Carl von Ossietzky (Grab)

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Fotographie um 1915
Carl von Ossietzky in KZ-Haft in Esterwegen (1934)

Carl von Ossietzky (* 3. Oktober 1889 in Hamburg; † 4. Mai 1938 in Berlin) war ein deutscher Journalist, Schriftsteller und Pazifist.

Als Herausgeber der Zeitschrift Die Weltbühne wurde er im international aufsehenerregenden Weltbühne-Prozess 1931 wegen Spionage verurteilt, weil seine Zeitschrift auf die verbotene Aufrüstung der Reichswehr aufmerksam gemacht hatte. Ossietzky erhielt 1936 rückwirkend den Friedensnobelpreis für das Jahr 1935, dessen persönliche Entgegennahme ihm jedoch von der nationalsozialistischen Regierung untersagt wurde.


Frühe Jahre und Ausbildung

Carl von Ossietzky wurde 1889 als einziges Kind der Eheleute Carl Ignatius von Ossietzky und Rosalie, geb. Pratzka, in Hamburg geboren. Der Vater Carl Ignatius (1848–1891) war der Sohn eines Kreisbeamten aus Oberschlesien und arbeitete nach seiner Übersiedlung nach Hamburg als Stenograf in der Anwaltskanzlei des Senators und späteren Hamburger Bürgermeisters Max Predöhl. Nebenbei betrieb er eine Speisewirtschaft.

Carl wurde am 10. November 1889 im katholischen Kleinen Michel getauft und am 23. März 1904 evangelisch-lutherisch in der Hauptkirche St. Michaelis konfirmiert. Als der Vater in Carls drittem Lebensjahr starb, übernahm dessen Schwester die Erziehung des Kindes, während sich die Mutter weiter um die Gaststätte kümmerte. Senator Predöhl unterstützte die Familie weiterhin und sorgte dafür, dass er vom siebten Lebensjahr an die renommierte Rumbaumsche Schule besuchen konnte. Zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes heiratete Rosalie von Ossietzky den Bildhauer und Sozialdemokraten Gustav Walther, und beide nahmen den Jungen zu sich. Walther weckte Ossietzkys Interesse an der Politik. So besuchten sie gemeinsam Parteiveranstaltungen, auf denen der SPD-Vorsitzende August Bebel sprach, was einen nachhaltigen Eindruck bei Ossietzky hinterließ.

Ossietzky versuchte nach dem achtjährigen Besuch der privaten Realschule und dem Besuch einer privaten Abendschule (Institut Dr. Goldmann) zweimal erfolglos, die staatliche Prüfung zur Mittleren Reife zu bestehen, und wurde zu einem dritten Versuch nicht mehr zugelassen. Hierbei mag die Abneigung der Schulbehörde gegen solche „Seiteneinsteiger“ eine Rolle gespielt haben, weil mit dem Bestehen dieser Prüfung das Privileg des nur einjährigen Militärdienstes verbunden war. Ossietzkys Leistungen in Mathematik bzw. im kaufmännischen Rechnen waren aber auch im Gegensatz zu anderen Fächern nur schwach. Seine Interessen waren eher auf Literatur und Geschichte gerichtet. So blieb er schon in jungen Jahren hin und wieder der Schule fern, um ungestört literarische Klassiker wie Schiller, Goethe und Hölderlin zu lesen. Da ihm eine akademische Laufbahn verwehrt war, bewarb er sich im Alter von 17 Jahren um eine Stelle bei der Hamburger Justizverwaltung. Nur der Intervention seines Fürsprechers Predöhl war es zu verdanken, dass er überhaupt zur Einstellungsprüfung zugelassen wurde. Schließlich war Ossietzky in der Warteliste für „anzustellende Hülfsschreiber“ auf Platz eins vorgerückt und trat am 1. Oktober 1907 in den Justizdienst ein. 1910 wurde er aufgrund akzeptabler Leistungen in das Grundbuchamt versetzt.

