Carl Friedrich Gauß

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Carl Friedrich Gauß, Porträt von Gottlieb Biermann (1887)

Johann Carl Friedrich Gauß (latinisiert Carolus Fridericus Gauss; * 30. April 1777 in Braunschweig; † 23. Februar 1855 in Göttingen) war ein deutscher Mathematiker, Astronom, Geodät und Physiker.

Seine überragenden wissenschaftlichen Leistungen waren schon seinen Zeitgenossen bewusst. Mit 18 Jahren entwickelte er die Grundlagen der modernen Ausgleichungsrechnung und der mathematischen Statistik (Methode der kleinsten Quadrate), mit der er 1800 die Wiederentdeckung des ersten Asteroiden Ceres ermöglichte. Auf Gauß gehen die nichteuklidische Geometrie, zahlreiche mathematische Funktionen, Integralsätze, die Normalverteilung, erste Lösungen für elliptische Integrale und die gaußsche Osterformel zurück. 1807 wurde er zum Universitätsprofessor und Sternwartendirektor in Göttingen berufen und später auch mit der Landesvermessung des Königreichs Hannover betraut. Neben der Zahlen- und der Potentialtheorie erforschte er u. a. das Erdmagnetfeld.

Bereits 1856 ließ der König von Hannover Gedenkmünzen mit dem Bild von Gauß und der Inschrift „Mathematicorum Principi“ (deutsch: „dem Fürsten der Mathematiker“) prägen. Da Gauß nur einen Bruchteil seiner Entdeckungen veröffentlichte, erschloss sich der Nachwelt die Tiefgründigkeit und Reichweite seines Werks in vollem Umfang erst, als 1898 sein Tagebuch (siehe unten) entdeckt und ausgewertet wurde und als der Nachlass bekannt wurde.

Nach Gauß sind viele mathematisch-physikalische Phänomene und Lösungen benannt, mehrere Vermessungs- und Aussichtstürme, zahlreiche Schulen, außerdem Forschungszentren und wissenschaftliche Ehrungen wie die Carl-Friedrich-Gauß-Medaille der Braunschweigischen Akademie und die festliche Gauß-Vorlesung, die jedes Semester an einer deutschen Hochschule stattfindet.

Reklamemarken

Verzeichnis der Reklamemarken mit einem Bezug zu Carl Friedrich Gauss.

Leben

Eltern, Kindheit und Jugend

Carl Friedrich war das einzige Kind der Eheleute Gebhard Dietrich Gauß (1744–1808) und Dorothea Gauß geborene Benze (1743–1839). Die Mutter Dorothea war die Tochter eines Steinmetzen aus Velpke, der früh starb, und wurde als klug, von heiterem Sinn und festem Charakter geschildert.[1] Gauß hatte zeitlebens eine enge Beziehung zu seiner Mutter, die zuletzt bei ihm auf der Sternwarte in Göttingen wohnte. Sie arbeitete zunächst als Dienstmädchen, bevor sie die zweite Frau von Gebhard Dietrich Gauß wurde. Dieser hatte viele Berufe, er war unter anderem Gärtner, Schlachter, Maurer, Kaufmannsassistent und Schatzmeister einer kleinen Versicherungsgesellschaft. Einige Anekdoten besagen, dass bereits der dreijährige Carl Friedrich seinen Vater bei der Lohnabrechnung korrigierte. Später sagte Gauß von sich selbst, er habe das Rechnen vor dem Sprechen gelernt. Sein Leben lang behielt er die Gabe, selbst komplizierteste Rechnungen im Kopf durchzuführen.

Eine Anekdote, deren Ursprung auf die Erzählungen von Wolfgang Sartorius von Waltershausen[2][3] zurückgeht, beschreibt das frühe mathematische Talent des kleinen Carl Friedrich:

Im Alter von sieben Jahren sei Gauß in die Volksschule gekommen. Als er neun Jahre alt war, habe sein Lehrer Büttner den Schülern zur längeren Beschäftigung die Aufgabe gestellt, die Zahlen von 1 bis 100 zu addieren. Gauß habe sie allerdings nach kürzester Zeit gelöst, indem er 50 Paare mit der Summe 101 gebildet (1 + 100, 2 + 99, …, 50 + 51) und 5050 als Ergebnis erhalten habe. Er legte die Antwort mit den Worten in Braunschweiger Plattdeutsch „Ligget se“ (svw: „Hier liegt sie“) dem Lehrer auf den Tisch.

