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Aljoscha Rompe

14 Bytes entfernt, 08:44, 2. Okt. 2022
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Arthur Alexander „Aljoscha“ Rompe (* 20. Oktober 1947 in Berlin-Buch; † 23. November 2000 in Berlin-Prenzlauer Berg) war ein deutsch-schweizerischer Punkmusiker, Sänger und Gründer der 1983 entstandenen DDR-Punkband Feeling B.
'''==Leben und erste musikalische Schritte'''==
Aljoscha Rompes Mutter, eine Dolmetscherin, emigrierte kurz vor seiner Geburt mit ihrem Vater Arthur Baumgarten aus der Schweiz nach Ost-Berlin.[1] Geboren wurde Rompe als Arthur Alexander Jessen, sein leiblicher Vater war der Schweizer Schauspieler Jörn Jessen (Kübler). Von dessen Existenz soll Aljoscha Rompe – seiner Tante zufolge – gewusst haben, Jessen/Kübler habe aber zu seinem Sohn keinen Kontakt gepflegt und für ihn auch keine Alimente gezahlt.[2] Andere Quellen sprechen davon, dass Rompe von seinem leiblichen Vater erst nach dessen Tod im Jahr 1975 erfahren habe.[1]
Seine eher ablehnende Haltung zum Kapitalismus als Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und zur Lebenshaltung der Menschen in Westdeutschland brachte Rompe bis zu seinem Tod im Jahr 2000 immer wieder in zahlreichen Interviews zum Ausdruck.
'''Feeling B'''
Im März 1983 gründete Rompe die Gruppe Feeling Berlin, für die er mit dem damals 18-jährigen Gitarristen Heiko Paul Hiersche (heute Paul Landers), dem etwa gleichaltrigen Drummer Alexander Kriening und dem erst 16-jährigen Keyboarder Christian Flake Lorenz drei deutlich jüngere Mitmusiker verpflichtete. Da es in Berlin bereits eine Kapelle mit diesem Namen gab, benannte sich die Gruppe kurze Zeit später in Feeling B um. Kriening verließ die Band nach etwa eineinhalb Jahren und spielte dann eine Zeitlang bei der Band Rosa Extra (später Hard Pop).
Gitarrist Landers berichtete im Jahr 2002, es habe pro „normales“ Konzert eine Gage in Höhe von 1500 Ost-Mark gegeben. Davon erhielten die am Konzert beteiligten Musiker – auch die Gäste – je nur 150 Mark ausgezahlt. Der Rest sei in eine sogenannte Actionkasse geflossen, aus der die Band größere Unternehmungen wie einen Rundflug über Rügen oder ein Jubiläumsessen zum fünfjährigen Bestehen bestritten habe. Diese Privatunternehmungen hätten jedoch nur die festen Bandmitglieder genossen, somit seien die Gastmusiker die Übervorteilten gewesen.[22]
'''==Schweizer Staatsbürgerschaft'''==
Den Schweizer Pass erhielt Aljoscha Rompe auf sein Bestreben hin im Jahr 1980. Als Sohn des 1975 gestorbenen Schweizers Jessen/Kübler hatte er aufgrund des in der Schweiz geltenden Abstammungsprinzips Anrecht auf die Schweizer Staatsbürgerschaft. Er stellte den Antrag ohne Wissen seiner Eltern, aus Sorge, diese könnten seinen Vorstoß aufgrund ihrer Machtposition in der DDR be- oder verhindern.[23]
Die Reisefreiheit nutzte Rompe immer wieder, um Instrumente und Ausrüstung aus West-Berlin in die DDR einzuführen. Darüber hinaus ermöglichte sie ihm, sich in West-Berlin an der Freien Universität Berlin als Student der Theaterwissenschaften einzuschreiben.[25] Er bekam hierfür ein Schweizer Stipendium, tauschte die Beträge in Ost-Mark um und konnte so über einige Zeit sein Leben und seine Projekte – allen voran Teile des Equipments für die zwar szenebekannte, aber kommerziell eher mäßig erfolgreiche Amateurband Feeling B – finanzieren.[26] So erwarb er unter anderem schon früh als Bandbus ein ausgemustertes Entstörfahrzeug der Marke Robur LO, den sich die Band als eine Art Wohnmobil ausbaute. Der „LO“, wie ihn die Band von Anfang an nannte, glänzte vor allem durch Unzuverlässigkeit – viele Male blieben die Musiker mit dem Fahrzeug liegen.
