Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Siegelmarke der Psychiatrischen und Nervenklinik

Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ist eine Universität in Deutschland, die 1817 aus zwei Vorgängereinrichtungen hervorgegangen ist: Die ältere wurde 1502 als Leucorea in Wittenberg gegründet; die jüngere Friedrichs-Universität entstand 1694 auf Veranlassung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. in Halle (Saale). Als Zentrum von Pietismus und Aufklärung wurde sie bald eine der bedeutendsten Universitäten ganz Deutschlands.[2]

Ihren heutigen Namen Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erhielt sie in der Zeit des Nationalsozialismus, am 10. November 1933. Nachdem 1994 das 300-jährige Gründungsjubiläum des halleschen Zweiges gefeiert worden war, beging man 2002 die Feierlichkeiten zum 500-jährigen Jubiläum der Universitätsgründung in der Lutherstadt Wittenberg. Aufgrund des breiten Fächerkanons gilt die MLU als Volluniversität.

Geschichte

Universität Wittenberg

Am 18. Oktober 1502 wurde auf Bestreben des Kurfürsten Friedrich III. (genannt „der Weise“) von Sachsen die Universität Wittenberg Leucorea als erste Universität nach der Leipziger Teilung auf dem ernestinischen Kurfürstentum Sachsen gegründet.

Die Gründung galt der Ausbildung von Juristen, Theologen und Medizinern für die sächsische Ernestinische Landesverwaltung. Fünf Jahre nach der Gründung verband Kurfürst Friedrich die neue Hochschule mit dem Stift Allerheiligen. Der erste Rektor war Martin Pollich, der Gründungsdekan der Theologischen Fakultät Johann von Staupitz. Lehrer wie Andreas Bodenstein aus Carlstadt lehrten in der frühen Folgezeit an der Universität. Staupitz bewirkte 1508 die Berufung eines weiteren Augustinermönches: Martin Luther. Später wurden noch Nikolaus von Amsdorf und für die griechische Sprache Philipp Melanchthon berufen.

Inhaltlich wie strukturell orientierte sich die Wittenberger Universität an den bereits bestehenden Universitäten in Deutschland. Die Übertragung der Rechte Friedrichs des Weisen verlieh der Universität im 16. Jahrhundert einen Sonderstatus mit eigener Gerichtsbarkeit. In dieser Zeit entwickelte sie sich zu einem der wichtigsten theologischen Zentren Europas.

Napoleon Bonaparte ließ die Universität Wittenberg zum 5. Dezember 1814 schließen. Mit dem Wiener Kongress 1815 kamen die sächsischen Gebiete um Wittenberg zu Preußen. Infolgedessen wurde die Universität von Wittenberg nach Halle verlegt, wo am 12. April 1817 die Vereinigte Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg gegründet wurde. Als Ersatz bekam Wittenberg das evangelische Predigerseminar, das heute in den Räumen des Augusteums seinen Sitz hat. Das Fridericianum wurde zur Kaserne umgebaut und in seiner späteren Entwicklung als Wohnraum genutzt. Wittenberg hatte damit seine wichtigste Institution verloren und entwickelte sich fortan als Garnisons- und Industriestadt weiter. Initiativen zur Wiedergründung blieben lange erfolglos. Erst nach der Wende 1990 wurde in Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg am 26. April 1994 die Stiftung Leucorea als Stiftung öffentlichen Rechts gegründet.

Friedrichs-Universität Halle

Auf Bestreben Friedrich III. (Kurfürst von Brandenburg und später König Friedrich I. in Preußen) sollte im südlichen Herzogtum Magdeburg eine neue Universität entstehen. Die in Halle vorhandene Ritterakademie reichte schon lange nicht mehr für die Bedürfnisse der aufstrebenden Stadt aus. Nach längerem Hintertreiben dieser Pläne an den Höfen von Wien und Dresden weihte Kaiser Leopold I. die Alma mater hallensis 1. Juli 1694 ein. Das Universitätshauptgebäude war bis 1834 die Ratswaage am Halleschen Marktplatz. Die herausragenden an der Gründung beteiligten Gelehrten waren der Rechtsgelehrte und Philosoph Christian Thomasius (gleichzeitig erster Prorektor der Universität) und der Philosoph Christian Wolff. Durch die praktischen ethischen Schriften Thomasius' wurde die hallesche Universität zu einem Ausgangspunkt der deutschen Aufklärung. In den Folgejahren entstanden jedoch Konflikte mit den 1698 gegründeten Franckeschen Stiftungen, die das Zentrum des deutschen Pietismus wurden. Als Konsequenz der Unnachgiebigkeit Wolffs wurde dieser vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. 1723 unter Androhung der Todesstrafe des Landes verwiesen. Wolff, der mit Leibniz die Philosophie Deutschlands dominierte, emigrierte nach Marburg, wo er umjubelt eintraf. Nachdem sich die Konflikte zwischen Wolff und den halleschen Pietisten gelegt hatten, holte Friedrich II. Wolff 1743 wieder an die Universität Halle zurück.