Die daraus resultierende Formel wird gelegentlich auch als „der kleine Gauß“ bezeichnet. Ob es dieses Ereignis war, oder auch andere mögliche Interpretationen im Raum stehen könnten: Gauß’ Lehrer Büttner hat jedenfalls seine außergewöhnliche mathematische Begabung erkannt und gefördert, indem er (u. a.) ein besonderes Rechenbuch aus Hamburg für ihn beschaffte und, unterstützt von seinem Assistenten Martin Bartels, dafür sorgte, dass Gauß 1788 das Gymnasium Martino-Katharineum besuchen konnte.

Als der Wunderknabe Gauß vierzehn Jahre alt war, wurde er dem Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig bekanntgemacht. Dieser unterstützte ihn sodann finanziell und sorgte für seinen Lebensunterhalt. So konnte Gauß von 1792 bis 1795 am Collegium Carolinum studieren, das zwischen höherer Schule und Hochschule anzusiedeln ist und der Vorgänger der heutigen Technischen Universität in Braunschweig ist. Dort war es der Professor Eberhard August Wilhelm von Zimmermann, der sein mathematisches Talent erkannte, ihn förderte und ihm ein väterlicher Freund wurde.

Im Oktober 1795 wechselte Gauß an die Universität Göttingen. Dort hörte er bei Christian Gottlob Heyne Vorlesungen über klassische Philologie, die ihn damals genauso wie die Mathematik interessierte. Letztere wurde durch Abraham Gotthelf Kästner, der zugleich Dichter war, repräsentiert. Bei Georg Christoph Lichtenberg hörte er im Sommersemester 1796 Experimentalphysik und sehr wahrscheinlich im folgenden Wintersemester Astronomie. In Göttingen schloss er Freundschaft mit Wolfgang Bolyai. Studienjahre

Im Alter von 19 Jahren gelang es Gauß als Erstem, die Konstruierbarkeit des regelmäßigen Siebzehnecks zu beweisen – eine sensationelle Entdeckung, denn seit der Antike hatte es auf diesem Gebiet kaum noch Fortschritte gegeben. Dies war wohl mit ein Grund, sich gegen Sprachen und Philosophie und für das Studium der Mathematik zu entscheiden, das er 1799 mit seiner Doktorarbeit an der Academia Julia, der Universität in Helmstedt, abschloss. Die Mathematik war hier durch Johann Friedrich Pfaff – der sein Doktorvater wurde – gut vertreten, und nicht zuletzt legte Gauß’ Gönner, der Herzog von Braunschweig, Wert darauf, dass Gauß nicht an einer „ausländischen“ Universität promoviert werden sollte.

Nach seiner Promotion lebte Gauß in Braunschweig von dem kleinen Gehalt, das ihm der Herzog zahlte, und arbeitete an seinem Werk Disquisitiones Arithmeticae.

Einen Ruf an die Petersburger Akademie der Wissenschaften lehnte Gauß aus Dankbarkeit gegenüber seinem Gönner, dem Herzog von Braunschweig, und wohl in der Hoffnung, dass dieser ihm eine Sternwarte in Braunschweig bauen würde, ab. Nach dem plötzlichen Tod des Herzogs nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt wurde Gauß im November 1807 Professor in Göttingen und Direktor der dortigen Sternwarte. Dort musste er Lehrveranstaltungen halten, gegen die er aber eine Abneigung entwickelte. Trotzdem wurden mehrere seiner Studenten einflussreiche Mathematiker, darunter Richard Dedekind und Bernhard Riemann. 1822 wurde Gauß in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Ehen, Familie und Kinder

Im November 1804 verlobte er sich mit Johanna Elisabeth Rosina Osthoff (* 8. Mai 1780; † 11. Oktober 1809), der Tochter eines Weißgerbers aus Braunschweig, und heiratete sie am 9. Oktober 1805. Am 21. August 1806 wurde in Braunschweig ihr erstes Kind Joseph († 4. Juli 1873) geboren, benannt nach Giuseppe Piazzi, dem Entdecker des Zwergplaneten Ceres, dessen Wiederauffindung Gauß’ Bahnberechnung 1801 ermöglicht hatte. Joseph war später Artillerieoffizier des Königreichs Hannover und Direktor des Eisenbahnnetzes im Königreich. Nachdem er seinem Vater schon bei den geodätischen Arbeiten assistiert hatte, war er später an der kartografischen Landesaufnahme des Königreichs beteiligt. Nachdem die Familie nach Göttingen gezogen war, wurden am 29. Februar 1808 die Tochter Wilhelmine († 12. August 1840) und am 10. September 1809 der Sohn Louis geboren. Am 11. Oktober 1809 starb Johanna Gauß an den Folgen der Geburt, Louis selbst starb am 1. März 1810. Durch diese Ereignisse fiel Gauß eine Zeit lang in eine Depression, in der er die sogenannte „Totenklage“ verfasste.[4]