Ossietzkys Biographen bemerken, dass er während seiner Zeit im Justizdienst eine Art Doppelleben geführt habe. Tagsüber verbrachte er die Stunden auf dem Amt, abends besuchte er so viele kulturelle und politische Veranstaltungen wie möglich. Nebenher schrieb er viele Gedichte. Zu den ersten literarischen Versuchen jener Zeit gehörte auch ein romantisches Theaterstück, das er für eine Hamburger Schauspielerin schrieb, in die er verliebt war.

1908 trat er der Demokratischen Vereinigung um Hellmut von Gerlach und Rudolf Breitscheid bei. Weltanschaulich stand Ossietzky dem Monismus des populären Zoologen und Darwinisten Ernst Haeckel nahe. Mit seinem starken Diesseits- und Fortschrittsglauben war der Monismus für einen Menschen wie Ossietzky attraktiv, der sich von Wissenschaft und Technik eine Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen erhoffte und als Atheist den Einfluss der Kirche auf Erziehung und Bildung zurückdrängen wollte.


Pazifistischer Soldat

1911 sandte Ossietzky seinen ersten Beitrag bei der Wochenzeitung Das freie Volk ein, dem Publikationsorgan der Demokratischen Vereinigung. Aus dieser Initiative entwickelte sich in den Folgejahren eine regelmäßige Mitarbeiterschaft. Ossietzky wurde erstmals Leitartikler einer Zeitschrift. Auch für die Blätter des Deutschen Monistenbundes schrieb er regelmäßig.

1914 machte er auf eine für ihn ungewohnte Weise Bekanntschaft mit der Justiz: Aufgrund des Artikels „Das Erfurter Urteil“ wurde er wegen „öffentlicher Beleidigung“ angeklagt, weil er die damalige Militärjustiz zu stark kritisiert hatte. Die 200 Mark Geldbuße, zu der er verurteilt wurde, beglich seine Ehefrau Maud, die er am 19. August 1913 geheiratet hatte. Ossietzky hatte die Tochter eines britischen Kolonialoffiziers und Urenkelin einer indischen Prinzessin im Januar 1912 in Hamburg kennen gelernt. Maud Lichfield-Woods war damals in der englischen Frauenrechtsbewegung aktiv und unterstützte nach der Heirat die Pläne ihres Mannes, den Justizdienst zugunsten einer journalistischen Karriere aufzugeben. Im Januar 1914 reichte Ossietzky daher seine Kündigung ein.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Carl von Ossietzky zunächst als untauglich gemustert. Die kriegsbedingten Veränderungen innerhalb der Medien machten es ihm jedoch unmöglich, seinen Lebensunterhalt weiterhin als ein bis dato pazifistischer und militärkritischer Journalist zu verdienen. Daher kehrte er im Januar 1915 wieder in den Justizdienst zurück. Im Sommer 1916 wurde er schließlich doch noch eingezogen und als Armierungssoldat an die deutsche Westfront geschickt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich schon wieder von seiner anfänglichen Kriegsbegeisterung gelöst und hielt pazifistische Vorträge in Hamburg, wo er in den Vorstand der dortigen Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) gewählt worden war. Ebenfalls attackierte er im Laufe des Krieges verschiedene Führer des Monistenbundes wie Ernst Haeckel und Wilhelm Ostwald, die in dem Krieg ein Instrument zur weltweiten Durchsetzung der „höheren“ deutschen Kultur sahen. In seinem 1917 verfassten Manuskript Monismus und Pazifismus wandte sich Ossietzky entschieden gegen eine derartige Auslegung des darwinistischen Entwicklungsgedankens und warf Haeckel und Ostwald „pangermanische Phantastereien auf Kosten der humanistischen Vernunft vor“ (Suhr, S. 80 f.). Nach Ende des Krieges kehrte Ossietzky nach Hamburg zurück, wo er ein weiteres Mal seinen Dienst bei der Justiz quittierte.


