Festung Thorn

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Die Festung Thorn, polnisch Twierdza Toruń, ist die Befestigung der polnischen Stadt Toruń, deutsch Thorn. Die Stadt entstand an einem Flussübergang an der Weichsel und war seit Mitte des 13. Jahrhunderts befestigt. Nachdem Anfang des 19. Jahrhunderts Preußen die Herrschaft übernommen hatte, wurde die Festung ausgebaut. Die letzte Modernisierung war der Ausbau zur Gürtelfestung durch das Deutsche Kaiserreich gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Nach dem Ersten Weltkrieg gingen die Anlagen an die polnischen Streitkräfte über, die sie als Kasernen und Lagerhäuser weiter nutzten.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich in der Festung eine Offiziersschule zur Ausbildung von Infanterie- und Artillerieoffizieren, die im Januar 1945 von russischen Einheiten eingeschlossen wurde. Die Besatzung bestand aus ca. 30.000 Mann, denen durch Führerbefehl der Ausbruch aus der Festung gestattet wurde, um sich nach Übergang über die Weichsel zur deutschen Hauptkampflinie (HKL) durch zu kämpfen. Etwa 15.000 Soldaten erreichten die eigenen Linien, etwa 4000 fielen beim Abwehrkampf und dem Übergang über die Weichsel.

Die Festung Toruń gehört heute zu den am besten erhaltenen Verteidigungsanlagen Europas,[1] weil die rund 150 militärischen Objekte aus dem 19. Jahrhundert[2] und einige Objekte aus früherer Zeit weitgehend erhalten sind.

Siegelmarken

Geschichte

Mittelalterliche Festung

An der Stelle der späteren Burg Thorn des Deutschen Ordens stand anfänglich eine hölzerne Burg. Sie sicherte den Flussübergang über die Weichsel und hatte einen hufeisenförmigem gegen den Fluss offenen Grundriss und war durch einen Erdwall geschützt.

Der Deutsche Orden gründete 1246 die Stadt und befestigte diese mit einer doppelten Stadtmauer aus Ziegelsteinen, zu der 54 Türme und 13 oder 14 Stadttore gehörten. Die Mauern umfassten die Altstadt, die Neustadt und die Burg Thorn. Die beiden Stadtteile waren durch den Kanal Struga Toruńska, auch Postolsk oder deutsch Bostoltz genannt, getrennt. Das Wasser stammte aus dem Bach Struga Lubicka und wurde durch den vom Deutschen Orden gebauten Kanal zur Stadt geleitet. Es diente dort zum Antrieb von Mühlen und zum Füllen des Stadtgrabens, der sich zwischen den beiden Mauern befand. Gegen Westen war die Stadt durch drei Mauern geschützt, wodurch ein zweiter trockener Graben entstand. Im Jahre 1262 übernahm die Stadt vom Deutschen Orden die Aufgabe der Stadtverteidigung, wozu eine aus den Bürgern der Stadt rekrutierte Miliz geschaffen wurde, die ab 1352 durch eine Schützenbruderschaft betreut wurde. Im 15. Jahrhundert wurde die mittelalterliche Festung durch die beiden Barbakane Starotoruński und Chełmiński erweitert.[3]

Neuzeitliche Festung

Nach der Eingliederung von Toruń in das Königreich Polen hatte die Stadt eine einzigartige autonome Stellung innerhalb des Reichs, aufgrund von Privilegien, die 1457 durch Kasimir IV. Andreas vergeben wurden. Sie beeinflussten die militärische Bedeutung der Stadt, welche die Festung modernisierte und dem Fortschritt der Kriegstechnik anpasste. Gegen die in der Neuzeit aufkommende Artillerie waren die mittelalterlichen Stadtmauern wirkungslos, weshalb der Stadtmauer vorgelagerte Bastionen errichtet werden sollten. Die Stadt erhob ab 1563 Steuern von den Bürgen, die dem Ausbau der Festung dienten. Die äußere Wallanlage wurde zunächst auf der Ostseite bei der Neustadt und der Burg Thorn angelegt und war in zwei Jahren fertiggestellt. Ebenso wurde am linken Ufer der Weichsel eine Wallanlage zum Schutz der Brücke über den Fluss erstellt. Zwar lag bereits 1590 die Bewilligung von Sigismund III. Wasa zum weiteren Ausbau der Festung vor, jedoch wurden die Arbeiten hinausgeschoben. Erst nach der erfolglosen Belagerung der Stadt durch schwedische Truppen während des Polnisch-Schwedischen Kriegs im Jahre 1629 erfolgte der weitere Ausbau der Anlagen, sodass bis 1634 die neue Wallanlage um die Altstadt und die Neustadt fertiggestellt war. Das Grundkonzept der Festung nach altniederländischer Manier blieb in den folgenden drei Jahrhunderten erhalten. Sie umfasste zusätzlich zur mittelalterlichen Stadtmauer acht Bastione und vier neue Stadttore. Die Vorstädte außerhalb des Hauptwalls waren nur durch einfache Wallanlagen geschützt. Die irdenen Wälle waren mit Palisaden verstärkt.[3]