Am 4. August 1810 heiratete der Witwer, der zwei kleine Kinder zu versorgen hatte, Friederica Wilhelmine Waldeck (genannt Minna; * 15. April 1788; † 12. September 1831), Tochter des Göttinger Rechtswissenschaftlers Johann Peter Waldeck, die die beste Freundin seiner verstorbenen Frau gewesen war. Mit ihr hatte er drei Kinder: Eugen (* 29. Juli 1811; † 4. Juli 1896),[5][6] der die Rechte studierte und 1830 nach Amerika auswanderte, wo er als Kaufmann lebte und die „First National Bank“ von St. Charles gründete, Wilhelm (* 23. Oktober 1813; † 23. August 1879), der 1837 Eugen nachfolgte und ebenfalls nach Amerika auswanderte, um dort Landwirtschaft zu betreiben, und Therese (* 9. Juni 1816; † 11. Februar 1864). Im Sommer 1818 begann Minna zu kränkeln, was sich später als Tuberkulose herausstellte. Am 12. September 1831 starb auch sie. Von da an bis zum Tod von Gauß, der nun zum zweiten Mal Witwer war, führte seine jüngste Tochter Therese den Haushalt.

Späte Jahre

In fortgeschrittenem Alter beschäftigte er sich zunehmend mit Literatur, nachdem er 1842 in die Friedensklasse des Ordens Pour le Mérite aufgenommen worden war, und führte auch Listen über die Lebenserwartung berühmter Männer (in Tagen gerechnet). So schrieb er am 7. Dezember 1853 an seinen Freund und Kanzler seines Ordens Alexander von Humboldt u. a.: „Es ist übermorgen der Tag, wo Sie, mein hochverehrter Freund, in ein Gebiet übergehen, in welches noch keiner der Koryphäen der exacten Wissenschaften eingedrungen ist, der Tag, wo Sie dasselbe Alter erreichen, in welchem Newton seine durch 30766 Tage gemessene irdische Laufbahn geschlossen hat. Und Newtons Kräfte waren in diesem Stadium gänzlich erschöpft: Sie stehen zur höchsten Freude der ganzen wissenschaftlichen Welt noch im Vollgenuss Ihrer bewundernswürdigen Kraft da. Mögen Sie in diesem Genuss noch viele Jahre bleiben.“[7]

Gauß war sehr konservativ und monarchistisch eingestellt, die Revolution von 1848 hieß er nicht gut.

Tod

Gauß starb am 23. Februar 1855 morgens um 1.05 Uhr in Göttingen. Heute liegt er dort auf dem Albani-Friedhof begraben.

Leistungen

Begründung und Beiträge zur nicht-euklidischen Geometrie

Gauß misstraute bereits mit zwölf Jahren der Beweisführung in der elementaren Geometrie und ahnte mit sechzehn Jahren, dass es neben der euklidischen noch eine andere, nicht-euklidische Geometrie geben muss.

Diese Arbeiten vertiefte er in den 1820er Jahren: Unabhängig von János Bolyai und Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski bemerkte er, dass das euklidische Parallelenaxiom nicht denknotwendig ist. Seine Gedanken zur nichteuklidischen Geometrie veröffentlichte er jedoch nicht, vermutlich aus Furcht vor dem Unverständnis der Zeitgenossen. Als ihm sein Studienfreund Wolfgang Bolyai, mit dem er korrespondierte, allerdings von den Arbeiten seines Sohnes János Bolyai berichtet, lobt er ihn zwar, kann es aber nicht unterlassen zu erwähnen, dass er selbst schon sehr viel früher darauf gekommen war („[die Arbeit Deines Sohnes] loben hiesse mich selbst loben“).[8] Er habe darüber nichts veröffentlicht, da er „das Geschrei der Böotier scheue“.[9] Lobatschewskis Arbeiten fand Gauß so interessant, dass er noch in fortgeschrittenem Alter Russisch lernte, um sie zu studieren.

Primzahlverteilung und Methode der kleinsten Quadrate

Mit achtzehn Jahren entdeckte er einige Eigenschaften der Primzahlverteilung und fand die Methode der kleinsten Quadrate, bei der es darum geht, die Summe der Quadrate von Abweichungen zu minimieren. Nach ihr lässt sich etwa das wahrscheinlichste Ergebnis für eine neue Messung aus einer genügend großen Zahl vorheriger Messungen ermitteln. Auf dieser Basis untersuchte er später Theorien zur Berechnung von Flächeninhalten unter Kurven (numerische Integration), die ihn zur gaußschen Glockenkurve gelangen ließen. Die zugehörige Funktion ist bekannt als die Dichte der Standardnormalverteilung und wird bei vielen Aufgaben zur Wahrscheinlichkeitsrechnung angewandt, wo sie die (asymptotische, das heißt für genügend große Datenmengen gültige) Verteilungsfunktion von zufällig um einen Mittelwert streuenden Daten ist. Gauß selbst machte davon unter anderem in seiner erfolgreichen Verwaltung der Witwen- und Waisenkasse der Göttinger Universität Gebrauch.