1717 eröffnete Johann Juncker an den Franckeschen Stiftungen das erste deutsche Universitätsklinikum. 1724 wurde Moyses Sobernheim aus Bingen als einer der ersten Juden an einer deutschen Universität in Halle zum Dr. med. promoviert[3]. Als erste Frau an einer deutschen Universität wurde Dorothea Christiane Erxleben 1754 in Halle promoviert.

Im Oktober 1806 nahmen napoleonische Truppen Halle ein (Preußen erklärte Frankreich am 9. Oktober den Krieg - Vierter Koalitionskrieg; 14. Oktober 1806 Schlacht bei Jena und Auerstedt). Die Friedrichs-Universität wurde durch Napoleon geschlossen. Ihr bisheriges Hauptgebäude, die Ratswaage, funktionierte die Besatzungsmacht zum Lazarett um. Dabei wurde die wertvolle Inneneinrichtung zerstört. Danach diente die Ratswaage zeitweise auch als Schlachthaus. Mit Wiedereröffnung der Universität erhielt das Gebäude der Ratswaage nach Restaurierung wieder seine bisherige Funktion, bis 1834. Siehe auch: Hallenser Senioren-Convent

Universität Halle-Wittenberg

Nach 1817

Die vom Preußischen Staat durch die Zusammenlegung erwarteten Synergieeffekte traten nach 1817 auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der Medizin tatsächlich ein. Bis zur Reichsgründung war die Universität jedoch einem ständigen Säuberungsprozess ausgesetzt. Nach 1817 wurden Professoren, die sich mit der Napoleonischen Fremdherrschaft arrangiert hatten, zurückgestuft oder entlassen. In den 1830er Jahren tobte ein heftiger Streit in der Theologischen Fakultät, der zur Ausgrenzung und Entlassung von Altlutheranern und Rationalisten führte. Zugleich wurde das studentische Leben einer scharfen Kontrolle unterworfen, die zum Absterben jeglicher politischer Regung führte. Nach der gescheiterten demokratischen Bewegung von 1848 wurden erneut mehrere Mitglieder des Lehrkörpers entlassen oder ins Exil gedrängt. Seit den 1860er Jahren gehörte die Universität jedoch – nicht zuletzt durch einen Generationswechsel in der Professorenschaft – wieder zu den bedeutendsten im deutschen Sprachraum. Größere Investitionen verdankt die Universität den Reparationen des Krieges 1870/71, etwa neue Universitätskliniken und die heutige Universitäts- und Landesbibliothek. In der Studentenfrequenz stand Halle jedoch immer hinter Berlin, Leipzig und München zurück. Seit dieser Zeit ist ein für Halle typisches Phänomen zu beobachten: die Durchgangsuniversität. Wegen begrenzter finanzieller Ressourcen werden hier üblicherweise vergleichsweise junge, talentierte Forscher berufen, die dann nach Berlin, Leipzig oder – seit 1945 – nach Westdeutschland etwa Bonn, Mainz, Göttingen oder München wechseln.

Nach 1918

In der Weimarer Republik galt die Universität als reaktionär und nicht förderungswürdig. Investitionen fanden nicht statt, berufen wurden üblicherweise Gelehrte der zweiten Reihe. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden viele aus politischen Gründen „nicht tragbare“ Gelehrte nach Halle strafversetzt. Zugleich war die Universität erneut sogenannten „Säuberungen“ ausgesetzt, als Grund für die Entlassung von mehr als einem Dutzend Professoren und Dozenten wurden jüdische Abstammung, jüdische Ehefrauen, politisches Engagement für die Sozialdemokratie oder Homosexualität angegeben. Zu den vom NS-Regime von ihren Lehrstühlen Vertriebenen zählten in der Philosophischen Fakultät der Mathematiker Reinhold Baer, der Althistoriker und Numismatiker Clemens Bosch, der Kunsthistoriker Paul Frankl, der Psychologe Adhémar Gelb, die Indologin Betty Heimann, der Historiker Karl Heldmann, der Soziologe, Nationalökonom und Kulturhistoriker Friedrich Hertz, der Philosoph, Psychologe und Kunsttheoretiker Emil Utitz, sowie der Biochemiker Ernst Wertheimer. Weiters wurden der Theologe Günther Dehn, die Rechtswissenschaftler Max Fleischmann, Rudolf Joerges, Guido Kisch und Friedrich Kitzinger, sowie der Ökonom Ernst Grünfeld ihrer Ämter enthoben.

