Anhalter Bahnhof

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Ansichtskarte des Anhalter Bahnhofs (1916)
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Ansichtskarte des Anhalter Bahnhofs (1906)
Ansichtskarte des Anhalter Bahnhofs (1915)
Ansichtskarte des Anhalter Bahnhofs (1915)
Ansichtskarte des Anhalter Bahnhofs (1914)

Der erste Anhalter Bahnhof wurde am 1. Juli 1841 eingeweiht. Aufgrund des stetig zunehmenden Bahnverkehrs konnte er bald seine Aufgaben nicht mehr erfüllen und musste nach mehreren Erweiterungen abgerissen werden, um dem 1880 eröffneten heute noch bekannten Neubau Platz zu machen.

Nach ersten Entwürfen erhielt der Berliner Architekt Franz Schwechten den Auftrag zum Neubau des Bahnhofsgebäudes. Er plante eine imposante Bahnhofshalle mit quer davor angeordnetem Empfangsgebäude über einem rund sechs Meter hohen Sockelgeschoss. Das war notwendig, weil die Bahntrasse von Süden her über die Hochflächen des Teltow in die Stadt hereinlief und wenige Meter vor dem Bahnhof den Landwehrkanal und die Uferstraßen auf Brücken überquerte. Als Material verwendete Schwechten den Greppiner Klinker und eine Vielzahl unterschiedlicher Terrakotta-Formsteine. Legendär war die architektonische Gliederung der platzseitigen Hallenwand. Die korbbogenförmige Giebelwand wurde durch eine zweischalige Rundbogenreihe auf schmalen Pfeilern getragen. Die Hallenkonstruktion aus Fachwerk-Eisenbindern realisierte der als Schriftsteller bekannte Heinrich Seidel. Mit einer Höhe von 34 Metern und einer Binderlänge von 62 Metern besaß die Halle damals die größte Spannweite auf dem Kontinent. Die Bauzeit des technisch aufwändigen und komplizierten Bauwerks betrug sechs Jahre, von 1874 bis 1880. Der Neubau wurde als Berlin-Anhaltischer Eisenbahnhof am 15. Juni 1880 von Kaiser Wilhelm I. und Otto von Bismarck feierlich eingeweiht.

Ab 1882 fuhren vom Anhalter Bahnhof auch die Züge der Dresdener Bahn ab, weil sich der Betriebsablauf bei wachsendem Verkehr durch die Kreuzung der beiden Bahntrassen zunehmend erschwerte.

Auf dem Anhalter Bahnhof fanden große Staatsempfänge statt, wenn Kaiser Wilhelm II. ausländische Staatsgäste empfing.

Vom Anhalter Bahnhof aus verliefen die Eisenbahnstrecken nach Halle (Saale), Leipzig, Frankfurt am Main und München über die Anhalter Bahn sowie nach Dresden über die Dresdner Bahn. Der Anhalter Bahnhof verband Berlin mit Wien, Budapest, Triest, Marienbad, Karlsbad (in Österreich-Ungarn), mit Rom, Mailand, Genua, Venedig, Marseille, Nizza, Cannes und Athen. Sogar eine Direktverbindung nach Neapel existierte. Ferner war er auch ein möglicher Ausgangspunkt für Afrikareisen, denn die Züge von Berlin nach Triest und nach Neapel hatten einen Schiffsanschluss nach Alexandria in Ägypten, wo wiederum ein Zuganschluss nach Kairo und Khartum bestand. Neben D-Zügen und Eilzügen der Deutschen Reichsbahn verkehrten hier auch die Luxuszüge der ISG. Während des Ersten Weltkriegs hatte der Balkanzug nach Istanbul seinen Ausgangspunkt im Anhalter Bahnhof.

Seit 1928 war der Bahnhof durch den „längsten Hoteltunnel der Welt“ auf direktem Weg mit dem Hotel Excelsior verbunden. Unter der Königgrätzer Straße, der heutigen Stresemannstraße, befanden sich fünf Verkaufsräume.

Ab Juni 1942 erfolgten Judendeportationen auch vom Anhalter Personenbahnhof. Es handelte sich hierbei um sogenannte „Alterstransporte“, mit denen Berliner Juden in das KZ Theresienstadt gebracht wurden. Die Transporte fanden in der Regel morgens mit planmäßigen Zügen statt, an die ein bis zwei Personenwagen dritter Klasse angehängt wurden. Insgesamt wurden vom Anhalter Personenbahnhof in 116 Zügen über 9600 Menschen deportiert. Weitere Deportationen erfolgten vom Bahnhof Grunewald und vom Güterbahnhof Moabit. Insgesamt wurden über 50.000 Juden aus Berlin verschleppt. Seit dem 27. Januar 2008 erinnert eine Stele hinter der Portalruine an die Judendeportationen vom Anhalter Bahnhof.

Nachdem das Bahnhofsgebäude am 3. Februar 1945 durch Bombenangriffe schwer beschädigt worden und ausgebrannt war, wurde es nur enttrümmert und notdürftig betriebsfähig gemacht. Die vier Hallenwände standen noch und wurden in einer Schadenskarte als wiederaufbaufähig eingestuft. Die eingestürzte Stahlkonstruktion des Hallendaches wurde zerschnitten und entfernt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich der Anhalter Bahnhof durch die nun erfolgte Sektorenbildung im Westteil Berlins. Der Zugverkehr beschränkte sich aus betrieblichen, aber vor allem aus politischen Gründen auf wenige Fern- und Personenzüge in die Sowjetische Besatzungszone/Deutsche Demokratische Republik. Ab 1951 verkehrten hier nur noch wenige Nahverkehrszüge nach Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Im gleichen Jahr wurde die S-Bahn von Lichterfelde Süd zum neuen Endbahnhof Teltow/Anhalter Bahn verlängert, der gleichzeitig neuer Endpunkt für die meisten weiterführenden Nahverkehrszüge auf der Anhalter Bahn wurde. Der Vorortverkehr zwischen Anhalter Bahnhof und Teltow wurde eingestellt. Die verkehrliche Bedeutung des Anhalter Bahnhofs nahm stetig ab.