Gauß förderte auf diesem Gebiet eine der ersten Mathematikerinnen der Neuzeit, Sophie Germain.

Einführung der elliptischen Funktionen

Als 19-Jähriger führte er 1796, bei Betrachtungen über die Bogenlänge auf einer Lemniskate in Abhängigkeit von der Entfernung des Kurvenpunktes zum Ursprung, mit den lemniskatischen Sinusfunktionen die historisch ersten, heute so genannten elliptischen Funktionen ein. Seine Notizen darüber hat er jedoch nie veröffentlicht. Diese Arbeiten stehen in Zusammenhang mit seiner Untersuchung des arithmetisch-geometrischen Mittels. Die eigentliche Entwicklung der Theorie der elliptischen Funktionen, den Umkehrfunktionen der schon länger bekannten elliptische Integrale, erfolgte durch Niels Henrik Abel (1827) und Carl Gustav Jacobi.

Fundamentalsatz der Algebra, Beiträge zur Verwendung komplexer Zahlen

Gauß erfasste früh den Nutzen komplexer Zahlen, so auch in seiner Doktorarbeit von 1799, die einen strengeren Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra enthält. Dieser Satz besagt, dass jede algebraische Gleichung mit Grad größer als null mindestens eine reelle oder komplexe Lösung besitzt. Den älteren Beweis von Jean-Baptiste le Rond d’Alembert kritisierte Gauß als ungenügend, aber auch sein eigener Beweis erfüllt noch nicht die späteren Ansprüche an topologische Strenge. Gauß kam auf den Beweis des Fundamentalsatzes noch mehrfach zurück und gab neue Beweise 1815 und 1816.

Gauß kannte auch spätestens 1811[10] die geometrische Darstellung komplexer Zahlen in einer Ebene (komplexe Zahlenebene, gaußsche Zahlenebene), die aber auch unabhängig schon Jean-Robert Argand 1806 und Caspar Wessel 1797 fanden.

Beiträge zur Zahlentheorie

Am 30. März 1796,[11][12] wenige Wochen vor seinem neunzehnten Geburtstag, bewies er die Konstruierbarkeit des regelmäßigen Siebzehnecks und lieferte damit die erste nennenswerte Ergänzung euklidischer Konstruktionen seit 2000 Jahren. Dies war aber nur ein Nebenergebnis bei der Arbeit für sein zahlentheoretisch viel weiterreichendes Werk Disquisitiones Arithmeticae.

Eine erste Ankündigung dieses Werkes fand sich am 1. Juni 1796 im Intelligenzblatt der allgemeinen Literatur-Zeitung in Jena. Die 1801 erschienenen Disquisitiones wurden grundlegend für die weitere Entwicklung der Zahlentheorie, zu der einer seiner Hauptbeiträge der Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes war, das die Lösbarkeit von quadratischen Gleichungen „mod p“ beschreibt und für das er im Laufe seines Lebens fast ein Dutzend verschiedene Beweise fand. Neben dem Aufbau der elementaren Zahlentheorie auf modularer Arithmetik findet sich auch eine Diskussion von Kettenbrüchen und der Kreisteilung, mit einer berühmten Andeutung über ähnliche Sätze bei der Lemniskate und anderen elliptischen Funktionen, die später Abel und andere anregten. Einen Großteil des Werks nimmt die Theorie der quadratischen Formen ein, deren Geschlechtertheorie er entwickelt.

Es finden sich aber noch viele weitere tiefliegende Resultate, oft nur kurz angedeutet, in diesem Buch, die die Arbeit späterer Generationen von Zahlentheoretikern in vielfältiger Weise befruchteten. Der Zahlentheoretiker Peter Gustav Lejeune Dirichlet berichtete, er habe die Disquisitiones sein Leben lang bei der Arbeit stets griffbereit gehabt. Das Gleiche gilt für die beiden Arbeiten über biquadratische Reziprozitätsgesetze von 1825 und 1831, in denen er auch die gaußschen Zahlen einführt (ganzzahliges Gitter in komplexer Zahlenebene). Beweise für diese Gesetze gab erst Gotthold Eisenstein. Die Arbeiten sind wahrscheinlich Teil einer geplanten Fortsetzung der Disquisitiones, die aber nie erschien.

