Marken-Geschichte

Aus veikkos-archiv
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Hier finden Sie Beiträge aus der Tagespresse und Sammlerzeitungen seiner Zeit über die Marken-Geschichte.
Uns liegen noch weitere alte Unterlagen vor, welche man noch auswerten sollte.

Im Zentralkatalog sortieren wir unsere Reklamemarken und Siegelmarken zu einem Sammlerkatalog.

Was sind Gelegenheitsmarken?


Von einem Marken- Sammelsport soll hier die Rede sein, der zwar nicht so viel Anhänger hat, wie
der Briefmarken- Sammler, der aber ein Gebiet umfasst, größer wie das der Philatelisten und
dabei noch vielseitiger. Denn er erstreckt sich auf alle Gebiete des schaffenden Lebens, auf
Wissenschaft und Technik, Handel und Gewerbe, Landwirtschaft und Industrie, Verkehr und Reisen
und vieles andere mehr. Es handelt sich um Darstellungen, oft von bedeutender Künstlerhand, die
an irgend ein Ereignis im politischen oder wirtschaftlichen Leben anklingen, die Propaganda
dafür machen oder die Erinnerung daran wach halten sollen, und die schließlich ihren Weg in die
Alben der Gelegenheitsmarken- Sammler gefunden haben.


Gelegenheitsmarken sind Marken, die zu Ehren eines Ereignisses – einer Gelegenheit geschaffen
wurden, als da zum Beispiel sind: Ausstellungen, Messen, Märkte, Jubiläen, Feste, Feiern, Tage,
Tagungen, Versammlungen, Reisen, Flüge, Auszeichnungen, patriotische, politische und
kriegerische Ereignisse, Daten aus dem Leben hervorragender Persönlichkeiten, aus der
Geschichte der Völker usw. usw. Es sind keine Reklamemarken im gewöhnlichen Sinne, um irgend
eine Ware anzupreisen; es sind eben Gelegenheitsmarken, die durch ihre Beziehung zu einem
Ereignis aus dem Wust und der unübersehbaren Masse der Reklamemarken herausgehoben wurden.


Was den Wert einer Briefmarken- Sammlung und die Freude des Sammlers daran ausmacht, der Besitz
von Seltenheiten, Farbenunterschieden, Druckfehlern, Fehldrucken, ja selbst von Fälschungen,
das alles gilt auch und sogar in verstärktem Maße von den Gelegenheitsmarken. Da gibt es Marken
in allen möglichen Größen und Formen, in unterschiedlichen, zuweilen gar Hunderten von Farben,
mit Druckverschiedenheiten, mit wechselnden Firmenaufdrucken. Da sind Marken, die zu
Hunderttausenden in die Welt gesetzt wurden; da sind seltene Stücke, wo nur wenige Besitzer
bekannt sind; da sind Kostbarkeiten, Unika, die Freude des Besitzers, der Neid der Besitzlosen.


Gelegenheitsmarken- Sammler gibt es seit 30 Jahren in allen Ländern, doch am meisten wohl in
Frankreich, Skandinavien, England, Italien, Österreich- Ungarn, Spanien und Deutschland. Der
Weltkrieg hatte die Sammeltätigkeit eine Zeitlang unterbrochen und die Reihen der Sammler
gelichtet, jetzt aber nimmt ihre Zahl von Jahr zu Jahr wieder zu. Für Gelegenheitsmarken-
Sammler gibt es Vereine, periodische Zeitschriften und Kataloge, ganz so wie bei den
Briefmarken, nur vielleicht nicht so viele. Dafür ist die Menge der verschiedenen Marken bei
den Gelegenheitsmarken größer. Es gibt allein rund 10000 in Größe, Form oder Farbe verschiedene
deutsche Marken, die in drei Jahrzehnten erschienen sind und Zeugnis ablegen von der
Vielseitigkeit und der Entwicklung eines an der Jahrhundertwende noch wenig gepflegten, jetzt
aber zur Weltbedeutung erstarkten Zweiges des deutschen Kunstgewerbes: der deutschen
Kleinplakat- Industrie.


Denn sind Gelegenheitsmarken im Grunde nicht kleine Plakate? Sind sie nicht ein getreues
Spiegelbild der Werbeindustrie? In der Tat, beim Durchschauen einer Sammlung hat man den
Eindruck einer Ausstellung von verkleinerten Plakaten, findet man gute alte Bekannte, die auf
Litfass- Säulen, in illustrierten Blättern oder sonst als Werbeplakate irgendwo in der Welt
schon die Blicke der Beschauer auf sich gezogen haben. Es gibt Bilder von höchstem
künstlerischem Wert, eine Lust dem Beschauer. Es gibt freilich auch Kitsch schlimmster Art, der
sich leider nicht aus einer Sammlung verbannen lässt, wenn sie auf Vollständigkeit Anspruch
machen soll. Aber ist es bei den Briefmarken etwa anders? Die Spekulation auf die
Sammelleidenschaft hat hier wie dort hässliche Blüten gezeigt.


Wenn eine Sammlung nach Ländern geordnet ist, so gibt ihr das einen besonderen Reiz. Jedes Land
hat seine Eigenheiten in bildlicher Darstellung, in Wahl der Motive, in Zusammenstellung der
Farben, in der Drucktechnik. Diese nationalen Characteristica zeigen sich in verblüffender
Deutlichkeit. Nach kurzem Studium schon sieht man jede Gelegenheitsmarke gewissermaßen von
Weitem an, wes Landes Kind sie ist. Wenn das Wort, dass sich erst in der Beschränkung der
Meister zeigt, Geltung hat, so ganz gewiss bei den Marken der germanischen Länder.
Skandinavien, die Schweiz, die Niederlande, Deutschland und Österreich marschieren voran.
Deutschland allerdings erst seit einigen Jahren. Es hat die meisten Gelegenheitsmarken
hervorgebracht, viel Gutes, aber auch viel Minderwertiges. Seit dem Weltkriege jedoch zeigen
die Marken fast durchweg gediegene Ausführung, geistige Durchbildung, Vornehmheit in der
Zeichnung, Kraft in der Wirkung. Einen kräftigen Humor, der freilich zuweilen an Cirkusspässe
erinnert, bevorzugen viele amerikanische Marken. In bunten Farben schwelgen die meisten
Erzeugnisse der romanischen Länder. Italien hat eine Menge künstlerisch wertvoller Marken
herausgebracht, doch werden diese von einer Unmenge künstlerisch wertloser Neuerscheinungen –
eine Folge unkünstlerischer Spekulation auf die Sammelleidenschaft – fast erdrückt. Man kann
kleine Marken- Kunstwerke für wenige Pfennige kaufen, während irgendeine unansehnliche Marke,
die den relativen Wert der Seltenheit besitzt, hundert und mehr Mark kostet. Schon vor dem
Kriege war ein Teil der bis zur Jahrhundertwende ausgegebenen Gelegenheitsmarken
verhältnismäßig selten und im Handel nicht mehr zu haben. Jetzt, wo die Zahl der Sammler zwar
langsam, doch ständig wieder zunimmt, steigt natürlich auch der Wert der Seltenheiten.
Besonderer Beliebtheit und deshalb ständig steigender Bewertung erfreuen sich die Marken, die
an irgendein Ereignis der Luftschifffahrt erinnern. Flugmarken sind zurzeit wohl die
Gesuchtesten Sammelobjekte. Eine Zusammenstellung aller Gelegenheitsmarken, die zu der
Luftschifffahrt in mehr oder weniger naher Beziehung stehen, würde einen ziemlich
umfangreichen Katalog ergeben.


