Nicolaus Gerckensche Familienstiftung

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Die Nicolaus Gerckensche Familienstiftung ist eine in Salzwedel in der Altmark ansässige Stiftung. Seit mehr als 400 Jahren besteht ihre Aufgabe in der akademischen Förderung von Nachkommen der Familie Gercken.

Siegelmarke

Die Stiftung

Geschichte

Im Jahr 1607 bestimmte der Domsyndicus Nicolaus Gercken in seinem Testament, dass sein Vermögen als „ewiges Stipendium“ verwendet werden solle. Da er selbst keine Kinder hatte, sollte die Stiftung zum Nutzen der Nachkommen seines Großvaters dienen und somit in Form einer Familienstiftung das Vermögen erhalten und der Nachkommenschaft der Familie Gercken eine gute akademische Ausbildung ermöglichen. Mit dem Tod Nicolaus Gerckens († 16. August 1610 in Magdeburg) und seiner Frau Margaretha Busse († 30. Januar 1621) nahm die Stiftung ihre Arbeit auf und geriet fast umgehend in eine erste Krisenperiode. Die Unruhen und Kriegswirren des Dreißigjährigen Krieges verhinderten die Ausschüttung von Stipendien; die Zerstörung Magdeburgs durch die Katholische Liga, unter Führung des Feldherrn Johann t’Serclaes Graf von Tilly, kostete die Stiftung einen erheblichen Teil ihres Vermögens. Der sogenannten Magdeburger Hochzeit fiel nicht nur die umfangreiche Privatbibliothek des Stifters, sondern auch eine Vielzahl wichtiger Dokumente zum Opfer.[1]

Auch in den vielfältigen politischen Umbrüchen des 18. und 19. Jahrhunderts war die Stiftung immer wieder von Vermögensverlusten betroffen. Unter anderem wurden Grundstücke der Familienstiftung für den Magdeburger Festungsbau enteignet. Und auch ein Darlehn an die Stadt Halle (Saale) wurde in seinem Wert erheblich herabgesenkt, und bisher angefallene Zinsen wurden restlos gestrichen. Solche Verluste stellten freilich nicht den Regelfall dar. Vielmehr gelang es den Administratoren der Stiftung, die Vermögenssituation durch eine gezielte Vermehrung der Einnahmen stetig zu verbessern und somit dem Nachwuchs eine gezielte Förderung zuteilwerden zu lassen.

Der Erste Weltkrieg bedeutete auch für das Wachstum der Nicolaus Gerckenschen Familienstiftung eine tiefgreifende Zäsur. Die Kriegsjahre kosteten viele junge Familianten das Leben; die Weltwirtschaftskrise in den 1920er-Jahren entwertete zudem den Großteil des Stiftungsvermögens. Nur durch das verbleibende Grundvermögen konnte der finanzielle Ruin abgewendet werden. Wenige Jahre später, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, war allerdings auch dieses bedroht. Auf Beschluss der Reichsregierung sollte das Vermögen per Zwangsverkauf in die Hände der Landwirte gelangen und so die Agrarwirtschaft ankurbeln. Dies konnte allerdings verhindert werden. Die Stunde Null im Mai 1945 brachte dennoch keine Entspannung der Situation, da durch die Besetzung der alliierten Truppen und den Zusammenbruch des Dritten Reiches alle Wertpapiere einem Totalverlust unterworfen waren.[2]