André Weil regte die Lektüre dieser Arbeiten (und einiger Stellen im Tagebuch, wo es in versteckter Form um Lösung von Gleichungen über endlichen Körpern geht) nach seinen eigenen Angaben zu seinen Arbeiten über die Weil-Vermutungen an. Gauß kannte auch den Primzahlsatz, veröffentlichte ihn aber nicht.[13]

Beiträge zur Astronomie

Nach der Fertigstellung der Disquisitiones wandte sich Gauß der Astronomie zu. Anlass hierfür war die Entdeckung des Zwergplaneten Ceres durch Giuseppe Piazzi am 1. Januar 1801, dessen Position am Himmel der Astronom kurz nach seiner Entdeckung wieder verloren hatte. Der 24-jährige Gauß schaffte es, die Bahn mit Hilfe einer neuen indirekten Methode der Bahnbestimmung und seiner Ausgleichsrechnungen auf Basis der Methode der kleinsten Quadrate so zu berechnen, dass Franz Xaver von Zach ihn am 7. Dezember 1801 und – bestätigt – am 31. Dezember 1801 wiederfinden konnte. Heinrich Wilhelm Olbers bestätigte dies unabhängig von Zach durch Beobachtung am 1. und 2. Januar 1802. Gauß beschäftigte sich danach auch noch mit der Bahn des Asteroiden Pallas, auf dessen Berechnung die Pariser Akademie ein Preisgeld ausgesetzt hatte, konnte die Lösung jedoch nicht finden. Seine Erfahrungen mit der Bahnbestimmung von Himmelskörpern mündeten in seinem Werk Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium (Theorie der Bewegung der Himmelskörper, die in Kegelschnitten die Sonne umlaufen), das 1809 erschien.

Das Problem der Wiederauffindung der Ceres als solches lag darin, dass durch die Beobachtungen weder der Ort, ein Stück der Bahn, noch die Entfernung bekannt sind, sondern nur die Richtungen der Beobachtung. Dies führt auf die Suche einer Ellipse und nicht nach einem Kreis, wie ihn Gauß’ Konkurrenten ansetzten.[14] Einer der Brennpunkte der Ellipse ist bekannt (die Sonne selbst), und die Bögen der Bahn der Ceres zwischen den Richtungen der Beobachtung werden nach dem zweiten Keplerschen Gesetz durchlaufen, das heißt, die Zeiten verhalten sich wie die vom Leitstrahl überstrichenen Flächen. Und außerdem ist für die rechnerische Lösung bekannt, dass die Beobachtungen selbst von einem Kegelschnitt im Raum ausgehen, der Erdbahn selbst.

Im Grundsatz führt das Problem auf eine Gleichung achten Grades, deren triviale Lösung die Erdbahn selbst ist. Durch umfangreiche Nebenbedingungen und die von Gauß entwickelte Methode der kleinsten Quadrate gelang es dem 24-Jährigen, für die Bahn der Ceres für den 25. November bis 31. Dezember 1801 den von ihm berechneten Ort anzugeben. Damit konnte Zach am letzten Tag der Vorhersage Ceres wiederfinden. Der Ort lag nicht weniger als 7° (d. h. 13,5 Vollmondbreiten) östlich der Stelle, wo die anderen Astronomen Ceres vermutet hatten, was nicht nur Zach, sondern auch Olbers, der Ceres unabhängig von Zach am 1. Januar 1802 ebenfalls wiederentdeckt hatte, gebührend würdigten.[15]

Diese Arbeiten, die Gauß noch vor seiner Ernennung zum Sternwarten-Direktor in Göttingen unternahm, machten ihn mehr noch als seine Zahlentheorie in Europa mit einem Schlag bekannt und verschafften ihm unter anderem eine Einladung an die Akademie nach Sankt Petersburg, deren Mitglied er 1802 wurde.[16]

Die in diesem Zusammenhang von Gauß gefundene iterative Methode wird noch heute angewandt, weil sie es einerseits ermöglicht, alle bekannten Kräfte ohne erheblichen Mehraufwand in das physikalisch-mathematische Modell einzubauen, und andererseits auch computertechnisch einfach handhabbar ist.

Beiträge zur Potentialtheorie

In der Potentialtheorie und Physik ist der gaußsche Integralsatz (1835, veröffentlicht erst 1867) grundlegend. Er identifiziert in einem Vektorfeld das Integral der Divergenz (Ableitungsvektor angewandt auf das Vektorfeld) über ein Volumen mit dem Integral des Vektorfeldes über die Oberfläche dieses Volumens.