Journalist in Berlin

Der Aufbau einer journalistischen Existenz erwies sich jedoch als schwierig. Ossietzky nahm eine gering bezahlte Stellung als Lektor im Pfadweiser-Verlag an. Ebenfalls gab er die Nullnummer des Monistenblattes Die Laterne heraus. Da er zum ersten Vorsitzenden der Hamburger DFG-Sektion gewählt wurde, war er häufig zu Vorträgen unterwegs. Auch ist er 1919 der Freimaurerloge Menschentum in Hamburg beigetreten, die zum liberal-humanistisch orientierten Freimaurerbund Zur aufgehenden Sonne gehörte. Als sich ihm Mitte 1919 schließlich die Möglichkeit bot, Sekretär der DFG in Berlin zu werden, zog das Ehepaar Ossietzky in die Reichshauptstadt. Dort zählte er im Oktober 1919 auch zu den Gründungsmitgliedern des Friedensbundes der Kriegsteilnehmer (FdK), den er gemeinsam mit Kurt Tucholsky und anderen Pazifisten ins Leben rief. Da Ossietzky zu diesem Zeitpunkt bereits einen radikaleren Pazifismus als der DFG-Vorsitzende Ludwig Quidde vertrat und wenig Freude an den reinen Organisationsaufgaben fand, kündigte er im Juni 1920 seine Stelle als DFG-Sekretär und widmete sich wieder hauptberuflich dem Journalismus.

Von Januar 1920 bis März 1922 schrieb er unter dem Pseudonym Thomas Murner in den Monistischen Monatsheften die ihm eingerichtete Kolumne Von der deutschen Republik. Von 1920 bis 1924 arbeitete er bei der Berliner Volks-Zeitung, zunächst als außenpolitischer Mitarbeiter, später als Redakteur. Daneben engagierte er sich stark in der „Nie-wieder-Krieg“-Bewegung, die unter der Führung des FdK gegründet worden war. Zu jedem Jahrestag des Kriegsausbruches, dem 1. August, organisierte ein „Aktionsausschuss Nie-wieder-Krieg“ große Veranstaltungen in verschiedenen deutschen Städten, vor allem in Berlin. Für die Bewegung gab Ossietzky außerdem ein eigenes Mitteilungsorgan heraus.

Die pazifistische und journalistische Arbeit, welche Publikationen in zahlreichen Medien umfasste, reichte Ossietzky offensichtlich nicht aus, um die Ideen von Demokratie und Republik fester in der deutschen Bevölkerung zu verankern. Im März 1924 gründete er daher gemeinsam mit dem Volkszeitungs-Redakteur Karl Vetter die Republikanische Partei (RPD). Ossietzky formulierte das Parteiprogramm, das von den Idealen der Märzrevolution von 1848 und der Novemberrevolution von 1918 getragen war. Es sah eine Stärkung des Staates gegenüber der Privatwirtschaft zum Zwecke des Gemeinwohls vor und enthielt vorsichtige Forderungen nach einer Sozialisierung der Industrie. Ebenfalls trat die RPD dafür ein, volksnahe Einrichtungen der Selbstverwaltung zu bilden. Auch nationalistische Töne wie die Forderung nach einer deutschen „Einheitsrepublik“ zur Einigung aller Menschen „deutscher Zunge“ und Kultur klangen an.

Mit dem vagen Konzept eines demokratischen Staatssozialismus unterschied sich die Partei sowohl von der SPD wie der KPD. Diese Position sollte Ossietzky bis zum Ende der Weimarer Republik nicht mehr aufgeben, womit er auf Distanz zu den beiden großen Parteien der Arbeiterbewegung blieb. Kritiker und selbst Freunde wie Hellmut von Gerlach warfen der Partei vor allem vor, lediglich zur Zersplitterung der demokratischen und republikanischen Kräfte beizutragen. Da die Partei in der Reichstagswahl vom Mai 1924 nur 0,17 Prozent der Stimmen und kein Mandat erhielt, wurde sie umgehend wieder aufgelöst.

