Reuß älterer Linie

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Das Fürstentum Reuß älterer Linie war ein Kleinstaat im Osten des heutigen Landes Thüringen. Landeshauptstadt war Greiz. 1778 wurde Reuß ä. L. zum Fürstentum erhoben.

Siegelmarken

Geschichte

Reuß älterer Linie ist ein Hauptzweig des Hauses Reuß. Das Fürstentum Reuß ältere Linie entstand am 12. Mai 1778 mit der Erhebung Heinrichs XI. in den Reichsfürstenstand[1] aus der Grafschaft Greiz ältere Linie. Diese war am 17. März 1768 nach dem Tod Heinrichs III., Graf von Untergreiz, und der Vereinigung von Obergreiz und Untergreiz unter Heinrich XI. entstanden. Rund hundert Jahre früher, am 26. August 1673, war die Erhebung Heinrichs I. Reuß-Obergreiz und aller Herren Reuß in den Reichsgrafenstand unter der Lehnshoheit zur böhmischen Krone erfolgt.[2] 1807 trat das Fürstentum dem Rheinbund bei und stand damit bis 1813 unter der Protektion Napoleons, ehe es 1815 Mitglied des Deutschen Bundes wurde. Auf dem Wiener Kongress konnte Fürst Heinrich XIII. ein vorher zwischen dem Königreich Sachsen und Reuß strittiges Gebiet für sich gewinnen. Es handelte sich dabei um die einst dem Kloster Mildenfurth zugehörigen Dörfer Altgommla und Kühdorf sowie um Teile der Dörfer Alt- und Neugernsdorf. 1833 wurde Reuß ä. L. im Zoll- und Handelsverein der Thüringischen Staaten Mitglied des Deutschen Zollvereins.

Für die Geschichte 1848 bis 1851 siehe Revolution von 1848/1849 in Reuß älterer Linie.

Im Deutschen Krieg 1866 war Reuß ä. L. aufgrund historischer Verbindungen (unter anderem war Heinrich XIII. kaiserlich-österreichischer Generalfeldzeugmeister) und dynastischer Beziehungen Verbündeter Österreichs. Während der Kriegshandlungen lag das Fürstentum abseits von den Geschehnissen. Die preußische Kriegserklärung erfolgte am 21. Juni, erst am 11. August 1866 kam es zur militärischen Besetzung durch zwei Kompanien.

An eine Aufnahme eines selbständigen Reuß ä. L. in den von Preußen neu gegründeten Norddeutschen Bund war dabei noch nicht gedacht. Vielmehr sollte dieser Staat im Rahmen eines Gebietsaustausches zwischen Preußen (Kreis Ziegenrück) und Reuß jüngerer Linie aufgeteilt werden. Allerdings bewahrte die Fürsprache des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach beim preußischen König Wilhelm I. das Fürstentum vor diesem Schicksal. Auch bezüglich Abtretungen erkannte man, dass Reuß ä. L. zu klein war, um noch kleiner gemacht zu werden. Daher erfolgte an Stelle von Landabtretung eine Geldzahlung von 100.000 Talern, welche je zur Hälfte das Fürstenhaus und das Land trugen.

Am 26. September 1866 wurde dann in Berlin der Friedensvertrag unterzeichnet, durch den Reuß ä. L. zwangsweise dem Norddeutschen Bund beitrat. Damit war das Land nur noch ein Gliedstaat dieses neuen Bundesstaates, der am 1. Juli 1867 seine Bundesverfassung erhielt. Im Jahr 1871 traten die Südstaaten bei, sodass der Bundesstaat in Deutsches Reich umbenannt wurde.

Als 1880 die Gliedstaaten verpflichtet wurden, beim Bundesrat in Berlin ständige Vertretungen einzurichten, übertrug das Fürstentum seine Vertretung auf das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin.[3] Nach dem Tod von Heinrich XXII. übernahm dies das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach.

Reuß ä. L. blieb ein sehr konservativer Staat. So bedurften Vereinsgründungen einer staatlichen Genehmigung und politische Vereine jeder Richtung waren verboten. Im Sommer 1851 verabschiedete der Landtag zwar eine Verfassung, die jedoch so lange hinausgezögert wurde, dass eine Publizierung in Anbetracht der zunehmenden Reaktion nicht mehr nötig war. Erst die Aufnahme in den Norddeutschen Bund machte eine Verfassungsdiskussion wieder notwendig. So führte das Fürstentum mit der Verfassung des Fürstentums Reuß älterer Linie vom 28. März 1867 als letzter Staat Thüringens die konstitutionelle Monarchie ein. Der neue Greizer Landtag setzte sich aus zwölf Abgeordneten zusammen, von denen drei vom Fürsten ernannt, zwei von Rittergutsbesitzern und den größten Bauern bestimmt und sieben in drei städtischen und vier ländlichen Wahlkreisen im indirekten Verfahren gewählt wurden.

Fürst Heinrich XXII. versuchte weiterhin, die selbstherrliche Regierungsweise fortzuführen, die Reuß ä. L. zu einer Hochburg eines orthodoxen Luthertums machte. Sein Verhalten gegenüber den Vertretern Preußens war durch Abneigung bis Feindschaft gekennzeichnet. Die preußische Presse gab ihm den Beinamen „der Unartige“. Insbesondere mit der Rüstungspolitik und der Außenpolitik des Reiches war er nicht einverstanden, so dass unter anderem als einziger Gliedstaat Reuß ä. L. im Bundesrat 1900 gegen die China-Expedition und 1901 gegen den Etat des Auswärtigen Amtes sowie gegen den Kolonialetat stimmte. Aber auch gegen die Einführung der obligatorischen Zivilehe, des BGB, die Kulturkampfgesetze und sogar gegen die Sozialistengesetze wurde gestimmt.