Gaußsche Osterformel

Um das Osterdatum für jedes beliebige Jahr rechnerisch ermitteln zu können, entwickelte er eine geschlossene Formel. Erstmals veröffentlicht wurde diese Berechnung in der von Franz Xaver von Zach herausgegebenen Zeitschrift Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmels-Kunde, Band 2, August 1800.[17] In dem Artikel Noch etwas über die Bestimmung des Osterfestes, veröffentlicht am 12. September 1807 im Braunschweigischen Magazin,[18] ging Gauß noch von einem Epaktensprung alle 300 Jahre aus. In der Zeitschrift für Astronomie und verwandte Wissenschaften, Band 1, wurde 1816 der Artikel Berichtigung zu dem Aufsatze: Berechnung des Osterfestes veröffentlicht, in dem Gauß eine Ergänzung seiner gaußschen Osterformel vornimmt, die den Epaktensprung alle 312,5 Jahre vorsieht.[19]

Landvermessung und Erfindung des Heliotrops

Auf dem Gebiet der Geodäsie sammelte Gauß zwischen 1797 und 1801 die ersten Erfahrungen, als er dem französischen Generalquartiermeister Lecoq bei dessen Landesvermessung des Herzogtums Westfalen als Berater zur Seite stand. Zum zweiten Mal kam er 1816 damit in Berührung, als ihn der König von Dänemark mit der Durchführung einer Breiten- und Längengradmessung in dänischem Gebiet beauftragte. Nach abschließenden Verhandlungen leitete Gauß dann zwischen 1818 und 1826 die Landesvermessung des Königreichs Hannover („gaußsche Landesaufnahme“). Durch die von ihm erfundene Methode der kleinsten Quadrate und die systematische Lösung umfangreicher linearer Gleichungssysteme (gaußsches Eliminationsverfahren) gelang ihm eine erhebliche Steigerung der Genauigkeit. Auch für die praktische Durchführung interessierte er sich: Er erfand als Messinstrument das über Sonnenspiegel beleuchtete Heliotrop.

Gaußsche Krümmung und Geodäsie

In diesen Jahren beschäftigte er sich – angeregt durch die Geodäsie und die Karten-Theorie – auch mit der Theorie der Differentialgeometrie der Flächen, führte unter anderem die gaußsche Krümmung ein und bewies sein Theorema egregium. Dieses besagt, dass die gaußsche Krümmung, die durch die Hauptkrümmungen einer Fläche im Raum definiert ist, allein durch Maße der inneren Geometrie, d. h. durch Messungen innerhalb der Fläche, bestimmt werden kann. Daher ist die gaußsche Krümmung unabhängig von der Einbettung der Fläche in den dreidimensionalen Raum, sie ändert sich also bei längentreuen Abbildungen von Flächen aufeinander nicht.

Wolfgang Sartorius von Waltershausen berichtet,[20] Gauß habe bei Gelegenheit der Hannoverschen Landesvermessung empirisch nach einer Abweichung der Winkelsumme besonders großer Dreiecke vom euklidischen Wert 180° gesucht – wie etwa bei dem Dreieck, das vom Brocken im Harz, dem Inselsberg im Thüringer Wald und dem Hohen Hagen bei Dransfeld gebildet wird. Die Vermessung durch Gauß ist belegt, die oben erwähnte Vermutung zur Motivation ist dagegen unsicher.[21] Max Jammer schrieb über diese gaußsche Messung und ihr Ergebnis:

„Er vermaß […] ein durch drei Berge, den Brocken, den Hohen Hagen und den Inselberg gebildetes Dreieck, dessen Seiten 69, 85 und 107 km maßen. Es braucht kaum eigens gesagt zu werden, daß er innerhalb der Fehlergrenze keine Abweichung von 180° entdeckte und daraus den Schluß zog, die Struktur des wirklichen Raumes sei, soweit die Erfahrung darüber eine Aussage erlaubt, Euklidisch.“[22]

Magnetismus, Elektrizität und Telegrafie

Zusammen mit Wilhelm Eduard Weber arbeitete er ab 1831 auf dem Gebiet des Magnetismus. Gauß erfand mit Weber das Magnetometer und verband so 1833 seine Sternwarte mit dem physikalischen Institut. Dabei tauschte er über elektromagnetisch beeinflusste Kompassnadeln Nachrichten mit Weber aus; die erste (elektromagnetische) Telegrafenverbindung auf der Welt. Mit ihm zusammen entwickelte er auch das cgs-Einheitensystem, das später, 1881, auf einem internationalen Kongress in Paris zur Grundlage der elektrotechnischen Maßeinheiten bestimmt wurde. Er organisierte ein weltweites Netz von Beobachtungsstationen (Magnetischer Verein), um das erdmagnetische Feld zu vermessen.

