Harlander Coats

Aus veikkos-archiv
Wechseln zu: Navigation, Suche

Harlander Coats war eine Baumwollspinnerei und Zwirnerei mit Hauptsitz im Stadtteil Harland der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten. In der Bevölkerung meist einfach die Harlander genannt, firmierte das Unternehmen zuvor als Mathias Salcher & Söhne und Harlander Baumwollspinnerei und Zwirnfabrik AG St. Pölten-Harland. Der 1859 von Mathias Salcher gegründete Betrieb war vor allem für sein Eisengarn bekannt. In den Anfangszeiten war die Fabrik prägend für Harland und die umliegenden Ortschaften. Vor der Schließung 1991 waren zeitweise 1.400 Personen in den Werken beschäftigt.

Reklamemarken

Geschichte bis 1914

Mathias Salcher senior, gelernter Weber, gründete 1828 in Wien ein Unternehmen, das Bänder und Borten herstellte. Er erwarb 1858 von Friedrich Blödtl ein Sägewerk für Furniere in Harland, die er mit dem gegenüberliegenden Grundstück bis 1859 zu einer Eisengarnfabrik erweiterte.[1] Dazu gründete er mit seinen vier Söhnen die Mathias Salcher & Söhne. Leiter dieser Fabrik war Josef Salcher senior. Der niederösterreichische Gewerbeverein verlieh ihnen für die Einführung des Eisengarns in Österreich 1863 die Silbermedaille,[2] 1873 folgte die Ernennung des Werks zur k.k. privilegierten Fabrik und die Verleihung der Goldmedaille des niederösterreichischen Gewerbevereins.

In Wagstadt (Österreichisch-Schlesien) eröffneten sie 1865 eine Knopffabrik mit angeschlossener Weberei. In den Jahren zwischen 1870 und 1890 erwarb das Unternehmen alle Mühlen und Wasserrechte an den östlichen Mühlbächen der Traisen zwischen Wilhelmsburg und dem Lilienhof im benachbarten Stattersdorf, um die Produktionskapazitäten zu steigern. Die Familie erstand 1875 die ehemalige Stattersdorfer Schraubenfabrik und ließ dort eine Spulerei einrichten.[5] Aus demselben Grund errichtete das Unternehmen im Jahr darauf die Zwirnerei Theresienhof, benannt nach der Gattin des Firmengründers.[6] 1879 eröffnete in Stattersdorf eine Spulendreherei. Die Zwirne und Garne sollten in der eigenen Fabrik versandfertig gemacht werden. Deshalb entstanden eine Reihe von Nebenbetrieben im Bereich des Hauptwerkes. Die Glänzerei entstand 1861, die Bleicherei 1870. 1880 folgten eine Kartonagenabteilung, eine Etikettendruckerei und eine Färberei. Nach dem Tod Mathias Salchers 1879[7] übernahm sein Sohn Rudolf Salcher die Firmenleitung, Josef Salcher junior übernahm die Führung des Betriebes 1889 und ließ 1892 die Georgsspinnerei im südlich an Harland angrenzenden Ochsenburg bauen.

1894 stand das Unternehmen kurz vor dem Konkurs, der Hauptgrund dafür war der Preisverfall durch billigere Konkurrenz aus England und Deutschland.[8] Da die Finanzreserven durch den Bau der Georgsspinnerei gebunden waren, gründete Josef jun. im Jänner des Jahres die Aktiengesellschaft AG der k.k. priv. Harlander Baumwollspinnerei und Zwirnfabrik.[9] Damit gelang es ihm, neues Kapital in das Unternehmen fließen zu lassen, das vor allem vom Hauptaktionär Kenneth Mackenzie Clark und seinem Unternehmen J. & P. Coats Ltd. aus dem schottischen Paisley kam.[10] Josef jun. wurde Vorstandsvorsitzender, sein Bruder Carl Vorstandsmitglied.[11]

Nach dem Jahrhundertwechsel ließ Salcher neben einigen Mühlbächen und Wasserkraftwerken vor allem das Werk in Ochsenburg massiv erweitern. Wo das Werk 1892 mit 1.200 Spindeln gestartet worden war, verwendeten die Arbeiter 1909 bereits 28.000. 1913 folgte mit der Zwirnerei in Brunn der letzte größere Bau in der Unternehmensgeschichte. Obwohl schon ab 1883 die ersten Wasserräder durch Turbinen ersetzt wurden, erfolgte die vollständige Elektrifizierung aller Werke erst mit dem Bau des Kraftwerks Theresienhof.