Im Zweiten Nordischen Krieg ergab sich die Stadt 1655 auf Druck des polnischen Adels, der aus der Umgebung nach Thorn geflüchtet war. Die Schweden nahmen die Stadt ein und verstärkten die Befestigung. Von Ende September 1657 bis in den November 1658 belagerten polnische Truppen die Stadt, bis die schwedische Garnison im Dezember kapitulierte und Thorn wieder polnisch wurde. Die Belagerung richtete Schäden an der Stadtmauer und an Häusern in der Stadt an, die Vorstädte waren vollständig zerstört. Thorn war während des Krieges verarmt, sodass die Reparaturen an der Stadtmauer und an den Bastionen erst 1673 begannen. Nach dem Ausbruch des Großen Nordischen Krieges im Jahre 1700 wurden die Reparaturarbeiten beschleunigt und zusätzliche Verteidigungsanlagen errichtet. An zwei Stellen wurden Lünetten gebaut, weiter wurde die vollständig zerstörte Bastion 7 in einer kleineren Form wieder aufgebaut.[3]

Nach einer weiteren schweren Belagerung nahmen die Schweden 1703 die Stadt erneut ein. Der schwedische König Karl XII. ordnete den Abriss der Verteidigungsanlagen an, was zur Folge hatte, dass zwei mittelalterliche Barbakane und der nördliche Befestigungswall der Neustadt abgerissen wurden. Die Bastione wurden abgetragen und die Gräben eingefüllt. Während des Polnischen Thronfolgekrieges wurden die zerstörten Bastione wieder aufgebaut. Die Arbeiten waren jedoch unzureichend, sodass 1734 die russische Armee Thorn besetzen konnte.[3]

Nach dem Krieg wurden die Arbeiten zum Wiederaufbau der Festung eingestellt. 1796 waren zwei der acht Bastionen völlig zerfallen und die Gräben teilweise eingestürzt. Erst die Bedrohung der Stadt durch die Konföderation von Bar veranlasste die Reparatur der Festung. Der Zustand von 1703 wurde wieder hergestellt, bis auf die Befestigung am linksufrigen Brückenkopf, die nicht wieder aufgebaut wurde.[3]

Preußische Festung

Nach der zweiten Teilung Polens fiel Thorn 1793 an Preußen. Unter der Herrschaft von Napoleon wurde Thorn dem Herzogtum Warschau zugeteilt, das von 1807 bis 1815 als Rumpf- und Satellitenstaat Frankreichs existierte. Die Stadt lag an einem günstigen Punkt im Verteidigungssystem und wurde erneut zur Festung ausgebaut. Das frühere System barocker Befestigungsanlagen wurde auf Kosten der Stadtentwicklung umgebaut und modernisiert, vor allem im Hinblick auf den Russlandfeldzug von 1812. Für den Ausbau der Verteidigungsanlagen wurden unter Protest der Bevölkerung in den Vororten 109 Gebäude abgerissen, darunter auch zwei Kirchen.[3]