Gauß fand bei seinen Experimenten zur Elektrizitätslehre 1833 auch unabhängig von Gustav Robert Kirchhoff (1845) die Kirchhoffschen Regeln für Stromkreise.[23]

Arbeitsweise von Gauß

Gauß arbeitete auf vielen Gebieten, veröffentlichte seine Ergebnisse jedoch erst, wenn eine Theorie seiner Meinung nach komplett war. Dies führte dazu, dass er Kollegen gelegentlich darauf hinwies, dieses oder jenes Resultat schon lange bewiesen zu haben, es wegen der Unvollständigkeit der zugrundeliegenden Theorie oder der ihm fehlenden, zum schnellen Arbeiten nötigen Unbekümmertheit nur noch nicht präsentiert zu haben.

Bezeichnenderweise besaß Gauß ein Petschaft, das einen von wenigen Früchten behangenen Baum und das Motto „Pauca sed matura“ (deutsch: „Weniges, aber Reifes“) zeigte. Einer Anekdote zufolge lehnte er es Bekannten, die Gauß’ umfangreiche Arbeiten kannten oder ahnten, gegenüber ab, diesen Wahlspruch zu ersetzen, z. B. durch „Multa nec immatura“ (deutsch: „Viel, aber nicht Unreifes“), da nach seinem eigenen Bekunden er lieber eine Entdeckung einem anderen überließ, als sie nicht vollständig ausgearbeitet unter seinem Namen zu veröffentlichen. Das ersparte ihm Zeit in den Bereichen, die Gauß eher als Randthemen betrachtete, so dass er diese Zeit auf seine originäre Arbeit verwenden konnte.

Sonstiges

Bei seinem Tod wurde das Gehirn von Gauß entnommen. Es wurde mehrfach mit verschiedenen Methoden untersucht, aber ohne einen besonderen Befund, der seine mathematischen Fähigkeiten erklären würde (zuletzt 1998 durch eine Gruppe um Jens Frahm).[24] Es befindet sich heute separat, in Formalin konserviert, in der Abteilung für Ethik und Geschichte der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen.

Im Herbst 2013 wurde an der Universität Göttingen eine Verwechslung aufgedeckt: Die zu diesem Zeitpunkt über 150 Jahre alten Gehirnpräparate des Mathematikers Gauß und des Göttinger Mediziners Conrad Heinrich Fuchs sind – wahrscheinlich schon bald nach der Entnahme – vertauscht worden. Beide Präparate wurden in der Anatomischen Sammlung der Göttinger Universitätsklinik in Gläsern mit Formaldehyd aufbewahrt. Das Originalgehirn von Gauß befand sich im Glas mit der Aufschrift „C. H. Fuchs“, und das Fuchs-Gehirn war etikettiert mit „C. F. Gauss“. Damit sind auch die bisherigen Untersuchungsergebnisse über das Gehirn von Gauß obsolet. Die Wissenschaftlerin Renate Schweizer befasste sich wegen der vom vermeintlichen Gehirn von Gauß angefertigten MRT Bilder, die eine seltene Zweiteilung der Zentralfurche zeigten, erneut mit den Präparaten und entdeckte, dass diese Auffälligkeit in Zeichnungen, die kurz nach Gauß' Tod erstellt wurden, fehlte.[25][26]

Gauß als Namensgeber

Von Gauß entwickelte Methoden oder Ideen, die seinen Namen tragen, sind:

das gaußsche Eliminationsverfahren zur Diagonalisierung und Invertierung von Matrizen und damit zur Lösung von linearen Gleichungssystemen

das gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz, eine Aussage über die Auswirkung von Unsicherheiten einwirkender auf abgeleitete Größen

das gaußsche Fehlerintegral, das Integral der gaußschen Normalverteilung

der gaußsche Integralsatz, der einen Zusammenhang zwischen der Divergenz eines Vektorfelds und dem durch das Feld vorgegebenen Fluss durch eine geschlossene Oberfläche herstellt

das gaußsche Gesetz der Elektrostatik, nach dem der elektrische Fluss durch eine geschlossene Oberfläche proportional zur umschlossenen Ladung ist

die gaußsche Krümmung, ein zentraler Krümmungsbegriff in der Differentialgeometrie

die gaußsche Osterformel zur Berechnung des Osterdatums

die gaußsche Wochentagsformel zur Berechnung eines Wochentages anhand eines Datums

die gaußsche Trapezformel zur Berechnung einer Fläche aus Koordinaten durch Zerlegung in Dreiecke bzw. Trapeze

das gaußsche Prinzip des kleinsten Zwanges in der Mechanik, nach dem sich ein mechanisches System so bewegt, dass der Zwang minimiert wird.

