Robert Walser

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Robert Walser

Robert Walser (* 15. April 1878 in Biel, Kanton Bern; † 25. Dezember 1956 nahe Herisau, Kanton Appenzell Ausserrhoden) war ein deutschschweizerischer Schriftsteller.

Leben

1878–1897

Robert Otto Walser stammte aus einer kinderreichen Familie. Sein Bruder Karl Walser war ein Bühnenbildner und Maler. Walser wuchs in Biel an der deutsch-französischen Sprachgrenze zweisprachig auf. Er besuchte dort die Primarschule und das Progymnasium, das er, da die Familie den Schulbesuch nicht mehr bezahlen konnte, vor dem Examen verließ. Schon früh war Walser theaterbegeistert; sein Lieblingsstück war Die Räuber von Schiller. Überliefert ist ein Aquarell Karl Walsers, das Robert Walser als Karl Moor zeigt.

Von 1892 bis 1895 machte Walser eine Lehre bei der Kantonalbank von Bern in Biel. Im Anschluss arbeitete er kurze Zeit in Basel. Walsers Mutter, die „gemütskrank“ (eine zeitgenössische Bezeichnung für eine psychische Erkrankung, eventuell eine Depression) war, starb 1894, nachdem sie schon länger hatte gepflegt werden müssen. Nach Ansicht des Schweizer Germanisten Peter von Matt war die symbiotische Beziehung Robert Walsers zu seiner Mutter konstitutiv für dessen Schaffen.[1] 1895 zog Walser nach Stuttgart, wo sein Bruder Karl lebte. Dort arbeitete er bei der Union Deutsche Verlagsgesellschaft und beim Verlag Cotta als Bürokraft und versuchte nebenbei ohne Erfolg Schauspieler zu werden, wozu er bei einer Schauspielerin des Hoftheaters vorsprach. Zu Fuß wanderte er in die Schweiz zurück, wo er sich Ende September 1896 in Zürich anmeldete. In den folgenden Jahren arbeitete Robert Walser häufig – wenn auch unregelmäßig und in rasch wechselnden Anstellungen als Büroangestellter und Schreibkraft. Als einer der ersten deutschsprachigen Autoren führte er das Angestelltendasein in der Folge als Topos in die Literatur ein.

1898–1912

1898 veröffentlichte der Kritiker Joseph Victor Widmann eine Reihe von Gedichten Walsers in der Berner Zeitung Der Bund. Franz Blei, dadurch auf ihn aufmerksam geworden, führte ihn 1899 in den vom Jugendstil geprägten Kreis um die Zeitschrift Die Insel ein, wo er unter anderen Frank Wedekind, Max Dauthendey und Otto Julius Bierbaum kennenlernte. In der Insel erschienen in der Folge Gedichte, Dramolette und einzelne Prosastücke Walsers.

Walsers Hauptwohnsitz – die Zimmer wechselte er häufig – sollte noch bis 1905 Zürich bleiben, wobei er für einige Zeit auch in Thun, Solothurn, Winterthur und München lebte. 1903 absolvierte er die Rekrutenschule und war ab dem Sommer „Gehülfe“ eines Ingenieurs und Erfinders in Wädenswil bei Zürich. Diese Episode sollte den Stoff für seinen Roman Der Gehülfe (1908) liefern. 1904 erschien Walsers erstes Buch Fritz Kochers Aufsätze im Insel Verlag.

Im Spätsommer 1905 absolvierte er in Berlin einen Kurs zur Ausbildung als Diener und ließ sich als solcher im Herbst 1905 einige Monate auf Schloss Dambrau in Oberschlesien anstellen. Die Thematik des Dienens wird in der Folge sein Werk durchziehen – besonders ausgeprägt in seinem Roman Jakob von Gunten (1909). Anfang 1906 ging Robert Walser wieder nach Berlin, wo sein Bruder Karl Walser, der dort schon einige Zeit als Maler, Buchgrafiker und Bühnenbildner lebte, ihm Zugang zu Literaten-, Verleger- und Theaterkreisen eröffnete. Zeitweise arbeitete Walser als Sekretär der Künstlervereinigung Berliner Secession. Unter anderem machte er in dieser Zeit die Bekanntschaft des Verlegers Samuel Fischer, des Industriellen Walther Rathenau und des Schauspielers Alexander Moissi.

