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Eichwalde unterm Hakenkreuz

19.646 Bytes hinzugefügt, 19:34, 2. Feb. 2014
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== Anpassung ==
 
Meist hörten oder lasen die Einwohner mehr von Verhaftungen und Unannehmlichkeiten, als daß sie diese selbst unmittelbar miterlebt hätten. Sensibler beobachteten ehemalige Anhänger von KPD und SPD sowie jüdische Einwohner die sich entwickelnden Verhältnisse, denn für sie waren jähe Repressionen nicht auszuschließen. Zunehmend setzten die Eichwalder große Hoffnungen in die vollmundigen Versprechungen der Naziführung, und man sah mitunter in Personen, die davon abweichende Auffassungen äußerten, eher Nörgler und Pessimisten. Gespannt verfolgten die Menschen, wie sich allmählich wirtschaftliche Fortschritte am Horizont zeigten, wie sich Beschäftigung, Ordnung, Sicherheit und vielleicht sogar bald Wohlstand einstellten. In seinen Erinnerungen gibt Hermann Wegner, der seit 1935 als Jugendlicher in Eichwalde gelebt hatte, seine Ansichten über diese Jahre wie folgt wieder:
"Kleine Fabrikanten, Handwerksmeister, Ingenieure, gut dotierte Beamte leisteten sich schon damals einen Haupt- oder Zweitwohnsitz außerhalb der großen Stadt. Die tägliche Fahrt mit Dampfzug und S-Bahn nahmen sie in Kauf, um Feierabend und Wochenende zwischen Seen und Wäldern zu genießen, beneideten wohl auch die Pensionäre, die hier schon ungestört Rosen züchteten. Nur jeder vierte Eichwalder ging im Wohnort seinem Beruf nach, verdiente sein Brot in der Gemeinde, in der er Steuern zahlte...Die Siedlerhäuser ähnelten sich, blieben brav in der Reihe, und ihre Besitzer besserten die Haushaltskasse mit Kleintierzucht und Gemüseanbau auf. Mietshäuser nach Berliner Vorbild standen nur einige neben dem Bahnhof...So ein Ort beherbergt Einzelgänger, Menschen, die von Zinsen leben, ein paar Käuze, überwiegend Kleinbürger, gewiß nicht Umstürzler. Folglich gedieh hier Anpassung, nicht Widerstand...Die NSDAP in Eichwalde, vor 1933 eher ein Mitleid erheischendes Häuflein, hoffte auch nach der Machtergreifung vergebens auf den stürmischen Zulauf..... Aber so abwartend und tatenlos, wie die Eichwalder nun den „Führer“ gewähren ließen, hatten sie auch dem Niedergang der Weimarer Republik zugeschaut.“
Der äußeren Ansicht Eichwaldes mag diese Beschreibung wohl entsprochen haben, jedoch werden Rolle und Einfluß der Nazis hier eher verharmlost. So teilnahmslos untätig waren viele der fast 5000 zählenden Einwohner des Ortes durchaus nicht. Im Gegenteil, die Naziorganisationen Eichwaldes erreichten bald einen beachtlichen Mitglieder- und Mitmacheranteil.
 
Die Einwohnerschaft Eichwaldes setzte sich, wenn man die Berufe der im Einwohnerverzeichnis von 1938 aufgeführten Haushaltungsvorstände betrachtet,
zu etwa 44 Prozent aus Arbeitern und Angestellten, zu 42 Prozent aus Beamten, Selbständigen und Freiberuflern, zu 14 Prozent aus Rentnern, Pensionären und sonstigen Personen zusammen. Mit nationaler und sozialer Demagogie, durch Drohung und Terror, mit Rassenideologie und übersteigertem Nationalismus hatte der deutsche Faschismus den weitaus größten Teil der Einwohner Eichwaldes ergriffen. Das ließ auch manche zu Taten bereit werden und keinesfalls abwartend abseits bleiben. Sie fanden sich bald mit den anderen politischen Verhältnissen ab und nahmen bereitwillig den "neuen Geist“ in sich auf.