Da die Zahl der Sammler von Jahr zu Jahr steigt und weiter steigen wird, so ist als sicher
anzunehmen, dass die großen, wirklich einigermaßen vollständigen Sammlungen, deren es kaum ein
Dutzend in allen Ländern zusammengerechnet geben mag, in absehbarer Zeit einen hübschen
Liebhaberwert bekommen werden. Leider sitzen die zahlungskräftigsten Sammler im Auslande. Die
deutschen Sammler bleiben daher heute etwas im Rückstande, und es besteht die Gefahr, dass die
wenigen deutschen Sammlungen - es sind dem Schreiber dieser Zeilen nur drei von Bedeutung
bekannt – ins Ausland abwandern, wenn nicht staatliche Organisationen oder Körperschaften
Interesse daran nehmen und dieser Gefahr begegnen. In wenigen Jahren wird es zu spät dazu sein.
Und etwa eine neue komplette Sammlung anlegen zu wollen, erscheint aussichtslos infolge der
Unmöglichkeit, die großen Seltenheiten überhaupt oder zu erschwinglichen Preisen zu erwerben.
Abgesehen von dem Handelswerte der einzelnen Marken steckt in jeder großen Sammlung ein gut
Teil angestrengter und mühsamer Lebensarbeit, die heute noch nicht voll berechnet wird, die
aber in absehbarer Zeit ihre Wirkung auf die Preisbildung ausüben muss. Neu in die
Sammlergemeinschaft eintretende Sammler werden sich auf Spezialgebiete beschränken müssen, wenn
sie nicht über sehr große Mittel verfügen. Aber selbst die Beschränkung auf Neuheiten würde dem
Sammler eine Fülle anregender und angenehmer Beschäftigung bieten. Als Wiege des
Gelegenheitsmarken- Sammelsports darf man Leipzig ansehen, das übrigens neben Berlin, München,
Hamburg wohl die meisten deutschen Gelegenheitsmarken in die Welt gesetzt hat, denn naturgemäß
stehen die Mess- und Ausstellungs-Städte in punkto Gelegenheitsmarken obenan. In Leipzig
erschien 1897 in der “Sammlerbörse” ein Aufruf, der zum Sammeln von Gelegenheitsmarken
aufforderte. Er fand gute Aufnahme. Artikel in verschiedenen Sammler- Zeitschriften, zuerst
gelegentlich, bald aber in ständiger Rubrik, legten Zeugnis ab von der Anteilnahme, welche den
kleinen Plakatmarken in weitesten Kreisen zuteil wurde. 1898 erschien das erste Sammelbuch von
Walter Fiedler mit Vordrucken und mit deutschem und französischem Text. Freilich enthielt es
nur einen bescheidenen Teil der heute für den gleichen Zeitraum bekannt gewordenen Marken. Bald
kamen nun auch die ersten Händler- Preislisten und die ersten Kataloge auf den Markt. Den
Anfang machte Deutschland, dann folgten Frankreich und Skandinavien. Sie waren jedoch noch
Stückwerk und unvollständig. Und Fehler enthielten sie auch, die zumteil in den mangelnden
Sprachkenntnissen der Verfasser wurzelten. An den General “Staff” von 1870 erinnert es, wenn
ein bekannter französischer Katalog u.a. als Herkunftsorte von Marken die Orte Kino und
Pingstein angibt, die man vergebens auf deutschen Landkarten suchen wird. Die erstgenannte
Marke stammt aus Berlin und gilt einer Kino- Ausstellung. Die zweite behandelt eine Pfingst-
Tagung des Aussiger Männer-Gesangvereins.


Kurz nach dem Weltkriege sind Kataloge einzelner Sammelgebiete wie einzelner Länder entstanden
und veröffentlicht, die dem Sammler einen gewissen Überblick geben und gute Dienste bei der
Ordnung seines Materials tun, aber einen vollständigen Katalog aller Gelegenheitsmarken gibt es
bisher leider nur als Manuskript. Ein Berliner Lehrer hat ihn geschrieben – das Produkt
vieljährigen Bienenfleißes, angestrengter Sammeltätigkeit und gediegener Kenntnisse. Aber
gedruckt konnte er wegen mangelnder Mittel bis heute noch nicht werden. Selbst eine geringe
Auflage würde 4 bis 5000 Mark kosten, aber diese aufzubringen, ist noch nicht gelungen. Und
doch wäre der Katalog mindestens so wertvoll wie manches dicke Buch, das trotz fehlenden
inneren Wertes seinen Verleger fand. Aber leider steht bei den meisten Sammlern der Geldbeutel
nicht im entsprechenden Verhältnis zu ihrer Sammellust.


Erst als die Zahl der Gelegenheitsmarken- Sammler in die Tausende ging, erfuhr man, welche
Fülle von Marken noch unbekannt geblieben war. Jeder Tag fast brachte neue Funde und
Entdeckungen, und bis heute dürften über 50 000 Stück in Bild, Text, Farben oder Größe
verschiedene Gelegenheitsmarken bekannt sein. Diese in einer einzigen Sammlung vollständig
zusammenzufassen, dürfte einem Privatsammler kaum gelingen, obwohl der eine oder andere dem
Ziel schon ziemlich nahe gekommen sein mag.


Fiedler hatte gleich nach seinem Album auch die erste Zeitschrift der neuen Sammelliebhaberei
herausgegeben, und zwar unter dem Namen “Die Ausstellungsmarke”. Sie ging aber schon 1899
wieder ein. Erst 1901 erhielten die Gelegenheitsmarken in Peter Mathes, dem Verleger
des “Blauen Blattes” einen neuen Freund, der den wertvollen Arbeiten des Redakteurs Sperrheimer
(Pseudonym für Gerhäuser) eine Heimstätte und der Gelegenheitsmarken- Sammelei gewissermaßen
das Fundament gab. Der Mathes- Katalog, der später die im Blauen Blatt verzeichneten Marken
zusammenstellte, darf als Rückgrat aller Sammlungen sowie der nach 1903 erschienenen Kataloge gelten.


Oben wurde gesagt, dass Leipzig die Wiege des Gelegenheitsmarken- Sammelsports sei. Aber die
Gelegenheitsmarke ist im Grunde viel, viel älter als der Sammelsport. Wenn man ihren
kulturgeschichtlichen Charakter ihrer Daseinsberechtigung unterstellt, wenn man von ihrer heute
noch geltenden Zweckbestimmung als Briefverschluss mit schriftmäßiger oder bildlicher
Darstellung ausgeht, so darf man ihre Vorfahren in den ältesten Zeiten des brieflichen Verkehrs
suchen, wo noch Bienenwachs als Verschluss der Briefhülle in vielfältigen Formen das Geheimnis
des Briefinhalts zu wahren bestimmt war. Das Bienenwachs wurde um 1550 durch den Siegellack
ersetzt, neben dem man um dieselbe Zeit besonders bei den Behörden die Oblate verwandte. Bis
1820 kannte man den Briefumschlag noch nicht. Da war der Briefverschluss eine Notwendigkeit.
Doch auch später, als zuerst in Deutschland die gummierten Briefumschläge aufkamen, wurden
Siegel und Oblaten zur besseren Wahrung des Briefgeheimnisses weiter verwendet, und sie werden
es heute noch. Dann kam die Zeit der fast allgemein in Prägedruck hergestellten Siegelmarken,
die übrigens schon in den siebziger Jahren gesammelt wurden. Wappen und Schrift bildeten
gewöhnlich den Inhalt; der Form nach waren sie kreisrund oder oval. Allmählich lösten
bildhafte, meist allegorische Darstellungen die Schrift- oder Wappenmarke ab. Kunst und Technik
im Dienste der Reklame fanden neue Formen, verwerteten neue Motive. Aus der Siegelmarke
entstand die Gelegenheitsmarke.


