Wittenberge
Wittenberge ist eine amtsfreie Stadt im Landkreis Prignitz im Nordwesten Brandenburgs und der bevölkerungsreichste Ort in der Prignitz.
Ausflüge
Reklamemarken und Siegelmarken
Verzeichnis der sortierten Reklamemarken und Siegelmarken mit einem Bezug zu Wittenberge.
Sonstige
Geschichte
Anfänge bis 1900
Im Zuge der deutschen Besiedlung nach der Eroberung der ostelbischen Gebiete der späteren Mark Brandenburg wurde Wittenberge unter Obhut der Familie Gans gegründet, wie auch Perleberg und Putlitz. Wittenberge soll 1226 in einer Urkunde, die nur als Transsumpt in einer Originalurkunde des Markgrafen Friedrich d. J. von Brandenburg vom 15. Februar 1463 vorliegt, erstmals urkundlich erwähnt worden sein. In der besagten Urkunde verfügten die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg, dass niemand eine Schiffsfähre auf der Elbe zwischen der Stadt Werben (Elbe) und „Wittemberge“ unterhalten darf. Hermann Krabbo bezeichnete 1910 die Urkunde von 1226 als Fälschung, was durch Forschungen im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt im Januar 2006 bekräftigt wurde. Eine weitere urkundliche Erwähnung findet sich am 29. Oktober 1239. Damals unterschrieb ein Zeuge eine Urkunde mit „prepositus de uittenberge“. Ferner wurde Wittemberg am 22. Juli 1300 urkundlich erwähnt, als der Stadtherr Otto I. Gans die Rechte Wittenberges als Stadt bestätigte.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war Wittenberge vollständig entvölkert.[7]
Große Teile der Stadt fielen 1686 und 1757 verheerenden Bränden und 1709 und 1761 Elbdeichbrüchen zum Opfer. 1820 legte das erste Dampfschiff der Berlin-Hamburg Passagierlinie im Hafen von Wittenberge an. Der industrielle Aufschwung der Stadt wurde 1823 durch den Bau einer Ölmühle (1823–1935: Herzsche Ölmühle, 1942–1946: Märkische Ölwerke Wittenberge AG, 1946–1990: VEB Märkische Ölwerke Wittenberge, 1990–1991: Märkische Ölwerke GmbH Wittenberge) durch den Kaufmann Salomon Herz begründet.[8] Die Fertigstellung des Elbhafens im Jahr 1835 und der Anschluss an die Eisenbahnstrecke Berlin–Hamburg am 15. Oktober 1846 sowie die Fertigstellung der Anschlussstrecken nach Magdeburg zwischen 1847 und dem 25. Oktober 1851, Lüneburg (1874) und Salzwedel (1879) waren ebenfalls entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Der Ölmühle folgten 1846 eine Seifenfabrik, 1849 eine chemische Fabrik und 1875 ein Eisenbahn-Ausbesserungswerk, das bis heute besteht.
1900 bis 1945
1903 errichtete die in New York City ansässige Firma Singer Manufacturing Company eine Nähmaschinenfabrik, die bis in die 1920er Jahre weitere Ausbauten erfuhr, u. a. 1928/29 durch die größte freistehende Turmuhr auf dem europäischen Kontinent. Hier wurden bis zum 3. Mai 1945 die Singer-Nähmaschinen hergestellt. Während der DDR-Zeit wurde die Nähmaschinenproduktion erfolgreich weitergeführt. Die Nähmaschinen aus Wittenberge hießen jetzt VERITAS und Naumann und wurden ein Weltprodukt.
1912 erhielt das Baubüro Gropius den Auftrag, im Norden der Stadt die Projekt- und Bauleitung der großen Arbeitersiedlung Eigene Scholle zu übernehmen.[9] In den Jahren 1913/1914 entstanden auf diese Weise drei Typen von Siedlungshäusern, in denen sich erstmals Gropius’ Konzept rationell errichteter Bauten umsetzen ließ. Die Stadt Wittenberge unterließ es, die Bauten unter Denkmalschutz zu stellen, so dass durch die jahrzehntelange Nutzung sowie private Um- und Anbauten der ursprüngliche Zustand verloren ist.
Bereits 1912 war ein Teil des Friedhofs als Begräbnisstätte für die Juden der Stadt eingerichtet worden. Die 1923 gegründete Jüdische Gemeinde, die keine eigene Synagoge besaß, bestattete hier ihre verstorbenen Mitglieder. Während der NS-Zeit in Deutschland beseitigten die Nationalsozialisten den Friedhof. Außerdem befand sich ab 1942 auf dem Gelände der 1937 gegründeten Zellstoff- und Zellwollefabrik das KZ-Außenlager Wittenberge des KZ Neuengamme. Die etwa 3000 Häftlinge wurden unter unmenschlichen Bedingungen zur Zwangsarbeit verpflichtet. Hunderte überlebten nicht, weil sie an Hunger oder Krankheiten starben oder ermordet wurden. Im Jahr 1962 wurden Grabsteine restauriert und aufgestellt, dazu ein Gedenkstein.
