Teltow-Werft

Aus veikkos-archiv
Wechseln zu: Navigation, Suche
Teltow-Werft, Bauhafen und Kraftwerk Schönow (rechts)

Die Teltow-Werft (auch: Teltowwerft) ist eine ehemalige Werft am knapp 38 Kilometer langen Teltowkanal in Schönow in Berlin-Zehlendorf. Zur Werft gehörten ein Bauhafen und eine „Elektrische Centrale“, das spätere Kraftwerk Schönow.

Der Kanal wurde zwischen 1900 und 1906 zur Verbindung der Unteren Havel-Wasserstraße mit der Dahme (Spree-Oder-Wasserstraße) angelegt. Die Werft ging 1924 aus dem 1906 zur Unterhaltung des Kanals errichteten Bauhof hervor. Der Bauhof und das Elektrizitätswerk dienten ursprünglich vor allem der Wartung und Stromversorgung des Treidelbetriebs. Der Bauhof gehörte zum Brandenburger Landkreis Teltow und blieb auch nach der Eingemeindung Zehlendorfs nach Groß-Berlin 1920, obwohl nun auf Berliner Gebiet gelegen, im Eigentum des Brandenburger Kreises. Die Werft leistete technische Pionierarbeit im elektrischen Lichtbogenschweißen, das sie innovativ im Schiffbau anwendete. 1927 lief hier mit der Zehlendorf das erste rundum verschweißte Fahrgastschiff in Deutschland vom Stapel. 1962 stellte die Werft ihre Tätigkeit ein. Das Ensemble des Bauhafens und zahlreiche Gebäude stehen unter Denkmalschutz. In letzter Zeit teilgewerblich und als Lager genutzt, soll auf dem Gelände laut Bebauungsplan aus dem Jahr 2009 ein Wohngebiet entstehen, das die geschützten Werftgebäude als Kanalbau-Zeugnisse von besonderer geschichtlicher Bedeutung integriert.

Geschichte

Bis zur Eingliederung Zehlendorfs nach Groß-Berlin im Jahr 1920 gehörte das Gelände, wie der gesamte Teltowkanal, zum Brandenburger Landkreis Teltow. Zur Unterstellung der 20 elektrischen Treidellokomotiven standen am Kanal fünf und ab 1914 sechs Schuppen bereit. Zur Behebung kleinerer Schäden waren diese Schuppen mit Werkzeug, einer Werkbank und einer Revisionsgrube ausgestattet. Für die Grundüberholung der Lokomotiven, die alle drei Jahre erfolgte, und für größere Reparaturen wurde 1906 am Nordufer der Bauhof eingerichtet.[3] Damit die Lokomotiven vom Südufer in den Bauhof gelangen konnten, wurde eine Kanalbrücke errichtet, die spätere Teltow-Werft-Brücke.

Bauhof und Bauhafen

Der Bauhof und der gleichfalls 1906 eröffnete Bauhafen wurden für „die Betriebs- und Unterhaltszwecke des Kanals“ eingerichtet. Dazu gehörten neben der Lokomotivreparatur Ausbesserungen an sämtlichen Betriebsmitteln im Eigentum des Kreises Teltow, darunter der Schiffe, der schwimmenden Arbeitsgeräte und der Bahnanlagen. Da am Kanal keine Werft bestand, wurden die Aufgaben auf die Reparatur fremder, zum Beispiel havarierter Schiffe ausgedehnt.[4]

Das zweistöckige, 50 Meter lange und im Mittel 20 Meter breite Hauptwerkstattgebäude enthielt im Erdgeschoss acht Revisionsgruben für die Lokomotiven, eine Schmiede, Dreherei, Schlosserei und Holzbearbeitungswerkstatt. Im Obergeschoss lagerten Schiffsinventar und leichtere Vorratsstücke. Für die Ausführung von Bootsanstrichen und zur Lagerung von Eisen, Holz und weiteren Baustoffen wurden Schiffsschuppen errichtet. Ein direkt am Kanal im Landhausstil erbautes zweistöckiges Gebäude enthielt im Erdgeschoss die Büroräume und im Obergeschoss die Wohnung des Bauhofverwalters. Im Pförtnerhaus war ein Aufenthaltsraum für die Bauarbeiter untergebracht.[4]

