Verein für die Geschichte Berlins

Aus veikkos-archiv
Wechseln zu: Navigation, Suche

Der Verein für die Geschichte Berlins e.V., gegr. 1865, ist der älteste Berliner Geschichtsverein. Bei der Institutionalisierung und Professionalisierung der Berliner Geschichtsschreibung und -wahrung agierte der Verein oft als maßgeblicher Impulsgeber. Von seiner Gründungsphase bis zum Ende des Kaiserreichs liest sich seine Mitgliederliste wie das „Who’s who“ des Berliner Besitz- und Bildungsbürgertums, heute ist er ein Querschnitt der Berliner Bevölkerung.[3] Bis heute ist der Verein mit über 700 Mitgliedern eine der größten Berliner Kulturorganisationen. Er fungiert zusätzlich als Landesverband des Bundes Heimat und Umwelt in Deutschland.[4] Seit 2018 vergibt er einen mit 4000 Euro dotierten Wissenschaftspreis.

Reklamemarken und Siegelmarken

Geschichte

Gründung (1865)

Berlin wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, getrieben durch die Industrialisierung und die zunehmende Bedeutung als Hauptstadt, enorm, so dass sich die Bevölkerung von 1848 bis 1865 verdreifachte. Entsprechend dem erweiterten Platz- und Geltungsbedarf wurde sukzessive historische Bausubstanz für Neubauten abgetragen. Besonders das Vorhaben, die mittelalterliche Gerichtslaube abzureißen, stieß auf heftige Proteste. Dies nahmen der jüdische Arzt Julius Beer und der Stadtsekretär Ferdinand Meyer zum Anlass und veröffentlichten im Januar 1865 in verschiedenen Zeitungen einen Aufruf zur Gründung eines Geschichtsvereins. Am 28. Januar 1865 konstituierte sich der Verein für die Geschichte Berlins im Café Royal (Unter den Linden 33, Ecke Charlottenstraße) unter der Leitung des Oberbürgermeisters Karl Theodor Seydel, der auch zum Gründungsvorsitzenden gewählt wurde. Unter den 28 Gründungsmitgliedern waren u. a. Oberbürgermeister a. D. Heinrich Wilhelm Krausnick, Stadtarchivar Ernst Fidicin, Architektur-Professor Dr. Friedrich Adler und der Gründer der Berliner Berufsfeuerwehr Adolf Gerstenberg.

Forschung und Expansion (1865–1914)

Mit der Gründung bildete der Verein zwei Kommissionen zur Vorbereitung eines Berlin-Archivs / einer Berlin-Bibliothek sowie eines Berlin-Museums. Letzteres mündete in einem offiziellen Brief an den Magistrat, mit der Aufforderung, ein stadthistorisches Museum zu gründen, das 1874 in Form des Märkischen Provinzialmuseums umgesetzt wurde. Der Gründungsleiter des Museums, Ernst Friedel, war ebenso Mitglied des Vereins wie einige Persönlichkeiten des wissenschaftlichen Museums-Beirates. Der VfdGB übergab dem Museum seine Sammlungen als Depositum.[19] Ab 1875 überließ der Magistrat dem Verein langfristig Räumlichkeiten im Deutschen Dom, was den Mitgliedern den zeitgenössischen Titel "Domherren" einbrachte.

Während des Kaiserreichs wuchs die Mitgliederzahl des VfdGB stark an und erreichte Ende 1914 die bisherige Höchstzahl von 1.052 Personen. Verursacht wurde dieser „Hype“ nicht zuletzt durch ein offizielles Protektorat der beiden deutschen Kaiser Friedrich III. und Wilhelm II. ab 1886. Wilhelm II. nahm am 22. Januar 1908 und 1911 sogar persönlich mit seiner Gattin Auguste Viktoria an Vorträgen teil, woraufhin der Verein eine Gedenkmedaille prägen ließ. Die Protektion beinhaltete einen jährlichen finanziellen Zuschuss, die Förderung des Vereins durch Schenkungen und Begünstigungen sowie die Anerkennung als juristische Person seit 1877. In Folge dieser Prestigegewinnung traten weitere hochrangige preußische Militärs und Beamte in den Verein ein.