In Berlin schrieb Walser seine Romane Geschwister Tanner, Der Gehülfe und Jakob von Gunten. Die Bücher wurden im Verlag von Bruno Cassirer veröffentlicht; sein Lektor dort war Christian Morgenstern. Neben den Romanen schrieb er in dieser Zeit Prosastücke, in denen er sprachspielerisch und sehr subjektiv aus der Sicht eines ärmlichen Flaneurs populäre Lokale wie beispielsweise „Aschinger“ oder die „Gebirgshallen“ skizziert. Die Romane und Prosastücke – von denen viele in der Schaubühne erschienen – fanden eine sehr positive Aufnahme. Unter anderem priesen Robert Musil und Kurt Tucholsky die Prosa Walsers, und solch unterschiedliche Autoren wie Hermann Hesse und Franz Kafka zählten Walser zu ihren Lieblingsautoren.

Kleine Prosastücke publizierte Robert Walser in Zeitungen und Zeitschriften. Diese „kleine Form“ sollte zu seinem Markenzeichen werden. Der größte Teil seines Werks besteht aus solchen Prosastücken – literarischen Skizzen, die sich einer genaueren Kategorisierung entziehen. Auswahlen aus diesen Texten wurden auch als Bücher veröffentlicht, so in den Bänden Aufsätze (1913) und Geschichten (1914).

1913–1929

1913 ging Walser in die Schweiz zurück, wo er anfangs bei seiner Schwester Lisa in der Pflegeanstalt für Geisteskranke in Bellelay wohnte, in der sie als Lehrerin arbeitete. Dort lernte er die Wäscherin Frieda Mermet kennen, mit der ihn ab dann eine enge Freundschaft verband. Nach einem kurzen Aufenthalt bei seinem Vater in Biel bezog er schließlich daselbst im Juli 1913 eine Mansarde im Hotel Blaues Kreuz. 1914 starb Walsers Vater.

In Biel schrieb Robert Walser eine Vielzahl von kleinen Prosastücken, die in Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland und der Schweiz erschienen sowie in Auswahl in den Bänden Kleine Dichtungen (1915), Prosastücke (1917), Kleine Prosa (1917), Poetenleben (1918) und Seeland (1919) gedruckt wurden. Der Spaziergang (1917) ist eine Prosaarbeit, die zunächst selbständig herauskam, dann überarbeitet in Seeland. Walser, der immer schon ein begeisterter Spaziergänger war, begann in dieser Zeit regelmäßig lange Fußtouren, oft auch Nacht- und geradezu Gewaltmärsche zu unternehmen. In seinen Prosastücken dieser Zeit wechseln solche aus der Sicht des Wanderers, der fremd durch die nahe Fremde geht, sich ab mit spielerischen Aufsätzen über Schriftsteller und Künstler.

Während des Ersten Weltkriegs musste Walser wiederholt Militärdienst leisten. Ende 1916 starb Walsers Bruder Ernst, der einige Zeit schon psychisch erkrankt war, in der Heilanstalt Waldau. 1919 nahm sich Walsers Bruder Hermann, Professor der Geographie in Bern, das Leben. Walser geriet in dieser Zeit, auch da er durch den Krieg von Deutschland weitgehend abgeschnitten war, in die Isolation. Zudem konnte er als freier Schriftsteller, obwohl er eifrig produzierte, kaum leben. Anfang 1921 zog Walser deshalb nach Bern, wo er für einige Monate eine Stellung als Bibliothekar im Staatsarchiv annahm. In Bern lebte er sehr zurückgezogen und wohnte in möblierten Zimmern, die er häufig wechselte.