Erste Erweiterung

Nach dem Wiener Kongress fiel Thorn an Preußen, wobei die Grenze zum Russischen Kaiserreich nur etwa zehn Kilometer östlich der Stadt verlief, weshalb dem Unterhalt und der Erweiterung der Festung große Bedeutung beigemessen wurde. Der Ausbau begann 1818 beim Weiher Kaszownik, der um eine Bucht in südöstlicher Richtung vergrößert wurde. Er bestand bereits zur Zeit der Herrschaft des Deutschen Ordens und speicherte das Wasser, mit dem im Gefahrenfall die Gräben der Verteidigungsanlage schnell gefüllt werden konnten. Die neue Bucht des Weihers diente zuvor als Lehmgrube, die das Material für die Ziegelsteine lieferte, die zum Bau der Lünette II benutzt wurden. Von 1819 bis 1824 wurden die Gräben vertieft und die Wälle wiederhergestellt. In den Jahren 1822 bis 1836 wurden die Lünetten V und VI errichtet. Das größte Bauwerk dieser ersten Erweiterungsphase war das Jacobsfort im Osten der Stadt,[3] das in den Jahren 1828 bis 1833 erbaut wurde und der Verteidigung der Stadt gegen Osten diente, wo die russische Grenze verlief. Innerhalb der Festung wurden mehrere Arsenale, Zeughäuser, Kasernen sowie zwei Schuppen zum Einstellen der Feldgeschütze, ein Militärkrankenhaus und ein Pulverhaus errichtet.

Im Stadtmauerabschnitt zwischen dem Brückentor und der Ruine der Burg Thorn wurden mehrere Wachtürme entfernt und Schießscharten in die Stadtmauer geschnitten. Weiter wurden in den Wallanlagen drei neue Stadttore im gotischen Stil aus Ziegelsteinen gebaut, die ungefähr mit den bestehenden Toren in der Stadtmauer fluchteten. Es waren dies das neue Brombergtor, das neue Kulmertor und das neue St. Jakobstor.[4] Lage des Brückenkopfs beim Bahnhof

Am linken Flussufer der Weichsel wurde in den Jahren 1824 bis 1828 ein Brückenkopf zum Schutz der alten Weichselbrücke errichtet, der in den Jahren 1837 bis 1840 durch zwei Bastionen ergänzt wurde. In den Jahren 1861 bis 1862 wurde im Innenhof des Brückenkopfs der Hauptbahnhof der Stadt gebaut. Die Anlage bestand aus drei gegen Süden gerichteten Schanzen mit Wassergraben, die auf der Nordseite mit einer 500 m langen geraden Mauer abgeschlossen wurden. Im Zentrum des Brückenkopfs befand sich eine dreistöckige Kaserne mit drei Flügeln.

Nach der Eröffnung der Eisenbahnstrecke von Thorn nach Kutno, wurde zur Sicherung der Eisenbahnanlagen östlich des Bahnhofs mit dem Bau eines Eisenbahnforts begonnen, das als sechseckige Redoute ausgebildet war. Es hatte die Aufgabe, den Bahnknoten und die Eisenbahnbrücke über die Weichsel zu sichern.

Zweite Erweiterung

Der weitere Ausbau der preußischen Verteidigungsanlagen wurde nötig, um der schnellen Entwicklung der Artillerie gerecht zu werden. Die ab 1860 eingeführten Geschütze mit gezogenen Rohren hatten eine größere Treffsicherheit und konnten bis zu 10 km weit schießen, weil die Geschosse eine stabilere Flugbahn hatten. Die Festung musste deshalb durch einen zweiten Festungsring ergänzt werden, der einen Umfang von 22 km hatte[4] und durch 15 abgesetzte Artillerieforts gebildet wurde. Sie befanden sich drei bis vier Kilometer von der Innenstadt entfernt und hatten die Aufgabe, die Stadt so lange wie möglich vor direktem Artilleriebeschuss zu schützen. Der Bau dieser Gürtelfestung wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1872 durch einen Erlass des Preußischen Generalstabs angeordnet und angegangen und durch französische Reparationszahlungen finanziert.

Nach Planungsarbeiten in den Jahren 1873 bis 1877 begann der Bau der ersten acht Forts, der 1884 abgeschlossen war. Nach Plänen von Hans Alexis von Biehler wurden preußische Einheitsartillerieforts aus Ziegelstein gebaut. Jedes Fort konnte eine 650 bis 800 Mann starke Truppe beherbergen, die 15 bis 22 Artilleriegeschütze für die Fernverteidigung und etwa 14 Geschütze für die Nahverteidigung bediente. Die Forts wurden später von der polnischen Armee mit den Nummern II, IV, V, VII, XI, XII, XV und IX versehen.[4]