Während des Zweiten Weltkrieges engagierten sich mehrere Professoren in der deutschen Kriegswirtschaft, vor allem als externe Berater von Industrieunternehmen oder auf dem Gebiet kriegswichtiger Grundlagenforschung. Zu nennen sind hier vor allem Chemiker, Physiker, Geologen und Landwirtschaftswissenschaftler. Drei Mediziner beteiligten sich an Massenmorden oder Menschenexperimenten. Zahlreiche Professoren und Dozenten gehörten der NSDAP an und engagierten sich im Sinne des Regimes. Inwiefern der Umbau der Universität zur „nationalsozialistischen Gebrauchshochschule“ (so Rektor Johannes Weigelt 1944) gelang, ist in der Forschung umstritten. 1944/45 gründeten einige Professoren Widerstandsgruppen, was 1945 die beinahe friedliche Übergabe der Stadt Halle an das amerikanische Militär zur Folge hatte. Ein Professor gehörte zu den Verschwörern des 20. Juli 1944, ein Ehrensenator wurde wegen seiner Beteiligung an den Umsturzplänen hingerichtet.

Nach 1945

Unter der Aufsicht der amerikanischen Besatzungsmacht gelang der Universität tatsächlich eine demokratische Erneuerung, die von der Sowjetischen Militäradministration jedoch als nicht zukunftsfähig eingestuft wurde. Auf Druck der SMAD kamen ab 1947 ehemalige Mitglieder des Nationalkomitees Freies Deutschland an die Universität. Zugleich war die Universität stalinistischen Säuberungen ausgesetzt: Studenten und Mitarbeiter verschwanden, einigen von ihnen (z.B. dem Jura-Studenten Hans-Dietrich Genscher) gelang in letzter Minute die Flucht in eine der Westzonen.

Am Volksaufstand des 17. Juni 1953 beteiligten sich Studenten und Lehrbeauftragte. Professoren beobachteten den Aufstandsversuch mit Sympathie und engagierten sich später für Verhaftete. 1958 kam es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen führenden SED-Mitgliedern und konservativen Professoren. Bis 1961 flohen wenigstens 30 Dozenten und Professoren aus politischen Gründen in die Bundesrepublik. Die genaue Zahl derer, deren Karriere zerstört wurde oder die Nachteile in Kauf zu nehmen hatten, ist noch nicht ermittelt.

Die SED erreichte durch den ausgeübten Druck teilweise ihr Ziel, eine gesellschaftskonforme Ausbildungsstätte kommunistischer Funktionseliten zu schaffen. Trotzdem gab es einige Professoren und Dozenten, die sich staatlichen Vorgaben widersetzten oder sie unterliefen.

Die obligatorische politische Indoktrinierung aller Studenten, später auch der Universitätsmitarbeiter, erfolgte ab 1951 durch ein Gesellschaftswissenschaftliches Institut, ab 1960 umbenannt in Institut für Marxismus-Leninismus und ab 1969 in „Sektion für Marxismus-Leninismus“. Diese existierte bis 1990.

Von 1954 bis 1991 gab es die ABF II, auch Institut zur Vorbereitung auf das Auslandsstudium (IVA) genannt. Sie bereitete Schüler aus der gesamten DDR sprachlich, fachlich, ideologisch und landeskundlich auf ein Hochschulstudium im sozialistischen Ausland (insbesondere in der Sowjetunion) in Ein- oder Zwei-Jahres-Kursen vor. Universitätsplatz mit Löwengebäude, Audimax, Juridicum und Melanchthonianum

Nicht zuletzt durch erhebliche Investitionen in naturwissenschaftliche Institute und medizinische Kliniken sowie in eine studentennahe Infrastruktur konnte die Universität Halle, nach Leipzig und Berlin, ihre Stellung als bedeutende wissenschaftliche Einrichtung wieder erlangen.

Durch ihre lange Geschichte ist die Universität mit der Stadt Halle räumlich eng verwoben. Die Universität ist stetig gewachsen; sie hat Gebäude in der gesamten Innenstadt sowie außerhalb davon. Viele Institute sind in alten Villen oder historischen Gebäuden untergebracht. Daneben wurden auch viele Universitätsgebäude neu errichtet oder umfassend renoviert.

Das Empfangsgebäude der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg liegt am Martin-Luther-Erinnerungs-Wanderweg.

Siegelmarken

Verzeichnis der Siegelmarken mit einem Bezug zur Universität.


Text: Wikipedia

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