Patriotismus

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Als Patriotismus wird eine emotionale Verbundenheit mit der eigenen Heimat oder dem Vaterland bezeichnet, häufig bezieht er sich auf die Nation. Im Deutschen wird anstelle des Lehnwortes auch der Begriff Vaterlandsliebe als Synonym verwendet.

Diese Bindung wird auch als Nationalgefühl oder Nationalstolz bezeichnet und kann sich auf ganz verschiedene als Merkmale der eigenen Nation angesehene Aspekte beziehen, etwa ethnische, kulturelle, politische oder historische.

Im Unterschied zu einer historisch-kulturellen Bindung steht der Verfassungspatriotismus für das positive Bekenntnis zu den in einer staatlichen Verfassung verankerten übernationalen ethischen und politischen Grundrechten und Wertvorstellungen. Diese beziehen sich in der Tradition westlicher Rechtsstaaten auf die unveräußerliche Menschenwürde und davon abgeleitete Menschenrechte, für die universale Geltung beansprucht wird.

Patriotismus wird häufig vom Nationalismus und dem Chauvinismus abgegrenzt, insofern Patrioten sich mit dem eigenen Volk und Land identifizieren würden, ohne dieses über andere zu stellen und andere Völker ausdrücklich abzuwerten. Er bezieht sich auf die im staatsbürgerlichen Ethos wurzelnde, zugleich gefühlsbetonte, oft leidenschaftlich gesteigerte Hingabe an das überpersönliche staatliche Ganze, das in dieser Form nicht nur als rechtliche und politische Ordnung, sondern als die den Einzelnen tragende Gemeinschaft empfunden wird. Inwieweit dieser Unterschied tatsächlich besteht und historisch wirksam wurde, wird von mehreren Wissenschaftlern bezweifelt.

In Mitteleuropa hat sich der Patriotismus aus dem revolutionär verstandenen Liberalismus und Nationalismus des Bürgertums entwickelt, das gegen den Feudalismus einen demokratisch verfassten Nationalstaat anstrebte. Diese als Macht von unten aufgefasste Volksherrschaft hat sich seit der Amerikanischen Revolution von 1776 und der Französischen Revolution von 1789 langfristig in den meisten europäischen Staaten als Verfassung und Selbstverständnis durchgesetzt, nachdem sie zunächst nur ein Thema intellektueller Eliten gewesen und dann vielfachen historischen Rückschlägen unterlegen war.

Reklamemarken

Verzeichnis der Reklamemarken (Auswahl) mit einem Bezug zum Patriotismus.

Bund für deutsche Schrift

Der getreue Eckart

Sonstige

Deutschland

In der Frühen Neuzeit etablierte sich im deutschsprachigen Raum ein Diskurs über Patriotismus, doch bestand noch kein Konsens, worauf er sich bezog: Auf den unmittelbaren Nahraum, den Territorialstaat mit seiner Herrscherdynastie, das Heilige Römische Reich oder die ganze Welt. Für die Aufklärung etwa bestand kein Gegensatz zum Kosmopolitismus: Die Zeitschrift Der Patriot definierte 1724 ihr eponymes Ideal als einen Menschen, der „die gantze Welt als sein Vaterland, ja als eine eintzige Stadt“ und sich selbst „als einen Verwandten oder Mit-Bürger jedes andern Menschen“ ansehe. 1790 hieß es in der Deutschen Zeitung, ein Patriot finde dort sein Vaterland, „wo er Menschenglück befördern und Menschenelend mindern kann, wozu ihm Gott weiter helfe“.[17] In diesem weiten Sinne einer Gemeinnützigkeit verstanden sich auch die verschiedenen „Patriotischen Gesellschaften“, die typisch waren für die Geselligkeit im Deutschland des 18. Jahrhunderts.[18]