Um die vergrößerte Festungsgarnison sicher unterzubringen und ausreichend zu versorgen, wurden die alten Festungsanlagen um die Stadt erweitert. Zwischen dem Jacobsfort und der Lünette IV wurde die bestehende Festungsanlage eingerissen und die beiden Bauwerke durch eine neue Kurtine mit davor liegendem Graben verbunden. Anstelle der Lünette II wurde eine mächtige Kaponniere gebaut. Für die durch die Festungsmauern führende Eisenbahnstrecke von Thorn nach Königsberg, musste ein eigenes Eisenbahntor in die Kurtine eingelassen werden. Durch die Baumaßnahmen wurde die Fläche der Stadt innerhalb der Mauern vergrößert. Der neue Stadtteil wurde Wilhelmstadt genannt. Er wurde hauptsächlich durch militärische Einrichtungen genutzt, bot aber auch einigen repräsentativen Wohnhäusern Platz. In Wilhelmstadt befanden sich zwei Kasernen, ein Militärkrankenhaus, große unterirdische Zeughäuser und Kasematten.[4]

Die acht Forts der ersten Bauetappe waren in den 1880er-Jahren bereits veraltet. Die 1883 eingeführten Sprenggranaten hätten sie in kurzer Zeit in Schutt und Asche gelegt. Die bestehenden Forts wurden deshalb 1887 mit Betondecken und Sandauflagen aufgerüstet. Zusätzlich wurden zwischen 1888 und 1893 sieben weitere Forts in einem verstärkten Ausführung mit verbesserten Ausrüstung gebaut. Sie erhielten später von der polnischen Armee die Nummern I, III, VI, VIII, X, XII und XIV. Zwischen den Forts wurde 83 Bunker und 20 Artilleriestellungen angeordnet.[4]

Die modernste Anlage war das Fort I, das nach dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. auch Feste König Wilhelm I. genannt wurde. Es gilt als eine der ersten Panzerfestungen im Deutschen Reich, bei der die Geschütze nicht mehr unter freiem Himmel standen, sondern durch gepanzerte Geschütztürme ersetzt waren. Sie diente als Vorbild für die Feste Kaiser Wilhelm II. im Reichsland Elsaß-Lothringen bei Straßburg und die Feste Kaiserin der Festung Metz.[5]

In den 1890er Jahren sowie um 1905 und 1914 wurden die bestehenden Anlagen erneut modernisiert und neue gebaut, darunter auch weitere Panzerfestungen. Bis 1914 stieg die Zahl der Festungsbauten auf rund 200, und insgesamt wurden 60 Millionen Mark für den Bau, die Instandhaltung und die Ausstattung der Festungsanlagen ausgegeben. Etwa ein Drittel der Gebäude der Stadt waren militärische Bauten und ein Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung arbeitete für die Festung.[4]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden einige nutzlos gewordene mittelalterliche Verteidigungsanlagen des inneren Befestigungsringes entfernt. Ein Teil der mittelalterlichen Erdwälle wurde eingeebnet, die Gräben verfüllt und überbaut. Die Bastionen auf der Nord- und Westseite wurden durch Grünflächen ersetzt. Für die Beobachtungs- und die Sperrballone der Festungsluftschiffer wurde eine Luftschiffhalle gebaut. 1912 wurde mit dem Bau eines Flughafens begonnen.[4]

Nach dem Ersten Weltkrieg

Die Festung Thorn war während des Ersten Weltkriegs nicht an Kampfhandlungen beteiligt. Die Stadt wurde nach dem Krieg dem polnischen Korridor zugeteilt. Während der Räumung der Festung durch die preußische Armee wurden die Festungsanlagen unbrauchbar gemacht, indem die Artillerieausrüstung und Zielvorrichtungen entfernt wurden. Ebenso wurden die gepanzerten Türen und die Generatoren für die Stromversorgung, die Belüftung und die Kommunikationseinrichtungen entfernt. Die polnische Armee nutzte deshalb die Anlagen der Festung nur noch zu Lagerzwecken und für andere untergeordnete Aufgaben.[4]

Die Befestigungsanlagen wurden 1971 als kriegstechnische Denkmäler in das Denkmalregister eingetragen. Die Festung gilt als eine der besterhaltenen in Europa, auch wenn einige Bauwerke mangels angemessenem Unterhalt verfallen sind. Im Februar 2021 wurde in einer Kasematte das Festungsmuseum Toruń eröffnet.


Text: Wikipedia

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