Diese, in modernem Gewande nun weniger eine Notwendigkeit als vielmehr eine Zierde, ein
Schmuck – eine Gelegenheit – gewinnt von Tag zu Tag größere Bedeutung. Ihr Dasein ist ein
unerhörter, ein unaufhaltsamer Siegeslauf. Sicher gebührt ihr in Zukunft ein Ehrenplatz in der
Kulturgeschichte, vor allem in der Geschichte des Weltverkehrs. Und das mit Recht.


Zum Schluss

Sei noch ein kurzes Wort über die Klassifizierung der Reklamemarken nach den üblichen
Sammelgebieten gestattet. Es ist dabei zu bemerken, dass die Unterschiede der einzelnen Klassen
sich bei vielen Marken verwischen, die mehreren Unterabteilungen angehören und daher nach den
Beleiben der Sammler der einen oder anderen Klasse zugeteilt werden können. Wir unterscheiden:
1. Siegelmarken, eigentlich Briefverschlussmarken, zumeist ohne Werbe- Tendenz, weshalb sie nur
bedingt und vereinzelt zu den Reklamemarken zu zählen sind. Sie sind die Vorläufer derselben,
eine ganze Anzahl kann auch in die Klasse der Gelegenheitsmarken eingereiht werden.
2. Agitations- oder Werbemarken, meist von gemeinnützigen Vereinen oder Wirtschaftsverbänden
zur Hebung von Handel und Verkehr, zur Erreichung wirtschaftlicher Ziele, aber auch von
politischen Vereinen, von Behörden etc zu politischen Zwecken ausgegeben. Ihnen sind auch die
Wehrschatz- oder Schatzmarken zuzurechnen, die von ihren Urhebern als Spendenmarken für
nationale Zwecke bezeichnet werden.
3. Wohlfahrts- und Fürsorgemarken, zur Beschaffung von Geldmitteln für die Unterstützung
öffentlicher und privater Wohlfahrtsvereinigungen von wohltätigen Organen, Vereinen etc herausgegeben.
4. Militärmarken, zur Belebung des militärischen Geistes und zur Erinnerung an Großtaten der
Armee und Marine in einzelnen Ländern ausgegeben.
5. Propagandamarken zur Anpreisung gewerblicher Artikel, zur Stärkung und Hebung von Industrie
und Handel, ein Wettbewerbsmittel im Erwerbsleben. Sie bilden die Hauptmasse der eigentlichen Reklamemarken.
6. Gelegenheitsmarken heben sich aus der schier unübersehbaren Menge der Reklamemarken dadurch
heraus, dass sie in Beziehung zu einem bestimmten Ereignis stehen und teils als Ankündigungs-
oder Plakatmarken, teils als Gedenk- oder Erinnerungsmarken ihre Zweckbestimmung haben. Ihnen
gelten diese Blätter, deren erster Artikel sich mit ihrem Wesen im Besonderen beschäftigt.

Quelle : R.Tramnitz in “Die deutschen Gelegenheitsmarken 1928” gekürzt


Die Siegelmarken


Wer kennt sie nicht, die bunten Verschlußmarken der Briefe unserer Behörden. Freilich löst das
Eintreffen selten Erregungen ungemischter Freude aus. Die jedem einzelnen bekannteste Marke ist
wohl die des Finanzamtes, die uns daran erinnert, unseren Beitrag zu den Betriebskosten des
noch so teuren Vaterlandes (!) zu entrichten. Nicht viel erfreulicher sind die Marken der
Gerichtsbehörden, bringt doch selbst ein gewonnener Prozeß meist mehr Ärger und
Unbequemlichkeiten als die ganze Streitsache wert ist. Der schrecklichste der Schrecken ist
aber die Marke des Gerichtsvollziehers die dieser an verschiedenen Stellen unseres häuslichen
Mobilars anzubringen pflegt. Kein Wunder, daß jeder eifrig bestrebt ist , die unerwünschte
Zierde baldigst abzukratzen. Kein Wunder auch, daß der verärgerte Empfänger amtlicher
Schriftstücke beim Öffnen die Marke mit energischem Ruck durchreißt. Und doch ist das nicht
schade, denn es handelt sich um kleine Kunstwerke unseres Gravierhandwerkes, die einer näheren
Betrachtung wohl wert sind.


Sehen wir uns einmal das Ding näher an. Der mittlere Teil zeigt gewöhnlich das Wappentier, die
alte, liebe Krähe mit einem oder gar zwei Köpfen, freilich nicht schwarz, wie die auf dem
Wappenschild erscheint, sondern in jeder beliebigen Farbengebung, am häufigsten in weißen
Prägedruck auf farbigem Grunde. Die künstlerische Ausführung des Wappens ist recht
verschiedenartig, ebenso wie die graphische Gestaltung der erläuternden Unschrift, besonders
wenn wir die manigfachen Marken der Behörden betrachten; oft genug sind diese in den richtigen
Wappenfarben prächtig ausgeführt. Allerdings lassen sich solche vergleichende Betrachtungen
erst anstellen, wenn man eine größere Anzahl Marken beieinander hat und deshalb eben darf man
die nicht zerreißen, sondern muß sie sorgfältig loslösen und geordnet aufbewahren, d.h.
sammeln. Das geschieht denn auch häufig genug und fast jeder Junge hat einmal neben seinen
sonstigen Interessen auch diese Spezialität gepflegt. Meist freilich erlischt diese Anteilnahme
bald genug aus Mangel an frischer Anregung, es kommt nichts Neues in Zug, die Sammlung bleibt
liegen und nimmt schließlich ein unrühmliches Ende im Ofen oder im Müllkasten. Gar mancher
findet aber doch im späteren Leben Gelegenheit, sie weiter auszubauen und sie in Jahre reiferen
Mannesalter hinüber zu retten. Es muß also doch etwas daran sein, das auch ernsthaftere
Charakteure zu fesseln vermag; und in der Tat ist eine solche wohlgeordnete Sammlung eine
Stelle der Belehrung über allerlei nicht ganz alltägliche Dinge.


Vor allem lehrt sie uns den staatlichen Ausbau unseres engeren Vaterlandes kennen,
das Verwaltungssystem, das gleichsam das Knochengerüst des Gesellschaftskörpers bildet.
Finden sich Marken anderer Länder und Staaten hinzu, so erkennt man bald abweichende
Bezeichnungen, die zu vergleichenden Betrachtungen des Staatsaufbaues anregen.
Siegel damaliger oder neuerrichteter Behörden geben Einblicke in die historische Entwicklung
des Verwaltungswesen. Letzteres gilt freilich auf unseren Gebiet nur bis etwa in die Zeit um
1850 rückwärts, denn damals entstanden die ersten amtlichen Siegelmarken, wie es scheint zuerst
in Sachsen, dann in Preußen, Hannover und vor allem in Österreich, noch heute dem klassischen
Land der Siegelmarke. Nicht alle Staaten sind indessen dem Vorgange gefolgt. In Deutschland
liegt der Gebrauch hauptsächlich auf den Norden beschränkt, Süddeutschland fällt demgegenüber
stark ab. Auch die einzelnen Behörden sind keineswegs gleichmäßig vertreten, viele bedienen
sich aus Sparsamkeitsgründen des Sparstempels oder, besonders in den letzten Jahren, der
Briefumschläge mit aufgedruckten schwarzen Stempel. Neben Dänemark, Schweden und Holland mit
ihren farbenfreudigen Marken steht Russland, das sie in ganzen Bogen in Schwarzdruck herstellt,
während Großbritannien den Wappenstempel bevorzugt. In Frankreich sind Siegelmarken im
amtlichen Verkehr unbekannt.


