Kaiser Ferdinands-Nordbahn

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Die k.k. privilegierte Kaiser Ferdinands-Nordbahn (KFNB) (tschech. c.k. priv. Severní dráha císaře Ferdinanda, ab 1919 offiziell Severní dráha Ferdinandova; SDF) war eine Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft in Österreich und dessen Nachfolgestaat Tschechoslowakei. Die Hauptstrecke der Gesellschaft war die Nordbahn von Wien nach Nordmähren und Österreichisch-Schlesien, mit einer von Anbeginn wegen der galizischen Salzvorkommen geplanten Fortsetzung bis nach Krakau und zum Salzbergwerk Bochnia. Die Eisenbahnen wurden mit Ausnahme der Montanbahnen im Jahr 1906 verstaatlicht, die Montansparte bestand bis 1945 als selbständiges Unternehmen weiter.

Siegelmarke

Geschichte

Projekt und Finanzierung

Der Wiener Geologe und Bergbauexperte Franz Xaver Riepl hatte 1830 die Idee, eine Bahnlinie von Wien zu den nordmährischen Eisen- und Kohlevorkommen und den darauf bereits ab 1820 fußenden, bedeutenden Witkowitzer Eisenwerken, nahe Ostrau und noch weiter bis zu den Salzminen von Wieliczka südlich von Krakau zu bauen. Es gelang ihm, Salomon von Rothschild, der bereits in Witkowitz starke Interessen hatte, als Finanzier für das Unternehmen zu gewinnen. Riepl wurde nach England gesandt, um dort Erfahrungen im Eisenbahnbau zu sammeln. Nach seiner Rückkehr stellte Rothschild ein erstes Ansuchen an den Kaiser, Franz I., das abschlägig beschieden wurde. Kronprinz Ferdinand soll dazu bemerkt haben, nicht einmal der Wagen nach Kagran sei immer voll. Trotz der Ablehnung gingen die Vorbereitungen für den Eisenbahnbau weiter. Rothschild kaufte eine auf der Wegstrecke liegende Pferdeeisenbahn, Riepl arbeitete an der Planung der Streckenführung.[1]

Kurz nach dem Tod des Kaisers reichte Salomon Rothschild nochmals ein Ansuchen ein, das auch aufgrund der Unterstützung durch Fürst Metternich und Graf Kolowrat vom neuen Kaiser Ferdinand I. genehmigt wurde.

Am 4. März 1836 erhielt Rothschild das zeitlich unbeschränkte Privileg zur Errichtung einer Dampfeisenbahn zwischen Wien und Bochnia und schlug den Namen Kaiser Ferdinands-Nordbahn vor. Mit einer Länge von ungefähr 600 Kilometern war sie als Locomotivbahn eine der längsten außerhalb Großbritanniens.[2] Im Privileg inbegriffen waren Zweigbahnen nach Brünn, Olmütz und Troppau.

Zur Errichtung der Bahnlinie wurde eine Aktiengesellschaft gegründet, in deren Aufsichtsrat auch Metternich und Kolowrat Mitglieder waren. Generalsecretair wurde der vom Verkehrsmittel Eisenbahn begeisterte Heinrich Joachim Sichrovsky.

Von der ersten Aktientranche von 12.000 Stück behielt Rothschild 8.000, für die 4.000 restlichen gab es 27.490 Zeichner, was den Kurs sofort über den Ausgabepreis von 1.000 Gulden pro Aktie trieb.[3] Allerdings baute die Gesellschaft die Strecke nur bis Oderberg (heute Bohumín) bzw. später bis Dzieditz (heute Czechowice-Dziedzice).

Georg Simon Freiherr von Sina, der größte Konkurrent der österreichischen Rothschilds,[4] und das Bankhaus Arnstein & Eskeles versuchten, das Unternehmen zu verzögern. Bei der zweiten Aktionärsversammlung erhob Ludwig von Pereira-Arnstein Anschuldigungen, was die technische Planung und die projektierten Kosten betraf. Nur mit Mühe konnten Rothschild und Riepl die Vorwürfe zumindest teilweise entkräften. Im Oktober 1836 schließlich stellte Rothschild den Antrag, entweder den Bau zu beginnen oder die Gesellschaft aufzulösen. Er gewann die Abstimmung mit 76 von 83 Stimmen, Sina, Arnstein und Eskeles wurden zum Rücktritt gezwungen.[5]