die Gauß-Quadratur, ein numerisches Integrationsverfahren, bei dem die Stützstellen (Gaußpunkte) und Gewichte optimal gewählt werden

Carl Friedrich Gauß, die gaußsche Normalverteilung und die Sternwarte Göttingen auf dem 10-DM-Schein. Porträtwiedergabe seitenverkehrt


die gaußsche Normalverteilung, auch gaußsche Glockenkurve genannt (die Glockenkurve schmückte, neben dem Porträt von Carl Friedrich Gauß platziert, von 1989 bis 2001 die letzte 10-DM-Banknote der Bundesrepublik Deutschland)

die gaußschen Zahlen, eine Erweiterung der ganzen Zahlen auf die komplexen Zahlen

die gaußsche Zahlenebene als geometrische Deutung der Menge der komplexen Zahlen

die Gaußklammer, eine Funktion, die Zahlen auf die nächstkleinere ganze Zahl abrundet


der Gauß-Prozess, ein stochastischer Prozess, deren endlichdimensionale Verteilungen Normalverteilungen sind

das Lemma von Gauß, ein Schritt in einem seiner Beweise des quadratischen Reziprozitätsgesetzes

die gaußsche Summenformel, auch kleiner Gauß genannt, eine Formel für die Summe der ersten natürlichen Zahlen

die gaußsche Summe, ein bestimmter Typ einer endlichen Summe von Einheitswurzeln

Methoden und Ideen, die teilweise auf seinen Arbeiten beruhen, sind:


der Satz von Gauß-Bonnet in der Differentialgeometrie

das Gauß-Elling-Verfahren, ein Verfahren zur Flächenberechnung nach Koordinaten

der Gauß-Jordan-Algorithmus, eine Weiterentwicklung des gaußschen Eliminationsverfahrens

das Gauß-Helmert-Modell, der Allgemeinfall der Ausgleichungsrechnung

das Gauß-Krüger-Koordinatensystem und die Gauß-Krüger-Projektion

das Gauß-Markow-Theorem über die Existenz eines BLUE-Schätzers in linearen Modellen

die gaußsche Optik, eine mathematische Beschreibung der Ausbreitung von Laserlicht

das Gauß-Newton-Verfahren, ein Verfahren zur Lösung nichtlinearer Gleichungen

das Gauß-Seidel-Verfahren, ein Verfahren zur Lösung von linearen Gleichungssystemen

die Gauß-Laplace-Pyramide, auch Burt-Adelson-Pyramiden oder Gauß- und Laplacepyramide

Gauß-Weingarten-Gleichungen, System partieller Differentialgleichungen aus der Differentialgeometrie

das Gaußgewehr, Geschütz, das ein ferromagnetisches Projektil mittels (Elektro-) Magneten beschleunigt, ähnlich Linearmotor


Zu seinen Ehren benannt sind:


Wissenschaft und Technik

das Gauß, die veraltete cgs-Einheit der magnetischen Flussdichte im gaußschen Einheitensystem

das gaußsche Einheitensystem

die gaußsche Gravitationskonstante

mehrere Forschungsschiffe (siehe Gauß (Schiff, 1901), Gauss (Schiff, 1941) und Gauss (Schiff, 1980))

die Gauß-Professur an der Georg-August-Universität Göttingen

die Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät für Mathematik, Informatik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der TU Braunschweig

das Gauß Centre for Supercomputing, ein Zusammenschluss dreier deutscher Supercomputing-Zentren (FZJ, LRZ, HLRZ)


Natur

der Gaußberg im Kaiser-Wilhelm-II.-Land in der Antarktis

der Mount Gauss im Viktorialand in der Antarktis

der Gaußberg, eine Grünanlage in Braunschweig

der Mondkrater Gauss

der Asteroid Gaussia


Gebäude

der Gaußturm auf dem Hohen Hagen bei Dransfeld

zahlreiche Schulen in Deutschland und weltweit

das Gauß IT Zentrum der TU Braunschweig

das Gauß-Haus auf dem Hainberg bei Göttingen, wo Gauß Experimente zum Magnetismus durchführte


Software

das Numerikprogramm GAUSS

das Computerchemieprogramm GAUSSIAN


Ehrungen

die Carl-Friedrich-Gauß-Medaille der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft

die Gauß-Medaille in verschiedenen Ausführungen von 1977 der Akademie der Wissenschaften der DDR, die an verdiente Wissenschaftler verliehen wurde

die festliche Gauß-Vorlesung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung zu Facetten der Mathematik aus historischer und aktueller Perspektive (einmal pro Semester seit 2001 an wechselndem Ort)[27]

Gaußstraße in Berlin


Text: Wikipedia

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