Auch die graphische Ausführung der Siegelmarken hat ihre Geschichte. Vielfach, in Sachsen noch
heute, wurden sie in ganzen Bogen hergestellt, in Flachdruck, perforiert wie Briefmarken,
was in der Sammlung einen recht eintönigen Anblick gibt. Die ältesten Österreicher zeigen
Flachdruck in Gold und Silber auf farbigem Papier. Allmählich kam dann fast überall die
geprägte Marke mit gezähntem Rande, kreisförmig oder eliptisch. Im letzten Jahrzehnt kommen
besonders in Österreich ganz in rot gehaltene Stücke mit unregelmäßig verlaufendem Rande vor,
die Lacksiegel nachahmen sollten. Die Prägekunst selbst hat, wie Vergleiche von älteren und
neueren Stücken derselben Behörde zeigen, erhebliche Fortschritte gemacht. Manche deutschen
Städte, besonders des Rheinlandes, zeigen das Wappen in Mehrfarbendruck; kroatische Städte
führen oft die Landesfarben rot-weiß-blau. Man sieht wohl aus dem Dargestellten, daß die
Siegelsammlerei wirklich mehr ist als ein kindliches Spiel; erfordert der übersichtliche Aufbau
einer Sammlung doch einen nicht geringen Aufwand an Arbeit und Zeit. Da kommt zunächst das
Bestimmen neuer Stücke, bei deutschen eine Kleinigkeit, wenn auch hier seltene oder veralterte
Bezeichnungen gelegentlich Rätsel aufgeben. Bei fremdsprachigen Marken versagt oft genug das
gebräuchliche Taschenlexikon und man muß die öffentlichen Bibliotheken zu Hilfe nehmen. Auch
die Ordnung der Sammlung stellt erheblich höhere Anforderungen als beispielsweise Briefmarken
mit ihren Vordrucken und Katalogen. Hier muß sich jeder größere Sammler sein eigenes System
aufbauen, immerhin eine willkommene Arbeit für einen geistig tätigen Menschen, die anregt, ohne
zu ermüden und nach Vollendung eine nicht geringere Befriedigung gewährt. Auch ist auf diesem
Gebiete das alte Ideal einer Generalsammlung noch erreichbar, da die Herausgabe von
Siegelmarken, von einigen unrühmlichen Ausgaben abgesehen, noch nicht Spekulationsobjekt
geworden ist. Allerdings ist die Beschaffung fremdländischer Marken nicht ganz leicht. Will man
vollends einen Überblick über das gesamte Verwaltungswesen gewinnen, so muß man auch
Farbstempel, Lacksiegel und andere Formen sammeln, da, wie schon gesagt, die Siegelmarke nicht
allgemeine Verbreitung gefunden hat. Auch treten neben der Siegel der Staats- und
Kommunalbehörden die kirchlichen, die oft die Namen der wechselnden Pfründeinhaber zeigen.
Strittige Grenzgebiete sind die Siegel der herrschaftlichen Gutsverwaltungen, der Notare und
der Verkehrs- und Kreditinstitute.


Immerhin ist die Erreichung einer gewissen Vollständigkeit dem fleißigen Sammler noch möglich,
zumal der Handel noch nicht mit seinen Spekulationswucher in dieses Gebiet eingedrungen ist.
Zwar erschwert letzteres Moment den Umlauf der Marken, doch liegt gerade in der freien
Sammeltätigkeit der Reiz. Auch helfen Vereine und Rundsendungen den Sammler fort. Am
bedauerlichsten ist das Fehlen einer vielverbreiteten Fachpresse für Tauschinserate. Viel wäre
gewonnen, wenn jeder, auch wenn er nicht für unser Gebiet selbst interessiert ist, alles
Material, das in seine Hände kommt, aufheben und in Tausch gegen jeweilig Erwünschtes abgeben
wollte. Dies ist der Hauptwert kombinierter Vereine, von Sammlern verschiedener Objekte. Die
Frage schließlich: Wie viel ist meine Sammlung in Goldmark wert? Sollte keinen echten Sammler
beunruhigen; jeder Sport kostet Geld und bringt Vergnügen. Wer an letzteren nicht genug hat,
soll das Sammeln bleiben lassen und sein Geld lieber in Spekulationsobjekten anlegen. Stirbt
ein echter Sammler, so testiere er seine Schätze einem Museum oder einem Archiv! Dann ist er
sicher, daß sie auch hernach nicht einem Spekulanten zum Opfer fallen.

Von A. K. Hoppe, Berlin aus WERBUSIEG Folge 12. Dezember 1924


Die Bedeutung der Siegel- Reklamemarken


Was versteht man unter einer Marke? Das ist die erste Frage. Die Antwort zu geben ist nicht so
ganz einfach. Sie wird ungefähr lauten: einen Kleindruck, der zum Aufkleben bestimmt ist.
Das ist in der Tat das Charakteristische an diesem Artikel, und man sieht es dieser kurzen,
aber umfangreichen Definition an, welchen ungeheuren Inhalt derselbe umfasst. Es ist
schlechterdings kaum auszudenken, welche Formen, Darstellungen, Druckarten und Gegenstände
alles für diesen Zweck in Anspruch genommen werden können. Auch der Zweck ist im Besonderen ein
außerordentlich vielfacher. Die Siegelmarke dient schon seit langem als Briefverschluss. Sie
schließt in der Form und Farbe sich meist an den Briefsiegel und seine verschiedenen Arten an,
doch wird sie auch in vielerlei Phantasiegestalten geliefert. Seit viel längerer Zeit schon ist
die Büchermarke (ex libris) im Gebrauch und neuerdings wieder in Aufnahme gekommen. Jeder
Bücherliebhaber zeichnet die Schätze seiner Bibliothek mit einer Kennmarke, die seiner Laune
und seinem künstlerischen Verständnis entspricht, zuweilen mehr das erstere. Die Briefmarke hat
sich als Quittung der Post über den Frankierungsbetrag eingebürgert seit der allgemeine Verkehr
die denkbarste Erleichterung durch die denklich einfachste Methode erfuhr. Die Postmarke wurde
dadurch die erste Wertmarke und als solche eine Art ähnlich dem Papiergeld. In ähnlicher Weise
sind die Stempelmarke, die Steuermarke, die Steuerbanderole entstanden. So haben sich auch die
Beitragsmarken, die Invalidenmarken, die Rabattmarken usw. entwickelt, denen allen eine
graphische Dekoration als Unterscheidungszeichen eigen ist. Zu ihnen treten noch die
Wohltätigkeits- und Schutzmarken, die für irgendeinen Wohlfahrtszweck ins Leben gerufen wurden.


Diesen Wertmarken folgen in einiger Entfernung die Etiketten und die Warenzeichen, Trademarks,
die Echtheitszeichen für allerlei Waren bestimmter Art oder bestimmten Ursprungs, die man
künftig praktisch als Kennmarken bezeichnen soll. Sie zieren alle Wein- und Bierflaschen, alle
Konservenbüchsen und Warenpackungen, alle Nahrungsmittel und allen Schönheits- und
Hygienebedarf, ja selbst auch unsere Tabake und Zigarren u. a. m. Hieran schließt sich
natürlich und ungesucht die geschäftliche Werbemarke an, die für irgend eine Ware oder einen
Lieferanten gleichsam als Visitenkarte dienen soll, die er dir bei irgend einer Gelegenheit
überreicht. Sie heißt gewöhnlich Reklamemarke, manchmal auch Propagandamarke und diese
Bezeichnungen sagen genug.