 
1932 zählte die NSDAP in Eichwalde 50 Mitglieder, bezogen auf 3 604 Wahlberechtigte waren das 1,4%. Seit März 1933 stieg die Mitgliederzahl der örtlichen NSDAP sprunghaft an ("Märzgefallene“, so nannten die vor dem 30. Januar 1933 Mitglied gewordenen Nazis jene nach den Märzwahlen eingetretenen Mitglieder.), so dass Ende des Jahres 1934 schon 318 Eichwalder Mitglied in der Hitler-Partei waren. Bezogen auf etwa 4 400 Stimmberechtigte im August 1934, von denen die Mehrzahl erwerbsfähig gewesen sein wird, waren das 7,2%. Zeitweilige Mitgliedersperren, so vom 1.5.1933 bis zum 1.5.1937, bremsten den Zustrom zur NSDAP etwas, ohne ihn je ganz zu verhindern. Die einzige jemals zwischen 1933 und 1945 durchgeführte Mitgliederzählung ergab, daß am 1. Januar 1935 in Deutschland 2.495 000 NSDAP-Mitglieder registriert waren. Das waren 3,8% der Erwerbsfähigen Deutschlands. Für 1938 wurden lt. Heimatbuch 588 Mitglieder und Anwärter der NSDAP gezählt. Bezogen auf 4.660 wahlberechtigte Einwohner im Jahre 1938 waren 12,6 % sogenannte Pg's (NSDAP-Ziel 5-10%). Die Eichwalder Nazis waren also überdurchschnittlich erfolgreich. Bis 1945 stieg die Mitgliederzahl weiter. Es gab außerdem hunderte Anhänger und Mitläufer in mehr als 18 örtlichen NS-Verbänden und Gliederungen. Darunter waren 15 SS-Leute, von denen 3 in KZ’s eingesetzt waren. Nur wenige Eichwalder Kinder und Jugendliche entzogen sich der Mitgliedschaft in den NS-Jugendverbänden Hitlerjugend und Deutsches Jungvolk sowie Bund Deutscher Mädel und Jungmädel. Der "Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes" versuchte, die Gewerbetreibenden des Ortes unter Aufsicht zu bringen. Mit dem Versprechen, ein Kontrollrecht bei der Vergabe von Aufträgen zu haben, lockte auch der örtliche Vorstand des Kampfbundes Handwerker und Gewerbetreibende, sich seinen Reihen anzuschließen. Am 8. August 1933 wurde der Kampfbund in Durchsetzung des "Führerprinzips" in die "Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbe-Organisation" (NS-Hago) überführt. Allein dem seit 1934 bestehenden Reichsluftschutzbund waren bis April 1937 bereits 1203 Bürger beigetreten, ließen sich bei Hauswerbungen einschreiben. Besonders die Tätigkeit der Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) fand große Zustimmung. Bis 1938 waren schon annähernd tausend Eichwalder Mitglied dieser NS-Organisation. Mit dem von der NSV geleiteten Winterhilfswerk (WHW, seit 13. September 1933) sollte die soziale Not unmittelbar gemildert werden. Es wurden Straßen- und Haussammlungen veranstaltet, die nicht nur den Eindruck umfassender Fürsorge des NS-Systems für das Wohl des Volkes vorgaukelten, sondern zugleich dem NS-Staat schon 1933 mühelos 358 Millionen RM in die Kasse brachten. Anfangs gehörte das Winterhilfswerk zu jenen Maßnahmen, die über noch vorhandene Konsolidierungsprobleme der Hitler-Regierung hinwegtäuschen sollten. Das WHW, später selbst in den Kriegsjahren alljährlich durchgeführt, stellte in Wahrheit eine zusätzliche Steuer zur Finanzierung der Rüstung dar. Mit der Organisation des Winterhilfswerkes wurde besonders die Eichwalder Anhängerschaft der Nazis im Herbst 1933 über viele Wochen beschäftigt, die von den