Vor dem Hintergrund des Siebenjährigen Krieges versuchte Friedrich Carl von Moser 1761 einen Reichspatriotismus zu begründen. Dabei unterschied er zwischen Vaterlandsliebe und Patriotismus: Erstere sei unreflektierte Gewohnheit und auf Vorurteilen basierender Gehorsam, letzteren beschrieb er als Liebe zu den freien Gesetzen eines selbst gewählten Vaterlandes. Patriotismus basiere auf Unterordnung partikularer Vaterländer unter das Reich. Damit konnte er sich nicht durchsetzen: Andere wie etwa der der Aufklärungsphilosoph Thomas Abbt beschrieben dagegen Preußen als Vaterland, für das zu sterben sich lohne.[19] 1793 beklagte Christoph Martin Wieland das Fehlen eines patriotischen Gemeingeists: Patrioten fühlten sich stets nur ihrer Heimatregion verbunden, nicht aber „teutsche Patrioten, die das ganze Teutsche Reich als ihr Vaterland lieben“.[20]

Seit den Befreiungskriegen erschien ein Reichspatriotismus nach dem Versagen der Reichsinstitutionen gegenüber Napoleon und dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 nicht mehr möglich. Referenz der deutschen Patrioten wurde nun zunehmend die deutsche Nation, die als Kulturnation oder ethnisch definiert wurde. Der Wunsch nach nationaler Einheit und der Überwindung alles Trennenden im deutschen Sprachraum oder auf dem Gebiet des Deutschen Bundes verbreitete sich langsam, aber stetig. Häufig war dieser Wunsch verbunden mit einer Frontstellung gegen Frankreich. Dies wurde besonders deutlich während der Rheinkrise 1840, als Frankreich Anspruch auf die Rheingrenze erhob. In dieser Zeit entstanden bekannte patriotische Lieder wie Die Wacht am Rhein oder August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens Deutschlandlied, das als Zweck der nationalen Einheit „Schutz und Trutz“ gegenüber einem nicht genannten Feind nennt. Im Kaiserreich von 1871 verstärkte sich der Trend zu „nationaler Überheblichkeit“ (Umdeutung der Phrase „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“). Der deutsche Patriotismus bezog sich aber auch nach der Reichsgründung 1871 nicht ausschließlich auf das Deutsche Reich, sondern auch auf die Gliedstaaten. Otto von Bismarck bemerkte in seinen Memoiren Gedanken und Erinnerungen: „Deutscher Patriotismus bedarf in der Regel, um tätig und wirksam zu werden, der Vermittlung dynastischer Anhänglichkeit“. Auch aus diesem Grund war die bismarcksche Reichsverfassung föderalistisch.[21]

Auch die deutsche Arbeiterbewegung wurde bei Kriegsausbruch 1914 von der patriotischen Welle erfasst (Augusterlebnis), was zu ihrer Spaltung beitrug. Nach dem Ersten Weltkrieg beriefen sich die Nationalsozialisten auf den Patriotismus, um allgemeine Zustimmung für ihre verbrecherischen Ziele zu bekommen.[22]

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland spielte Patriotismus infolge der nationalsozialistischen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg nur noch eine untergeordnete Rolle. Wiederholt wurde vor allem von konservativer Seite das Fehlen eines massenwirksamen Patriotismus beklagt.[23] Eine Studie aus dem Jahr 2011 verglich den Patriotismus in 53 Staaten in den Jahren 1980 bis 2001 anhand der Frage, ob man stolz auf sein jeweiliges Land sei. Deutschland hatte danach noch hinter Japan den geringsten Grad an Patriotismus weltweit, den höchsten Grad erreichte Venezuela.[24] Öffentlich sichtbar wurden stattdessen ein Verfassungspatriotismus[25] und ein so genannter Party-Patriotismus, wie er sich bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 zeigte.[26] Laut einer Studie der Identity Foundation waren 2009 60 % der Deutschen stolz auf ihr Land.[27] Laut Statista waren es sogar 83 %.[28] In einer 2020 durchgeführten Umfrage des Pew Research Center gaben 53 % der in Deutschland befragten Teilnehmer an, stolz auf ihr Land zu sein, der höchste Wert unter den befragten Nationen (Frankreich, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten).[29]

Die DDR versuchte ab den 1970er Jahren einen eigenen, sozialistischen Patriotismus zu verbreiten, der sich vom „Klassenfeind“ Bundesrepublik abgrenzen und gleichzeitig die Bevölkerung ideologisch integrieren sollte.[30]


Text: Wikipedia

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