Eine besondere Art der Werbemarken sind die Marken der Verkehrsvereine und ähnlicher
Vereinigungen, welche Touristen und Reisende nach gewissen Punkten hin anziehen sollen. Sie
enthalten Abbildungen der landschaftlichen Schönheiten und Sehenswürdigkeiten, die zugleich
auch eine Reiseerinnerung und einen Briefschmuck bedeuten. Eine ähnliche Rolle wie diese
geographischen Marken spielen die Gelegenheitsmarken in der Zeit- und Kulturgeschichte,
darunter sind besonders die Marken der vielen Ausstellungen und großen Feste zu verstehen, die
in gleicher Weise werben und erinnern sollen.


Zu diesen Marken mit besonderen praktischen und geschäftlichen Zwecken treten in neuerer Zeit
die Bilder- und Sammelmarken, die man wegen ihres Ursprungs richtiger Verlagsmarken nennen kann
und die alles Mögliche aus Geographie, Geschichte, Kunstgeschichte usw. darstellen, um die
Sehfreude und Bilderlust vor allen Dingen des heranwachsenden Geschlechtes zu befriedigen, dem
der Sammelsport ein Spiel bedeutet. Besonders die Jubiläen geben hier Anlass zu allerlei neuen
Ausgaben, ähnlich den Postkarten, an die sich diese Marken teilweise eng anschließen. Dabei
bietet die billige Marke aber vielerlei, was die anspruchsvollere Postkarte nicht lohnend
machen würde. Allerlei Bilder zu Anschauungszwecken kommen auf den Markt, und deswegen
empfiehlt und duldet auch die Schule diesen Sport.


Wenn man nun diese so nur angedeuteten Entwicklungsreihen durchgeht und ihre Möglichkeiten
studiert, so ist man keineswegs im Zweifel, dass man hier vor einem Land der unbegrenzten
Möglichkeiten steht, hier ist ein Neuland für künstlerisches und technisches Schaffen von so
glänzender Aussicht, wie sie nicht einmal die Postkarte bieten konnte, die in der Hauptsache
nur einen, wenn auch wichtigen und greifbaren Zweck verfolgen konnte. Das Gebiet der
Kleingraphik umfasst in Wirklichkeit alle menschlichen Interessen zusammen und weiter braucht
man eigentlich nichts zu sagen, um die Frage zu beantworten ob dieser junge Zweig noch eine
Entwicklung vor sich hat: sie ist unbegrenzt. Und das gilt ganz Gleicherweise für ihre
künstlerische, technische, kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung. Wie die Entwicklung und wo
sie nun stattfinden wird, das wird von den Anstrengungen abhängen, die man für den neuen Bürger
anwenden wird – und auch hier wird wie immer neben dem Eifer des Wettbewerbes die künstlerische
Zucht und die gute technische Leistung das allein Maßgebende sein.

Quelle : Weltarchiv Nr. 11, 1913


Geschichte des Gelegenheitsmarkensammelns


Gelegenheitsmarken im engeren Sinne, nennen wir die anlässlich einer Ausstellung, Messe,
Festlichkeit u. s. w. ausgegebenen Reklamemarken, im weiteren Sinne rechnen wir hierzu noch die
Militärsmarken, Wohlfahrtsmarken, die nationalen und politischen Werbe- und Wehrschatzmarken,
die Fremdenverkehrsmarken und die Vereinsmarken.


Gelegenheitsmarken im engeren Sinne gab es vor 1893 keine. Die Kataloge gehen freilich
bedeutend weiter, bis 1851, ja betreffs Prämierungsmarken bis 1845 zurück, aber alle diese
Ausgaben sind entweder Siegelmarken, oder Abbildungen der verschiedenen Ausstellungsprämien,
oder aber Kontrollmarken, häufig aber auch nur Machwerke.


Von den Ausgaben vor 1894 haben in einer Ausstellungsmarkensammlung im engeren Sinne genommen
nur die Erinnerungsmarken der Postwertzeichen- Ausstellung zu Wien 1881 und 1890 Anspruch auf
Platz. Diese Marken wurden in der Ausstellung hergestellt, um den Besuchern die Herstellung der
Briefmarken vorzuführen, dienten also nicht als Reklame der Ausstellung. Da nun aber die
Postwertzeichen- Ausstellungen späterhin auch häufig in den Ausstellungen Marken herstellen
ließen, um den Besuchern die Herstellung der Marken vorzuführen und diese Marken allgemein zu
den Gelegenheitsmarken gerechnet wurden, ja sogar infolge ihrer direkten Abgabe gleich nach
Herstellung, zu den beliebtesten gehörten, muss man die Wiener Marken von 1881 und 1890 auch in
die Sammlung aufnehmen.


Ebenso haben Platz in einer Sammlung der Erinnerungs- Marken: die Marken der österreichischen
Nordpolexpedition 1872/74 und jene der silbernen Hochzeitsfeier des italienischen Königspaares
1893, wenn auch diese Ausgaben ursprünglich als Briefmarken geplant waren.
Die Garibaldi- (1860), Lasalle- (1863), Shakespeare- (1864), Chambord- (1871) und Boulanger-
Marken (1887), werden gewöhnlich zu den Gelegenheitsmarken im engeren Sinne gerechnet, gehören
aber nicht hierher, sondern zu den politischen Werbemarken respekt. zu den Wohlfahrtsmarken.
Als die Antwerpner Ausstellungsleitung anfangs 1894 die kleinen, in schwarz- rot gehaltenen
Marken ausgab, dachte niemand daran, dass diese Marken auch einmal gesammelt werden. Die Idee
aber, mittels Briefverschlussmarken, Propaganda für eine Ausstellung, Festlichkeit u. s. w. zu
machen fand bald Widerhall und noch im Jahre 1894 wurden ausgegeben: die Marken der vereinigten
Ausstellungen zu Mailand, dann im Jahre 1895 die Marken:
der deutschnordischen Ausstellung zu Lübeck,
die Protestmarken der päpstlichen Partei,
die Werbemarken des St. Antonius- Jubiläums,
die Marken des eucharistischen Kongresses zu Mailand,
der slawisch- ethnografischen Ausstellung zu Prag,
der Kunstausstellung zu Venedig und schließlich noch
die Marken der ungarischen Millenniums- Ausstellung zu Budapest 1896.


Da nun die Millenniums- Ausstellungsmarken der ungarische Staat ausgab und diese Marken von der
Post auf jeden Auslandbrief aufgeklebt wurden, fanden sich die Briefmarkensammler einer neuen
Art Marken gegenüber, über deren “Sammelberechtigkeit” in den philatelistischen Zeitschriften
vom Jahre 1895 sehr viel geschrieben wurde. Die offizielle Ausgabe und off. Verwendung war
nicht zu bestreiten; aber es konnte auch kein Zweifel darüber herrschen, dass diese Marken
keine “Freimarken” sind und wurden dann infolge dessen sehr bald als nicht “sammleberechtigt”
erklärt. Das Interesse war aber nun einmal geweckt und da fast alle obgenannten Marken
künstlerisch und hübsch ausgeführt waren, gab es 1896 im deutschen Reich und in Ungarn,
höchstwahrscheinlich aber schon auch in anderen Staaten Gelegenheitsmarken- Sammler.