Eichwaldern Lebensmittel-, Kleider- und Geldspenden einsammelte. Was den einen von SA-Leuten und Hitlerjungen abverlangt wurde, verteilten diese an andere Mitbürger. Gutscheine für den Bezug von Kohle, Strom und Gas wurden an Bedürftige verschenkt. "Keiner soll hungern oder frieren", lautete eine zentrale Losung der Nazis. Dem konnte man schwerlich widersprechen. Die NSDAP gab sich ein soziales Gesicht, inszenierte und propagierte den "Sozialismus der Tat“. "Eintopfsonntage" in den Haushalten und Speisegaststätten, seit 1.Oktober 1933 an jedem ersten Sonntag des Monats in ganz Deutschland, 1935 bereits jeden zweiten Sonntag, sollten das Gefühl der Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft festigen und dem NS-Staat Devisen für einzuführende Lebensmittel ersparen. Unter der Überschrift "Aus einem Topf “ war am 7.Januar 1934, dem vierten Eintopfsonntag nach dessen Einführung, in der Regionalzeitung zu lesen : "Am Eintopfsonntag ißt das deutsche Volk gleichsam aus einem Topf, aus dem Topf deutscher Not, deutschen Schicksals, aber auch aus dem Topf deutscher Notgemeinschaft, deutscher Aufbaubereitschaft. Mit dem Eintopfgericht soll sich das deutsche Volk verbunden fühlen, wie etwa bei einer Arbeitsgemeinschaft in einem Arbeitslager, wie der Soldat in der Stubenkameradschaft oder die wandernde Jugend im Zeltlager. Das ist der tiefere Sinn des Eintopfgerichts...“ Die Eichwalder waren offenbar besonders eifrige Eintopfesser, denn die Gemeinde erreichte im Kreis Teltow mit 546,- RM (Reichsmark) den 5. Platz bei der Abrechnung der mit einem bescheidenen Eintopfessen eingesparten Geldmittel, im Februar sogar Platz 4. Eine Eichwalderin erinnerte sich an folgende Begebenheit aus ihrer Kindheit:
"An einem Sonntag saßen meine Eltern und ich beim Essen. Da rief jemand an der verschlossenen Gartentür. Mein Vater nahm sein Portemonnaie und ging, von mir neugierig begleitet, zur Gartenpforte. Es war 'Eintopfsonntag', und da wurde immer gleich das beim bescheidenen Eintopfgericht gesparte Geld einkassiert. ' Hat es geschmeckt?' wurden wir vom Kassierer gefragt. Mein Vater antwortete:' Ach, wissen Sie, wenn der Eintopf gut gekocht ist, schmeckt er sogar als Sonntagsessen ' und reichte seine Spende über den Zaun. Ich starrte ihn entgeistert an. Noch nie hatte ich meinen Vater die Unwahrheit sagen hören. Wir hatten uns nämlich gerade einen Braten schmecken lassen. ' Wir essen, was uns gefällt, so lange wir es uns leisten können, aber das muß ja nicht jeder wissen ', meinte mein Vater hinterher. Ich hatte verstanden."
Losungen wie: "Sonntagspflicht - Eintopfgericht!“, "Eintopfessen - nicht vergessen!“, "Das Eintopfgericht erzieht Eure Kinder zur Volksgemeinschaft!“ oder "Herr Eintopf und Frau Kelle melden sich zur Stelle!“ mobilisierten die Eichwalder. Am ersten Sonntag im November 1933 waren HJ, BDM und DJ damit beschäftigt, ihrerseits Geld für das WHW zu sammeln. Dazu wurden bei Straßensammlungen im Zusammenwirken mit der NSV Nägel für 5 Rpfg verkauft, die auf einen Schild in Form des HJ-Abzeichens genagelt werden sollten. Derartige Nagelungen der HJ-Schilde wurden in der Aula des Gymnasiums veranstaltet, auf einen Schild paßten 1300 Nägel (65.-RM).