Neben dem Vermögensverlust wurde auch die bürgerliche Kultur der Stiftung fortan in ihrer Existenz stark bedroht. Weder die sowjetische Besatzungsmacht noch die Regierung der DDR hatte Interesse an solchen Familienstiftungen. Spätestens im Mai 1954 bangte die Stiftung schlichtweg um ihr Überleben: Der Rat des Bezirkes Magdeburg forderte die Auflösung der Stiftung; die jedoch aus formalen Gründen nicht zustande kam. Weitere Grundstücksenteignungen und Zwangspfändungen durch die Finanzbehörde Salzwedel erschwerten die Situation weiter. Nur durch das beherzte Eingreifen einzelner Familianten, insbesondere des seit 1986 amtierenden Notpatrons Paul Gerhardt, wurde das Überleben der Stiftung gesichert und der finanzielle Ruin verhindert. Doch erst die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands brachte eine wirkliche Verbesserung der Situation. Neue Familianten wurden registriert und eifrige Spenden verhalfen zu neuem Wachstum und weiterem Grundbesitz. Die Forderung nach Rückerstattung der enteigneten Vermögenswerte war freilich vergebens.

Nicolaus Gerckens Testament

Der Advokat Nicolaus Gercken legte am 27. November 1607 seinen letzten Willen in einem Testament nieder. Darin spezifizierte er seinen materiellen Nachlass, der zur Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten seiner Verwandtschaft beitragen sollte. Um den gesellschaftlichen Status der Familie Gercken zu sichern, legte er seine nicht unerheblichen Vermögenswerte in einer Familienstiftung an. Diese sollte eine nachhaltige Bildung und Ausbildung der Familienmitglieder garantieren.

Das originale Testament existiert heute nicht mehr. Vermutlich ist es in der Magdeburger Hochzeit zerstört worden. Freilich existieren noch mehrere notariell beglaubigte Abschriften des Testaments im Stadtarchiv Salzwedel, das auch das Stiftungsarchiv beherbergt. Noch heute kann man dort die Nachlassbestimmungen des Stifters nachlesen:

„…Ordne, Constituire unndt Vormache ihnen erwentes Stipendium hiermit unndt crafft dieses meines Testaments… also unndt dergestalt: Das nach meiner lieben Hausfrauen tödlichem Abgang, mein Vetter und Testamentarien, Sechs junge Gesellen vonn meiner Freundschafft, vonn meinem Vater und Mutter…Jährlich Funfzik Thaler zu einem Stipendio geben sollen.“[3]

Familientag

Das erste Zusammentreffen der Familianten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde am 30. Mai 1992 abgehalten. Es war der XVI. Familientag in der Geschichte der Familienstiftung. Seitdem findet der Familientag im Turnus von drei Jahren statt, zu dem alle Familianten nach Salzwedel, dem Geschäftssitz der Stiftung, eingeladen werden – mittlerweile werden rund 250 Einladungen verschickt.[4] Ziel des Familientages ist es, sich zu beraten und grundlegende Entscheidungen über Belange der Stiftung zu treffen. Weiterhin sollen zu diesem Anlass das Patronat sowie die Rechnungsprüfer für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt werden. Der XXIV. Familientag wurde vom 4. bis 5. Mai 2013 in Salzwedel veranstaltet.

Das Patronat

Die Belange der Familienstiftung werden von einem Patron, unterstützt durch zwei Testamentarii und Rechnungsprüfer, verwaltet, die für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt werden. Zum ersten Patron der Stiftung wurde im Jahr 1610 Georg Gercken, ein Cousin des Stifters, durch die Familie bestimmt. Bis zu seinem Tod 1635 blieb er im Amt. Zur Seite standen ihm als Testamentarii Nicolaus Gercken, der Sohn von Joachim Gercken, und Nicolaus Binde, ein weiterer Cousin.[5] Unter Georg Gerckens Sohn Sebastian, der 1648 in das Amt eines Testamentarius berufen wurde, konnten zum ersten Mal Stipendien ausgegeben werden.

Seit 2001 gibt es zudem in der Person von Paul Gerhardt einen Ehrenpatron der Nicolaus Gerckenschen Familienstiftung. Diese Auszeichnung wurde ihm für sein beherztes Eingreifen und sein vielfältiges Engagement für die Stiftung in den Jahren der Deutschen Demokratischen Republik zu Teil. Ihm ist wohl auch das Überleben der Stiftung während dieser schwierigen Zeit zu verdanken.

Text: Wikipedia

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