Fünffingerplätzchen

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Ansichtskarte vom Fünffingerplätzchen

Das Fünffingerplätzchen war ein winziger Platz in der Altstadt von Frankfurt am Main. Es lag östlich der Ostzeile des Römerbergs, südlich des Markt, östlich der Langen Schirn und nördlich der Bendergasse. Das beliebte Postkartenmotiv und Touristenziel wurde am 22. März 1944 bei einem Luftangriff restlos vernichtet.


Ursprung, Geschichte und Entwicklung

Das Erscheinungsbild des Fünffingerplätzchens war für Frankfurt wie auch im Vergleich mit anderen mittelalterlichen Fachwerkaltstädten einzigartig:

Von Westen nach Osten trafen hier das Schwertfegergässchen, das Drachengässchen und die Goldhutgasse auf die quer dazu verlaufende Flössergasse, welche sich vom Haus Schwarzer Stern (Hausanschrift: Römerberg 6) am Römerberg nach Osten bis an das Hinterhaus der Bendergasse 14 erstreckte.

Das direkt hinter der Bebauung des Samstagsberges (heute auch Römerberg-Ostzeile genannt) verlaufende Rapunzelgässchen traf kurz vor dem Eingang zum Plätzchen auf die Flössergasse. Vom Plätzchen führten alle Gassen in Nordrichtung zum Markt. Der Name rührte entsprechend daher, dass sich aus der Vogelperspektive hier die sehr engen Altstadtpassagen bzw. Gebäudezeilen wie die Finger einer Hand vereinigten.

Bezüglich des natürlichen städtebaulichen Ursprungs halten sich zwei verschiedene Theorien die Waage: die eine folgt der Vermutung, dass sich auf dem Gelände des Fünffingerplätzchens das Nordtor einer merowingischen Pfalz befand, auf das, ähnlich wie knapp 1000 Jahre später im Barockzeitalter im Städtebau üblich, die Straßen strahlenförmig hinführend angelegt worden und in den folgenden Jahrhunderten einfach unter Erhaltung dieses Grundrisses überbaut worden waren. Die andere Theorie besagt, dass auf dem Gelände der Gassen ein weiterer großer Marktplatz ähnlich dem Römerberg angesiedelt war, der aus Platznot und der sich ohnehin verlagernden Markttätigkeiten im frühen Mittelalter überbaut wurde.

Mitte des 14. Jahrhunderts verlief, wie Beschreibungen der Zeit belegen, östlich der Goldhutgasse eine weitere, Löhergasse genannte Passage von der Flössergasse in Richtung Markt. Durch spätere Überbauung wurde der südliche Teil der ehemaligen Löhergasse zu einem Hinterhof der umgebenden Häuser am Markt, der Langen Schirn und der Bendergasse. Dem Haus Kleines Paradies (Hausanschrift: Markt 27) konnte man durch seine auffallend geknickte Vorderseite noch im 20. Jahrhundert ansehen, dass es etwa zur Hälfte auf einem ursprünglichen Straßeneingang gebaut worden war.

Auf den frühesten erhaltenen topografischen Darstellungen Frankfurts wie dem Plan von Conrad Faber von Creuznach aus dem Jahr 1552 oder dem berühmten Vogelschau-Plan Matthäus Merians des Älteren aus dem Jahr 1628 zeigt sich die Löhergasse dagegen schon überbaut und das Fünffingerplätzchen somit nahezu in dem Zustand, in dem es auf das 20. Jahrhundert gekommen war. Entsprechend lässt sich die Überbauung im Zuge des ständigen Mangels an Baugrund zumindest grob auf den Zeitraum zwischen 1350 und 1552 eingrenzen. Die Gestalt des Kleinen Paradieses erlaubt aufgrund des freiliegenden, übergangszeitlichen Fachwerks im Giebel eine Datierung zwischen 1470 und 1550.

Das Plätzchen blieb nun über Jahrhunderte weitestgehend unverändert. Erst der aufkeimende Tourismus Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte es neu und macht es schnell zu einem beliebten Reiseziel und häufigen Foto- und Postkartenmotiv. Neben anderen klassischen Alt-Frankfurter-Ansichten wie der Kannengiessergasse oder dem Roseneck an der Ecke Garküchenplatz / Grosse Fischergasse hatte es binnen weniger Jahre höchsten repräsentativen Status für Schönheit und Typus der Frankfurter Altstadt.

Andererseits riss man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (zwischen 1862 und 1877) die eher kleinen Häuser mit der Anschrift Goldhutgasse 1 und 3 aus ungeklärten Gründen ab; am ehesten dürfte der Grund, wie so oft in dieser Zeit, in Baufälligkeit zu suchen sein. Denn trotz einiger repräsentativ herausgeputzter Ecken befand sich die Bausubstanz der Altstadt um die Jahrhundertwende in einem katastrophalen Zustand. Die unverputzte und dadurch unansehnliche Brandmauer des sich anschließenden Hauses Drachengasse 5 prägte nun bis in die 1930er Jahre das Plätzchen. Sie erscheint auf den meisten Ansichtskarten aus jener Zeit daher auch gar nicht oder wird nur leicht angeschnitten.

Ende der 1930er Jahre wurde in Frankfurt am Main eine großangelegte Altstadtsanierung durchgeführt. Sie fand im Gegensatz zu den historistisch geprägten Sanierungen der Jahrhundertwende, die oft mehr Substanz vernichteten als sanierten, und den nur oberflächlichen Maßnahmen des Altstadtbundes der 1920er Jahre weitestgehend unter bereits modernen denkmalpflegerischen Aspekten statt.

So wurden auch die Häuser am Fünffingerplätzchen grundsaniert, dabei zahlreiche Fachwerke freigelegt, die Brandmauer des Hauses Drachengasse 5 in eine echte Fassade mit Fenstern umgewandelt sowie östlich der Goldhutgasse durch eine Auskernungsmaßnahme mit dem Handwerkerhöfchen ein völlig neues Plätzchen geschaffen.

Die Fliegerbomben, die bei den Angriffen des März 1944 auf Frankfurt fielen, hatten ein leichtes Spiel mit diesem Teil der Altstadt, weil sich hier ausnahmslos Fachwerkhäuser befanden, viele davon bis auf Bodenniveau komplett aus Holz gebaut. Nachdem Luftminen die Dächer zerstört und diese durch die zahllosen Brandbomben Feuer gefangen hatten, brannte die Bausubstanz wie Zunder nieder. Die engen Gassen förderten den Effekt eines sich rasch ausbreitenden Flächenbrandes, und binnen Stunden war alles nur noch Schutt und Asche.

Nach dem Krieg befand sich auf diesem historischen so bedeutsamen Teil der Altstadt lange Zeit ein Parkplatz, erst nach dem Aufbau der Ostzeile des Römerbergs in den 1980er Jahren kann man in dem dahinter liegenden Rapunzelgässchen mit viel Phantasie wieder einen Hauch der Altstadtenge spüren, die einst vom Fünffingerplätzchen mit Blick auf die zum Markt führenden Gässchen zu sehen war. Andererseits ist seitdem eine Wiederherstellung des Plätzchens auch langfristig unmöglich geworden, da die Kunsthalle Schirn nun weite Teile der ursprünglichen Parzellierung überbaut.



Text: Wikipedia

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