 
Zum emotionalen Höhepunkt des Jahres 1933 sollte die WHW-Aktion "Weihnachten in jedem deutschen Haus“ werden. Bedürftige erhielten vom WHW Geschenke, Lebensmittel, Brennstoffe und wurden in Feierstunden betreut. Am Bahnhof Eichwalde ließ die Ortsleitung der NSDAP eine Holzpyramide errichten, die jeden Ankommenden mahnte, die WHW-Spende nicht zu versäumen. Im Februar 1934 verkaufte man Rosetten aus Plauener Spitze, um die Not der Arbeitslosen in der Plauener-Spitzen-Produktion zu lindern, im Mai folgte der Verkauf von Seidenbandabzeichen für das Hilfswerk "Mutter und Kind “, der 14. Juli wurde zum "Tag der deutschen Rose" erklärt und dementsprechend Naturrosen mit Band und Nadel verkauft, in ganz Deutschland 20 Millionen Stück für je 20 Rpfg. Der Straßen- und Hausverkauf lief auf Hochtouren. Das alles sollten sichtbare Zeichen deutscher Volksgemeinschaft sein. Nicht wenige Eichwalder fühlten sich durch die andauernde Sammlerei auch bedrängt und belästigt. Die Regionalpresse verlautbarte deshalb im Februar 1934 ausdrücklich für Eichwalde: "Glaube nicht, lieber Volksgenosse, daß es genügt, wenn Du Dich in Deiner Wohnung hältst und unsern Sammlern vortäuschst, Du wärst nicht zu Hause. Wir finden Dich überall, ob zu Hause, auf dem Spaziergang oder im Lokal. Durch Dein Tun und Lassen wirst Du beweisen, ob Du Dich zu der großen Volksgemeinschaft bekennst oder Dein Bekenntnis nur ein Lippenbekenntnis ist. Am 18. Februar trägt jeder Eichwalder eine Spitzenrosette!“ Die Verärgerung der Bevölkerung über den regelrechten Sammlungsterror führte schließlich 1935 zu einem zeitweisen Verbot von Straßensammlungen. Es gab jedoch viele weitere Methoden, u.a. den automatischen Lohnabzug, um die Gelder für das Winterhilfswerk einzutreiben. Mit immer neuen Varianten wurden finanzielle Mittel abgeschöpft und gleichzeitig das Trugbild von einer Volksgemeinschaft ohne Klassenunterschiede erzeugt. Bald war in Eichwalde kein Bereich des gesellschaftlichen Lebens mehr vorhanden, der nicht von den Nazis erfaßt, reglementiert, organisiert und kontrolliert wurde.
 
Lügen und Versprechungen großen Stils waren unverzichtbare Führungsmethoden der Hitlerregierung und NSDAP-Führung. Von besonderer Tragweite und Hinterhältigkeit erwiesen sich die permanenten Heucheleien Hitlers über den Wunsch nach Frieden und Sicherheit für ein Deutschland in der Völkergemeinschaft. Sie blieben bei beträchtlichen Teilen der Bevölkerung nicht wirkungslos. Die Wahrheit hatte der damalige Außenminister von Neurath nur als Niederschrift einer Ministerbesprechung Hitlers am 7. April 1933 seinem Tagebuch anvertraut, indem er schrieb: " Unser Hauptziel bleibt die Umgestaltung der Ostgrenze. Es kommt nur eine totale Lösung in Frage." Eben, am 4. April, war der Berliner Vertrag von 1926, der Freundschafts- und Neutralitätspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion, verlängert worden. Ein Nichtangriffsvertrag mit Polen folgte im Januar 1934.
