St. Michael zu den Wengen (Ulm)

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Die Kirche St. Michael zu den Wengen, auch Wengenkirche genannt, ist eine römisch-katholische Stadtpfarrkirche in der Stadtmitte von Ulm, die aus dem historischen Wengenkloster hervorging. Der Beiname zu den Wengen bedeutet „in den Wiesen“.

Die Kirche gehörte ursprünglich zum Ulmer Konvent der Augustiner-Chorherren und hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich.


Pilgerkloster ab 1183

Das erste Wengenkloster mit Kirche befand sich ab 1183 auf dem Ulmer Michelsberg. Auf der leichten Anhöhe nördlich von Ulm, am ersten Anstieg der Schwäbischen Alb, wurde es gegründet. Es war vor allem ein Pilgerspital an einer stark frequentierten Handelsstraße zwischen Donau- und Neckarraum, das Pilger auf diesem Weg betreuen sollte. Mit der Pilgerbetreuung beauftragt wurden Augustiner-Chorherren aus dem Stift Marbach, so dass die Kirche der neue Sitz eines Augustiner-Chorherrenstiftes wurde.


Wengenmünster ab 1215

Die Lage auf dem Michelsberg brachte den gravierenden Nachteil mit sich, dass das Trinkwasser auf der Anhöhe oft fehlte. Schon 1215 zog das Kloster und die Kirche näher zum Ulmer Zentrum. Es befand ich ab da auf Höhe der heutigen Bundesstraße 10 am Hindenburgring auf einer Insel zwischen den mehrfach verzweigten Armen der Blau. 1250 konnte dann das Wengenmünster, eine ansehnliche dreischiffige Kirche, geweiht werden. Mit der Verlegung auf die Flussinseln ging der ursprüngliche Auftrag einer Pilgerkirche samt -hospiz verloren.

Stattdessen nutzten die Augustinermönche die Wasserkraft der Blau und betrieben damit Mühlen und Hammerwerke.

Die Gebäude auf dem Michelsberg blieben aber in Teilen bestehen. 1539 wurde die erste St. Michael-Kirche, 1634 wurde dann auch der Kirchturm auf dem Michelsberg abgebrochen.


Neugründung 1399

1376 wurde Ulm von Kaiser Karl IV. feindlich belagert, was dazu führte, dass man alle wesentlichen Gebäude und Kirchen der Stadt, die sich außerhalb der Stadtmauer befanden, mit der Zeit in die befestigte Stadt hereinholte. In diesem Zuge wurde nicht nur das Wengenkloster, sondern auch die Kirche „Unserer lieben Frau“ in die Stadt hereingeholt, also buchstäblich umgezogen. Die Kirche „Unserer lieben Frau“ wurde in weiten Teilen schon ab 1377 umgezogen und bildet bis heute den Grundstock für das Ulmer Münster, das Wengenkloster dagegen wurde 1399 umgezogen und bildet bis heute den Grundstock für die Anlage St. Michael zu den Wengen. Die Chorherren erhielten im Zuge dieser Maßnahme das Ulmer Bürgerrecht. Es wohnten durchschnittlich acht Chorherren im Klosterkomplex, die sich auch um die Seelsorge der Stadtbevölkerung kümmerten.

Diese dritte Kirche war eine dreischiffige, flachgedeckte Hallenkirche mit eingezogenem gewölbtem Chor. Der Berufsstand der Maler, Drucker und Bildhauer war dieser Kirche am Ausgang des Mittelalters besonders stark verbunden. Martin Schaffner, Hans Schüchlin, Niklaus Weckmann, Bartholomäus Zeitblom und andere bildende Künstler hatten sich zu einer Lukasgilde zusammengeschlossen. Der Altar dieser örtlichen Lukasbruderschaft stand in der Wengenkirche.