Durch die Ölmühle, Singer und das Bahnwerk sowie den Bau weiterer Fabriken wie 1935 die Norddeutsche Maschinenfabrik und 1937/38 die Zellstoff- und Zellwollefabrik[10] wurde Wittenberge die wichtigste Industriestadt der Region. Durch den industriellen und damit wirtschaftlichen Aufschwung stieg die Einwohnerzahl schnell an. Dies führte zur Ausweitung des Stadtgebietes. Besonders zwischen der Altstadt und dem rund 1 km nordöstlich davon errichteten Bahnhof entstanden in mehreren Phasen Wohnungen für Arbeiter. Darunter sind auch etliche Gebäude der Gründerzeit, die nach und nach saniert werden. Besonderes Augenmerk verdient auch das Haus der Vier Jahreszeiten mit seiner Fassade im Jugendstil.
In den Jahren 1912–1914 wurde das Wittenberger Rathaus (Turmhöhe 51 m) errichtet, das in seiner monumentalen Ausführung deutlich den großstädtischen Anspruch der aufstrebenden Industriestadt symbolisiert. Dieser Aufbruch wurde durch die Folgen des Ersten Weltkrieges 1914–1918 und die Weltwirtschaftskrise ab Ende der 1920er Jahre gedämpft.
Wittenberge hatte nach 1816 dem Kreis Westprignitz in der preußischen Provinz Brandenburg (Regierungsbezirk Potsdam) angehört. Am 1. August 1922 schied die Stadt Wittenberge aus dem Kreis Westprignitz aus und bildete fortan einen eigenen Stadtkreis.
Im Zweiten Weltkrieg, in den Jahren 1944 und 1945, wurde Wittenberge fünfmal von der 8. US-Luftflotte angegriffen. Insgesamt 119 viermotorige Bomber entluden 345 Tonnen Bombenlast über der Stadt,[11] was zu erheblichen Zerstörungen an Industriebetrieben, Verkehrseinrichtungen und in Wohngebieten führte. Der Angriff am 22. Februar 1945 erfolgte im Rahmen der groß angelegten alliierten Operation Clarion und forderte 28 Tote,[12] der Angriff am 15. März 1945 über 100 Tote.[13] Insgesamt gab es in Wittenberge 216 Tote durch Bomben und Artillerie-Beschuss der Alliierten.[14] Nach der Besetzung der Stadt zum Kriegsende kam es in Wittenberge zu einer gemeinsamen Siegesparade von US-Soldaten und Rotarmisten, die zuvor an der Elbe zusammengetroffen waren.[15]
Seit 1945
Im Jahr 1950 verlor die Stadt Wittenberge ihre Kreisfreiheit und wurde wieder dem Kreis Westprignitz zugeordnet. Im Jahr 1952 löste man das Land Brandenburg und den Kreis Westprignitz auf. Wittenberge gehörte von 1952 bis zum Ende der DDR zum Kreis Perleberg im Bezirk Schwerin. Mit der Neubildung der ostdeutschen Bundesländer, 1990, gehört Wittenberge zu Brandenburg. 1993 wurden der Kreis Perleberg und damit auch Wittenberge Bestandteil des neu gebildeten Landkreises Prignitz.
Die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 brachte für die Prignitz und Wittenberge mit dem Verlust bedeutender Betriebe erhebliche wirtschaftliche Veränderungen: Neben dem Nähmaschinenwerk wurden auch das Zellstoffwerk (VEB Zellwolle, 1990) und die Ölmühle (1991) geschlossen. Von den großen Betrieben blieb nur das Reichsbahnausbesserungswerk Wittenberge (RAW) als jetziges Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn AG erhalten. Aufgrund des damit verbundenen Wegfalls von Arbeitsplätzen kam es zu einer Abwanderung von Einwohnern in erheblichem Ausmaß (ca. 2 % p. a. seit 1990), deren Ende noch nicht prognostiziert wurde. Der Bahnhof Wittenberge, der bis 2000 noch stündlich mit ICE-Zügen auf der Strecke Hamburg–Berlin bedient wurde, verlor drastisch an Bedeutung.
Seit der 700-Jahr-Feier der Stadt im Jahr 2000 ist Wittenberge der jährliche Austragungsort der überregional bekannten Elblandfestspiele Wittenberge (EFS), des internationalen Festivals der Operette und heiteren Bühnenkunst in Deutschland. Es ist damit das bedeutendste Musikfestival dieses musikalischen Genres in Deutschland. Gleichzeitig ist Wittenberge Austragungsort des Internationalen Gesangswettbewerbes für Operette – Paul Lincke.
Text: Wikipedia
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