Das Fürstentum war ein Staat der Extreme, als einziger deutscher Staat 1910 ohne Schulden[4], als einziger bis zur Gründung des städtischen Gymnasiums in Greiz 1879 ohne Schule, die zur Hochschulreife führte.

Mit dem Tod von Fürst Heinrich XXII. endete 1902 die Regentschaft der älteren Linie, da sein Sohn Fürst Heinrich XXIV. für geisteskrank und somit dauernd regierungsunfähig erklärt worden war. So fiel die Vormundschaft und Regentschaft an Fürst Heinrich XIV. (Reuß jüngere Linie). Seit 1908 regierte sein Sohn Heinrich XXVII. beide Fürstentümer in Personalunion bis 1918.

Nach der Novemberrevolution 1918 wurde Reuß ä. L. ein Freistaat, der sich aber schon 1919 mit dem Freistaat Reuß j. L. zum Volksstaat Reuß mit der Hauptstadt Gera vereinigte, der wiederum 1920 im Land Thüringen aufging.

Wirtschaft

Insbesondere die Textilindustrie war in Reuß ä. L. stark vertreten. 1860 wurde an Stelle der Leinen- und Baumwollweberei die Kammgarnweberei eingeführt. Zur Veredelung der Weberei-Erzeugnisse gab es Färbereien und Appreturanstalten. 1864 wurde in Greiz der erste mechanische Webstuhl aufgestellt. Im Jahr 1900 gab es 10.876 Webstühle.

Verwaltungsgliederung

An der Spitze des Staates stand der Fürst. Darunter bestand eine zweistufige Verwaltungsorganisation.

Geheimes Kabinett

Das Geheime Kabinett war eine Behörde die direkt für den Landesherrn und das Fürstenhaus tätig war. Das Kabinett bearbeitete die Angelegenheiten des fürstlichen Hauses. Dazu gehörten teilweise auch außenpolitische Funktionen. Dem Kabinett nachgeordnet war die Schatullenverwaltung der fürstlichen Familie.

Kammer

Das Kammer war als Behörden für die Finanzen des Landesherrn und das Fürstenhaus zuständig. Dazu gehörte die Verwaltung des fürstlichen Besitzes, insbesondere der Domänen und der Schlösser. Die Einnahmen der Kammer aus den fürstlichen Gütern und Einkünften dienten der Finanzierung des Fürstenhauses, eine Zivilliste bestand nicht. Der Kammer waren nachgeordnet: das Fürstliche Forstdepartement, die Fürstliche Hofhaltung, die Adjutantur, der Fürstliche Marstall, die Generalkasse und die Forstgeldeinnahme, das Rentamt und die Fürstliche Hofwirtschaft.

Landesregierung

Die Fürstliche Landesregierung mit der Landeskasse (so die Bezeichnung ab 1852) war die obere Behörde für die innere Verwaltung, die Justizverwaltung (bis 1868), das staatliche Finanzwesen und die Beziehung zu den Reichsbehörden (seit der Reichsgründung 1871). Bis 1868 war sie auch Gericht mittlerer Instanz (diese Aufgabe ging auf das gemeinsame Appellationsgericht Eisenach über).

An der Spitze der Landesregierung stand ein Regierungspräsident, der gleichzeitig Präsident des Konsistoriums war. Die Landesregierung bestand daneben aus mehreren Regierungsräten. Die Regierung war bis zum Ende des Fürstentums nicht nach dem Ressortprinzip, sondern nach dem Kollegialitätsprinzip organisiert. Dies stellte im deutschen Kaiserreich einen Anachronismus dar.

Unterbehörden waren die 5 Ämter (Obergreiz, Untergreiz, Dölau, Burgk und Zeulenroda) und die Stadträte der Städte Greiz und Zeulenroda. Die Ämter Obergreiz, Untergreiz und Dölau wurden 1855 zum Justizamt Greiz zusammengefasst.

Konsistorium

Das Fürstliche Konsistorium war die Oberbehörde für Kirchen- und Schulangelegenheiten. Die vier Mitglieder waren der Regierungspräsident als Konsistoriumspräsident, der Superintendent und Stadtpfarrer von Greiz in seiner Eigenschaft als Konsistorialrat, einem Regierungsrat, der ebenfalls gleichzeitig Konsistorialrat war, und einem Kirchenrat (zumeist der Archidiakon von Greiz). Daneben wirkte in Schulsachen der Landesschulinspektor (dieser war typischerweise gleichzeitig Direktor des Fürstlichen Lehrerseminars) im Konsistorium mit. Auch das Konsistorium war bis 1868 als Gericht (für Kleriker sowie in Ehesachen und als Nachlassgericht) tätig.[5]

Verwaltungsreform von 1868

1868 wurde die Verfassung erlassen und eine Verwaltungsreform durchgeführt. Im Rahmen der Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung wurde am 1. Oktober 1868 ein Landratsamt in Greiz für das gesamte Fürstentum eingerichtet. In der Exklave Burgk übernahm das dortige Justizamt einen Teil der Befugnisse des Landratsamts.[6][7]


Text: Wikipedia

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