Bau der Stammstrecke

1837 wurde unter der Oberleitung von Hofbaurat Hermenegild von Francesconi, aus Venetien stammend, mit den Bauarbeiten am 13 km langen Teilstück Floridsdorf–Deutsch-Wagram begonnen. Etwa 10.000 Arbeiter wurden unter der Aufsicht englischer Fachkräfte dafür herangezogen. Der Weiterbau unter Leitung seiner Oberingenieure Kudriaffsky und Bretschneider nach Lundenburg erfolgte zügig. Die Abzweigung nach Brünn leitete Carl Ghega, der spätere Carl Ritter von Ghega, ebenfalls aus Venetien, der später beim Bau der Semmeringbahn Berühmtheit erlangte.

Im März 1837 trafen die ersten sechs Lokomotiven von George Stephensons Fabrik in Newcastle und von Tayleur & Co. in Warrington ein, die in zerlegtem Zustand mit dem Schiff nach Triest gebracht wurden und von dort mit Fuhrwerken über den Semmering nach Wien. Ein Fachmann aus Stephensons Fabrik, zwei englische „Wagenlenker“ und vier Maschinisten übernahmen die Schulung des österreichischen Personals auf einer Probestrecke im Wiener Prater. Carl Grundmann wurde 1838 der erste österreichische Lokführer der Nordbahn und damit der erste deutschsprachige Lokführer der Monarchie überhaupt. Er rettete Kaiser Ferdinand 1848 in den Revolutionswirren das Leben, indem er den Hofzug am 7. Oktober sicher nach Olmütz brachte und als Belohnung 1862 das „kaiserliche Privileg zur Begründung einer Schlosserwarenfabrik“ erhielt, die er 1874 von Wien nach Herzogenburg in Niederösterreich verlegte. Diese entwickelte sich rasch zum größten Schließwarenhersteller der Donaumonarchie mit fast fünfhundert Beschäftigten.[6][7]

Am 13. und 14. November wurden auf der 13 km langen Strecke zwischen Floridsdorf und Deutsch-Wagram Versuchsfahrten vorgenommen:

„Am 14. Nov. versammelte ein äußerst anziehendes Schauspiel eine bedeutende Menschenmenge in dem Dorfe Floridsdorf am Spitz. An diesem Tage um die dritte Mittagsstunde hatte nämlich die Direktion der k.k. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn eine Versuchsfahrt auf der nun vollständig beendeten Wegstrecke von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram veranstaltet. Das in jeder Beziehung so interessante, eben so großartige, als gemeinnützige Unternehmen hat die allgemeine Aufmerksamkeit und den regsten Antheil stets in hohem Grade gewonnen, und das Schauspiel einer Dampfwagenfahrt auf der Eisenbahn bot allen Classen des Publikums theils so neue, theils so beobachtens werthe Erscheinungen, daß trotz des sehr schlechten Wetters, und bei der geringen Kenntniß, welche von dieser Probefahrt unter das größere Publikum gelangt war, sich um die erwähnte Stunde dennoch eine beträchtliche Menge Zuschauer zu Wagen und zu Fuße, an der Eisenbahn eingefunden hatten. Um 3 Uhr setzte sich der Zug, unter dem lebhaften Zuruf der Versammlung, in Bewegung, und die Fahrt ergab die günstigsten Resultate.“

– Bericht in der Allgemeinen Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, Musik, Mode und geselliges Leben vom 17. November 1837[8]

Am 19. und 23. November erfolgten die ersten Probefahrten. Am letzten Tag durften auch geladene Gäste mitfahren:

„Es waren zu dieser Fahrt […] Einladungskarten an distinguirte Personen ausgetheilt worden […]. Das [sic!] schöne Locomotive »Austria,« aus der Kunstwerkstätte Stephensons in Newcastle, führte acht Wagen (fünf erster Classe zu 18 Personen, und drei zweiter Classe zu 24 Personen) im raschen Fluge dahin auf der Bahn. Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Karl, geruhte nebst seinen durchlauchtigsten Kindern, des Erzherzogs Wilhelm, und der Erzherzogin Maria Karolina kaiserliche Hoheiten, diese Fahrt mitzumachen.“

– Franz Carl Weidmann: Bericht über die Fahrt am 23. November in der Allgemeinen Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, Musik, Mode und geselliges Leben vom 25. November 1837[9]

Der 23. November 1837 gilt somit als Eröffnungsdatum der ersten Dampfeisenbahn in Österreich.

