährt wurden.[45] 1859 wurde eine Synagoge eröffnet.[46] Die Gemeindemitglieder waren oft anti-jüdischen Ressentiments ausgesetzt. So bewirkte die Revolutionsstimmung 1848 bei den Wolfhager Bürgern nicht viel mehr als ein Pogrom, bei dem Fensterscheiben jüdischer Wohnhäuser eingeworfen wurden.[47] Diese Vorbehalte traten sofort nach der Machtübernahme Hitlers wieder zum Vorschein. Schon im April 1933 beantragte der Magistrat die Aufhebung der jüdischen Schule.[48] Während der Novemberpogrome 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt. Die Kultgegenstände der Gemeinde wurden zerstört, der jüdische Friedhof und das Schulhaus verwüstet. Ebenso wurde ein jüdisches Wohnhaus abgebrannt.[49] Zahlreiche Juden konnten Wolfhagen noch verlassen, andere wurden ermordet. 1942 wurden zehn Juden aus dem Kreis Wolfhagen mit dem Sonderzug D-57 in die Vernichtungslager Majdanek und Sobibor verschleppt.[50] Eine Auflistung aus den 1980er Jahren benennt 51 überwiegend ältere Wolfhager und ehemals Wolfhager Juden sowie sieben Juden aus Niederelsungen, die deportiert wurden, meist nach Theresienstadt, Auschwitz, Riga oder Łódź.[51]

Anfang 2013 wurde beschlossen, den beiden letzten noch lebenden, in Wolfhagen geborenen Mitgliedern der Gemeinde, Lutz Kann und Ralph Möllerick, die Ehrenbürgerschaft zu verleihen.[52] Kurz zuvor war Adolf Hitler die am 3. April 1933 verliehene Ehrenbürgerschaft aberkannt worden.

Text: Wikipedia

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