'''==Wirken im Prenzlauer Berg'''==
Nach ersten Jahren in der Metzer Straße im Bezirk Prenzlauer Berg zog Rompe am 7. Oktober 1979 in eine Dachwohnung in der Fehrbelliner Straße 7, die er ebenso wie die vorherige Unterkunft besetzte. Seinem Weggefährten Carlo Jordan zufolge war das Hinterhaus der Fehrbelliner 7 zu diesem Zeitpunkt schon fast komplett von jungen Alternativen besetzt worden – Rompe habe als erster auch eine Wohneinheit im Vorderhaus als zunächst Illegaler belegt. Durch eine dreimalige, von Vermieterseite akzeptierte Mietzahlung – damals die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) – galt man Jordan zufolge seinerzeit als anerkannt.
1990 besetzte Rompe das nur eine Straße entfernt liegende leerstehende Gebäude Schönhauser Allee 5, das 32 Wohnungen in einem Vorder- und einem Hinterhaus umfasste, mit dem Ziel, dort eine Kulturstätte mit Konzerten, Bandproberäumen und anderen Orten für kreatives Schaffen zu etablieren. Er gründete mit Gleichgesinnten den Verein Unabhängige Autonome Aktion Wydoks, der Verein erhielt die Genehmigung der kommunalen Wohnungsverwaltung, die Wohnungen innerhalb einer Frist an neue Mieter zu vergeben und so aktiv Einfluss auf die Bewohnerauswahl zu nehmen. Rompe erhielt eine ABM-Stelle und war gemeinsam mit einem Mitstreiter Koordinator für Jugend und Medien in dem Haus. Das Grundprinzip des Hauses ähnelte dem einer Kommune, es kam Wegbegleitern zufolge jedoch oft zu Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern des Vorder- und Hinterhauses, von denen viele der Punkszene angehörten.[35] Das Haus ging 1998 in den Besitz eines Investors über. Rompe lebte dort bis 1999, bis er als letzter Bewohner im Mai des Jahres das Haus verließ. Zuvor hatte Rompe Strafanzeige gegen den Investor gestellt. Er warf diesem Nötigung vor, zwei „Schlägertypen“ hätten ihn am 17. Mai bedroht, geschlagen und gezwungen, die Kündigung seines Mietvertrags zu unterzeichnen.[36] Der Investor stritt dies ab.
'''==Bespitzelung und Haft'''==
Rompe wurde von 1972 bis 1989 durchgehend vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) überwacht. Das MfS bediente sich dabei verschiedener Mittel, beispielsweise der Verhängung von Untersuchungshaft, des Einsatzes Inoffizieller Mitarbeiter, der Postüberwachung und der Observierung. Am 3. Februar 1978 wurde gegen ihn wegen Mitwirkung an dem als staatsfeindlich eingestuften Bonzen-Angst-Kalenders 1978 Haftbefehl erlassen. Er saß drei Monate in Untersuchungshaft.[37][38] Er kam im Vergleich zu anderen an der Kalenderaktion Beteiligten deutlich früher frei. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde eingestellt, während die drei weiteren Beteiligten Haftstrafen zwischen knapp zweieinhalb und dreieinhalb Jahren bekamen und danach des Landes verwiesen wurden.[39] Im Nachgang berichteten Wegbegleiter Aljoscha Rompes, dass dessen Eltern dem Ministerium für Staatssicherheit in diesem Zeitraum eines von drei Häusern aus dem Familienbesitz auf der Ostseeinsel Hiddensee abtraten bzw. für 20.000 Ost-Mark günstig verkauften. Die Immobilie solle in der Folgezeit bis zur Wende regelmäßig von Markus Wolf, damals Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi, als Feriendomizil genutzt worden sein. Rompe selbst glaubte, dass ihm ein in westlichen Zeitungen erschienener Artikel über die Verhaftung eines Funktionärssohns vor längerer Haft verschont hatte. Diesen hatte sein Studienfreund Carlo Jordan in die Wege geleitet, um Rompe zu helfen. Belege für einen Zusammenhang dieser Geschehnisse gibt es allerdings nicht.[40][41]
Als das MfS 1990 aufgelöst wurde, arbeitete Rompe in der Operativen Gruppe der AG Sicherheit des Zentralen Runden Tisches aktiv mit. Er arbeitete beim Stasiauflösungskomitee mit und bereitete mit Freunden die Organisation und den Aufbau eines Stasimuseums vor, das gleichzeitig als allgemeines Geheimdienstmuseum gelten sollte. Das Museum, das er entgegen seiner Planung selbst nicht realisierte, für das er aber seinerzeit zahlreiche Exponate auswählte und in einem Gebäude in der Berliner Normannenstraße „zwischenlagerte“[42], existiert seit November 1990 an ebenjener Stelle und trägt den Namen Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße.
