Fürststift Kempten

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Das Fürststift Kempten ist ein historisches Territorium mit dem Zentrum der Fürstäbtlichen Residenz und der Stiftskirche St. Lorenz in Kempten (Allgäu) im Bistum Augsburg. 1802 wurde das Fürststift von bayerischen Truppen besetzt und ein Jahr später durch die Säkularisation aufgelöst. 1811 wurde aus der Reichs- und Stiftsstadt eine reine Verwaltungsgemeinde zusammengelegt, die 1818 endgültig zu einer Stadt vereinigt wurde.

Bis zur Aufhebung der geistlichen Fürstentümer in Deutschland 1802/1803 war im heutigen bayerischen Regierungsbezirk Schwaben das Fürststift mit etwa 1.000 Quadratkilometern das zweitgrößte Territorium nach dem Hochstift Augsburg, es umfasste 1802 im Süden den Ortsteil Martinszell von Waltenhofen, im Nordwesten Legau, im Norden Grönenbach, im Nordosten Ronsberg und im Osten Unterthingau. Eine Enklave bildete die Reichsstadt Kempten im stiftkemptischen Gebiet. Eine Exklave des Fürststifts befand sich zwischen Memmingen und Ottobeuren. Damals umfasste das Herrschaftsgebiet ein geschlossenes Gebiet zu beiden Seiten der Iller. Außer der Stiftstadt Kempten als der Residenz des Fürstabts gehörten neun Märkte, 85 Dörfer und einige hundert Weiler und Einzelhöfe dem Territorium an.


Gründung

Das den Heiligen Maria und Gordian und Epimachus geweihte Kloster wurde 752 von Audogar gegründet.

Die Karolinger, vor allem Königin Hildegard und ihr Sohn Ludwig der Fromme förderten das Kloster intensiv. So fand 773 eine offizielle Gründung des Klosters durch Hildegard statt. 853 wurde die Marca Campidonensis als Verfügungsbereich der Äbte bestätigt. Der Umfang der Mark deckte sich annähernd mit der späteren Grafschaft Kempten.


Aufstieg zu einem Reichsfürstentum

Kaiser Heinrich IV. bestätigte 1062 die Reichsunmittelbarkeit des Klosters. Seit dem 12. Jahrhundert führen die Kemptener Äbte den Fürstentitel. Schon früh erlangte es ein Herrschaftsgebiet, in dem es ab 1213 auch die Grafen- und Vogteirechte besaß, die vorher die bis dahin ausgestorbenen Markgrafen Ronsberg ausgeübt hatten. 1218 trat Friedrich II. die Vogtei an den Abt ab, der dafür eine jährliche Zahlung von 50 Mark Silber und den Verzicht auf die stiftische Münze zusagen musste. Heinrich VII. bestätigte im Jahr 1224 die Abtretung der Vogtei an das Stift. Unter Konrad IV. geriet die Vogtei auf unbekannte Weise wieder in die Hand der Staufer, doch Konradin verpfändete diese im Jahr 1262 erneut an das Stift. Verschiedene Versuche vom König Rudolf I. sie für das Reich einzuziehen und Kaiser Karls IV., sie dem Herzog Friedrich III. von Teck zuzuwenden, wurden mit wiederholten Verpfändungen an das Stift selbst, endgültig im Jahr 1353 beendet.

Zusammen mit den Bestimmungen aus dem Jahr 1220 schuf die Erwerbung einer Hochvogtei gute Grundlagen für die Leitung des Klosters, eine Landesherrschaft innerhalb des Bezirks der Grafschaft zu errichten. Damit war die Basis dafür geschaffen, dass es Kempten als einziges Königskloster Ostschwabens gelang, zu einem Reichsfürstentum aufzusteigen - ein Status, der schließlich 1548 mit der Zuerkennung einer Virilstimme auf dem Reichstag einen Hochpunkt fand.


Herrschafts- und Territorialentwicklung im 14. und 15. Jahrhundert

Im Spätmittelalter wurde das Gebiet durch Lehen und Leibeigenschaften erweitert. Es handelte sich um eine zum regionalen Gewohnheitsrecht fixierte Sicht, wonach Steuerhoheit, Gerichtszwang und Wehrhoheit nicht am Land, sondern an der personenrechtlichen Zugehörigkeit hafteten. Im übrigen Schwaben hingegen resultierten Niedergerichtsrechte über Personen an der Grundherrschaft. Neben Leibeigenen gab es in der Grafschaft Kempten noch zahlreiche unabhängige Bauern. Sie konnten sich in den Schutz und Schirm eines Gerichtsherren ergeben oder den Status eines Pfahlbürgers einer Reichsstadt annehmen und ihren Herrn frei auswählen. Nur ein kleiner Teil des bäuerlichen Eigentums in der Grafschaft befand sich unter der Grundherrschaft des Klosters, viele Einzelhöfe hatten einen Adelsgrundherrn oder waren freier Besitz der Bauern.