Von Beginn an widmeten sich der Verein und seine Mitglieder[20] der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Stadtgeschichte. Die erste öffentliche Veranstaltung fand 1865 im Hörsaal der ältesten Berliner Schule (Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster) statt. Das erste Heft der „Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins“ erschien im gleichen Jahr. Bis 1914 publizierte der VfdGB 49 weitere Hefte.[21] 1885 präsentierte der Verein die erste Publikation zu den Berliner Straßennamen[22] und auf sein Betreiben hin erstellte der Magistrat 1886 erstmals ein Denkmalverzeichnis. Gleichzeitig wurde intern über die wissenschaftliche Kompetenz einzelner Amtsträger diskutiert, was um 1890 zu zahlreichen Austritten führte. Als Folge wurden der Geschichtsverein Brandenburgia „Gesellschaft für die Heimatkunde der Provinz Brandenburg“ (1891) und der Verein für die Geschichte der Vororte von Berlin (1892) gegründet. Schon 1884 gründeten Vereinsmitglieder den Vorläufer der heutigen Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V..

1872 ehrte der Verein seinen Spiritus rector, den Stadtarchivar Ernst Fidicin, mit einer goldenen Medaille, die er vom Kaiser persönlich am 15. Juni in Potsdam überreicht bekam. Weitere Exemplare dieses heute als „Fidicin-Medaille“ bekannten Gepräges in Silber und Bronze konnten bis 1882 käuflich erworben werden, anschließend wurde sie in Silber nur noch verliehen.

1884 untermauert der VfdGB seinen gesellschaftlichen Anspruch und wurde zum geschäftsführenden Verein des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. Schriftleiter des Vereinsorgans blieb er bis 1899.

1891 vermachte Charlotte von Oven dem Verein 30.000 Mark, um Berliner Theater-Mitglieder zu unterstützen.

Der Verein war 1896 auf der Berliner Gewerbeausstellung verantwortlich für den Bereich „Alt-Berlin“. 1902 gab der Verein erstmals seinen Berlin-Kalender heraus.

Erster Weltkrieg (1914–1918) Der Verein, der 1914 noch ein „vaterländisches Prinzip“ hatte, begrüßte die Kriegserklärung nicht mehr und nicht weniger als andere bürgerliche Vereine. Sein fast gesamtes Vermögen investierte der VfdGB in Kriegsanleihen. Ein weiterer Einschnitt in das Vereinsleben erfolgte 1915, als die Festschrift anlässlich des 50. Bestehens verschoben und die bis dahin üblichen Besichtigungen und Wanderfahrten ausgesetzt werden mussten. Im gleichen Jahr sank die Mitgliederzahl wieder unter 1.000. 1916 starb der Erste Vorsitzende Richard Beringuier in Russland an einem Herzversagen. Die Sitzungen mussten ab 1917 aufgrund fehlenden Brennholzes vom deutschen Dom in das Rathaus verlegt werden. Die Vorträge wurden ins Graue Kloster verlegt. Mit der Abdankung des Kaisers am 28. November 1918 und seiner Emigration ins holländische Exil endete auch die Phase des Protektorats.

Neuorientierung in der Weimarer Republik (1918–1933) Das erste gesellschaftliche Großereignis nach dem Weltkrieg organisierte der Verein anlässlich des 100. Geburtstages seines Ehrenmitglieds Theodor Fontane im Roten Rathaus. Die anhaltende Inflation spürte auch der Verein, so dass die eigenen Mitteilungen ab 1922 mit einem Anzeigenteil zur Spendenakquise erschienen. In diesem Zusammenhang muss wohl auch die Entscheidung des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung von 1923 betrachtet werden, der die Vereinsbibliothek aufgrund ihrer hohen Bedeutung für die Allgemeinheit unter Schutz stellte.[23] In der Weimarer Republik diente der Verein weiterhin als Netzwerk für andere Zusammenschlüsse, so gründeten einige Mitglieder 1925 den Willibald-Alexis-Bund und zahlreiche Mitglieder waren Teil der neu gegründeten Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin. 1926 wurde eine Stecknadel mit Vereinsabzeichen eingeführt. Es existierte auch ein Vereinsausweis, der ab 1928 zum freien Eintritt ins Germanische Nationalmuseum Nürnberg berechtigte. Ein besonderes Highlight war das 64. Stiftungsfest 1929, bei dem Claire Waldoff sang. Nicht zuletzt durch die Weltwirtschaftskrise sank die Mitgliederzahl bis 1930 auf unter 700 Personen.