Nach seinem erfolglosen Ausflug in die Parteipolitik kehrte Ossietzky nicht mehr zur Volkszeitung zurück, sondern wurde Mitarbeiter und bald darauf Redakteur von Stefan Großmanns und Leopold Schwarzschilds Zeitschrift Das Tage-Buch. Doch die Zusammenarbeit mit den renommierten Journalisten währte nicht lange, da beide nach Auffassung Ossietzkys nicht scharf genug das Militär angriffen und über wichtige Themen am liebsten selber schrieben. Daher war er schon im Februar 1925 fest entschlossen, vom Tage-Buch zur Weltbühne zu wechseln. Ein gegen ihn gestellter Strafantrag bewog ihn dazu, die Kündigung aufzuschieben. Im Winter 1925/1926 kam er vorübergehend beim Berliner Montag-Morgen unter, ehe er den entscheidenden Schritt seiner Karriere wagte.


Herausgeber der Weltbühne

Auf Anregung Tucholskys hatte sich Siegfried Jacobsohn, Herausgeber der Berliner Wochenzeitschrift Die Weltbühne, von Sommer 1924 an um die Mitarbeit Ossietzkys bemüht. Es sollte noch bis zum April 1926 dauern, bis zum ersten Mal ein politischer Leitartikel von ihm in dem Blatt erschien. Nach Jacobsohns Tod wurde er von 1927 an unter Mitarbeit von Kurt Tucholsky der Herausgeber der Weltbühne. Unter Leitung Ossietzkys behielt die Weltbühne ihre Bedeutung als undogmatisches Forum der radikaldemokratischen, bürgerlichen Linken bei. Dass sich Ossietzky in dieser Funktion großes Renommee erwarb, zeigt auch die Tatsache, dass er nach dem Berliner Blutmai im Mai 1929 den Vorsitz des Ausschusses übernahm, der die Hintergründe für den gewalttätigen Polizeieinsatz klären sollte.

In den Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit geriet Ossietzky schließlich durch seine Anklage im so genannten Weltbühne-Prozess. Der Artikel, der zu der Anklage geführt hatte, war bereits im März 1929 erschienen und hatte die verbotene Aufrüstung der Reichswehr aufgedeckt. Ende 1931 wurden Ossietzky und der Flugzeugexperte Walter Kreiser schließlich wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Anders als Kreiser lehnte es Ossietzky jedoch strikt ab, sich dem Gefängnisaufenthalt durch Flucht ins Ausland zu entziehen. Stattdessen erklärte er, nachdem sein Gnadengesuch abgelehnt worden war und der Haftantritt kurz bevor stand:

„Über eines möchte ich keinen Irrtum aufkommen lassen, und das betone ich für alle Freunde und Gegner und besonders für jene, die in den nächsten achtzehn Monaten mein juristisches und physisches Wohlbefinden zu betreuen haben: – ich gehe nicht aus Gründen der Loyalität ins Gefängnis, sondern weil ich als Eingesperrter am unbequemsten bin. Ich beuge mich nicht der in roten Sammet gehüllten Majestät des Reichsgerichts, sondern bleibe als Insasse einer preußischen Strafanstalt eine lebendige Demonstration gegen ein höchstinstanzliches Urteil, das in der Sache politisch tendenziös erscheint und als juristische Arbeit reichlich windschief.“