Um 1440 ließ Propst Ulrich Strobl von Langenau im Kreuzgang einen 22 m langen Totentanz mit 24 Tanzpaaren in Freskotechnik malen, der mit den Begleitversen dem etwa gleichzeitig entstandenen Großbasler Totentanz vergleichbar gewesen sein soll. Die 1810 übertünchten Wandgemälde wurden 1944/45 schwer beschädigt, ehe auch die Reste durch den Abriss 1952/53 verloren gingen.


Ulmer Reformation 1531

Die Reformation bewirkte in Ulm, dass das Klosterwesen als überflüssig betrachtet wurde. So wurde auch das Augustiner-Kloster geschlossen. Der Ulmer Götzentag, Ausdruck des Bildersturms, hatte zur Folge, dass mehrflüglige Altare aus dem Gotteshaus genommen wurden. Die Kirche zerfiel und erlitt Schäden.

1546 wurde das Gotteshaus in eine einräumige Saalkirche umgebaut. Am 18. Juli 1549 wurde das Kloster den Augustinern wieder zurückgegeben. Sie waren damit beauftragt, die wenigen Katholiken in der inzwischen evangelisch gewordenen Reichsstadt zu betreuen. Katholische Trauungen konnten dort allerdings nicht stattfinden, sondern mussten außerhalb der Mauern gefeiert werden, Beerdigungen waren für die Chorherren ebenfalls untersagt.

Trotzdem wuchs das Stift: eine eigene Schule, ein eigenes Theater, eine große Bibliothek mit 10.000 Bänden aus allen Wissens- und Fachgebieten und reichhaltiges kirchenmusikalisches Leben gaben der Einrichtung Strahlkraft. Die Zahl der Chorherren wuchs auf 15 an.


Barock

Zwischen den Jahren 1628 und 1635 kam es dann zur Barockisierung des Gebäudes. Frühbarocke Wandpfeiler wurden eingefügt. Das Rokoko kehrte zwischen 1738 und 1766 ein, als der zeittypische Stuck angebracht wurde. Franz Martin Kuen aus Weißenhorn (Bruder des Propstes Michael Kuen) schuf ausgedehnte raumüberhöhende Deckenfresken. 1786 entstand südlich der Kirche ein stattliches Amtshaus, das heute das Katholische Stadtpfarramt St. Michael zu den Wengen in Ulm beherbergt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirkte der Musiker und Komponist Pater Joseph Lederer als Musikdirektor im Chorherrenstift.


Säkularisation ab 1802

Nach der verlorenen Schlacht von Elchingen kam es in Ulm zur Säkularisation und die Zeit der freien Reichsstadt ging zu Ende. 1802 kam das Kloster an die bayrischen Kurfürsten. Mit der Säkularisation 1803 wurde die Wengenkirche erneut geschlossen. Ab 2. März 1805 war die Wengenkirche dann jedoch erste katholische Stadtpfarrkirche und volle Pfarrei für die seit der Reformation wieder vermehrt ansässigen katholischen Christen.

Die Bibliothek und zahlreiche Kunstwerke wurden entweder verkauft oder in staatliche Sammlungen überführt. Die Klostergebäude von St. Michael zu den Wengen wurden zum Teil als Kaserne verwendet.


Zerstörung 1944 und Wiederaufbau

Ein erheblicher Teil der Kloster- und Kirchenanlage fiel den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges zum Opfer, insbesondere dem Hauptangriff am 17. Dezember 1944. Alle noch verbliebenen Kunstbestände der Kirche verbrannten mit wenigen Ausnahmen. Der Wiederaufbau 1953 bis 1954 machte aus dem geosteten Chorraum eine Seitenkapelle, die Kirche wurde „gedreht“. Der gotische Westgiebel mit einem bemalten Grundsteinlegungsrelief blieb erhalten. Der nüchtern ausgefallene Nachkriegsbau hieß bei der Ulmer Bevölkerung „Werkhalle Gottes“. Wilhelm Geyer schuf einen Kreuzweg.



Text: Wikipedia

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