Diese Gründe motivierten die Fürstabte, ein geschlossenes Territorium zu haben. Die Hochgerichtsbarkeit des Landgerichts der Grafschaft Kempten war eine Möglichkeit dies zu ermöglichen. Sie versuchten die in den Grafschaftsgrenzen lebenden Bauern in den Stand Leibeigener des Stifts herabzustufen. Diese Erniedrigung erzeugte Unwillen und Aggression der Untertanen, die 1491/1492 in einem Bauernaufstand eskalierten. Nach dem Abklingen des Konflikts nahm das Stift seine vorherige Lehensverfügungen dennoch erneut auf, so dass sich die Aggression der Untertanen verschärfte und schließlich im Großen Bauernkrieg von 1525 mündete.


Bauernkrieg und Allgäuer Haufen

Eine bedeutende Rolle im Bauernkrieg hatte der Allgäuer Haufen inne. Der Fürstabt Sebastian von Breitenstein, der sich 1525 auf der stiftkemptischen Hauptburg Liebenthann vor den Bauern versteckte, wurde durch die Belagerung aus dieser ausgetrieben. Die Bauern ermöglichten dennoch dem Fürstabt freien Abzug. Er suchte Asyl innerhalb der Mauern der Reichsstadt, die ihm zur Unterschrift eines Vertrages zwang. Dieser Vertrag regelte den vollständigen Abtritt der stiftkemptischen Rechte über die Reichsstadt für 30.000 Gulden. Ein Jahr später, 1526, erwarb Sebastian von Breitenstein die Herrschaft Sulzberg für dieses Geld.

Die Aufstände der Bauern gegen den Fürstabt wurden unter Beihilfe des Schwäbischen Bundes niedergeschlagen. Dennoch war es das Ziel des Bundes, die Unruhen im Fürststift zu besänftigen. Die Rahmenbedingungen hierfür bildete der Memminger Vertrag von 1525, durch den Steuererhebungen und Gebühren nun fix geregelt wurden.


Zerstörung und Wiederaufbau

Stift und Stiftskirche wurden im Dreißigjährigen Krieg 1632 durch schwedische Truppen niedergebrannt. Von 1651 an wurde das Stift als erste monumentale Barockklosteranlage Deutschlands neu errichtet. Fürstabt Roman Giel von Gielsberg berief den Vorarlberger Baumeister Michael Beer, der die Fürstäbtliche Residenz und Stiftskirche im Barockstil entwarf. Die Grundsteinlegung war am 16. April 1652. 1654 trat der Graubündner Baumeister Johann Serro Beers Nachfolge an. Der Rohbau war 1656 beendet, der Hauptbau der Residenz wurde 1670 mit der Sakristei zwischen Residenz und Kirche abgeschlossen. Die Arbeiten an den Türmen der Kirche wurden 1673 unvollendet beendet.

Am 19. April 1728 wurde die Siedlung um die Residenz und Stiftskirche St. Lorenz durch ein Stadterhebungsdiplom von Kaiser Karl VI. zu Stadt erhoben. Dies bedeutete für die Stiftstadt zwar das Stadtrecht, aber dennoch verzichtete man auf eine bürgerliche Selbstverwaltung.


Säkularisation

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 wurden Kloster und Fürststift aufgelöst. Die Säkularisation des Klosters ermöglichte gemeinsam mit der Mediatisierung der Reichsstadt Kempten erste Schritte zu einem Zusammenschluss der beiden nebeneinander entwickelten Stadtstrukturen, der 1818 erfolgt ist.

Die ehemalige Stifts- und Pfarrkirche St. Lorenz dient heute als reine Pfarrkirche der Pfarrei St. Lorenz. Die Räume der Residenz werden von der Staatsanwaltschaft und von Amts- und Landgericht genutzt. Die Prunkräume der Residenz sind im Rahmen von Führungen zu besichtigen.


Kulturgüter des Fürststifts nach der Säkularisation

Nach der Auflösung kamen 94 Bilder aus der fürstlichen Sammlung nach München. Das Archiv wurde in das Allgemeine Reichsarchiv übernommen. Ein Teil der Bibliothek ging nach Augsburg; viele Bücher blieben auf dem Dachboden des Klosters zurück, Reste erhielt später das Kloster Metten. Ein Teil der Arbeitsbibliothek ist durch eine Schenkung von Paul Huber (1917–2010), dem früheren Inhaber des Kösel-Verlags, 2010 in die Residenz zurückgekehrt. Heute befinden sich die reichhaltigen Archivbestände des Fürststifts im Staatsarchiv Augsburg; ihre Rekonstruktion durch Gerhard Immler gilt als archivischer Musterfall der Erschließung einer Behördenregistratur für eine bedeutende Territorialherrschaft des Alten Reiches. Die differenzierte Verwaltungsstruktur des Stiftsverbunds wird, auch wegen der Erschließung durch den Stiftsarchivar Pater Feigele im 18. Jahrhundert, von der Geschichtsforschung aufgegriffen.



Text: Wikipedia

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