Reuß jüngerer Linie

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Das Fürstentum Reuß jüngerer Linie war ein Kleinstaat im Osten des heutigen Landes Thüringen mit Gera als Landeshauptstadt. Es entstand 1848 mit der Wiedervereinigung der drei reußischen Teilherrschaften der jüngeren Linie Schleiz, Lobenstein-Ebersdorf und Gera.

Siegelmarken

Geschichte

Reuß jüngerer Linie war neben Reuß älterer Linie einer der beiden Hauptzweige des Fürstenhauses Reuß. 1802 starb mit Heinrich XXX. der letzte Graf aus dem Haus Reuß-Gera jüngerer Linie. Die jüngeren Linien Reuß-Schleiz, Reuß-Lobenstein und Reuß-Ebersdorf übernahmen zusammen die Regentschaft über die Herrschaft Gera. Schon 1824 erlosch aber durch den Tod von Heinrich LIV. die Linie Reuß-Lobenstein, deren Gebiet damit an die Linie Reuß-Ebersdorf fiel. Diese Linie verzichtete 1848 mit der Abdankung des Fürsten Heinrich LXXII. zugunsten der Linie Reuß-Schleiz, womit das einheitliche Fürstentum Reuß jüngerer Linie entstand.

In der Nachfolge der Teilherrschaften, die bis 1806 zu Fürstentümern erhoben wurden, war Reuß j. L. ebenfalls Fürstentum, Mitglied des Deutschen Bundes und als Mitglied im Zoll- und Handelsverein der Thüringischen Staaten Mitglied des Deutschen Zollvereins. 1849 erhielt das neue Fürstentum als konstitutionelle Monarchie ein Staatsgrundgesetz sowie ein Wahlgesetz mit indirekten Wahlen zum Landtag Reuß jüngerer Linie. Konservative Revisionen des fortschrittlichen Staatsgrundgesetzes erfolgten 1852 und 1856. Seit 1854 war das Domänengut, insbesondere aus Forsten bestehend, alleiniges Eigentum des Fürstenhauses, mit einer eigenen Verwaltung. Das führte zur Bildung eines Staates im Staate. Der Ertrag des Domänenguts betrug im Jahre 1913 713.000 Mark.

Im Deutschen Krieg 1866 war das Fürstentum anfangs neutral, dann aber im Gegensatz zu Reuß älterer Linie auf der Seite des Königreichs Preußen. Es trat schon am 28. Juni durch einen freiwilligen Vertrag mit Preußen dem in Aussicht genommenen Norddeutschen Bund bei und am 2. Juli aus dem Deutschen Bund aus. In Folge davon wurde 1867 ein Teil der Souveränität, nämlich die eigenständige Außenpolitik, die Festlegung wirtschaftlicher Grundsatzfragen sowie die Militärhoheit, aufgegeben. 1871 wurde mit der Reichsgründung das „preußische System“ des Norddeutschen Bundes auf den neu entstandenen Nationalstaat übertragen und Reuß j. L. damit zum Bundesstaat im Deutschen Reich. Als 1880 die Bundesstaaten verpflichtet wurden, beim Bundesrat in Berlin ständige Vertretungen einzurichten, übertrug das Fürstentum seine Vertretung auf das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach.[1] Mit der Neugestaltung der Gerichtsorganisation im Reich 1877 erhielt das Fürstentum in Gera sein Landgericht.

Nach der Wahlrechtsreform 1871 bestand der Landtag aus 16 Abgeordneten, von denen einer vom Fürsten Reuß-Köstritz ernannt wurde, drei von den Höchstbesteuerten und zwölf von den sonstigen männlichen Gemeindebürgern im direkten Verfahren in je einem Wahlkreis gewählt wurden. Zur Abwehr der Sozialdemokratie wurde dies aber 1912 geändert, indem die Zahl der Abgeordneten aus allgemeinen Wahlen zwar von 12 auf 17 erhöht, gleichzeitig aber das Pluralwahlrecht eingeführt wurde, das Einkommen, Lebensalter und Bildungsstand berücksichtigte. Dabei konnte eine Person bis zu fünf Stimmen abgeben.

1863 wurde im Fürstentum die Gewerbefreiheit eingeführt, 1905 eine Warenhaussteuer zur Sicherung kleinbürgerlicher Existenzen.

Aufgrund der stark expandierenden Textilindustrie nahm die Bevölkerung im Landratsamtsbezirk Gera von 1871 bis 1910 um 144,3 % zu (von 40.721 auf 99.594 Einwohner) und erreichte eine Bevölkerungsdichte von 406 Einwohnern/km². Um die Jahrhundertwende trat eine Stagnation ein.

Nach dem Sturz der Monarchie und der Ausrufung der Republik in der Novemberrevolution erklärte am 11. November 1918 Fürst Heinrich XXVII. auch als Regent des Fürstentums Reuß älterer Linie seinen Thronverzicht. Reuß j. L. wurde ein Freistaat, der sich aber schon 1919 mit dem Freistaat Reuß ä. L. zum Volksstaat Reuß mit der Hauptstadt Gera vereinigte, der wiederum 1920 im Land Thüringen aufging.

Wirtschaft

Reuß j. L. hatte mit Gera das Zentrum der Textilindustrie in Ostthüringen. 1891 gab es 62 Textilfabriken mit einem Umsatz von 50 Millionen Mark und 10.834 Arbeitern. Die bedeutendste Fabrik war die 1834 gegründete Firma Ernst Friedrich Weißpflog. Gera war aber auch Mittelpunkt des Maschinenbaus mit den Fabriken von Moritz Jahr (gegr. 1841), Alfred Kuhn (gegr. 1858), August Jahn (gegr. 1873) und Karl Wetzel (gegr. 1877). Das Fürstentum war, wie auch andere Gebiete von Thüringen und Sachsen, eine Hochburg der Arbeiterbewegung und der SPD.


Text: Wikipedia

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