Im Vorfeld von Absperrmaßnahmen der DDR zur Isolierung des Westteils Berlins und nach dem Neubau des südlichen Außenrings um West-Berlin herum wurde der Zugverkehr zum Anhalter Fernbahnhof ab dem 18. Mai 1952 endgültig eingestellt. Die Anlagen waren nun dem Verfall preisgegeben.

Trotz starken Widerstandes der Fachwelt und der Architekten- und Baukammern sollte das seit den 1930er-Jahren unter Denkmalschutz stehende Bahnhofsgebäude auf Betreiben das damaligen Bausenators Rolf Schwedler zum Abbruch freigegeben werden. Begründet wurde der Abriss teilweise mit der Notwendigkeit zum Neubau eines größeren Bahnhofes an gleicher Stelle, für den es bereits Architektenentwürfe gab, und mit der Einsturzgefahr der freistehenden Hallenwände. Der Abriss erwies sich aufgrund des sehr stabilen und harten Mauerwerksverbandes jedoch als derart schwieriges Unterfangen, dass mehrere Abrissfirmen sich wirtschaftlich verkalkulierten und in der Folge Konkurs anmelden mussten. Die Terrakotta-Formteile des Kaiserportals wurden gesichert und später im Eingangsbereich der Eisenbahnabteilung des Deutschen Technikmuseums Berlin wieder aufgebaut.

Nach der Sprengung der Halle 1959, veranlasst durch den Westberliner Senat, blieb nur noch der Portikus mit einem Teil der überdachten gemauerten Vorfahrt stehen. Bürgerproteste verhinderten den Abbruch des übriggebliebenen Torsos. Er blieb als Erinnerung an den bekannten Berliner Bahnhofsbau stehen. Die beiden Figuren von Ludwig Brunow zu beiden Seiten der ehemaligen Uhr oberhalb des Eingangsportals symbolisieren den Tag (in die Ferne schauend) und die Nacht (die Augen geschlossen). Von 2003 bis 2005 wurde die Portikusruine saniert und gesichert. Die verrostete eiserne Tragstruktur im Inneren der Figuren Tag und Nacht war nicht mehr restaurierbar, weshalb die beiden Plastiken 2004 durch Kopien aus Bronzeguss ersetzt wurden. Die Originale befinden sich seitdem im Deutschen Technikmuseum Berlin.

Die Seitenwände der ehemaligen Bahnhofshalle wurden durch die Anpflanzung langstieliger Eichen markiert, in deren Mittelteil Ballspielfelder eingerichtet wurden. Nach der Entwidmung des Bahngeländes wurde 2002 unmittelbar neben den Fundamenten des ehemaligen Südportals die Veranstaltungsstätte Tempodrom nach Plänen des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner als „festes Zelt“ errichtet. Im Untergeschoss befindet sich der Wellnesstempel Liquidrom.

Den Gleisfächer der Bahnhofseinfahrt auf dem Hochplateau hat seit der Stilllegung des Bahnbetriebes die Natur zurückerobert. Teilweise waren noch die alten Bahnsteige zwischen den Bäumen auszumachen. Die Spontanvegetation wird derzeit zu einer innerstädtischen Parkanlage mit Anbindung an das Technikmuseum über den Anhalter Steg umgebaut. Dabei werden die Bahnsteigkanten zum Teil wieder aufgemauert.

Die Brücken über den Landwehrkanal wurden oft als besondere technische Meisterleistung auf Postkarten abgebildet. An dieser Stelle kreuzten sich auf sechs Ebenen die Verkehrswege: unten der Tunnel der Nord-Süd-S-Bahn (ab 1939), oben der Landwehrkanal, die begleitenden Kanaluferstraßen, die Fernbahnbrücke, die Brücke der Hochbahn (ab 1902) und schließlich der Luftverkehr, der oft mit einem Luftschiff dargestellt wurde. Genau an dieser Stelle ereignete sich Anfang Mai 1945 die Sprengung der Decke des Nord-Süd-Tunnels, die den gesamten Tunnel überflutete.

Die vier Bahnbrücken der Anhalter Bahn wurden in den 1960er-Jahren abgebrochen, die Brückenwiderlager standen noch einige Jahre. Im Jahr 2001 wurde an dieser Stelle mit dem Anhalter Steg eine Fußgängerbrücke errichtet, die die Parkanlage mit dem Gelände des Deutschen Technikmuseum Berlin (DTMB) verbindet. An den Brückenwiderlagern sind mit großen Steinbuchstaben die Worte „BERLIN“ und „ANHALT“ angebracht.

Das Deutsche Technikmuseum Berlin, das sich zu großen Teilen auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks des Anhalter Bahnhofs befindet, zeigt ein umfangreiches Modell des Anhalter Bahnhofs im Zustand von 1939, einschließlich des Güterbahnhofs und des Bahnbetriebswerks sowie einiger umliegender Gebäude. Das Modell im Maßstab 1:87 (H0) lässt das Ausmaß der ehemaligen Gleisanlagen erahnen.



Text: Wikipedia

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