In der Berner Zeit radikalisierte sich Walsers Stil. In immer stärker verdichteter Form schrieb er „Mikrogramme“ (so genannt nach der winzigen, schwer zu entziffernden Bleistiftschrift, die Walser zur Niederschrift benutzte), das heißt Entwürfe zu Gedichten, Prosastücken, Szenen und einen ganzen Roman (Der Räuber), von denen er nur einen Teil auch mit der Feder in Reinschrift ausführte, um sie Redaktionen zum Abdruck einzureichen. In diesen Texten verdichtete er seinen sprachspielerisch subjektiven Stil zu noch höherer Abstraktion. Viele Texte dieser Zeit arbeiten auf mehreren Ebenen – sie können sowohl als naiv-verspielte Feuilletons gelesen werden wie auch als hochkomplexe, anspielungsreiche Montagen. Walser nahm dabei gleichermaßen Einflüsse aus der Hoch- wie auch Trivialliteratur auf und erzählte beispielsweise die Handlung von Bahnhofsromanen nach, jedoch so, dass das – nie genannte – Original nicht mehr wiederzuerkennen war. Ein großer Teil von Walsers Werk entstand in diesen sehr produktiven Jahren in Bern, er fand jedoch nur noch für ein schmales Buch einen Verlag: Die Rose (1925). Die meisten Texte erschienen nur weit verstreut in Zeitungen und Zeitschriften, wenn sie nicht überhaupt unveröffentlicht bei ihm liegen blieben oder verloren gingen, wie ein weiterer Roman namens Theodor. Die in den mikrographischen Bleistiftentwürfen enthaltenen sonst unbekannten Texte wurden 1985–2000 von Bernhard Echte und Werner Morlang entziffert und in sechs Bänden ediert (Aus dem Bleistiftgebiet). Zuvor hatten daraus Jochen Greven und Martin Jürgens 1972 erst den Räuber-Roman und die Felix-Szenen entziffert und herausgegeben.

1929–1956

Anfang 1929 begab sich Walser, der schon seit einiger Zeit von Angstzuständen und Halluzinationen geplagt wurde, nach einem geistigen Zusammenbruch auf Rat eines Psychiaters und Drängen seiner Schwester Lisa Walser in die Heilanstalt Waldau bei Bern. In einem Arztprotokoll heißt es: „Der Patient gibt zu, Stimmen zu hören.“ Von einer freiwilligen Selbsteinlieferung kann daher vielleicht nicht gesprochen werden. In der Anstalt normalisierte sich Walsers Zustand nach einigen Wochen und er verfasste und publizierte weiter Texte, wenn auch mit Pausen und insgesamt sehr viel weniger als in den vorausgegangenen Jahren. Dabei bediente er sich weiterhin der von ihm als „Bleistiftmethode“ bezeichneten Schreibweise: In kleinster deutscher Kurrentschrift, deren Buchstaben gegen Ende dieser Phase kaum mehr höher als ein Millimeter waren, schrieb er Gedichte und Prosatexte, auch Mikrogramme genannt, die er in einem zweiten Arbeitsgang auswählend und redigierend mit der Feder ins Reine übertrug. Allerdings sind nicht viele Entwürfe aus dieser Zeit erhalten, mehr Reinschriften und veröffentlichte Texte. Erst als Walser gegen seinen Willen 1933 in seinen Heimatkanton in die Heil- und Pflegeanstalt Herisau versetzt wurde – und vermutlich auch, weil mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein wesentlicher Markt zur Veröffentlichung seiner Texte in deutschen Zeitungen und Zeitschriften verschwunden war –, hörte er mit dem Schreiben auf.

In der Heilanstalt Herisau besuchte ihn ab 1936 sein Bewunderer und späterer Vormund, der Schweizer Schriftsteller und Mäzen Carl Seelig, der später in dem Buch Wanderungen mit Robert Walser über seine Gespräche mit Walser aus dieser Zeit berichtet hat. Carl Seelig bemühte sich früh darum, den fast schon vergessenen Robert Walser durch Neuausgaben seiner Werke wieder bekannt zu machen. Nach dem Tod des Bruders Karl (1943) und der Schwester Lisa (1944) übernahm Seelig die Vormundschaft. Walser, der zwar verschroben war, aber schon lange keine Zeichen psychischer Krankheit mehr zeigte, lehnte es in dieser Zeit wiederholt ab, die Anstalt zu verlassen.

Robert Walser liebte lange, einsame Spaziergänge. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1956 starb er an einem Herzschlag bei einer Wanderung durch ein Schneefeld, wo er kurz darauf gefunden wurde. Die Fotografien des toten Spaziergängers im Schnee erinnern fast unheimlich an ein ähnliches Bild des toten Dichters Sebastians im Schnee aus Robert Walsers erstem Roman Geschwister Tanner.


Wohnung von 1910–1912 Spandauer Berg 1 in Berlin-Westend

Text Robert Weiser: Wikipedia

unteres Bild: Wikipedia/Robert Walser - Leben und Werk in Daten und Bildern

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