Von einer Geschichte des Sammelns von Gelegenheitsmarken kann aber erst ab 1897 gesprochen
werden, in welchem Jahre die Gelegenheitsmarkensammler das erste mal in den
Sammlerzeitschriften vor die Öffentlichkeit traten.
Die Geschichte des Gelegenheitsmarkensammelns ist sehr bewegt und am übersichtlichsten in
folgende fünf Zeiträume teilbar: Der erste Zeitraum, die Zeit des Sammelns der offiziellen
Ausstellungsmarken, fällt mit der Tätigkeit des Herrn Walter Fiedler – Leipzig zusammen und
dauert bis Mitte 1899. Der zweite Zeitraum, die Zeit des Sammelns der Gelegenheitsmarken, ist
mit dem Namen des Herrn A. Gerhauser– Gautzsch eng verbunden und dauert bis Ende 1911.
Der dritte Zeitraum, die Flutperiode der Reklamemarken, od. wie man selbe damals nannte, der
Propagandamarken, findet sein Ende mit Kriegsausbruch.
Der vierte Zeitraum ist die Kriegszeit.
Die Gegenwart bildet den fünften Zeitraum.

Quelle: “Die Geschichte des Gelegenheitsmarkensammelns” von Ferenc Kölbig, Budapest 1926, gekürzt


Erste Siegelmarken- Ausstellung in Berlin



Von einem Freunde unserer Zeitschrift geht uns folgender Bericht zu:

Kleine Wertpapiere.

Als ich vor etwa einem halben Jahr im Berliner Börsenkurier über den damals gerade kräftig
einsetzenden Sport des Reklamemarkensammelns und seiner Entstehung schrieb, ahnte ich ebenso
wenig, wie wohl irgend ein anderer, welche Bedeutung die neue Sammeltätigkeit in
verhältnismäßig kurzer Zeit gewinnen würde. Ihr Organ, das “Weltarchiv”, früher
der “Propagandamarkensammler”, hat sie bereits seit längerer Zeit, und nun ist auch schon in
Berlin eine Ausstellung entstanden. Eine ganz richtige und sehr fesselnde Ausstellung im
Kaufhaus des Westens, zu der das Publikum in Scharen strömt. Nicht nur die Kinder. Denn die
Erwachsenen sammeln gleichfalls Werbemarken, wie ja schon aus der Existenz des Bundes der
Sammler solcher kleinen Wertpapiere hervorgeht. Und wie man im Zoo beobachten kann, wo an der
ehemaligen “Börse” für Stollwerkbilder, bei dem Schokoladenautomaten neben dem Bärenzwinger,
die “Großen” es nicht verschmähen, mit Jungen und Mädeln flotten Tauschhandel in Reklamemarken
zu betreiben. Man ist hierbei meist noch bei dem primitiven Prinzip: Stück um Stück, denn erst
allmählich kristallisiert sich eine Art System heraus, und erst nach und nach gelangt man zu
Preisunterscheidungen und besonderen Bewertungen. Die Anleitung dazu gibt die Ausstellung im K.
d. W. , die über mancherlei für den Sammler Interessantes und Wissenswertes unterrichtet und
nicht nur die Internationalität der Reklamemarke, sondern auch deren bis 1870 zurückreichende
Anfänge dokumentiert. Damals gab die Landesausstellung in Graz eine schlichte graue Siegelmarke
heraus, in einfachem Buchdruck auf Glanzpapier hergestellt, ohne irgendwelche künstlerischen
Präventionen. Aber das runde Stückchen Papier, das man getrost als den Urahn der heute
blühenden Industrie ansprechen darf, hat zurzeit einen ganz erheblichen Wert, und man kann sich
vorstellen, dass die Sammler mit begehrlichen Blicken diese Rarität betrachten.

Quelle: Weltarchiv vom 31.8.1913, gekürzt


Vom Wapperlsammeln



Etwas muss der Mensch zum Sammeln haben. Einmal ist es Stanniol, aus dem man sich – aber sicher
nicht vor dem Ende der Welt – einen Zinnkrug gießen lassen will (den möcht’ ich auch sehen!),
einmal sammelt man ganz gewöhnliche Briefmarken für arme Heidenkinder aus Afrika, die sicher
riesig dankbar dafür sind, wenn sie aus dem Erlös dieser Markenpakete Strümpfe und ähnliche,
für Negerkinder äußerst nützliche und notwendige Sachen geschenkt bekommen; mit der gleichen
Begeisterung wie das Stanniolsammeln betrieben die Backfische unseres Landes eine Zeitlang das
Sammeln von silbernen Anhängseln, die sie jetzt natürlich nicht mehr anschauen. Dass man einmal
Ansichtskarten sammelte, scheint heutzutage ein überwundener Standpunkt zu sein, obgleich die
heutigen, oft wirtschaftlich schönen Karten es weit mehr verdienten, gesammelt zu werden, als
die Zeitungen, die man vor fünfzehn Jahren, zur Zeit des Höchststandes der Ansichtskartenwut,
zu sehen bekam. Und jetzt sammelt man Wapperln, zu Deutsch Propagandamarken. Lange habe ich
zugeschaut, und wenn ich mal auf einem Brief aus einer Ausstellungsstadt eine Siegelmarke fand,
schenkte ich sie Großmütigerweise irgendwelchen Kindern, was ich nebenbei gesagt, jetzt bitter
bereue. Denn jetzt sammle natürlich auch ich. In München kann’s doch nicht schwer sein, sich
eine anständige Sammlung von Siegelmarken anzulegen, dachte ich. Nein, schwer war’s nicht –
aber – nun, wir werden ja sehen!


Die Marken, die zuerst meinem schönen Sammelbuch – bitte, Meindl, Passing! – einverleibte
kostete noch nichts. Die habe ich von alten Liebesbriefen, von denen man bekanntlich auch die
Umschläge aufbehält, während dies bei der übrigen Korrespondenz nicht der Fall ist, mit viel
Mühe mit Wasser abgelöst. Ausstellungsmarken von Posen, Prag und Dresden; sogar aus Brüssel war
eine dabei. Es ist also doch gut gewesen, dass die beiderseitige Korrespondenz so lange
aufrechterhalten wurde.


Dann aber wurde die Sache kostspieliger. Das erste Opfer an die Reklamemarkenfreunde bestand
aus einer Flasche Salatöl, einem halben Pfund Thee und einem Paket Palmefka. Den Thee behielt
ich, aber mit den anderen Naturalien konnte ich beim besten Wille als Junggeselle nichts
anfangen, und ich schenkte sie meiner Hausfrau. Dies trug mir einen dankbaren Blick besagter
Hausfrau ein, in dem die stumme Frage lag, ob ich nicht etwa spinne. Außerdem aber, und das war
schließlich doch die Hauptsache 36 Reklamemarken von Kathreiner, darunter „6 Hohlwein“, wie
sich bereits die Münchener Reklamemarkensammelbuben weiland am Petersbergl ausdrückten.