Der erste fahrplanmäßige Personenzug verließ – gezogen von der Lokomotive Moravia – am 6. Jänner 1838 um 9 Uhr 30 den Wiener Nordbahnhof mit 218 zahlenden Passagieren.[10] Der nächste Abschnitt über Lundenburg (Břeclav) bis Brünn ging am 7. Juli 1839 in Betrieb. Unfälle noch am 7. Juli und am 30. Oktober des Jahres beeinträchtigten zeitweise den Ruf der Bahn. Im Oktober 1841 wurde die Strecke von Lundenburg (Břeclav) bis Olmütz (Olomouc) fertiggestellt. Dort bestand ab 1845 Anschluss an die k.k. Nördliche Staatsbahn nach Prag. Der Endpunkt war nach dem ursprünglichen Plan der Bahnhof Leipnik (Lipník nad Bečvou), bis zu dem die Hauptstrecke am 15. August 1842 verlängert wurde. Jedoch wurde der direkte Anschluss nach Preußen notwendig, die KFNB setzte den Weiterbau fort. Am 1. Mai 1847 erreichte die Stammstrecke Oderberg (Bohumín).[11] Am 1. September 1848 stellte die preußische Wilhelmsbahn die Verbindung von dort zur Oberschlesischen Eisenbahn her. Diese hatte in Myslowitz (Mysłowice) Anschluss an die bereits am 13. Oktober 1847 eröffnete Krakau-Oberschlesische Eisenbahn. Zur ersten Bahnverbindung zwischen den beiden damals für die Habsburgermonarchie bedeutenden Städten Wien und Krakau gehörten demnach mehr als 100 km Strecken in preußischem Besitz und Staatsgebiet.

Eine ausschließlich auf habsburgischem Gebiet verlaufende Bahnverbindung von Wien nach Krakau kam erst am 1. März 1856 zustande, als die inzwischen zur k.k. Östliche Staatsbahn verstaatlichte Krakau-Oberschlesische Eisenbahn mit einer Zweigstrecke von Trzebinia über Auschwitz (Oświęcim) nach Dzieditz (Dziedzice) den Lückenschluss herstellte. Zwei Jahre später übernahm die Kaiser Ferdinands-Nordbahn deren Strecke bis Krakau.

Weitere Entwicklung der Bahngesellschaft

Bis zur Eröffnung der Strecke nach Brünn hatte Salomon Rothschild über 8 Millionen Gulden zugeschossen. Schon 1841 wurden Profite gemacht. Der Kurs der Aktie stieg 1843 erstmals seit ihrer Ausgabe über 100, 1844 lag er bei 129, 1845 sogar bei 228.[5]

Am 1. Juni 1888 übernahm die KFNB die Kremsierer Eisenbahn.

Die Eisenbahnstrecken der KFNB wurden am 1. Jänner 1906 in Staatseigentum überführt; ab 1. Jänner 1907 übernahmen die k.k. Staatsbahnen den Betrieb. Die Montanbahn Mährisch Ostrau-Dombrau und aller sonstiger Besitz wie die dortigen Kohlegruben blieben auch weiterhin im Eigentum der Gesellschaft.

Nach dem Ersten Weltkrieg bestand die Gesellschaft in der neu begründeten Tschechoslowakei als Severní dráha Ferdinandova (Ferdinands-Nordbahn; SDF) fort, den Betrieb der Montanbahn übernahmen die ČSD.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurde auch die noch selbständig existierende Bergbausparte der Gesellschaft aufgrund der Beneš-Dekrete verstaatlicht und mit anderen Gesellschaften im Konzern Ostravsko-karvinské kamenouhelné doly zusammengeschlossen. Die Montanbahnen gehörten fortan zum Unternehmensbereich OKR Doprava, der schließlich im Jahr 1994 in der Gesellschaft OKD Doprava aufging. Heute gehören sie zum Netz von PKP Cargo International.


Text: Wikipedia

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