Umwälzungen im Dritten Reich (1933–1945)

In der NS-Zeit musste sich auch der Verein für die Geschichte Berlins anpassen. 1933 wurde aus dem Vorsitzenden Hermann Kügler der Führer des Vereins, wobei sich Kügler schon 1935 wieder offiziell als Vorsitzender bezeichnete. Das langjährige Vorstandsmitglied Ernst Kaeber musste seine Ämter aufgeben, da er den Nationalsozialisten aufgrund seiner jüdischen Ehefrau nicht mehr passte. 1936 versucht Kügler, wohl angesichts stark sinkender Mitgliederzahlen[24], einen ersten Vorstoß, auch Frauen aufzunehmen. Dies wurde jedoch vom Führerrat abgelehnt. 1937 wurde der Beschluss gefasst, jüdische Mitglieder[25] auszuschließen. Im gleichen Jahr trat der nationalsozialistische Oberbürgermeister Julius Lippert bei. Das 75. Stiftungsfest fiel kriegsbedingt aus. Am 10. Januar 1942 beschloss die Hauptversammlung die Aufnahme von Frauen. 1942 hielt Max Planck einen exklusiven Vortrag zu „Sinn und Grenze der exakten Wissenschaft“. Am 23. November 1943 wurde das Vereinsdomizil, der Deutsche Dom, von einer Bombe sehr stark beschädigt.

Neuaufbau im geteilten Berlin (1945–1990) 1949 konstituierte sich ein gleichnamiger Verein als „eingetragener Verein“, der sich nicht als Rechtsnachfolger des 1865 gegründeten Vereins sah. Somit bestanden zwei gleichnamige Vereine, wobei die Aktivitäten des alten ruhten. Am 2. Mai 1961 löste sich der neue Verein auf und trat geschlossen dem alten Verein bei. Von 1961 bis 1966 führten den Verein zwei Vorsitzende. Zur Eröffnung des Berlin Museums in West-Berlin im Jahre 1964 beteiligte sich der Verein mit Leihgaben. Zur Hundertjahrfeier 1965 gratulierte Erich Mende im Namen der Bundesregierung und Willy Brandt wurde zum Ehrenmitglied ernannt. 1972 konnten erstmals wieder über 700 Mitglieder gezählt werden. Ein Jahr später zog der Verein vom Ernst-Reuter-Haus in das Rathaus Charlottenburg, von wo aus er 1989 in Räumlichkeiten der Berliner Sparkasse am U-Bahnhof Blissestraße zog. Zur 125-Jahr-Feier im Jahre 1990 konnten erstmals wieder viele Personen aus den östlichen Teilen Berlins begrüßt werden.

Neuorientierung nach der Wiedervereinigung (1990–2015)

1991 konnte die Mitgliederversammlung erstmals wieder im Roten Rathaus stattfinden. Der Verein forderte direkt nach der Grenzöffnung die Wiederherstellung der historischen Mitte Berlins. 1996 begann der Verein den Aufbau seiner Internetpräsenz. Seit 1997 befindet sich die Bibliothek des Vereins wieder in Berlin-Mitte im Neuen Marstall. 2003 überließ der Verein die fotografische Sammlung seiner ersten Mitglieder der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin für ein Forschungsprojekt zu Berliner Fotografenateliers im 19. Jahrhundert.[26] Seit dem 9. November 2005 ist der Verein ein eingetragener Verein[27] 2007 begann die Digitalisierung der Mitteilungen bis zum 60. Jahrgang.[10] 2011 finanzierte der Verein die Grabrenovierung seines Gründungsmitgliedes Julius Beer auf dem Jüdischen Friedhof. Ein Jahr später enthüllte der Berliner Staatssekretär André Schmitz die Gedenktafel für den Verein. 2013 beteiligte sich der Verein am Berliner Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“ und arbeitete seine eigene Geschichte im Nationalsozialismus auf.

Jubiläumsjahr 2015

Der Neujahrsempfang anlässlich des 150-jährigen Bestehens fand am 28. Januar 2015 in der Nikolaikirche statt. Im Rahmen des Festaktes wurden Eberhard Diepgen und Walter Momper die Urkunden für die Ehrenmitgliedschaft überreicht und Wolfgang Ribbe referierte über Berliner Erinnerungskultur.[28] Im Jubiläumsjahr wurde erstmals das Heft Berliner Geschichte in Kooperation mit dem Elsengold Verlag publiziert und das Mitteilungsheft wurde im Layout überarbeitet. Zusätzlich kooperierte der Verein mehrfach mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg für das Format Sonntagsfrage in der rbb Abendschau.[29]


Text: Wikipedia

Liste der Autoren

Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein. Einzelheiten sind in den Nutzungsbedingungen von Wikipedia beschrieben.