Dann gab es Tage, an denen man Marken beim Kauf einer Dose Kreosol – bestes Schuhputz- und
Messingmittel – erhielt. Natürlich ging ich hin und kaufte alles. Schön waren sie nicht, diese
Kreosolmarken – aber es waren Reklamemarken. Dass ich bei meinen Zigaretteneinkäufen trotz
aller Seelenkämpfe nie aus dem Laden herauskam, ohne für eine halbe Mark Ausstellungsmarken und
Neuheiten, Satzweise natürlich, mitzunehmen, ist wohl selbstverständlich. Aber es kam noch
ärger. Ich gewöhnte mir ’s Schokoladenessen an, weil man für leere Umhüllungen Reklamemarken
bekommt, ich ging öfter als nötig in die Kammerspiele, weil, wie ich den übrigen Markensammlern
verraten will, im Programm der Kammerspiele neben dem Wohlgetroffenen Portrait von Eidonie Lorm
stets eine Reklamemarke von Rau eingeklebt ist. Dann wurde ich Abonnent eines Malerfachblattes
und einer Literaturzeitung, die ihren Abonnenten von Zeit zu Zeit Propagandamarken beilegen.
Ich kaufte Wohltätigkeitslose, deren Hauptgewinn nicht erst in weiter Ferne winkte und deren
Nieten sogar gleichgültig ließen, da man ja doch gleich beim Einkauf ein Dutzend Reklamemarken
dazu bekam. Ich möchte wissen, wie viel Lose bloß wegen der Marken gekauft wurden!


Vielleicht wird es noch schlimmer für meinen Geldbeutel: vielleicht verteilen Neueröffnete
Restaurants an die ersten Gäste Siegelmarken, und dann muss ich dort essen, vielleicht gibt es
auch bei den heutigen Bauernbällen statt Erinnerungsblättern perforierte Wapperlbögen, und dann
muss ich natürlich hingehen und mir ein Billet um fünf Mark kaufen, damit ich besagte Wapperln kriege.


Ich habe mit Leuten zu verkehren angefangen, die ich früher möglichst wenig angeschaut habe,
bloß weil sie Kinder haben, die Reklamemarken sammelten – zu jener Zeit, als das Wapperlfieber
nur die Kinder, die Großen aber noch nicht ergriffen hatte; und diesen Kindern habe ich die
schönsten Geschenke gemacht, nur damit sie mir ihre Dubletten tauschten.


In München sind wir nun gerade auf dem Höhepunkt der Sammlerei. Im Reich draußen fangen sie
erst an. Ich werde also meine Sammlung fortan auf München beschränken. Sonst kann’s doch noch
dazu kommen, dass ich nächstens den Offenbarungseid leisten müsste.

Quelle: General-Anzeiger der Münchner Neuesten Nachrichten vom 5.1.1913


Kunst und moderne Reklamemarken



Die gute Reklamemarke soll einer mehrfachen Forderung gerecht werden: sie soll zunächst eine
prägnante und wirksame Nennung der Firma mit einer künstlerischen, geschmackvollen Form
vereinen. Soweit würde sich ihre Aufgabe ungefähr mit der Aufgabe des künstlerischen Plakates
decken. Aber die Reklamemarke soll weiterhin ein Sammelobjekt sein. Das ist freilich in
beschränktem Maße auch das Plakat. Aber während das Plakat von Kunstfreunden, Museen, Künstlern
gesammelt wird, zu kunstgeschichtlichen, kulturhistorischen oder wirtschafts-
wissenschaftlichen Zwecken, und ohne dass dieser Umstand bei der Schaffung der Plakate
nennenswert mitspricht, bildet die Spekulation auf den Sammeltrieb bei der Erfindung der
Reklamemarke von vornherein einen wichtigen Faktor, und zwar ist es in erster Linie der
sozusagen instinktive und naive Sammlungstrieb der Kinder, mit dem gerechnet wird.


Natürlich wird es auch Erwachsene geben, die Reklamemarken sammeln. Aber dieser Umstand ist,
glaube ich, nicht geeignet, die Reklamemarke kaufmännisch, als Werbemittel, zu rechtfertigen.
Denn der Erwachsene, der Reklamemarken sammelt, nimmt sie gewiss lediglich als kleine
graphische Kunstwerke, als Kulturdokumente oder als historische Belege; bei ihm ist die
Triebfeder künstlerischer Neigung oder wissenschaftlicher Eifer, und beide abstrahieren
weitgehend von der geschäftlichen Ankündigung, von dem jeweiligen Inhalte der Reklamemarke. Der
Erwachsene sieht in der einzelnen Reklamemarke nur ein Opus von Bernhard, Ehmcke, Gipkens,
Deutsch usw., oder er sammelt überhaupt nur die Reklamemarke als besondere Gattung der
merkantilen Werbemittel. Bei ihm verpufft also der eigentliche geschäftliche Zweck der
Reklamemarke. Dieser wird tatsächlich nur erreicht – von Ausnahmen selbstverständlich
abgesehen – bei dem Kinde. Dieses denkt gar nicht daran, Form und Inhalt zu trennen, und nimmt
die Schrift auf einer Reklamemarke genauso ernst wie die Zeichnung. Beide Dinge sind für dar
Kind wichtige Realitäten, und sehr wahrscheinlich die Schrift die ausschlaggebende. Der
kindliche Sammler rechnet sicherlich nicht danach, wie viele Marken er etwa von Julius Klinger
oder von Änne Koken hat, sondern wie viele von A.W. Fabers Bleistiften, von Bahlsen Keksen oder
von Manolis Zigaretten. Die kleine Künstlersignatur auf den besseren Reklamemarken ist ihm
gewiss das bedeutungsloseste, das sie enthält.


Aus diesen allgemeinen Voraussetzungen der Reklamemarke scheint sich als Konsequenz zu ergeben,
dass sie vornehmlich von solchen Betrieben verwendet wird, für die das Kind als Konsument
direkt eine Rolle spielt, wie etwa für die Fabrikanten von Schulheften, Schreibfedern und etwa
für alle Industrien, die Automaten verwenden, und zweitens, dass die Reklamemarke in ihrer
Abfassung und ihrer Darstellung gewisse Rücksichten auf ihre jugendlichen Sammler nehme.


Das ist aber beides nur selten beachtet worden. Unterschiedslos haben sich alle Branchen und
alle Industrien der Reklamemarke bemächtigt: die Beleuchtungstechnik und die medizinische
Industrie, Zigarettenfabriken und Brauereien, Drucker, Schreibmaschinenfirmen u. dgl. m. Das
treibende Moment ist natürlich leicht zu entdecken: man hielt sich aus Gründen der
Konkurrenzfähigkeit prinzipiell verpflichtet, auch seinerseits das neue Werbemittel zu
benutzen, selbst wenn der wirkliche Nutzeffekt nur gering sein konnte. Es war sozusagen
geschäftliche Ehrensache, dass die Firma in der Reklamemarken- Literatur “vertreten” war. Und
weil also oft genug mehr prinzipielle als innerliche Gründe dazu führten, dass man die Mode
mitmachte, geschah es so leicht, dass jede Beziehung zur Psychologie der jugendlichen Sammler
fehlte. Dadurch verlor diese Reklamemarke natürlich stark an Werbekraft. Für die Kinder war sie
zu uninteressant und für die Erwachsenen völlig überflüssig. Um also nicht einfach zu Boden zu
sinken, brauchte sie notwendig ein anderes Reizmittel, und dieses wurde: ihre künstlerische Fassung.


