Wunsiedel

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Wunsiedel (bairisch Wousigl) ist die Kreisstadt des oberfränkischen Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge und liegt an der Bayerischen Porzellanstraße.

Reklamemarken und Siegelmarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Aichach.

Weber & Ott

Luisenburg-Festspiele

Schmidtbank

Sonstige

Geschichte

Geschichte bis 1890

Der Ort wurde erstmals 1163 als Sitz eines Ministerialen Adelbertus oder Albrecht urkundlich erwähnt und gehörte seinerzeit zum Verwaltungsbezirk Eger (Regio Egere). Im Jahr 1285 erhielt Burggraf Friedrich III. von Nürnberg die Lehnsherrschaft über die Burg Wunsiedel durch König Rudolf I. von Habsburg. Bereits 1326 wurden Wunsiedel die Stadtrechte durch Burggraf Friedrich IV. verliehen und 1328 durch Kaiser Ludwig den Bayern bestätigt. In der Folgezeit entwickelte sich Wunsiedel zum Zentrum des Bergbaus im Fichtelgebirge. Vornehmlich von 1250 bis 1450 profitierte die Stadt vom Zinnbergbau und erlangte trotz ihrer ungünstigen Verkehrslage große wirtschaftliche Bedeutung in der Region[7], insbesondere durch die Herstellung von Weißblech durch das ansässige Schmiedehandwerk, welches jedoch Ende des 15. Jahrhunderts auch als Folge der Hussitenkriege einbrach. 1430 konnten die Hussiten in der Schlacht am Katharinenberg vom Wunsiedler Hauptmann Hans von Kotzau geschlagen werden[8].

Während dieser Zeit der wirtschaftlichen Krise wurde von Eger aus der Versuch unternommen, die Stadt Wunsiedel und das umliegende Gebiet wieder unter die böhmische Herrschaft der Stadt Eger zu bringen. Jobst von Schirnding jedoch besiegte die Böhmen 1462 ebenfalls am Katharinenberg, sodass das Vorhaben misslang.

Die anhaltende Krise gipfelte während des Bauernkriegs 1525 schließlich in einem Aufstand der Wunsiedler Bevölkerung, jedoch konnte weder dadurch, noch durch die 1528 eingeführte Reformation die wirtschaftliche Lage verbessert werden.[9] Die Markgrafen, besonders Markgraf Georg Friedrich, der ab 1588 im Amt war, und der Wunsiedler Rat waren so gezwungen, die Situation für die Bürger zu verbessern. In dieser Zeit entstanden Bildungseinrichtungen wie etwa eine Lateinschule und es kam zu einem erneuten wirtschaftlichen Aufschwung des Ortes, der jedoch durch den Dreißigjährigen Krieg beendet wurde.

1504 wurde Wunsiedel, mittlerweile im Besitz der Hohenzollern, Teil des Sechsämterlandes und 1613 dessen Hauptort. Dem Amtshauptmann in Wunsiedel waren die Amtmänner in Hohenberg, Weißenstadt, Kirchenlamitz, Selb und Thierstein unterstellt (siehe auch Liste der Amtmänner des Sechsämterlandes). Der Ort entwickelte sich zum Verwaltungssitz und viele Beamtenfamilien siedelten sich in Wunsiedel an, auch eine Superintendentur befand sich in der Stadt.

Bis 1792 gehörte die Stadt zum hohenzollernschen Fürstentum Bayreuth und seit 1500 auch zum Fränkischen Reichskreis. Nach der Abdankung des letzten Markgrafen Karl Alexander von Brandenburg-Ansbach stand sie von 1792 bis 1806 unter preußischer Verwaltung und war vier Jahre von napoleonischen Truppen besetzt. 1810 kam Wunsiedel zum Königreich Bayern, wo es zum Obermainkreis gehörte, der schließlich 1837 in Oberfranken aufging.[10]

Die neuerliche Zugehörigkeit zu Bayern führte dazu, dass nach fast 300 Jahren ab etwa 1840 wieder Katholiken in die seit 1528 reformierte Stadt Wunsiedel kamen. Nachdem die Wunsiedler Katholiken einige Jahre von der Pfarrei Marktredwitz betreut worden waren, wurde zwischen 1883 und 1884 auf Betreiben des Regensburger Bischofs Ignatius von Senestrey schließlich die Pfarrkirche Zu den Zwölf Aposteln im Westen der Stadt erbaut und geweiht. Die katholische Gemeinde wuchs in der Folgezeit und besonders durch die Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg auf über 5000 Mitglieder an.[11]