Weltkriege und Nachkriegszeit

Am 22. November 1914 übernahm mit Oskar Rosenberg ein Aufsichtskommissär die Führung des Betriebs, die Werke wurden wegen der teilweise schottischen Besitzer unter staatliche Aufsicht gestellt.[12] In den ersten Kriegsjahren des Ersten Weltkriegs war ein starker Aufschwung zu spüren, Anfang 1918 erreichte der Betrieb mit 1.400 den höchsten Mitarbeiterstand. In den folgenden Monaten kamen immer weniger Rohstoffe, vor allem mangelte es an Baumwolle, nach Harland. Da zudem ein Großteil der verbleibenden männlichen Arbeiter in den Krieg zog, kam die Produktion gegen Kriegsende komplett zum Erliegen. Nachdem Rosenberg am 20. Juni 1919 die Staatsaufsicht beendete und die Führung zurück an Josef Salcher gab,[12] wurde 1920 die Produktion wieder in eingeschränkter Form aufgenommen. Josef schloss im selben Jahr die Produktion in Stattersdorf und ließ das Gebäude in Arbeiterwohnungen umwandeln. Nach dem Tod Josefs 1920[13] schied die Familie Salcher 1923 komplett aus dem Unternehmen aus und verkaufte die verbliebenen Aktien an den bisherigen Mehrheitseigentümer J. & P. Coats Ltd.[14]

Nach dem „Anschluss“ Österreichs übernahm Hubert Graf von Hardegg 1940 die Betriebsführung, das Unternehmen wurde als „feindliches Vermögen“ unter NS-Zwangsverwaltung gestellt und in Harlander Baumwollspinnerei und Zwirnfabrik AG St. Pölten-Harland umbenannt. Gegen Kriegsbeginn konnten die Arbeiter die Aufträge der Wehrmacht nahezu nicht bewältigen, obwohl von Hardegg die Arbeitszeit von 48 auf 54 Stunden angehoben hatte. Er versuchte den Arbeitskräftemangel vor allem mit Frauen und ukrainischen Arbeitern, später mit sowjetischen Kriegsgefangenen zu kompensieren. Als sich der Krieg dem Ende zuneigte ereilte das Unternehmen das gleiche Schicksal wie schon im Krieg davor, Rohstoffmangel schränkte die Produktion immer mehr ein. Da die Betriebsanlagen das Bombardement nahezu unbeschädigt überstanden hatten und die russischen Besatzer das Unternehmen relativ bald an J. & P. Coats Ltd. zurückgaben, konnte im August 1945 die Produktion wieder aufgenommen werden.

Der ehemalige Prokurist des Unternehmens Karl Atzinger übernahm 1945 die kaufmännische Leitung, James Bale Lamb wurde Generaldirektor. Im Winter 1946/1947 musste die Produktion wegen fehlender Kohle vorübergehend eingestellt werden.[15] In den folgenden Jahren ließ Atzinger die Anlagen laufend modernisieren, in den frühen 1960ern hielt die Automatisierung immer mehr Einzug in den Werken. Nach der Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung hieß die Firma Harlander Coats GmbH. Der 1970 eingesetzte Direktor Walter Aicher führte die begonnenen Modernisierungen anfangs fort, nach 1970 änderte sich jedoch die Textilindustrie und mit ihr die Zwirn- und Garnindustrie nachhaltig. Der Mutterkonzern entließ immer mehr Arbeiter um die Produktion in Billiglohnländern fortzusetzen. Nachdem J. & P. Coats Ltd. das Hauptwerk in Harland 1987 schließen ließ, verlegten sie den Firmensitz ins Ochsenburger Werk. Dieses schloss als letzter Betrieb am 30. Juni 1991 seine Pforten.[16]

Die ehemaligen Fabriksgebäude finden heute unterschiedliche Verwendungen. Während das Werksgelände in Ochsenburg im Mai 2007 geschleift wurde,[17] befinden sich im Werk Stattersdorf sowie in Teilen des Harlander Werkes und den Wohnhäusern durchwegs noch immer Wohnungen. Entgegen der ursprünglichen Pläne der Stadt St. Pölten das Werk in Harland 1987 an Renault oder Steyr zu verkaufen[18] wurde der Rest der Anlage an das Unternehmen Wallner Holz verkauft, die dort ein Lager unterhält.[19] Das Unternehmen Starzengruber kaufte die Druckerei und betreibt sie noch heute.[20] Die EVN übernahm die Kleinkraftwerke, die allesamt noch in Betrieb sind.[21]


Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.