- „Rechenschaft“: Die Weltbühne, 10. Mai 1932, S. 690

Von dem Weltbühne-Mitarbeiter Walter Mehring ist die Episode überliefert, dass der spätere Reichskanzler Kurt von Schleicher persönlich in die Redaktion der Zeitschrift gekommen sei, um Ossietzky zur Ausreise in die Schweiz zu überreden. Ossietzky kommentierte diesen Versuch mit den Worten: „Jetzt sollen die Herren, die mir die Gefängnissuppe eingebrockt haben, sie auch selber auslöffeln.“

Einen Aufschrei der Empörung in der demokratischen und sozialdemokratischen Presse rief Ossietzky hervor, als er vor der Reichspräsidentenwahl 1932 empfahl, für den kommunistischen Kandidaten Ernst Thälmann zu stimmen. Seine Empfehlung wirkt umso verwunderlicher, wenn man berücksichtigt, dass Ossietzky noch im Januar 1932 der KPD vorgeworfen hatte, mit der Aufstellung Thälmanns „in der allerunmöglichsten Weise reagiert“ und einen gemeinsamen linken Kandidaten verhindert zu haben. Aus Kreisen um die Weltbühne war zuvor der Vorschlag gekommen, Heinrich Mann als Kandidaten gegen Hitler und Hindenburg aufzustellen, doch die KPD hatte an ihrem Vorsitzenden festgehalten. Bei seiner Empfehlung vor dem ersten Wahlgang räumte Ossietzky außerdem ein, dass die Stimme für Thälmann „kein Vertrauensvotum für die Kommunistische Partei“ bedeute. In seinen Augen siegte mit Amtsinhaber Paul von Hindenburg kein Programm, sondern ein

„historischer Name, der, realpolitisch betrachtet, jedoch nur ein Zéro darstellt, vor das erst eine konkrete Größe zu setzen ist. Wer diese Zahl setzen darf, der wird am Ende der wirkliche Sieger sein.“

– „Gang zwei“: Die Weltbühne, 22. März 1932, S. 427

Bei seiner Ablehnung der „politischen Null“ Hindenburg nahm Ossietzky keine Rücksicht darauf, dass dieser zum gleichen Zeitpunkt über sein Gnadengesuch im Weltbühne-Prozess zu entscheiden hatte. Da das Gesuch Ende März 1932 abgelehnt wurde, trat Ossietzky am 10. Mai 1932 seine Haftstrafe im Gefängnis Berlin-Tegel an. Zahlreiche Freunde und politische Weggefährten ließen es sich nicht nehmen, Ossietzky bis an das Tor der Haftanstalt zu begleiten. Befürchtungen, dass Ossietzky in der Haft durch Vergeltungsschikanen der Staatsmacht zu Schaden kommen könnte bewahrheiteten sich nicht. Alfred Polgar rechnete es insbesondere der fürsorglichen Haltung des Strafanstaltsdirektors Felix Brucks gegenüber seinen Gefangenen an, dass seine bei Ossietzskys Haftantritt in der Weltbühne ausgesprochene Hoffnung, dass ihm „nicht mehr Unbill widerfahren [werde,] als schon in der Tatsache, Strafgefangener zu sein, einbegriffen ist“ sich bestätigte.

Wegen des berühmt gewordenen Tucholsky-Satzes „Soldaten sind Mörder“ klagte man von Ossietzky ebenfalls an. Ein Gericht wertete im Juli 1932 diesen Satz jedoch nicht als Verunglimpfung der Reichswehr und sprach den bereits Inhaftierten von der neuen Anklage frei. Aufgrund einer Weihnachtsamnestie für politische Häftlinge wurde Ossietzky am 22. Dezember 1932 nach 227 Tagen Haft vorzeitig entlassen.


Folter und KZ-Haft

Als engagierter Pazifist und Demokrat wurde er am 28. Februar 1933 durch die Nationalsozialisten erneut verhaftet und im Gefängnis Berlin-Spandau interniert. Bis zuletzt hatte Ossietzky gehofft, dass sich eine Einheitsfront aus Sozialdemokraten und Kommunisten der drohenden Diktatur der Nationalsozialisten entgegenstellen könnte. Er glaubte, dass die NSDAP nach einer Regierungsübernahme an ihren inneren Widersprüchen zerbrechen würde. Auch hinderten private Gründe ihn daran, sich der zu erwartenden Verhaftung durch eine Flucht ins Ausland zu entziehen.