Da die schlechte Verkehrsanbindung trotz einer Eisenbahnverbindung nach Holenbrunn 1877 weiterhin bestehen blieb, bemühte sich Wunsiedel im 19. Jahrhundert, den Fremdenverkehr in der Region zu etablieren. Bereits 1790 wurde das Felsenlabyrinth auf der Luisenburg für den Tourismus erschlossen und auch der Katharinenberg wurde als Bürgerpark neugestaltet. Zur 100-Jahr-Feier der Erschließung der Luisenburg wurde im Jahr 1890 ein Bergfestspiel im Felsenlabyrinth aufgeführt, das sich schnell etablierte und aus dem die Luisenburg-Festspiele erwuchsen, die heute rund 150.000 Besucher pro Jahr anziehen.[12][13]

Brände in den Jahren 1476, 1547, 1607, 1636, 1644, 1646, 1657 und 1731 vernichteten jeweils Teile der Stadt. Nach dem letzten Großbrand im Jahre 1834, der zwei Drittel Wunsiedels zerstörte, erhielt die Stadt ein klassizistisches Stadtbild.

Geschichte ab 1890

Ab etwa 1890 hielt die Industrialisierung in Wunsiedel Einzug, wie in vielen weiteren Orten der Region siedelten sich Porzellanfabriken an, hier allen voran die Firma Retsch im Jahre 1891.[14] Auch die Textilindustrie und die steinverarbeitende Industrie wurden verstärkt in der Stadt ansässig, beispielsweise Buntweberei Weber & Ott und die Grasyma (vereinigte Fichtelgebirgs-Granit-, -Syenit- und Marmorwerke AG). Im Jahr 1913 wurde zudem die 1877 erbaute Nebenbahnlinie von Holenbrunn nach Wunsiedel bis nach Leupoldsdorf fortgesetzt. Diese Faktoren hatten für die Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung und einen deutlichen Anstieg der Einwohnerzahlen von 3770 im Jahr 1890 auf 5850 im Jahr 1910 zur Folge.[15]

Der Erste Weltkrieg sorgte in Wunsiedel insbesondere ab 1916 für eine immer schlechtere Versorgungslage, die durch zahlreiche Sommergäste noch verschlimmert wurde. Dies führte 1917 und 1918 zu mehreren Aufständen der ortsansässigen Bevölkerung, die im Wesentlichen die Vertreibung der Sommergäste zum Ziel hatten, um die Versorgung der Einheimischen zu gewährleisten. Unmittelbar vor Kriegsende forderte dann im Oktober 1918 eine schwere Grippewelle viele Tote im Stadtgebiet. Des Weiteren verlor die Stadt während des Krieges 140 Einwohner, die als Soldaten an den Fronten gefallen waren.

Im Jahr 1920 kam es in Wunsiedel zu einem weiteren Aufstand, diesmal durch Anhänger der USPD. Im Anschluss an die Ausrufung einer Räterepublik in Hof am 14. März besetzte ein Trupp von USPD-Anhängern die örtliche Polizeiwache und rief in den Wirtshäusern zum Straßenkampf gegen die alarmierte Einwohnerwehr auf. Erst nach langen Verhandlungen und dem Eintreffen der Chiemgauer, einer Truppe, die von der Reichswehr bei Unruhen eingesetzt wurde, endete der Ausnahmezustand in der Stadt.

Die folgenden Zwanziger Jahre brachten dem Ort steigende Übernachtungszahlen, die bald das Vorkriegsniveau erreicht hatten und durch gezielte Verschönerungsmaßnahmen im Stadtgebiet und am Katharinenberg befördert wurden. Auch die Luisenburg-Festspiele wurden 1924 erstmals nach dem Weltkrieg wiederbelebt und mit professionellen Schauspielern und klassischem Theater in den Folgejahren sehr erfolgreich betrieben. Jedoch trafen die Inflation 1923 und die Weltwirtschaftskrise 1928 die Wirtschaft in Wunsiedel hart, sodass die Stadt zu Beginn der Dreißiger Jahre viele Arbeitslose vorzuweisen hatte. Dies spiegelte sich auch in der politischen Stimmung in Wunsiedel wieder. War die Wunsiedler Bevölkerung zu Beginn der Weimarer Republik noch stark der USPD und später insbesondere der Sozialdemokratie zugeneigt, entwickelte sich die NSDAP bereits bis 1932 zur stärksten Partei der Stadt. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Verbindung der Familie von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß nach Wunsiedel, weshalb Rudolf Heß bereits am 6. September 1933 zum Ehrenbürger der Stadt Wunsiedel erklärt wurde.[16]

Am 9. März 1933, dem Tag der Reichstagswahl, wurden auf dem Marktplatz und an allen öffentlichen Gebäuden schwarz-weiß-rote bzw. Hakenkreuzfahnen gehisst. Lediglich die Pfarrer der beiden christlichen Kirchen verweigerten die Beflaggung ihrer Gotteshäuser. Zudem wurden 35 Mitglieder von KPD und SPD als „Staatsfeinde“ ins Gefängnis gebracht. Dem ersten Transport in das Konzentrationslager Dachau gehörten damit am 24. März auch einige Wunsiedler an.