'''==Trennung von Feeling B und weiterer Lebensweg'''==
Rompes Band Feeling B trennte sich in der Weihnachtszeit 1993, als seine beiden festen Co-Musiker Paul Landers und Flake Lorenz nach einem Konzert in der Berliner Kulturbrauerei ausstiegen. Nach drei gemeinsamen Alben hatten sich die Musiker kurze Zeit zuvor nicht mehr auf einen gemeinsamen musikalischen Stil einigen können. Landers, Lorenz und der bereits ausgeschiedene Gastdrummer Schneider hatten im Jahresverlauf ein viertes, stilistisch verändertes Album vorbereitet. Dies lehnte Rompe aber ab, als seine Bandkollegen es ihm nach seiner Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt vorspielten.[43]
In den Neunzigerjahren widmete sich Rompe zunehmend esoterischen Themen. Er begann aus Angst vor vergifteten Nahrungsmitteln, alle Speisen auszupendeln und unterzog sich mehrfach strengen Fastenkuren, experimentierte mit Sauerstofftherapieformen und erwarb Geräte, die die Strahlungen im Raum positiv beeinflussen sollten. Er ließ sich unter anderem einen Orgonakkumulator bauen und war Anhänger der Theorien von Wilhelm Reich. Weggefährten berichten, dass er in dieser Zeit zunehmend das Interesse an und den Kontakt zu seinem sozialen Umfeld in Berlin verlor.[47]
'''==Tod und Gedenken'''==
Aljoscha Rompe starb mit 53 Jahren in der Nacht des 23. November 2000 in seinem in Berlin-Prenzlauer Berg in der Nähe der Schönhauser Allee 5 abgestellten Wohnmobil an einem schweren Asthmaanfall. Am Abend war er noch mit Freunden ausgegangen und hatte auch dort Probleme mit Asthma gehabt, an dem er zeit seines Lebens litt.
Im Jahr 2014 veröffentlichte der Autor Lutz Seiler den Roman Kruso, der auf der Insel Hiddensee spielt und dessen Titelheld deutlich erkennbar Ähnlichkeit mit Aljoscha Rompe aufweist.[53]
'''==Filme'''==
Aljoscha Rompe dokumentierte ab 1989 einige Jahre lang die Entwicklung der Hausbesetzer- und Musikerszene in Berlin-Prenzlauer Berg. Aus seinem bisher unveröffentlichten Nachlass entstand der Film Was sieht ein Chamäleon, wenn es in den Spiegel sieht (2007, Regie: Matthias Aberle), welcher sich aus einigen seiner Kurzfilme und Dokumentationen zusammensetzt.
Seit 2019 werden die dokumentarischen Aufnahmen als Kollektion Wydoks über die Archivplattform Progress Film zugänglich und lizenzierbar gemacht.[54]
'''==Radio'''==
Rompe betrieb seit 1990 bis etwa 1994 den Piratensender Radio P, der wechselnd aus den besetzten Häusern in der Schönhauser Allee Nr. 5 und Nr. 20 und dem Kunsthaus Tacheles sendete.[55][56]
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