Bei den Bücherverbrennungen durch Studenten in Berlin und anderen Städten am 10. Mai wurde gegen Ossietzky und Tucholsky gehetzt: „Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist! Verschlinge, Flamme, auch die Schriften von Tucholsky und Ossietzky!“

Von Spandau aus wurde Ossietzky am 6. April 1933 in das neu errichtete Konzentrationslager Sonnenburg bei Küstrin verschleppt. Dort wurde er ebenso wie die anderen Häftlinge schwer misshandelt. Die Zustände in dem anfänglich von der SA geführten Lager führten schließlich dazu, dass die SS unter Heinrich Himmler im Frühjahr 1934 das Lagersystem professionalisierte. Ossietzky wurde mit weiteren bekannten Häftlingen von Sonnenburg in das KZ Esterwegen im nördlichen Emsland verlegt. Dort wurden die Gefangenen unter unerträglichen Bedingungen bei der Trockenlegung der emsländischen Hochmoore eingesetzt. Ende 1934 wurde der völlig abgemagerte Ossietzky in das Krankenrevier verlegt. Dem Bericht eines Mithäftlings zufolge sollte Ossietzky im Krankenlager durch Spritzen getötet werden. Ob Ossietzky aber, wie der Häftling behauptet, tatsächlich Tuberkulose-Bazillen injiziert wurden, ist nicht zweifelsfrei erwiesen. Im Herbst 1935 besuchte der Schweizer Diplomat Carl Jacob Burckhardt das KZ Esterwegen. Dabei gelang es ihm, auch Ossietzky zu treffen, den er anschließend als ein „zitterndes, totenblasses Etwas, ein Wesen, das gefühllos zu sein schien, ein Auge verschwollen, die Zähne anscheinend eingeschlagen“ beschrieb. Ossietzky sagte zu Burckhardt:

„Danke, sagen Sie den Freunden, ich sei am Ende, es ist bald vorüber, bald aus, das ist gut. […] Danke, ich habe einmal Nachricht erhalten, meine Frau war einmal hier; ich wollte den Frieden.“

– Carl von Ossietzky

Aufgrund der im folgenden Absatz geschilderten öffentlichen Aufrufe wurde Ossietzky schließlich im Mai 1936 in das Berliner Staatskrankenhaus der Polizei überführt, wo eine schwere offene Lungentuberkulose im fortgeschrittenen Zustand diagnostiziert wurde.


Nobelpreiskampagne

Bereits 1934 stellten Ossietzkys Freunde Berthold Jacob in Straßburg und Kurt Grossmann in Prag im Namen der Deutschen Liga für Menschenrechte (deren Vorstand er von 1926 bis 1927 angehört hatte) den ersten offiziellen Antrag zur Ehrung Ossietzkys mit dem Friedensnobelpreis. Doch dieser Versuch war zum Scheitern verurteilt, weil die Antragsfrist für das Jahr 1934 bereits abgelaufen und die Menschenrechts-Liga nicht vorschlagsberechtigt war. Da Jacob aber die Presse über den Vorschlag informiert hatte, war von diesem Zeitpunkt an die Aufmerksamkeit auf den KZ-Häftling Ossietzky gerichtet.