Vor der Reichspogromnacht am 9. November 1938 lebten in Wunsiedel nur noch zwei Juden, sie wurden unter Beschimpfungen ins Rathaus gebracht, körperlich misshandelt und anschließend inhaftiert. Beide überlebten das dritte Reich. Auch die beiden christlichen Geistlichen wurden in Rathaus getrieben, später jedoch wieder freigelassen. Ein in Wunsiedel ansässiger jüdischer Textilunternehmer hatte die Stadt mit seinen Kindern bereits vorher verlassen. Seine Ehefrau, die bei ihrer pflegebedürftigen Mutter zurückgeblieben war, kam in Auschwitz ums Leben.[17]

Vom Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt weitestgehend verschont; lediglich Anfang 1945 kam es zu vereinzelten Fliegerangriffen, die jedoch nur leichte Schäden im Bahnhofsgebiet verursachten. Am 19. April 1945 marschierten amerikanische Truppen in Wunsiedel ein und beendeten so für die Stadt den Krieg. Wunsiedel verzeichnete 244 gefallene, 250 gefangene und 198 vermisste Soldaten, zudem hatten mehrere Zwangsarbeiter ihr Leben verloren. 48 Soldaten kehrten als Kriegsversehrte nach Wunsiedel zurück, 93 Mädchen und Jungen waren zu Waisenkindern geworden.[17] In der Folgezeit stieg die Einwohnerzahl der Stadt – verglichen mit dem Vorkriegszustand – durch Flüchtlinge aus Schlesien und aus dem Sudetenland um knapp 3000 auf über 9000 Einwohner an.[18]

Im Jahr 1947 gelang es, an der damaligen Wunsiedler Realschule, dem heutigen Luisenburg-Gymnasium, eine siebte und achte Klasse einzuführen, sodass seitdem in Wunsiedel das Abitur abgelegt werden kann. Dies, sowie die Eröffnung einer Handelsschule und der Sigmund-Wann-Realschule stärkte die Bildungsmöglichkeiten in Wunsiedel nachhaltig.[19][20]

Durch die Gebietsreform in Bayern 1972 wurde der Altlandkreis Wunsiedel zum neuen Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge erweitert, der in seinen Grenzen in etwa dem alten Sechsämterland entspricht und dessen Kreisstadt Wunsiedel ist.[21]

Seit dem Suizid von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß (17. August 1987) veranstalteten Neonazis einen jährlichen Rudolf-Heß-Gedenkmarsch zu seinem Grab in Wunsiedel. Von 1991 an war der Marsch einige Male verboten, die Teilnehmer missachteten die Verbote jedoch. Die Antifa mobilisierte bundesweit zu Gegenveranstaltungen, zu denen anfangs Tausende, 1997 noch rund 600 Personen kamen.[22] 2004 erlaubten der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht die „Gedenkmärsche“. Daraufhin kamen 2004 rund 4500 Neonazis nach Wunsiedel. Dortige Bürgerinitiativen organisierten Gegendemonstrationen. 2005 verboten Bayerische Verwaltungsgerichte den Aufmarsch aufgrund einer neuen Fassung des Volksverhetzungsparagraphen; 2009 bestätigte das Bundesverfassungsgericht letztlich diese Urteile (Wunsiedel-Entscheidung).[23] Am 23. September 2008 verlieh die Bundesregierung Wunsiedel auch für seinen Umgang mit dem Neonaziaufmarsch den Titel „Ort der Vielfalt“. Das Grab von Rudolf Heß wurde im Juli 2011 nach Ablauf des Pachtvertrages aufgelöst, der Leichnam exhumiert, verbrannt und seine Asche zerstreut, um die Pilgerfahrten von Neonazis zu beenden.[24]

Gleichwohl setzten diese ihre jährlichen Aufmärsche in Wunsiedel fort, seither als „Heldengedenken“ zum Volkstrauertag, organisiert durch die rechtsradikale Kleinpartei Der III. Weg. Für den 15. November 2014 verwandelten die Bewohner von Wunsiedel einen solchen Aufmarsch in den „unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands“: Unter dem Motto „Rechts gegen Rechts“ wurde die Laufstrecke mit satirisch bedruckten bunten Bannern geschmückt und von Unterstützern aus der Region für jeden gelaufenen Meter 10 Euro an Exit Deutschland gespendet. Am Zielort wurden „Siegerurkunden“ an die Teilnehmer vergeben, auf denen ihnen Exit Hilfe beim Ausstieg aus der rechten Szene anbot.[25]


Text: Wikipedia

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