Der Bauhafen und die Schiffsschleppen waren so bemessen, dass im Winter nahezu sämtliche Betriebsmittel des Kanals untergebracht werden konnten. Die Einfahrt zum Hafen erfolgte über einen in der Sohle 10 Meter breiten Stichkanal, der durch eine – nicht mehr vorhandene – Leinpfadbrücke überspannt wurde. Das Hafenbecken wurde mit einer Länge von 65 und in der Breite von 25 Metern in der Sohle angelegt. Die achträdrigen Aufzugswagen der Schiffsschleppen in der Querslipanlage liefen auf einem Gleis mit einer fünf Meter breiten Spur. Die Bedienung ihrer elektrischen Winden erfolgte vom Windenhaus aus, das wie das anschließende Ölhaus in roten Backsteinen errichtet wurde. Das kleine Ölhaus ist im Bebauungsplan 2009 als Café oder Teehaus vorgesehen. (siehe unten). Die Queraufschleppen sollten im Notfall die damals größten Kanalkähne von 65 Meter Länge aufschleppen können.[4] Zum Löschen wurde ein einfacher elektrisch betriebener Drehkran von 1000 kg Tragkraft aufgestellt.[5]

Bauherr der Gebäude und Anlagen war die Teltowkanal-Bauverwaltung des Landkreises Teltow. Die Bauleitung lag wie bei allen Kanalbauten bei dem Ingenieurbüro Havestadt & Contag, das die Gebäude überwiegend im Backsteinstil der Fabrikbauten der 1900er-Jahre ausführen ließ. Der Baurat Christian Havestadt, Partner von Max Contag in dieser Sozietät, war zudem Vorsitzender der Teltowkanal-Bauverwaltung.[6]

Kraftwerk Schönow

Auf der Ostseite des Geländes errichtete die Teltowkanal-Bauverwaltung 1904/05, gleichfalls nach einem Entwurf von Havestadt & Contag, das „Kraftwerk Schönow“, das den Bauhof und die Anlagen der Treidelbahn mit Strom versorgte.[7] Grund für den Bau war nicht nur das Ziel, bei der Energieversorgung autark zu bleiben. Vielmehr sollte der eigene, billig erzeugte Strom weitere Industriebetriebe in die Kanalregion ziehen und damit die Region wirtschaftlich aufwerten und das Verkehrsaufkommen auf der Wasserstraße erhöhen.[8] Das kohlebetriebene Elektrizitätswerk bestand aus einem zweischiffigen Hallenbau von je 13 Metern lichter Weite. Ein Teil enthielt die Maschinen, der andere Teil die Kessel. „Die Architektur ist einfach gehalten. Die Umfassungswände sind mit Ausnahme der hinteren voll im Ziegelbau ausgeführt und geputzt, während letztere zum Zwecke des bequemen Versetzens bei baulicher Erweiterung, sowie die Zwischenwand zwischen Maschinen- und Kesselhaus als Eisen-Fachwerkswand ausgebildet sind.“[5]

Die Maschinenhalle war mit einer Kolbendampfmaschine von 300 PS und zwei Dampfturbinen von je 1000 PS Leistung ausgestattet. In der anderen Halle erzeugten vier Wasserkessel Dampf von 300 °C und einem Druck von 12 atm. Eine Gleichstrommaschine versorgte die Treidellokomotiven und die Laufkatzen der Schleuse Kleinmachnow. Über landeinwärts verlegte Hochspannungskabel belieferte zudem eine Drehstrommaschine externe Kunden mit Strom,[9] darunter ab 1908 die Teltower Altstadt mit Landratsgebäude, Rathaus und besonderen Kunden, ab 1910 Teltow-Seehof, die Kleinmachnower Villenkolonie und Grundstücke derer von Hake und seit 1912 den Dorfplatz in Stahnsdorf.[10] Die maschinellen Anlagen wurden von der Siemens-Schuckertwerke GmbH als Hauptunternehmen hergestellt.[5] Bereits 1910 pachteten die Berliner Vororts-Elektrizitätswerke (BVEW), eine Tochtergesellschaft der AEG, das Kraftwerk Schönow. 1938 ging das Werk in das Eigentum der Teltower Kreiswerke GmbH (TKW) über, denen es auch zu Beginn der 2010er-Jahre gehört.[10] Das Kraftwerksgebäude ist weitgehend erhalten, während der 45 Meter hoch aufragende Schornstein abgetragen ist.