Andere Freunde Ossietzkys, wie Hellmut von Gerlach und die früheren Mitarbeiterinnen Hilde Walter, Milly Zirker und Hedwig Hünecke versuchten den Inhaftierten auf eher verborgene Art und Weise zu unterstützen. Sie förderten 1935 die erneuerte Kampagne, indem sie bei zahlreichen ausländischen Prominenten um die Unterstützung des Vorschlags warben. Sie fürchteten, dass eine zu offensiv vorgetragene Kampagne der deutschen Exilanten dem Inhaftierten eher schaden könnte. Daher hielt sich auch Kurt Tucholsky mit öffentlichen Äußerungen in dieser Frage zurück, wiewohl er seinen Einfluss durch persönliche Briefe geltend zu machen versuchte. Trotz der Mobilisierung der internationalen Öffentlichkeit scheute sich das Nobelpreiskomitee im Jahre 1935, den Preis an Ossietzky zu vergeben. Denn die nationalsozialistische Regierung hatte starken außenpolitischen Druck auf die norwegische Regierung ausgeübt. Daraufhin wurde der Preis für 1935 keinem anderen Kandidaten verliehen.

Die Kampagne ging im Jahre 1936 unvermindert weiter, was schließlich dazu führte, dass Ossietzky kurz vor den Olympischen Spielen 1936 schwerkrank aus dem KZ entlassen und in das Staatskrankenhaus in Berlin verlegt wurde. Am 7. November 1936 wurde er offiziell aus der Haft entlassen und bezog zunächst ein Zimmer im Krankenhaus Westend, unter ständiger Bewachung der Gestapo. Trotz dieser Zugeständnisse hatte die internationale Kampagne, die in Norwegen von dem deutschen Emigranten Willy Brandt organisiert wurde, ihr Ziel inzwischen erreicht. Am 23. November 1936 wurde Carl von Ossietzky rückwirkend der Friedensnobelpreis des Jahres 1935 zugesprochen.

Der damalige preußische Ministerpräsident Hermann Göring drängte Ossietzky persönlich dazu, den Preis nicht anzunehmen. Doch vergeblich, Ossietzkys Antwort lautete:

„Nach längerer Überlegung bin ich zu dem Entschluß gekommen, den mir zugefallenen Friedensnobelpreis anzunehmen. Die mir von dem Vertreter der Geheimen Staatspolizei vorgetragene Anschauung, daß ich mich damit aus der deutschen Volksgemeinschaft ausschließe, vermag ich nicht zu teilen. Der Nobelpreis für den Frieden ist kein Zeichen des innern politischen Kampfes, sondern der Verständigung zwischen den Völkern.“

– Carl von Ossietzky

Die Gestapo lehnte es ab, Ossietzky zur Entgegennahme des Preises nach Oslo reisen zu lassen. Der Diktator Adolf Hitler verfügte anschließend, dass in Zukunft kein Reichsdeutscher mehr einen Nobelpreis annehmen dürfe. Statt dessen wurde von 1937 an der Deutsche Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft vergeben.

Wenige Tage nach der Verleihung des Nobelpreises wurde Ossietzky in das Krankenhaus Nordend (Berlin-Niederschönhausen) verlegt, da dort eine spezielle TBC-Abteilung existierte. Eine tragische Rolle spielte Maud von Ossietzky bei dem Versuch, das mit der Verleihung des Friedensnobelpreises verbundene Preisgeld sinnvoll anzulegen. Sie fiel dabei auf den Rechtsanwalt Kurt Wannow herein, der ihr versicherte, die Preissumme in Höhe von knapp 100.000 Reichsmark zu verwalten. Doch Wannow veruntreute das Geld, so dass es schließlich zum Prozess kam.

Am 4. Mai 1938 starb Ossietzky im Krankenhaus Nordend an den Folgen der Tuberkulose. Er hinterließ seine Frau Maud und seine Tochter Rosalinda, die über England nach Schweden hatte emigrieren können.

Ossietzkys Grab – ein Ehrengrab der Stadt Berlin – wie auch das seiner Frau Maud befinden sich auf dem Friedhof 4 am Herthaplatz in Berlin-Niederschönhausen.


Adresse: 4. Städtischen Friedhof Berlin-Pankow



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