Auch die Reklamemarke, die ohne weiteres als Sammelobjekt der Kinder in Betracht kam, brauchte
nicht notwendig kunstlos oder unkünstlerisch zu sein. Das wäre in unserem Zeitalter der
bewussten Kulturarbeit an allen Ecken und Enden sehr unvorsichtig gewesen, besonders nachdem
schon vor Jahren die Stollwerckschen Bilder, die ebenso wie die Liebig- Bilder zu den Ahnen der
Reklamemarke gehören, den ersten Schritt zur künstlerischen Fassung derartiger kindlicher
Sammelobjekte getan hatten. Aber für jene Reklamemarke, die schon inhaltlich die jugendlichen
Sammler zu interessieren vermochte, war die künstlerische Form, geschäftlich gesprochen, nicht
unbedingt notwendig. Anders bei der Marke der zu zweit besprochenen Art. Diese hatte
tatsächlich nur die künstlerisch interessante Form, um Beachtung zu finden. Zunächst natürlich
nur bei dem erwachsenen “guten Europäer”, aber wenn sie bei diesem Beachtung gefunden hatte,
durfte sie hoffen, doch noch in den “Markt” der jungen Sammler zu kommen. Denn die meisten
Väter sind heute für die Kunst im Leben des Kindes engagiert und benutzen jede Gelegenheit, der
Jugend ästhetisch gute Dinge für ihren täglichen Gebrauch zu empfehlen, so dass, auf dem Umwege
über die Bildung der Erwachsenen, auch die Marke der Kohlenpapiere, der Stoffschirmlampen, der
Frachtbriefe, der Faltschachteln und der Damenmoden, der Glühkörper, der Mineralwasser und des
Bürofachverbandes eine gewisse Reklamewirkung ausüben können. Diese kommt psychologisch dadurch
zustande, dass der Erwachsene mit kulturellem Wohlwollen die Firmen zur Kenntnis nimmt, die zur
ästhetischen Hebung des kindlichen Sammelbetriebes so verständnisvoll beitragen.


In ihrer wohlgemeinten Mitarbeit an der Hebung der Volksbindung gehen ,manche Firmen noch
weiter, indem sie ähnlich wie das schon früher bei den Liebig- Bildern der Fall war, Serien von
Reklamemarken herstellen lassen, denen sie interessante Themen aus der Geschichte oder der
Geographie zugrunde legen. So gibt es von der Bremer Kaffeehag- Gesellschaft eine
Reklamemarkenserie, die “sämtliche landesherrlich genehmigte Wappen der Städte, Flecken und
Dörfer” bringt, eine Nürnberger Firma M. Fickel illustriert mit ihren Reklamemarken fortlaufend
die Reisebeschreibungen von Sven Hedin. Weitere Beispiele wird jeder aus eigener Erfahrung
hinzufügen können. Natürlich spricht bei der Ausgabe von solchen Serien noch ein anderer Grund
mit: durch das Motto: “Fortsetzung folgt” wird die Sammlerlust verstärkt, und durch ihren
faktischen Wert als Illustration zur Erdkunde oder zur Geschichte erhöhen sich die Chancen
dieser Marken, dauernd aufbewahrt und von der baldigen Vernichtung verschont zu bleiben. Ob
sich freilich in dieser Beziehung die Reklamemarken auf die Dauer gegen die Briefmarken, gegen
die Münzen werden als Sammlungsobjekte halten können, bleibt abzuwarten. Der Unterschied, dass
jene direkte und unmittelbare Dokumente sind, die Reklamemarke nur ihr künstlicher Ersatz, ist
nicht zu übersehen. Und schließlich droht der wissenschaftlichen Reklamemarkenserie auch eine
innere Gefahr: sie kann durch dieses Prinzip leicht an unmittelbarer geschäftlicher Werbekraft
verlieren. Denn, um diesen Punkt, der nicht genügend beachtet wird, zum Schluss noch zu
betonen: es ist für die geschäftliche, praktische Wirkung der Reklamemarke – gleichgültig, ob
sie sich nun in erster Linie an den jugendlichen Sammler oder an den erwachsenen Käufer wendet –
von größter Wichtigkeit, dass sie in Bild und Schrift eindeutig ist. Eine Reklamemarke, deren
Bild nur in loser Beziehung zur Firma und zur Branche steht, verliert außerordentlich an
Reklamekraft. Die wirksame Reklamemarke darf nicht auseinander fallen in die schriftliche
Aufgabe der Firma und in irgendein beliebiges Bild, aber sie darf sich auch nicht in Bild und
Text wiederholen. Vielmehr müssen Bild und Schrift eine Einheit bilden und zusammen die
prägnanteste und eindrücklichste Repräsentierung der Firma sein. Es fehlt nicht an einer großen
Reihe von vortrefflichen Beispielen dieser Art. Ich nenne auf gut Glück: Baaders Freiburger
Brezeln, Original Weck, Kornfrank (nicht alle), Gütermanns Nähseide, Brühls
Handfertigkeitsarbeiten, Adlers Schreibmaschinen u. a. Es kommt ja nicht darauf an,
selbstständige Bilder zu geben, vielmehr soll auch die bildliche Darstellung schließlich eine
Art von schriftlicher Hieroglyphe sein. Deshalb sind allzu allgemein gehaltene Darstellungen,
denen man nicht auf den ersten Blick die enge Beziehung zur Branche entnehmen kann, vom
kaufmännischen Standpunkt aus bedenklich.


Und deshalb wiederholen wir, dass unter Umständen die Ausgabe von belehrenden Serien eine
Gefahr für die Werbekraft der Reklamemarke sein kann. Mit kaufmännischem Erfolg werden solche
Serien nur Branchen ausgeben können, in deren Sphäre eine enge Beziehung beispielsweise zur
Geographie liegt, wie etwa bei dem Norddeutschen Lloyd.


Als Künstler der Reklamemarke finden wir alle Künstler des Plakates wieder: Lucian Bernhard,
Gipkens, Klinger, Ehmcke, Koken, Räder usw. Erwähnt sei zum Schluss, dass manche Firmen als
Reklamemarken verkleinerte Wiedergaben ihrer Plakate herstellen lassen. Das ist offenbar der
äußerste Gegensatz zur Serie und dort, wo das Plakat einer Firma einen gewissen historischen
oder künstlerischen Ruf besitzt, ein sehr glücklicher Gedanke.

Quelle: Dr. Adolf Behne “Illustrierte Zeitung”, Leipzig, vom 9. Juli 1914


Die Reklamemarken



Man durchwandert die Straßen und besieht die Schaufenster. – Dort kündigt eine
Papierhandlung “Plakate mit seltenen Reklamemarken von 10 Pf. bis 1 Mark” an, hier ließt
man: “10 verschiedene Pfarrer Kneipp, sehr selten nur 80 Pf.”, und endlich gar: “Ein Bogen
Fehldruck olympische Spiele, Stockholm 1912, fünfzig Mark”. Der Saisonausverkauf lockt die
Käufer heran mit der Verheißung: “Beim Einkauf von 1 Mk. an ein Kuvert mit prachtvollen
Reklamemarken gratis”; kein Pfund “Siegerin, allerfeinste Margarine” wird verkauft ohne Zugabe
einer aus Goldgrund hervorleuchtenden Silhouette von Napoleon oder Schiller oder Wagner, die
Zigarettenfabriken, die Konsumgeschäfte, die zoologischen Gärten, die Ausstellungen geben
Reklamemarken aus – Bildmarken überall, man glaubt ohne sie nicht mehr auskommen zu können. Mit
der Massenhaftigkeit der Heuschrecken sind die Reklamemarken plötzlich erschienen, das Sammeln
derselben tritt unter den Kindern wie eine Seuche auf, von der merkwürdigerweise auch schon
Erwachsene ergriffen zu werden beginnen.

Ausstellungen von Reklamemarken fanden in diesem Sommer in Nürnberg, Leipzig und Berlin statt,
vielleicht auch an anderen Orten, in München gibt es sogar einen Bund von Sammlern der
Reklamemarken, dessen Organ, das “Welt-Archiv”, bei Meindl in München- Pasing erscheint.

Quelle: Daheim Berlin 1914, gekürzt