Werftbetrieb und Schiffbau

1921 ging der Bauhof in die Teltow-Werft und 1924 die Kreis-Kanalkommission in die Teltowkanal AG über. Der erste Direktor der AG, Cantignon, „wandelte den Bauhof in eine leistungsfähige Binnenschiffswerft um“,[3] die über ihre ursprünglichen Aufgaben hinaus kleinere Binnenschiffe und Ausflugsdampfer produzierte. An der AG waren das Reich und der Landkreis Teltow zu gleichen Teilen beteiligt. Die Personenschifffahrt, der Treidelbetrieb und die Werft verblieben im Alleineigentum des Brandenburger Kreises, auch wenn Zehlendorf seit 1920 zu Berlin gehörte.[11]

Innovative Schweißtechnik und Fahrgastschiff Zehlendorf

Für den Schiffbau setzte die Werft unter anderem Maschinen der 1848 von Johann von Zimmermann gegründeten „Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik“ ein. Mit einer Maschinenseite wurden Eisenplatten für die Schiffe zugeschnitten, die andere Seite diente dem Stanzen von Nietlöchern. Eine dieser Maschinen ist an der Zufahrt zur Werft aufgestellt. Nach Darstellung von Jan Feustel leistete die Werft Mitte der 1920er-Jahre technische Pionierarbeit im elektrischen Lichtbogenschweißen, das sie innovativ im Schiffbau anwendete.[12] Mit dieser neuen Technologie baute die Werft trotz fehlender offizieller Genehmigungen und zahlreicher Skeptiker, die laut Firmenchronik ohne Vertrauen in die neue Technik „vieles hineinbauen wollten, was nicht nötig war“, das erste rundum verschweißte Fahrgastschiff in Deutschland, die Zehlendorf, die 1927 vom Stapel lief. Ursprünglich für 500 Passagiere ausgelegt, wurde das Schiff später um 8 Meter verlängert und für 730 Personen ausgebaut. Die Zehlendorf, im Volksmund „Kaffee Vaterland“ getauft, war jahrelang das beliebteste und größte Ausflugsschiff auf den Berliner und Brandenburger Gewässern.[12]

Nach mehrjähriger störungsfreier Fahrt der Zehlendorf waren auch die Skeptiker von den Vorteilen der neuen Schweißtechnik – geringere Herstellungskosten, weniger Gewicht, höhere Tragfähigkeit und ein um 20 % festerer Schiffskörper – überzeugt. Das Verfahren wandte die Werft nun auch bei anderen Schiffstypen an. So entstanden als Laboratoriumsschiff zur Überwachung von Betonbauten der Eisbrecher Eisbär und für den Dienst auf dem Griebnitzsee der 225 PS Schlepper Havel. Ferner konstruierte die Teltow-Werft den Schlepper Machnow, ein dank seiner patentierten Kortdüse trotz seiner lediglich 55 PS besonders leistungsfähiges Schiff. Anschließend übertrug die Werft das Schweißverfahren auf die Herstellung von zwei Kränen mit 6 t Hubkraft und 16 beziehungsweise 21 Metern Auslegerhöhe für die Kanalhäfen Lankwitz und Steglitz. Die Werft expandierte, baute im neuen Schweißverfahren eine weitere Lagerhalle, einen Kohlebunker und eine große Schiffbauhalle und überstand dank ihrer kostengünstigen Technologie die Weltwirtschaftskrise vergleichsweise gut.[12]