Die Hitlerregierung beteuerte unüberhörbar und demagogisch ihre Bereitschaft zur totalen Abrüstung. Krieg sei Wahnsinn ohne Ende, hatte Hitler in seiner als "Friedensrede" bezeichneten Reichstagsrede am 17. Mai 1933 erklärt. Die Probleme wurden derart verfälscht dargestellt, als erfüllten allein die Siegermächte des ersten Weltkrieges ihre in Versailles übernommenen Verpflichtungen zu einer Rüstungsbeschränkung nicht. Unter dem längst gesuchten Vorwand einer angeblichen Ungleichbehandlung Deutschlands in Abrüstungsfragen brach die deutsche Delegation ihre Verhandlungen bei der seit Februar 1933 stattfindenden Genfer Abrüstungskonferenz am Sitz des Völkerbundes ab. Das Hitlerkabinett traf am 14. Oktober die Entscheidung, sich damit zugleich aus dem Völkerbund zurückzuziehen. Scheindemokratisch sollte mit einer außerordentlichen Reichstagswahl und einem Volksentscheid am 12. November dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund nachträglich zugestimmt und die propagierte 'Wehrhaftmachung' als von allen Deutschen ersehnte Notwendigkeit gerechtfertigt, der außenpolitische Kurs Hitlers zur Revision des Versailler Systems gebilligt werden. Es war der national-konservativen und faschistischen Propaganda nach dem Ersten Weltkrieg gelungen, bei vielen Deutschen den Versailler Vertrag als Ausdruck nationaler Erniedrigung und dessen Beseitigung als Lösung aller ihrer Sorgen und Nöte erscheinen zulassen. Die Nazis taten so, als würden sie breite Volksinteressen vertreten, wenn sie lautstark die Revision des Vertrages verlangten. Gleichberechtigung wurde gefordert - das NS-Regime verstand darunter vorrangig die militärische Gleichberechtigung und erzeugte eine nationalistische Hochstimmung als Beschützer der Nation. Als im November 1933 die Ortsgruppe der NSDAP in "Walters Bierhallen“ eine Wahlversammlung mit der Losung: "Frieden und Gleichberechtigung!" veranstaltete, konnte sie auf die in der Einwohnerschaft, nicht nur beim Kriegerverein, weit verbreiteten Hoffnungen einer baldigen Revision des Versailler Vertrages bauen. "Mit Ja in Treue zum Führer!“- das wurde nun von der Ortsgruppe der NSDAP zum Ziel der Abstimmung am 12. November deklariert.
Zur weiteren Vorbereitung dieses Täuschungsmanövers wurde am 10.November um
13.00 Uhr auf allen deutschen Sendern als Höhepunkt der "Propagandaschlacht “, wie Goebbels es bezeichnet hatte, eine Rede Hitlers übertragen, die er vor Arbeitern der Berliner Siemenswerke hielt. Zu dieser Stunde, in der sich Hitler als Mann der Arbeit und des Volkes präsentierte, ruhte in ganz Deutschland die Arbeit. Die Eichwalder Straßen waren wie leergefegt. Auch alle Schüler des Ortes verfolgten die Rede beim Gemeinschaftsempfang. Hitler beteuerte erneut vor aller Welt seine Bereitschaft zu Gleichberechtigung und Frieden, um gleichzeitig den beschlossenen Rückzug aus dem Völkerbund und die Notwendigkeit deutscher Rüstung zu rechtfertigen. Frieden, bis Deutschland durch Aufrüstung und Wehrmacht kriegsbereit geworden war, Gleichberechtigung mit dem Rüstungsstand anderer Staaten. Dass derartige revanchistische Propaganda die Kriegsgefahr heraufbeschwor, wurde nur von einer Minderheit des deutschen Volkes wahrgenommen. Zwei Tage später ging man zur Wahl.
 
Das Ergebnis sah wie folgt aus: Von 3867 Wahlberechtigten beteiligten sich 218 nicht an der Scheinwahl zum Reichstag, außerdem ergab die Auszählung einen außergewöhnlich hohen Anteil von 312 ungültigen Stimmen. 3337 der gültigen Stimmen waren für den Wahlvorschlag der einzigen zur Wahl stehenden Partei, der NSDAP, mehr als 86 Prozent. 530 Wahlberechtigte Eichwaldes hatten sich den Nazis, zweifellos aus Protest gegen die Beseitigung des demokratischen Parteiensystems, gegen den Nazi-Terror und den außenpolitischen Kurs des faschistischen Regimes, verweigert, also 13,7 % der stimmberechtigten Eichwalder. Das Wahlverhalten zum Thema der Volksabstimmung ergab: Von 3867 Stimmberechtigten nahmen 3753 an der Volksabstimmung teil, davon entschieden sich 3518 (93,7%) für den außenpolitischen Kurs der Hitler-Regierung. Insgesamt hatten sich 349 stimmberechtigte Eichwalder, mehr als 9%, durch Stimmenthaltung oder mit ihrem Nein gegen den Rückzug Deutschlands aus dem Völkerbund entschieden. Sie durchschauten den friedensgefährdenden Kurs Hitlers - nur eine Minderheit, aber eine weitblickende.
 
Fünf Jahre später, am 10. November 1938, es war der Tag nach dem Pogrom gegen die Juden, erklärte Hitler in einer nicht zur Veröffentlichung bestimmten Rede vor ausgewählten NS-Funktionären : " Der Zwang war die Ursache, warum ich jahrelang nur vom Frieden redete. Es war nunmehr notwendig, das deutsche Volk psychologisch allmählich umzustellen und ihm langsam klarzumachen, daß es Dinge gibt, die, wenn sie nicht mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden können, mit Mitteln der Gewalt durchgesetzt werden müssen."
Schon gegen Ende des ersten Jahres der NS-Diktatur war die überwiegende Mehrheit der Eichwalder nachweislich an ihrem Abstimmungsverhalten auf den Kurs der NSDAP eingeschwenkt. Ihnen blieb trotz mahnender Stimmen verborgen, welche Kriegsgefahr mit dem Faschismus in Deutschland verbunden war. Es war mehr als nur ein symbolischer Akt, als am 1. Juli 1933 der König-Albert-Platz, der heute Händelplatz heißt, in Adolf-Hitler-Platz umbenannt wurde. Dazu erklang aus dem Gotteshaus, das neben der Kirchenfahne auch mit der Reichsfahne und der Hakenkreuzfahne dekoriert war, feierliches Orgelspiel.
 
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1 Hermann Wegner: Durch die Zeit gestolpert . Erinnerungen. Berlin, 1993, S.17.<br />
2 Friedrich Westphal : Adreßbuch für die Gemeinde Eichwalde ,Kreis Teltow, Berlin, 1938.
Hierin sind nach dem Stand vom 1. Februar 1938 die Haushaltungsvorstände aufgeführt, die nach ihrer sozialen Stellung oder Berufsbezeichnung eingetragen wurden. Eine andere Quelle für eine annähernde Übersicht der Sozialstruktur stand 2004 nicht zur Verfügung.<br />
3 Heinz Bergschicker, Deutsche Chronik, a.a.O., S.52.<br />
4 Mitgliedszahlen nach Heimatbuch, S. 539 ff.<br />
5 Kreisarchiv, B.E. Nr. 148 ..<br />
6 Vgl. Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker : Hakenkreuz und Totenkopf. Die Partei des Verbrechens. Berlin 1981. S. 235.<br />
7 KWZ v. 7. Januar u. 14. Oktober 1934.<br />
8 Bericht Frau Günther, Eichwalde, Stubenrauchstr., November 2003.<br />
9 Kreisarchiv, B.E.Nr.145 .<br />
10 KWZ v. 17. Februar 1934.<br />
11 Ploetz, a.a.O, S. 196.<br />
12 Vgl. Beiträge, (Abschnitt 1., Anm.15 ) S. 81ff.<br />
13 KWZ v. 18. November 1933.<br />
14 Zitiert nach: Heinz Bergschicker, Deutsche Chronik 1933 – 1945, Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur, Berlin1982, S. 267.<br />
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