Kriegsauswirkungen und deutsche Teilung

Bis 1943 hatte der Zweite Weltkrieg nur geringe Auswirkungen auf den Kanalverkehr und den Betrieb der Werft. Zwischen 1943 und 1945 wurde der Treidelbetrieb durch Bombenschäden stark beeinträchtigt und im Mai 1945 war die Wasserstraße für die Schifffahrt nicht mehr nutzbar, da die Wehrmacht bei Rückzugsgefechten vor der Roten Armee fast sämtliche Teltowkanalbrücken gesprengt hatte. 1949 wurde der Treidelbetrieb endgültig aufgegeben, die Anlagen wurden zwischen 1949 und 1952 abgerissen und größtenteils verschrottet. Auch die Leinpfadbrücke über der Hafeneinfahrt wurde demontiert. In der Nachkriegszeit blieb der Kanalverkehr stark eingeschränkt, denn im Juli 1950 sperrte die DDR die Wasserstraße an der Innerdeutschen Grenze in Rudow und Kleinmachnow, sodass der Kanal von und nach Westen unzugänglich war.[13] Die Lubeca (die heutige Lichterfelde) vor dem Kaisertor bei der Eröffnung des Elbe-Lübeck-Kanals 1900 Die 1960 als Lichterfelde auf der Teltow-Werft wiederaufgebaute Lubeca an der Anlegestelle Berlin-Wannsee im Jahr 2009

Schiffbauten in den 1950er-Jahren

Trotz der Beeinträchtigungen baute die Werft in den 1950er-Jahren weiter Schiffe. Dabei fertigte sie unter anderem Fahrgastschiffe für die Stern und Kreisschiffahrt an, seit 1934 ein 100%iges Tochterunternehmen der Teltowkanal AG, die wiederum seit Mai 1952 im Besitz West-Berlins und der BRD war. 1954 lief das Motorschiff Kohlhase vom Stapel, benannt nach Hans Kohlhase, dem Namensgeber für Kohlhasenbrück, westlich der Werft am Kanal gelegen. 1965/66 erfolgte ein Umbau und eine Verlängerung um 6 m. Das Fahrgastschiff verfügt über eine Leistung von 137 PS/118 kW, eine Länge von 24,22 m, eine Breite von 4,81 m und einen Tiefgang von 1,30 m.[14] Das für 230 Personen ausgelegte Schiff der Stern- und Kreisschiffahrt wird heute (Stand 2010) im Fährbetrieb der BVG, Linie F10 vom S-Bhf. Wannsee nach Kladow, auf der Havel eingesetzt.

Neben den Neubauten führte die Teltow-Werft Instandsetzungen und Umbauten sowie Totalneuaufbauten von Wracks durch, darunter der 1896 in den Oderwerken in Stettin als Dampfer gebauten Oberbürgermeister Zelle (nach dem Berliner Oberbürgermeister Robert Zelle benannt). Der Rumpf des 1945 versenkten Schiffs wurde nach seiner Auffindung 1959/60 für einen Totalneuaufbau verwendet. Das nunmehr zum Motorschiff umgerüstete und unter dem Namen Lichterfelde fahrende Schiff wird heute gleichfalls auf der Fährlinie nach Kladow eingesetzt. Es verfügt über eine Leistung von 2 × 102 PS/2 × 75 kW, eine Länge von 36,36 m, eine Breite von 8,99 m und einen Tiefgang von 1,75 m. Das Vorgängerschiff ist vor allem auch unter seinem Namen nach dem mittelalterlichen lateinischen Namen für die Hansestadt Lübeck Lubeca bekannt, den es 1900 für kurze Zeit zur Einweihung des Elbe-Lübeck-Kanals durch Kaiser Wilhelm II. erhielt.[15]

Das Ende der Werft 1962

Das Ende der Teltow-Werft kam ein Jahr nach dem Bau der Berliner Mauer. Aufgrund der abgeriegelten Lage war sie dem Konkurrenzdruck nicht mehr gewachsen und stellte am 31. Dezember 1962 den Betrieb ein. Allerdings nutzte die Stern und Kreisschiffahrt den Hafen sporadisch weiter und kleinere Reparaturarbeiten wurden auf dem Gelände auch in der Folgezeit durchgeführt.[13] Die Kesselhalle des Kraftwerks Schönow wurde bis in die 2000er-Jahre als Lager genutzt.[16] Die in den 1950er-Jahren gebauten oder umgebauten Schiffe werden teilweise noch heute (Stand 2010) von der Stern und Kreisschiffahrt, seit 1992 im Besitz der Hegemann-Gruppe, und von weiteren Unternehmen eingesetzt. Dazu zählt die 1954 auf der Werft umgebaute Mocambo von 1872, die zu den ältesten noch in Fahrt befindlichen Fahrgastschiffen in Deutschland gehört.


Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Bild: Wikimedia

Der Text und das Bild sind unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.